Aufgrund der Eskalation des Konflikts in Somalia und der Dürre am Horn von Afrika nimmt die Zahl der Flüchtlinge zu: Im Jahr 2007 riskierten nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 30.000 Menschen die gefährliche Reise in den Jemen, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es bereits mehr als 20.000 Menschen. Viele von ihnen kamen nie an: 2007 wurden 1.400 Tote und Vermisste registriert, in diesem Jahr haben bereits 400 Menschen die Küste des Jemen nicht lebend erreicht.
Ärzte ohne Grenzen veröffentlicht den Bericht einen Tag vor dem Welt-Flüchtlingstag am 20. Juni. Er beruht auf mehr als 250 Zeugenaussagen, die von Ärzte ohne Grenzen im Jemen seit 2007 zusammengetragen wurden. Die Flüchtlinge kommen erschöpft an, viele von ihnen sind krank und seelisch zerrüttet. In Booten von acht bis zehn Metern Länge, die für maximal 30 bis 40 Menschen gebaut wurden, sind über 100 Passagiere gezwängt.
Nach Aussagen der Betroffenen verhalten sich die Schlepper äußerst brutal und schlagen Passagiere, die sich bewegen. Besonders schlimm sind die Bedingungen in den kleinen, fensterlosen Laderäumen der Boote. Hier drängen sich zwanzig oder mehr Menschen, die aufeinander sitzen müssen. Die Bedingungen sind so dramatisch, dass bei einem Drittel der Boote Todesfälle während der Reise auftreten. Die Hauptursachen dafür sind brutale Schläge, fehlendes Wasser und Essen oder Tod durch Ersticken. Einige berichteten, dass Schlepper Passagiere, darunter Kinder, über Bord warfen.
Das Anlegen an der jemenitischen Küste ist sehr gefährlich: Um nicht vom Militär gefasst zu werden, kommen viele Boote in der Nacht an und halten ein Stück vom Ufer entfernt. Die Schlepper zwingen die Passagiere ins tiefe Wasser zu springen, viele Menschen ertrinken dabei. Die meisten der Befragten sind sich der Risiken bewusst, erklärten den Teams von Ärzte ohne Grenzen aber, dass sie keine andere Wahl hätten und dies ihre einzige Möglichkeit sei, vor Gewalt und Armut zu flüchten.
Für jene, die nach der gefährlichen Reise an der Küste des Jemen ankommen, ist die Not jedoch nicht vorüber: Der Jemen ist ein ressourcenknappes Land, und die geleistete Hilfe ist spärlich: "Bis zum jetzigen Zeitpunkt war die humanitäre Hilfe unzureichend. Es ist dringend mehr internationale Hilfe notwendig, und die Geberländer sollten sich politisch und finanziell engagieren. Die Kapazitäten der Helfer müssen verstärkt werden, und zusätzliche Hilfsorganisationen sollten einschreiten", sagte Alfonso Verdú, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Jemen.