PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. Presseerklärung 8. April 2008 Es begann mit 1000 Leichensäcken Der Libyenskandal: Die europäische Polizeikooperation mit Ghaddafi nicht ausblenden PRO ASYL: Die Kooperation ist nicht nur ein sicherheitspolitischer, sondern ein menschenrechtlicher Albtraum PRO ASYL begrüßt die Forderungen nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um die Hintergründe der Schulungen libyscher Sicherheitskräfte durch deutsche Polizisten lückenlos aufzu-klären. Die deutschen Parlamentarier sollten dabei die Polizeikooperationen zwischen EU-Staaten und Ghaddafi nicht außer Acht lassen. Unter der früheren wie unter der jetzigen Bundesregierung wurde die Zusammenarbeit mit Libyen zur Flucht- und Migrationsverhinderung immer enger. Wenn Wolfgang Bosbach bezogen auf den bundesdeutschen „Libyenskandal“ von einem „sicherheitspoliti-schen Albtraum“ spricht, so ist für Flüchtlinge und Migranten Libyen längst ein „menschenrechtlicher Albtraum“. Es ist höchste Zeit, die deutsche und europäische Komplizenschaft mit dem Regime in Tripolis zu beenden. Vorreiter der Strategie, Ghaddafi von einer persona non grata zum Türsteher der EU-Außengrenze zu machen, war u.a. der frühere Bundesinnenminister Otto Schily mit seinen Vorschlägen zu „Lagern für Asylsuchende in Nordafrika“ im Sommer 2004. Skrupel vor dem Hintergrund der Menschenrechtssi-tuation in Libyen oder Sorge um das Schicksal der Flüchtlinge hatte er nicht. Seitdem wird Ghaddafi von der EU hofiert und mit Geld, Grenzüberwachungstechnik und Know-How ausgestattet. Bezeich-nenderweise begann die Kooperation im Jahre 2004 mit der Lieferung von u.a. tausend Leichensä-cken (EU 2004: S.60). Zugleich begann der Einstieg in Schulungen für libysche Polizisten (EU 2004: S.63). Die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat dokumentiert, dass zum Zeitpunkt eines Delegati-onsaufenthaltes im Frühsommer 2007 etwa 60.000 Flüchtlinge und Migranten in Libyen inhaftiert wa-ren. (Frontex 2007/S.10). Der EU waren die Berichte von Menschenrechtsorganisationen bekannt, nach denen Libyen eritreische Flüchtlinge in ihren Verfolgerstaat abgeschoben hat und gewalttätiges Vorgehen gegen Migranten von Seiten der „Sicherheitskräfte“ Ghaddafis an der Tagesordnung ist. Dennoch wurde Libyen von der europäischen Delegation um eine Wunschliste all dessen gebeten, was ein hochgerüstetes Regime gebrauchen kann: Kommandostände, Überwachungsradars, Nacht-sichtgeräte, Fingerabdruck- und Bilderkennungssysteme („one complete system for each detention center or border check point“), satellitengestützte Kommunikation, Navigationsgeräte, Lastwagen („for desert intruders displacing“ – für die Entfernung von Wüsteneindringlingen) sowie Patrouillenboote. (Vgl. Frontex 2007/Annex 6) gez. Karl Kopp Europareferent von PRO ASYL
|