Ausland Olympia-Träume in Afghanistan
Mit Kopftuch auf die olympische Mittelstrecke
Mahboba ist eine von vier Athleten, die Afghanistan zu den Olympischen Spielen schickt. In Peking will sie die 1500 und die 3000 Meter laufen. Die 19-Jährige wird als einzige Läuferin mit Kopftuch an den Start gehen.
Von Sandra Petersmann, ARD-Hörfunkstudio Südasien
[Bildunterschrift: Training mit Kopftuch und in Jogging-Schuhen: Mahboba Ahadyar ]
Sie schlingt das schwarze Tuch fest um den Kopf. Mahboba Ahadyar trainiert für die Olympischen Sommerspiele. Sie will in Peking die 1500 und 3000 Meter laufen. Die 19-jährige Afghanin wird als einzige Läuferin im langen Trainingsanzug und mit Kopftuch an den Start gehen. "Ich weiß nicht, was mit mir in Peking passiert, aber ich glaube an Gott. Und ich bitte Gott um Hilfe, damit ich gewinne", sagt sie.
Mahboba läuft die 1500 Meter über eine Minute langsamer als die schnellsten Konkurrentinnen. Sie ist auch noch nie außerhalb Afghanistans gestartet. Sie trainiert in einfachen Jogging-Schuhen ohne Spikes. Aber die zierliche Mittelstreckenläuferin ist sehr ehrgeizig und dreht Runde um Runde auf der löchrigen Zement-Laufbahn im Stadion von Kabul - in dem Stadion, in dem die Taliban bis zu ihrem Sturz im November 2001 Menschen erschossen, erhängten und steinigten.
Anfeindungen und Schmährufe
"Als kleines Mädchen konnte ich nur heimlich im Haus und in unserem Garten hinter der Mauer trainieren", erzählt Mahboba. Die Taliban und die Nachbarn durften nicht wissen, dass ich laufe." Mahboba muss sich auch heute noch schlimme Anfeindungen und böse Schmährufe anhören: von den Zuschauern, die ins Stadion kommen, um zu gaffen, von den Männern der Nachbarschaft, die eine laufende Frau unanständig finden. Deshalb absolviert sie die zusätzlichen Trainingseinheiten auf der Straße vor ihrem Elternhaus spät abends, wenn alle vor dem Fernseher sitzen. "Ich habe keine Angst. Ich tue nichts Verbotenes", sagt Mahboba. "Was ich mache, ist richtig. Ich tue etwas Gutes für mein Land und für die afghanische Jugend. Ich möchte andere Jugendliche ermutigen, auch Sport zu treiben."
Mahboba kann sich auf die Unterstützung ihrer Familie verlassen. Fünf Schwestern, drei Brüder und vor allem ihre Eltern stehen hinter ihr. "Wir sind überglücklich, dass unsere Tochter Afghanistan bei den Olympischen Spielen repräsentiert", sagt ihre Mutter. "Ich bin sehr stolz auf Mahboba. Sie arbeitet so hart für ihren Sport. Sie trainiert sogar nachts. Ich wünsche ihr nur das Beste."
Vier afghanische Athleten für Olympia
Mahboba ist Teil der afghanischen Mini-Olympia-Mannschaft. Neben der Mittelstreckenläuferin sind nur noch ein Sprinter und zwei Taekwondo-Kämpfer nominiert, erklärt Sayed Zia Dashti vom afghanischen olympischen Komitee: "Afghanistan ist unsicher, die wirtschaftliche Lage ist schlecht. Das alles spricht gegen Leistungssport. Wir haben überhaupt keine Infrastruktur für Leistungssportler. Wir haben keine professionellen Trainer. In anderen Ländern geben die Sportler und Verbände viel Geld für ihre Trainer und für die Trainingsstätten aus, wir können das nicht."
Der 20-jährige Taekwondo-Kämpfer Rohullah Nikpah trainiert sieben Stunden am Tag, ohne moderne Geräte und medizinische Betreuung. Er trainiert für den großen Traum, den er mit Mahboba teilt. "Das ist doch der Traum jedes Athleten, bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille zu gewinnen. Dafür trainiere ich sehr hart, so hart wie noch nie in meinem Leben."