Welt-Aids-Tag 2007 Leben mit HIV und Aids Krank und abgebrannt? Manche leben gut mit dem HI-Virus. Aber man weiß nie, was als Nächstes kommt. Köln, 8. Oktober 2007 – „HIV-positiv“ – diese Diagnose ist heute nicht mehr automatisch ein Todesurteil. Denn dank wirksamer Medikamente ist die Infektion meist gut behandelbar. Eines kann die Behandlung aber nicht: heilen, also das Virus aus dem Körper entfernen. HIV ist heute eine schwere chronische Erkrankung – aber mit oft gravierenden, manchmal auch lebensbedrohlichen Komplikationen. Die Diagnose ändert das Leben von Grund auf. Der Umgang mit Freundinnen und Freunden oder gar mit einer neuen Liebe kann zur seelischen Belastung werden. In vielen Fällen folgen Schwierigkeiten im Beruf, finanzielle und versicherungsrechtliche Probleme. Am Ende droht der soziale Abstieg. Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen sind häufige medizinische Konsequenzen. „´Wie lange wird es mir gut gehen?´ Diese Frage ist ein ständiger Begleiter“, sagt Dirk Hetzel, bei der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. in Berlin, Referent für Menschen mit HIV und Aids. Die Sorge ist berechtigt. Folgeerkrankungen schränken das Leben vieler Infizierter ein. HIV steht für Humanes Immundefizienz-Virus. Viele Betroffene fühlen sich dauernd schlapp und müde. Erreger, die bei einem gesunden Immunstatus kaum bedrohlich sind, haben leichteres Spiel. Wegen langer Krankheitsphasen und chronischer Erschöpfung können viele nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten, sind auf knappe Renten oder Hartz IV angewiesen. „Der Teufelskreis aus Verarmung, Ausgrenzung und Depression schließt sich allzu oft für HIV-Positive“, weiß Carlos Stemmerich von der Kölner AIDS-Hilfe. Wer gut mit seiner Therapie zurechtkommt, kann jedoch auch lange Zeit leistungsfähig bleiben. Dirk Hetzel: „Kaum ein berufstätiger Mensch mit HIV kann sich aber als HIV-positiv ´outen´. Unbegründete Infektionsängste bei Kollegen, moralische Vorbehalte, Mitleid, Mobbing, im schlimmsten Fall die Kündigung, obwohl eine HIV-Infektion kein Kündigungsgrund sein darf – all das ist auch heute noch Realität.“ Dabei sei ein offener und angstfreier Umgang mit der Infektion wichtig, denn Versteckspielen raube Kraft und sei darüber hinaus Gift fürs Immunsystem. Für viele Betroffene ist der Welt-Aids-Tag deshalb besonders wichtig. Sven Christian Finke, Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe: „Solidarität ist für viele Menschen nur ein Wort, für Menschen mit HIV aber eine wichtige Voraussetzung dafür, gut mit dem Virus leben zu können.“ Man kann mit dem HI-Virus leben – nur vergessen kann man es nicht. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und ein aufwendiges Nebenwirkungsmanagement erfordern eine ständige Beschäftigung mit dem Thema. Die Nächte durchfeiern, mal spontan ohne Tabletten wegfahren? Besser nicht. Auch Fernreisen können zum Problem werden: Manche Länder, etwa die USA, verweigern Infizierten die Einreise. Mit HIV/Aids zu leben heißt, Spielräume einzubüßen. Im besten Fall. Im weniger günstigen Fall bedeutet es ein Leben mit der Angst. Trotz Medikamenten sterben bei uns jedes Jahr etwa 800 Menschen an den Folgeerkrankungen des HI-Virus. „Die Statistiken zeigen: Enddarm- und Lymphkrebs kommen überproportional häufig vor“, berichtet Dr. Uwe Naumann, Arzt in der HIV-Schwer-punktpraxis Kaiserdamm in Berlin. Selbst modernste Präparate dringen nicht in alle Bereiche des Nervensystems vor, in denen sich das Virus vermehrt. „Das kann zu Konzentrationsstörungen und Gedächtnisschwächen oder sogar Aids-Demenz führen, wenn es sich um eine besonders gefährliche Virusvariante handelt“, sagt Professorin Gabriele Arendt, die an der Uni Düsseldorf die neurologischen Folgen des HI-Virus erforscht. Sieben bis zehn Prozent der Infizierten erkranken an dieser schweren der Alzheimer-Erkrankung sehr ähnlichen Form. Vorhersagen über den Verlauf sind unmöglich: „Aids-Demente sind einfach anfälliger.“ Medikamente gibt es noch keine. „Das einzige, was hilft, ist nicht infiziert zu werden“, so Arendt. Auch die Furcht, bei einem offenen Umgang mit der Krankheit abgewiesen und stigmatisiert zu werden, erzeugt bei Betroffenen einen enormen inneren Druck – nicht zuletzt, weil sich die Angst oft als gerechtfertigt erwiesen hat. „Wenn sich jemand verliebt, nimmt die Frage: ‚Wann und wie sage ich es?’ geradezu dramatische Dimensionen an“, erzählt Carlos Stemmerich mit Blick auf einen langjährigen Klienten. „Der 35-jährige Mann kommt mit dem HI-Virus selber gut zu recht – aber an der langjährigen Partnerlosigkeit krankt er geradezu.“ Aus unzähligen Beiträgen bei Positiven-Treffen weiß Stemmerich: „Für viele ist ein Leben mit dem Virus ein Leben ohne Partner. Die Angst, sich zu outen und so einen geliebten Menschen zu verlieren oder gar nicht erst zu gewinnen, sitzt ganz tief.“ „Die Auswirkungen von HIV mögen nicht mehr so verheerend wie in den 80er-Jahren sein“, sagt Dirk Hetzel, „aber weder die Gefahr noch die Stigmatisierung sind wirklich vorbei. Und so lange dies sich nicht ändert, bleibt auch der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember hochaktuell.“
Kontakt: Günther Damm steinrücke+ich agentur für sozialmarketing, kommunikation und fundraising Bismarckstr. 12 50672 Köln T: +49 221 569656-19 F: +49 221 569656-20 damm@steinrueckeundich.de Gerne vermitteln wir Ihnen folgende Interviewpartner: Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln Sven Christian Finke, Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe, Berlin Dirk Hetzel, Referent für Menschen mit HIV und Aids, Deutsche AIDS-Hilfe e.V., Berlin Carlos Stemmerich, AIDS-Hilfe Köln e.V. Prof. Gabriele Arendt, Universität Düsseldorf Wer sich ausführlicher über das Thema „Leben mit HIV heute“ informieren will, dem sei das Buch „Blickpunkt Aids“ empfohlen (herausgegeben von Corinna Gekeler und Dirk Hetzel, kostenlos zu beziehen über die Deutsche AIDS-Hilfe unter www.aidshilfe.de).
|