Abschiebungshaft darf Lebensbedingungen nicht verschlechtern
Jesuiten-Flüchtlingsdienst stellt Ergebnisse einer europäischen Studie vor
„Abschiebungshaft darf Lebensbedingungen nicht verschlechtern“
Berlin, 1. Juli 2010. „Quälendes Warten – wie Abschiebungshaft Menschen krank macht“, so ist eine Studie des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes überschrieben, deren Ergebnisse für Deutschland heute vorgestellt wurden. Abschiebungshaft fügt Menschen unnötiges Leid zu und beeinträchtigt ihre körperliche und seelische Gesundheit, so das zentrale Ergebnis. Die Studie zeichnet ein umfassendes Bild der Lage von Abschiebungshäftlingen in 22 europäischen Staaten und lässt erstmals die Betroffenen selbst ausführlich zu Wort kommen. Es zeigt sich, dass die Häftlinge in erheblichem Maß unter der Unsicherheit über die eigene Zukunft, einem Mangel an Informationen und der Isolation von Familie und Freunden leiden. Sie fühlen sich als Kriminelle behandelt, obwohl ihnen in der Regel nicht mehr als der Verstoß gegen Einreisebestimmungen vorgeworfen wird. Zudem wird aus vielen Ländern über Diskriminierungen und Übergriffe von Mitgefangenen und Haftpersonal berichtet. Nach wenigen Monaten in der Haft klagen viele Betroffene über Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Depressionen. Davon sind nicht nur Menschen betroffen, die bekanntermaßen besonders schutzbedürftigen Gruppen angehören wie etwa Minderjährige, Schwangere oder psychisch Kranke. Die negativen Auswirkungen der Haft machen sich mit zunehmender Dauer auch bei vorher gesunden Personen bemerkbar.
Für Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild. Untersucht wurden hier die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim und der polizeiliche Abschiebungsgewahrsam in Berlin-Köpenick. Besonders ins Auge fiel, dass die strengeren Hausregeln in München die Häftlinge weiter isolieren. So sind Besuche hier auf zweimal monatlich eine Stunde begrenzt; private Mobiltelefone dürfen nicht benutzt werden. „Viele Abschiebungshäftlinge können sich zudem keinen Anwalt leisten“, sagt Heiko Habbe, Jurist beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland. „Dabei zeigt die Erfahrung, dass etwa jeder Dritte zu Unrecht oder zu lange inhaftiert wird – aber allein haben sie keine Chance, sich erfolgreich vor Gericht zu wehren.“
Angesichts der Ergebnisse der Untersuchung tritt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst dafür ein, stärker als bisher Alternativen zur Verhängung von Abschiebungshaft zu berücksichtigen, die Betroffenen konsequent getrennt von Strafgefangenen unterzubringen, die Dauer der Haft auf maximal drei Monate zu begrenzen und kostenlose Rechtsberatung zu ermöglichen.