Bündnis für Bleiberecht
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Pressemitteilung 5.7.2006
Offene Tür für den Aufenthalt der Familie Duman? Bleiberecht soll in der Härtefallkommission verhandelt werden
Die Integration langjährig geduldeter Flüchtlinge galt offiziell als Leitmotiv der Bleiberechtsregelung der Innenminister vom November 2006. Überall hört man: Wir brauchen junge, integrierte Menschen. Im Juli soll sogar der Beschluss durch ein Bundesgesetz bestätigt werden. Das Gesetz wird in wenigen Punkten die Situation der Betroffenen verbessern.
Von großzügiger Auslegung der Bleiberechtsregelung und auch des neuen Abschiebestopps in Hessen wurde gesprochen, aber Großzügigkeit seitens der zuständigen Behörden ist nicht zu beobachten. Im Gegenteil: Firat Duman ist 15 Jahre alt. Er ist Kurde, geboren in der Türkei. Er kam vor bald 8 Jahren mit zwei älteren, damals ebenfalls minderjährigen Brüdern nach Deutschland. Sie lebten zunächst mit den Großeltern in Schlüchtern. Der Vater gilt seit 1993 als "verschwunden" und wurde mit großer Wahrscheinlichkeit ermordet. Die Mutter, Azime Duman, wurde ebenfalls vom Militär verfolgt und leidet bis heute an ihren traumatischen Erlebnissen. (1) Auf der Flucht wurde die Familie auseinander gerissen. Frau Duman und drei weiteren Kindern, darunter die damals 11jährige Nevroz und die 12jährige Hülya, gelang erst Ende 2001 die Flucht aus der Türkei.
Die Familie Duman beantragte im Januar 2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung. Der Antrag wurde abgelehnt, denn: die Sechsjahresfrist für Familien könne hier nicht angewendet werden, da die Mutter ja erst später eingereist sei.
In einer Nacht- und Nebelaktion griff die Polizei dann am 15. Februar 2007 in Sinntal und Gründau überraschend zu. Neben zwei Söhnen der Familie Duman wurde noch die Familie Kazan mit sechs Kindern in die Türkei abgeschoben. (2) Hülya Duman und ihre Großeltern, Fatma und Ali Akbulut, flüchteten in die Marienkirche in Hanau. "Schützt uns - gebt uns Kirchenasyl!", das war ihre Bitte. Denn wer konnte noch sicher sein? Entgegen behördlicher Zusagen war abgeschoben worden. Und auch die späte Einsicht der Ausländerbehörde, dass bei der Familie aus Gründau Fehler gemacht worden waren, führte bis heute nicht zur Erlaubnis, dass die sehr gut integrierten Kinder - den Vorlesewettbewerb ihrer Schule hatte eine Tochter gerade gewonnen - mit der Mutter wieder einreisen durften.
Die Marienkirche und die Kirchenleitung nahmen aufgrund des Hilferufes der Familie Akbulut / Duman mit dem Innenministerium Kontakt auf und eine Lösung, dass diese Menschen Aufnahme finden können, wurde entwickelt.
Das Innenministerium meinte: Das Ehepaar Akbulut könne aufgrund des Bleiberechtsbeschlusses der Innenminister hier bleiben, wenn keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen werden. Frau Duman und ihre noch hier lebenden Kinder, so wurde verabredet, können als Härtefall behandelt werden und hier bleiben, wenn auch sie die Sozialkassen nicht belasten.
Die Diakonische Flüchtlingshilfe im Main-Kinzig-Kreis entwickelte mit Unterstützung vieler Menschen, Kirchengemeinden und Unternehmen, die sich um das Leben der in ihrer Heimat Verfolgten und Traumatisierten sorgen, ein Konzept, damit diese Bedingungen erfüllt werden können. Schwer genug, nachdem mittlerweile die jungen Männer der Familie, die voll hätten verdienen können, abgeschoben wurden. Und auch weiterhin ist bei der Umsetzung von Integrationsinteresse oder gar humanitärer Großzügigkeit der Behörden nichts zu spüren.
Die 18jährige Tochter Hülya Duman hat eine Ausbildungsstelle gefunden, aber die Ausländerbehörde verweigert - trotz der Verabredung mit dem Innenministerium - die Arbeitserlaubnis mit der ausdrücklichen Begründung, dass ihre Integration nicht erwünscht sei.
Für Firat hat sich die Situation durch das neue Bundesgesetz geändert, sollte man meinen. Denn er war, da ohne Eltern, als "unbegleiteter Minderjähriger" eingereist. Und für diese sollten jetzt - wie für Kinder von Familien - ebenfalls sechs Jahre Aufenthalt für ein Bleiberecht ausreichen. Doch weit gefehlt: nachdem zuerst der Aufenthalt abgelehnt wurde, weil die Mutter nicht mit eingereist war, wird nun wieder abgelehnt. Die Mutter sei ja nach zwei Jahren nachgekommen und Firat habe dann in der Familie gelebt.
"Wenn nur ein Hauch der angeblichen Großzügigkeit praktiziert worden wäre", so Pfarrer Otto Löber von der Diakonischen Flüchtlingshilfe, "dann hätte Familie Duman schon beim ersten Antrag ein Aufenthaltsrecht bekommen. Die doppelte Ablehnung kann nun kein Mensch mehr begreifen. Es entsteht nicht nur bei Firats Mitschülern der Eindruck, dass nach Ausschlussgründen gesucht wird bis welche gefunden werden!"
"Es gibt durchaus einige Beispiele, in denen die Behörden einen offeneren Umgang gezeigt haben", ergänzt Willi Hausmann vom Hanauer Helferkreis und fragt: "Warum setzen die Behörden in diesem Fall alles daran, die Familie abzuschieben? Irgendwelche Straftaten können jedenfalls nicht der Grund sein, denn die gibt es hier nicht." Die Verweigerung von Arbeits- und Ausbildungserlaubnissen könnte zur Folge haben, dass die Familie Duman auch im Rahmen des laufenden Härtefallverfahrens erfolglos bliebe, diese allerletzte Chance, die aber ein eigenständiges Einkommen voraussetzt.
Die Diakonische Flüchtlingshilfe ruft vor diesem Hintergrund einerseits dringend zu Geldspenden für die Familie Akbulut/Duman auf (Bankverbindung: Ev. Kreditgenossenschaft eG, BLZ 500 605 00, Konto-Nr. 4001176 Kennwort: Akbulut/Duman).
Zum anderen werden die Ausländerbehörde in Gelnhausen und das Regierungspräsidium in Darmstadt sowie die politischen Entscheidungsträger im Main-Kinzig-Kreis aufgefordert, endlich gemäß der Verabredung mit der Marienkirche Hanau die Abschiebeandrohungen zurückzunehmen, Arbeitserlaubnisse zu erteilen und so den Weg frei zu machen durch die vom Ministerium geöffnete Tür.
Anmerkungen:
(1) Entgegen vorliegender ärztlicher Atteste und eines ausführlichen psychologischen Gutachtens wurden Azime Duman die traumatisierenden Erlebnisse aufgrund der Verfolgung durch das türkische Militär von deutschen Behörden und Gerichten nicht geglaubt. Wozu so etwas führen kann, sehen wir am aktuellen Fall des jungen Kurden Mustafa Alcali, der sich vor wenigen Tagen in Abschiebehaft das Leben nahm. Zuvor hatte ein Psychiater akute Suizidgefahr angesichts drohender Abschiebung festgestellt, Herr Alcali selbst hatte seinen Selbstmord angekündigt. Die Behörden ignorierten jedoch diese Warnungen und steckten ihn in Abschiebehaft.
Info: http://www.internationales-zentrum-friedberg.de/news.php
(2) Wie die beiden Duman-Brüder wurde die Familie Kazan noch während des laufenden Aufenthaltsverfahrens nach der Bleiberechtsregelung abgeschoben. Das war offensichtlich eine Fehlentscheidung, denn Mutter und die Kinder sollen jetzt zurückkommen dürfen. Es ist zu hoffen, dass die Ausländerbehörde des MKK aus diesem Fehler lernen wird und auch im Fall der Dumans ein Umdenken stattfindet.
Infos zur Familie Kazan: http://www.internationales-zentrum-friedberg.de/news.php
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