NN 11-12/2011 Inhalt Der Kommentar: Eigenständige Kurdische Identität – Kampagne Am Ende der Worte Erdbeben in Wan/Van: Eine Geisterstadt braucht dringend Hilfe! Barzani in der Türkei: Wir können als Vermittler agieren Demokratischer Kongress der Völker gegründet Chemiewaffeneinsätze durch die türkische Armee? Strafanzeige wegen Kriegsverbrechen gegen Erdogan Otfried Nassauer von BITS: NATO-Bomben eingesetzt Türkei kauft AH-1W „Supercobra“ Kampfhubschrauber Fast alle Anwälte Öcalans verhaftet Gesetz zur Beschlagnahme der Vermögen auf Terrorverdacht „Wir sind alle KCKler“ Fethullah Gülen ruft zur Vernichtung der KurdInnen auf DTF: Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei PKK Verbot aufheben- Demokratie stärken! Ismet Chérif Vanly – Ein Nachruf Danielle Mitterrand– Ein Nachruf Veranstaltung: „Arabischer Frühling“in Syrien? Neuerscheinungen: Gewaltlos gegen Krieg Demokratieförderung von Deutschland und USA in der Türkei Hinweis auf sonstige Infostellen Der Kommentar Eigenständige Kurdische Identität – Kampagne Von Jutta Hermanns, Rechtsanwältin Seit Jahrzehnten kämpft die kurdische Bevölkerung u.a. in der Türkei um ihre auch in internationalen Abkommen verankerten und ihnen zustehenden Rechte. Nicht nur, dass der Gebrauch ihrer Muttersprache sogar im privaten Bereich bis vor nicht allzu langer Zeit in der Türkei verboten war, ihre Verfolgung ist brutal und grausam und hatte in der Vergangenheit durchaus genozidäre Züge. Dadurch, dass die Kurden auch im Rest der Welt und somit auch in Europa lediglich als mehr oder weniger nützlicher Spielball zur Sicherung der gerade vorherrschenden wirtschaftlich-militärisch-politischen Interessen benutzt werden, ist die kurdische Bevölkerung letztlich ein Volk ohne Bündnispartner und ohne diplomatischen Schutz, da ein ihnen zustehender kurdischer Staat nach wie vor nicht existiert. Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in den Medien finden die vielen Initiativen, Aktivitäten und Forderungen der Kurden an sich lediglich dann, wenn die PKK einen spektakulären Anschlag verübt hat oder es zu Auseinandersetzungen auf den Straßen Europas kommt, wodurch die Berichterstattung meist negativ besetzt ist. Außerhalb dieser Zeiten versinken „die Kurden“ im schwarzen Loch des Schweigens und des Desinteresses. Als könne die Existenz des nach wie vor ungelösten „Problems“ durch Abwarten, Teetrinken und Totschweigen quasi beiseite gewischt werden. Der Ansatz, eine Kampagne zur Wahrnehmung und Anerkennung der kurdischen Existenz und Identität hier in der Bundesrepublik und Europa durchzuführen, ist richtig und wichtig, findet aber ebenfalls kaum Widerhall in der Öffentlichkeit. In den Medien wird nach wie vor äußerst unsauber mit der kurdischen Realität umgegangen: Es heißt „Südostanatolien“ oder „Osten der Türkei“ wenn es entweder „Nordkurdistan“ oder zumindest „die kurdischen Gebiete“ heißen müßte. Zu den Feierlichkeiten um die „50 Jahre Anwerbeabkommen“ wird gar nicht mehr erwähnt, dass viele der Menschen die kamen, Kurden und kurdische Familien sind. Sie werden kurzerhand unter die immer wieder genannten „3 Millionen Türken in Deutschland“ (lt. Statistischem Bundesamt nicht 3 Mio, sondern rund 1,6 Mio Menschen aus der Türkei Ende 2010) gepackt. Da es auch in den deutschen Statistiken und Erhebungen keine genauere Unterscheidung nach kurdischer Volkszugehörigkeit der Menschen existiert, bleibt völlig unbeachtet, dass ein Großteil der Menschen hier gerade nicht „türkisch“ und auch nicht „türkischstämmig“ ist, sondern Kurden sind. Ihre Muttersprache ist auch nicht „Türkisch“ sondern Kurdisch, eine völlig andere Sprache, welche wie die deutsche Sprache der indogermanischen Sprachgruppe angehört. Erdogans Ansprachen gehen an der Realität dieser Menschen vollständig vorbei, wozu jedoch weder von politischer noch medialer Seite ein Hinweis erfolgt. Insbesondere kann sich Ministerpräsident Erdogan keineswegs aufschwingen, darüber zu schwadronieren, dass Assimilation ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, da er selber es tausendfach begeht und im Übrigen z.B. die Kurden seit langem vergeblich um muttersprachlichen Unterricht kämpfen. Und das, obwohl die Kurden in den kurdischen Teilen der Türkei in ihrem eigenen Siedlungsgebiet leben. Ministerpräsident Erdogan hat nach einem PKK-Angriff auf eine türkische Militärwache (also ebenfalls bewaffnete Einheiten) die türkische Bevölkerung dazu aufgerufen, es „den Kurden heim zuzahlen“, woraufhin in konzertierten Aktionen sowohl in der gesamten Türkei als auch in vielen Städten Europas gleichzeitig von aufgebrachten nationalistischen Türken das Zeichen der türkischen Faschisten, der „grauen Wölfe“, skandierend Kurden angegriffen wurden und werden. Die Polizei in Berlin sah mehr oder weniger zu, als die aufgebrachte Menge mit Fahnen der „grauen Wölfe“ den am Straßenrand stehenden kurdischen Menschen zuriefen „Ihr seid alle Öcalans Bastarde“, „Wir kommen zu Euch und ficken Eure Mütter“, „Ihr seid alle Hurensöhne“, wobei mit „Ihr“ und „Eure“ kurdische Menschen generell gemeint waren, sowie „Unsere Märtyrer sind unsterblich, das Vaterland ist unteilbar“ skandierten und sogar Messer aus der Menge heraus geworfen wurden, welche nur knapp Menschen in einem kurdischen Cafe verfehlten. Was sagt die Polizei, welche auf Demonstrationen von Kurden bei jedem kleinen Hochhalten eines „Apo (Öcalan)-Bildes“ ohne Umschweife nicht gerade zimperlich eine ganze Demonstration mit Gewalt aufmischt und die entsprechenden Strafverfahren einleitet? Sie zuckt mit den Achseln. Wenn der kurdischen Bevölkerung hier im Exil bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit vorgehalten wird, sie würden die „Völkerverständigung“ und das „friedliche Zusammenleben“ der verschiedenen Volksgruppen stören und beeinträchtigen, als was sind dann Vorfälle wie der obige zu bezeichnen? Wenn selbst Schulen in Berlin die Einführung eines Unterrichtsfaches „Kurdisch“ mit der Begründung ablehnen, dies sei eine „politische“ Sprache und würde dazu führen, dass sich die türkischen Familien aufregen und dies könne man sich nicht erlauben, während zugleich an etlichen Schulen z.B. in Berlin das Unterrichtsfach „Türkisch“ auf Wunsch der entsprechenden Eltern vermittelt durch das Türkische Generalkonsulat basierend auf in der Türkei hergestelltem, ultranationalistischem türkischen Unterrichtmaterial erteilt wird, wer gefährdet dann das „friedliche Miteinander“? Die Medien vermitteln seit Jahren den Eindruck, als würde Erdogans Regierung einen moderaten Reformkurs gegenüber den Kurden eingeschlagen haben, so dass den Kurden quasi die Verantwortung für das „Stagnieren“ und die „Rückschritte“ zugeschrieben wird, wenn es zu bewaffneten Angriffen der PKK auf das ebenfalls bewaffnete türkische Militär kommt. Die totale Zensur, die insbesondere über kurdische Sender verhängt ist, wird dabei verschwiegen. Die Kurden haben sicherlich nicht derart lange gekämpft, um sich Reportagen über z.B. das „Fortpflanzungsverhalten von Schmetterlingen“ nun auch auf Kurdisch anhören zu können. Die Tausenden Festnahmen und Verhaftungen von zivilen kurdischen Politikerinnen und Politikern, die jegliches politische und selbst literarisch-journalistische Engagement verunmöglichen, werden dabei ebenso verschwiegen wie die seit längerem zu beobachtende erneute Zunahme von brutaler Repression, extralegaler Hinrichtungen und Folter. Angriffe durch türkisches Militär mit international geächteten chemischen Waffen und ein im Völkerrecht als „Angriffskrieg“ zu bezeichnender, militärisch grenzüberschreitender Krieg in Südkurdistan (Nordirak), bei denen immer wieder auch Zivilisten durch türkisches Militär getötet werden, sind lediglich eine Randnotiz wert. Erdogan ist schlau, er hat zunächst seine Macht gefestigt und tritt nun mit aller Härte auf, um jedes nicht nur folkloristisch- kulturelle, sondern berechtigt politische Bestreben der kurdischen Bewegung zu zerschlagen und dies vermeintlich als Reaktion auf die PKK darzustellen. Nur solange die Kurden keine völkerrechtlichen und politischen Forderungen stellen, bzw. in ihrem Siedlungsgebiet entsprechende Politik umsetzen, sondern sich auf folkloristische, bunte Folkloreeinlagen beschränken, werden sie lächelnd als „unsere Mitbürger“ bezeichnet, die freundlicherweise durch ihre hübschen Tänze und leckeren Speisen zum Reichtum des Miteinanders beitragen. Deutsche Politiker und deutsche Medien machen das Spiel mit, als ob sie es nicht durchschauen würden, oder schlimmer noch, als ob sie es unterstützen wollen. Dann wären die Kurden wirklich allein gelassen. Ein Grund mehr, die Kampagne nach Anerkennung der kurdischen Identität hier in Europa zu unterstützen. Vielleicht wird hierdurch zumindest ein wenig Sensibilität für genaueres Hingucken geschaffen. Im Wortlaut Am Ende der Worte Von Serdar Akinan Kommentator der türkischen Tageszeitung Aksam Die Schwelle, an der sich die sogenannten KCK-Operationen nun befinden, zeigt uns nur eins auf: dass den Worten ein Ende bereitet werden soll, um Blut vergießen zu können. Wie viele Gräber müssen wir noch für die jungen Menschen unserer Heimat schaufeln? Die Regierung besitzt in Bezug auf die kurdische Frage eine erkennbare Haltung, die uns an ein unverzeihbares Ziel führen soll. Man braucht nur die Schlagzeilen der gelenkten Medien zu lesen, um den Rahmen dieser Politik zu erkennen. Die Verhaftungen von Ragip Zarakolu (Menschenrechtler, Journalist und Verleger) und Prof. Dr. Büsra Ersanlis (Professorin für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen) im Zuge der KCK-Operationen markieren eine wichtige Schwelle. Denn dies stellt eine schwere Niederlage für Diejenigen dar, die in der kurdischen Frage stets betont haben, dass die Waffen zu ruhen haben und eine Lösung auf politischem Wege gesucht werden müsse. Sie können sich sicher sein, dass diese Verhaftungen weitreichende negative Folgen haben werden. Ich betrachte in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Fetullah Gülen, dass die PKK „eine Handvoll Banditen“ sind und sie nichts „als Schläge verdienen würden“ aus vielerlei Sicht als sehr wichtig. Die kriegerische und harte Rhetorik des Ministerpräsidenten Erdogans, der Racheschwur Güls und die Haltung der Gülen-Bewegung sind nun sehr deutlich ersichtlich. Dies sind Positionen, die diese Phase blockieren und zur Stagnation führen. Die kurdische Bewegung und ihre bewaffneten Einheiten in den Bergen, die ihr als eine „Handvoll von Banditen“ bezeichnet, haben eine ernsthafte politische Struktur namens KCK aufgebaut. Finden sie die Tatsache nicht besonders Interessant, dass die KCK- Operationen nicht auf den Südosten begrenzt sind und gar mittlerweile die gesamte Türkei erfasst haben? Hat etwa die BDP – trotz der 10%-Hürde – so viele Abgeordnete in der Lotterie gewonnen und diese ins Parlament entsandt? Diejenigen, die behaupten, dass die politisch-kurdische Bewegung nicht die Mehrheit der Kurden vertreten würde, lotsen die Türkei in eine große Falle. Wenn Banner mit dem Slogan „Die PKK ist das Volk“ auf BDP- Veranstaltungen gezeigt werden und andere dies als kurdischen Faschismus betiteln, dann ist das nichts anderes als ein Beleg für die Beschränktheit derer, die zu so einem Urteil kommen. Es ist ganz klar, wer im Namen der Kurden Politik betreibt. Man kann es PKK, Öcalan, KCK oder BDP nennen. Fakt ist, dass diese Bewegung eine ernsthafte Struktur hat und diese auf einer ernst zu nehmenden Basis fußt. Trotz all der Repressionen verankert sich diese Bewegung immer weiter. Statt sich von der Politik zu verabschieden, hätte man die Bedingungen dafür schaffen sollen, dass die Politik vom Aspekt der Gewalt befreit wird. Diese Feststellung hatte sogar die Zeitung Zaman gedruckt. Ich versuche zu verstehen, warum die Regierung (damit sind alle Mitglieder der Regierung gemeint) am angelangten Punkt Kriegsgeschrei von sich gibt. Ich frage mich, was diese machen werden, wenn sich ein anderes „Mavi Marmara“ Boot sich der Küste von Mersin nähert. Seid ihr wirklich bereit mit Israel, dass ihr so sehr kritisiert, in dieselbe Kategorie eingeordneten zu werden? Was wird passieren, wenn Al Jazeera damit beginnt, aus Amed (Diyarbakir) vom kurdischen Frühling zu berichten? Ist das etwa unmöglich? (Aksam, 2.11.11, ISKU) Ereignis-Kalender Erdbeben in Wan/Van: Eine Geisterstadt braucht dringend Hilfe! Von Memo Sahin „Wan ist das Beyoglu/Istanbul von Kurdistan“, sagte ein Geschäftsmann aus Qoser/Kiziltepe, als wir uns am 19. Oktober in Wan kennenlernten. „Ich bin überglücklich, dass Tausende, Zehntausende junge Menschen durch die Stadt schlendern und spazieren gehen, weltoffen und säkular“, fügte er hinzu. „Ich werde am Wansee ein Grundstück kaufen und den Rest meines Lebens hier verbringen. Du solltest auch das gleiche tun. Wenn ich ein Grundstück finde, teilen wir es uns,“ sagte er lächelnd. Vier Tage später, am 23. Oktober um die Mittagszeit, an einem herrlichen Spätsommertag, wurden wir Zeugen einer Naturkatastrophe. Ich war sehr nahe am Epizentrum in Molla Kasim, er in Edremit, 15 km vor Wan. Ein Erdbeben der Stärke von 7,2 der Richterskala erschütterte die über 600.000 Einwohner zählende Stadt. Staubwolken über und in der Stadt, weinende und schreiende Kinder und Frauen; nach Familienmitgliedern suchende Mütter, Väter und Geschwister; Zehntausende, Hunderttausende vor ihren Häusern erstarrte, betende, weinende und entsetzte Menschen. So war es in Wan. In der Kreisstadt Erdis/Ercis war es noch schlimmer. Eine 80.000 Menschen zählende Stadt wurde dem Erdboden gleich gemacht, als ob sie von einem aus dem Himmel gefallenen Zylinder getroffen wäre. Fast kein Gebäude blieb bestehen, weder öffentliche Amtsgebäude noch Hotels und Geschäftshäuser. Über 600 Tote haben die Statistiker erfasst. Das Leid, der Schmerz und die Trauer konnten weder mit Messgeräten noch menschlich gemessen und dargestellt werden. Mit dem zweiten Beben am 9. November erhöhte sich die Zahl der Toten auf über 640. Zwei der vom Gouverneursamt als sicher eingestuften Hotels wurden zur Grabstätte von 40 Personen. Es war bekannt, dass Wan ein Erdbebengebiet ist. Vor etwa 35 Jahren schluckte ein Erdbeben um Wan etwa 4000 Menschen binnen Sekunden. Trotzdem aber wurden keine Vorkehrungen getroffen. Fast alle Hochhäuser in Wan sind stark beschädigt und unbewohnbar. Eine Stadt namens Erdis/Ercis gibt es nicht mehr. Und die beschädigten Dörfer wurden bisher nicht einmal erfasst. Anfangs wurden die Hilfsangebote von etwa 50 Staaten von der Regierung in Ankara abgelehnt. Die Türkei sei allein stark genug, war das Argument. So „testete“ die offizielle türkische Politik ihre „Einsatzfähigkeit bei einer Katastrophe“, wie Vize- Premier Atalay sagte. Einsatzort ist Kurdistan, betroffen sind die Kurden. Deswegen hat die AKP-Regierung unter Erdogan drei-vier Tage lang Menschen unter Trümmern ihrem Schicksal überlassen und so wurden lebensrettende Tage verloren. Erst nach öffentlichem Druck im In- und Ausland musste die Regierung einen Rückzieher machen und die Grenzen für Bergungsteams und Hilfe aus dem Ausland öffnen. In Kurdistan, in der Türkei und in Europa wurden Hilfskampagnen gestartet. Fast alle kurdischen Kommunen, die von der prokurdischen BDP (Partei für Frieden und Demokratie) verwaltet werden, kamen zur Hilfe. Die Bergungsteams von Amed/Diyarbakir waren die Ersten, die Erdis/Ercis erreichten. Hunderte von LKWs beladen mit Decken, Kleidung und Lebensmitteln, Einsatzkräften und Helfer strömten Richtung Wan und Erdis. Viele von ihnen, die über die Südroute über Edremit das Erdbebengebiet erreichen wollten, wurden angehalten und in die Hilfsdepots vom Roten Halbmond und Militär überführt. Auch die Regierung half, allerdings selektiert nach Parteibuch und Regierungsnähe. So bestrafte sie die mehrheitlich BDP wählende Bevölkerung in und um Wan. Vergeblich warteten Tausende, Zehntausende Familien tagelang auf ein Zelt oder eine Decke. Auch jetzt, Wochen später, hat sich diese Haltung nicht geändert. Mit den Hilfslieferungen aus den türkischen Städten wurden auch reichlich Steine, Nägel und türkische Fahnen geschickt, versehen mit nationalistisch- rassistischen Hassbotschaften adressiert an die Kurden. Ich war Zeuge eines solchen Pakets. Auch in Medien war es nicht viel anders. Einige bekannte TV-Moderatoren äußerten sich zynisch und rassistisch über die kurdischen Opfer der Katastrophe. Müge Anli, Moderatorin des Senders ATV, empörte sich am Abend des Erdbebens darüber, dass die türkische Regierung Bergungsteams und Militär zum Erdbebengebiet schickt, die ansonsten von Kurden mit Steinen beworfen werden. „Jetzt ist damit endlich Schluss“, sagte sie. Ein Gast der Sendung unterstützte sie applaudierend, „die Kurden sollen sich doch an die ‚KCK‘ wenden!“ In „Habertürk“ sagte eine andere Moderatorin am gleichen Tag wörtlich: „Obwohl das Erdbeben in Van war, sind wir alle betroffen!“ In Internetportalen ging es ähnlich zu: „Gott hat die Kurden bestraft, es geschieht ihnen recht.“ „Ich bin überglücklich. Hoffentlich werden so die Verräter beseitigt.“ „Warum hat es nicht auch noch Diyarbakir und Hakkari erwischt?“ „Hoffentlich gibt es noch weitere Erdbeben dort, dann sind wir das Problem endlich los.“ „Wir konnten sie nicht bestrafen, aber Gott tat es.“ „Statt den Menschen in Van Geld zu schicken, werde ich Futter für die Straßenhunde kaufen und sie füttern. Sie werden uns wenigstens nicht verraten.“ Der Staat, der die Hilfe bewusst sparsam und schleppend voran trieb, begegnet den protestierenden kurdischen Opfern mit brutaler Härte, mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern. Nach dem ersten Beben am 23. Oktober flohen als erste die türkischen Beamten mit ihren Familien, die aus den türkischen Städten stammenden Studenten und die Reichen der Stadt folgten ihnen, kurz alle, die sich ein Leben außerhalb von Wan leisten können. Nach dem zweiten Beben am 9. November kam die Mittelschicht der Stadt an die Reihe oder die Menschen, die die Möglichkeit fanden, bei Verwandten in anderen Teilen des Landes unterzukommen. Geblieben sind die Ärmsten der Armen, die Opfer des schmutzigen Krieges, die vom türkischen Militär aus ihren Siedlungen vertrieben worden sind. Sie lebten und leben immer noch in und um Wan. Weder in ihre Dörfer dürfen sie zurückkehren noch haben sie die nötigen finanziellen Mittel, aus der Stadt zu fliehen. Nach zwei Beben ist vom kurdischen Beyoglu/Istanbul nicht viel übrig geblieben. Eine lebhafte Stadt verwandelte sich binnen kürzester Zeit in eine Geisterstadt, eine verlassene Stadt: Nur noch Trümmer, halb eingestürzte Häuser, geschlossene Läden und nur sehr wenige Menschen auf den Straßen. Etwa 400.000 Menschen sind aus Wan geflohen. Geblieben sind rund 200.000. Wan ist fortan offen für demografische Veränderungen. So wurde ein „Brandherd“ durch eine Naturkatastrophe zur Ruhe gebracht. Die Herrschaften in Ankara können sich fröhlich die Hände reiben. Es ist Winter, es schneit und es ist eisig kalt. Babys und Kinder werden als erste sterben, dann folgen die Alten und die Frauen. Einige Babys und Kinder starben unter Plastikplanern wegen Lungenentzündungen. Von Hygiene, WC-Anlagen, warmen Mahlzeiten, fließendem Wasser ganz zu schweigen. Seit vier Wochen können Zehntausende Menschen nicht einmal ihr Gesicht waschen. 10, 15 oder mehr Menschen verharren in einem kleinen Sommerzelt, das für vier Personen vorgesehen ist. Viele Menschen sind traumatisiert und stehen noch unter Schock, weil es tagtäglich Nachbeben gibt in Stärke von 4 bis 6 der Richterskala. Mit jedem Nachbeben bricht Panik aus, weinende Kinder und Gott anflehende Mütter rennen aus ihren Behausungen. Pro Humanitate e.V. war die erste NGO, die direkt nach dem Erdbeben geholfen hat. Das alljährliche Lebensmittelhilfe- Projekt für die vom türkischen Militär aus ihren Dörfern und Siedlungen vertriebenen Kurden wurde sofort in Erdbebenhilfe umgewandelt. Je 10 Tonnen Reis, Speiseöl, Zucker, Nudeln, Linsen und Weizengrütze, 4 Tonnen Tomatenmark, 3 Tonnen Oliven und 2 Tonnen Tee, insgesamt 69 Tonnen Lebensmittel haben wir an 2000 Familien in Wan, Edremit, Muradiye und in umliegenden Dörfern verteilt. In Kooperation mit dem Caritas-Verband wurden 500 Winterjacken für Kinder und 300 Winterjacken für Frauen gekauft und den Erdbebenopfern zur Verfügung gestellt. Außerdem wurden 3571 Plastikplanen, 3000 Decken, 1000 Küchensets und 20 Zelte, die vom ASB (Arbeiter-Samariter-Bund) aus Deutschland geliefert wurden, durch Mitarbeiter und Helfer von Pro Humanitate e.V. in Wan/Van und in den Dörfern verteilt. Es war trotzdem nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es sind weiterhin Hilfe und Druck auf die türkische Regierung angesagt. Ohne tatkräftige Hilfe und ohne öffentlichen Druck können viele Betroffene in 1.500 Meter Höhe und bei Minustemperaturen den ersehnten Frühling nicht erreichen. Deswegen muss einerseits geholfen, andererseits aber der Druck auf die türkische Regierung erhöht werden, damit schnellstens winterfeste Zelte, Container und Behausungen bereitgestellt werden. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) beziffert die Kosten für das Aufstellen eines winterfesten Zeltes mit 381 Euro. Parallel zu winterfesten Zelten sei es möglich, recht schnell einfache und kostengünstige Behausungen zu konstruieren, so das DRK. Ein Wohncontainer beträgt etwa 4.500 Euro. Außerdem brauchen Menschen dringend Grundnahrungsmittel, Babynahrung, Bekleidung und Heizgeräte. Auch Sie können helfen! Mit einer Spende von etwa 40 Euro können Sie eine Familie mit Lebensmitteln (je 5 kg Reis, Speiseöl, Zucker, Nudeln, Linsen und Weizengrütze, 2 kg Tomatenmark, 1,5 kg Oliven und 1 kg Tee) unterstützen. Oder mit einer Spende in gleicher Höhe können Sie einer Familie ein elektrisches Heizgerät zur Verfügung stellen. Desweiteren möchte Pro Humanitate e.V. kinderreichen Familien zur Überbrückung der Winterzeit eine Wohnsiedlung bestehend aus 30 Behausungen bauen. Helfen Sie mit, damit Not und Leid der Erdbebenopfer gelindert und Brücken der Freundschaft errichtet werden. Spendenkonto: Pro Humanitate e.V., Konto: 10 26 25 33, BLZ: 370 501 98 bei der Sparkasse KölnBonn. (Spenden sind steuerlich abzugsfähig.) Pro Humanitate e.V., pro-humanitate@t-online.de (Memo Sahin war vom 18. Oktober bis 9. November in Wan, Erdis, Celebibag, Muradiye und Edremit) Barzani in der Türkei: Wir können als Vermittler agieren Der Präsident der Kurdistan-Region Iraks besuchte Anfang November die Türkei. Die türkische Regierung, die letztes Jahr ihn nur mit türkischen Fahnen empfing, musste diesmal auch mit kurdischer Fahne auftreten. Erdogan und Gül haben Barzani gebeten in die Türkei zu kommen, um ihn unter anderem auch über die PKK zu konsultieren und den Kurden zu zeigen, dass auch Barzani den harten Kurs der türkischen Regierung unterstütze. Dieser Plan ging aber nicht auf. Was hinter den verschlossenen Türen gesprochen wurde, wissen wir nicht. Was aber Barzani vor den versammelten Journalisten und Fernsehteams erklärte, passte den Gastgebern nicht. Barzani erklärte, dass er und die Regierung Kurdistans/Irak gegen die militärischen Operationen sind und die kurdische Frage allein mit friedlichen Mitteln gelöst werden müsse. Wenn die türkische Regierung vorhabe, die Kurdenfrage friedlich zu lösen, können sie die Regierung in Ankara dabei unterstützen. Damit die Verhandlungen zwischen dem Geheimdienst der Türkei und der PKK erneut beginnen, können sie als Vermittler agieren. Auch nach der Rückkehr versendete Barzani ähnliche Botschaften. Einige der türkischen Regierung nahestehende Journalisten behaupten, dass seit einiger Zeit unter der Regie Barzanis und dem irakischen Präsidenten Talabani Gespräche zwischen der türkischen Regierung und der PKK in Kurdistan/Irak stattfänden. (AFP,4.11.11; Avestakurd, 13.11.11; Taraf, 16.11.11) Demokratischer Kongress der Völker gegründet Die Völker und oppositionellen Kräfte der Türkei haben gemeinsame mit der kurdischen Bewegung auf einem zweitägigen Kongress historische Entscheidungen getroffen. Auf dem Kongress mit insgesamt 825 Delegierten, wurden wichtige Grundsatzdiskussionen geführt. Im Anschluss wurde ein allgemeiner Rat des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK) mit 121 Personen gewählt. In der Abschlusserklärung wurden folgende Beschlüsse festgehalten: „Um die Unterdrückung und die Ungerechtigkeiten gegenüberüber unserer Völker anzugehen, um eine Türkei zu erschaffen, in der Frieden herrscht und wir menschlich miteinander leben können, sind dem Aufruf der Kongressinitiative folgend Organisationen, Initiativen, Vereine, Parteien, Bewegungen und Einzelpersonen, die gegen jegliche Form von Unterdrückung stehen, zusammengekommen. Wir denken, dass die Zeit reif dafür ist, um gemeinsam Widerstand zu leisten. In dem Bewusstsein, dass unsere Unterschiede unser Reichtum und unsere Kraft sind, verkünden wir die Gründung des Demokratischen Kongresses der Völker… Wir halten unseren Kongress in einem Zeitraum ab, in der die AKP-Regierung und der Staat durch Festnahmen den politischen Bereich permanent angreifen. Wir fordern die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen aus den Gefängnissen. Der Demokratische Kongress der Völker ist die oppositionelle Bewegung der Türkei. Sie ist das Widerstandszentrum gegen die AKP, welche die Interessen der türkischen Rechten und der herrschenden Klassen vertritt und den Vorposten des globalen Kapitalismus in dieser Region spielt… Der Demokratische Kongress der Völker fordert die Aufhebung des auf einer Ethnie beruhenden Bürgerbegriffs in der Verfassung, welcher die Ursache für den Krieg ist. Stattdessen muss eine neue Verfassung erschaffen werden, die alle Identitäten gleichbehandelt und die Existenz der unterschiedlichen Identitäten schützt. Hierfür muss eine Bildungs- und Kulturpolitik gemeinsam mit der Bevölkerung umgesetzt werden, die allen voran das Recht auf muttersprachlicher Bildung garantiert… Der Demokratische Kongress der Völker betrachtet das Verständnis der Demokratischen Autonomie für die Beendigung des Krieges, welcher aus der ungelösten kurdischen Frage herrührt, als wichtige Initiative. Wir werden uns darum bemühen, dass eine politische Ordnung erschaffen wird, in der die Macht der Zentralregierung über die kommunale Selbstverwaltungsebene aufgehoben wird. Alleine so kann ein freies und freiwilliges Zusammenleben der Völker erschaffen werden, in der das Volk im lokalen durch breite Partizipation Entscheidungen selbst fällen und umsetzen kann und alle unterschiedlichen Gruppen sich frei artikulieren können… Der Demokratische Kongress der Völker setzt sich diese grundsätzlichen Ziele des Widerstands und der Organisierung. Wir profitieren von den Erfahrungen der Freiheitskämpfe aus der Vergangenheit und haben eine Zukunft vor uns, in der neue Formen des Widerstandes darauf warten von uns entdeckt zu werden. Wir schreiten gestützt auf die Frauen, die Jugend und die Arbeitenden voller Mut und Glauben in Richtung einer neuen freien Welt. Wir sind am Anfang eines neuen Abschnittes. Wir zweifeln nicht daran, dass sich die Wege aller für Freiheit und Gleichheit Kämpfenden mit unserem Weg kreuzen werden.“ (Özgür Gündem 17.10.11) Chemiewaffeneinsätze durch die türkische Armee? Von Martin Dolzer In Bezug auf einen erneuten Verdacht auf den Einsatz von Chemiewaffen durch die türkische Armee fordern Abgeordnete der Partei DIE LINKE und WissenschaftlerInnen eine sofortige Aufklärung des Geschehens. Seit dem 24. Oktober 2011 war bekannt, dass 24 Leichname in der Leichenhalle des staatlichen Krankenhauses in Malatya liegen. Es handelt sich dabei um KämpferInnen der Guerilla der PKK, die bei einem Gefecht in der Region Hakkari/Cukurca starben. Die Leichname sind bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und sehen Berichten zufolge aus, als seien sie durch Einwirkungen chemischer Substanzen gestorben. Schusswunden und weitere Verletzungen sind dagegen nicht vorzufinden. Eine Kommission aus Vertretern von BDP, IHD und MEYA-DER hat mittlerweile einen Bericht zu den Vorkommnissen in Hakkari/Cukurca vorgelegt und mit Augenzeugen gesprochen.. Die Gerichtsmedizin von Malatya und die Staatsanwaltschaft verweigern die Herausgabe der Obduktionsberichte. Die Tatsache, dass der jetzige Generalstabschef Necdet Özel bereits im Jahr 1999, einem Video aus Militärkreisen zufolge, einen Chemiewaffeneinsatz befehligte, erhärtet den Verdacht des Einsatzes geächteter Waffen. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete über einen weiteren möglichen Einsatz von Chemiewaffen in Cukurca 2009. (NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung, 4.11.11) Strafanzeige wegen Kriegsverbrechen gegen Erdogan Anwälte aus der Bundesrepublik haben bei der zuständigen Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe eine Strafanzeige gegen Ministerpräsident Erdogan, sowie mehrere Generalstabschefs der türkischen Armee wegen schwerer Straftaten im Krieg gegen die kurdische Bevölkerung eingereicht. Angezeigt werden vom Kriegsvölkerrecht geächtete Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Zeit zwischen 2003 und heute. Das seit 2002 bestehende deutsche Völkerstrafgesetzbuch bildet die Grundlage der Strafanzeige. Es ermöglicht eine internationale Strafverfolgung von geächteten Kriegsverbrechen, für die militärische Befehlshaber und politische Vorgesetzte verantwortlich sind – auch wenn der „Tatort“ nicht in Deutschland liegt. Inhalt der Anzeige sind 10 exemplarischer „Fälle“ aus den letzten Jahren, die auf Grundlage eigener umfangreicher Recherchen, der Auswertung türkischer Justizmaterialien und Berichten renommierter Menschenrechtsorganisationen zusammengestellt wurden. Es handelt sich unter anderem um Fälle von extralegalen Hinrichtungen, Tötung von Kämpfern nach Gefangennahme, Folter, postmortalen Verstümmelungen bis zum Einsatz verbotener chemischer Waffen. Dargestellt werden die jeweiligen Sachverhalte mit Namen, Daten und Beweismitteln. Die Strafanzeige wird im Namen von Angehörigen der Opfer der Kriegsverbrechen erstattet. Die Menschenrechtsorganisation MAFDAD – Verein für Demokratie und internationales Recht e.V. in Köln, die Autorin Doris Gercke (Bella Block), der Völkerrechtsprofessor Norman Paech, der Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg (DIE LINKE), Dr. med. Gisela Penteker (IPPNW), die Stadträtin von Nürnberg Marion Padua sowie der Soziologe Martin Dolzer gehören ebenfalls zu den Anzeigenden. Eingereicht wurde die Anzeige durch Rechtsanwältin Britta Eder und Rechtsanwalt Dr. Heinz Jürgen Schneider. (ANF, 1.11.11) Otfried Nassauer von BITS: NATO-Bomben eingesetzt Es sind neue Informationen zu den eingesetzten Waffen des türkischen Militärs bei dem Luftangriff in Çelê (Çukurca), bei der 36 Guerillakräfte der HPG ums Leben kamen, ans Tageslicht gekommen. Wie der Leiter des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit (BITS) Otfried Nassauer gegenüber der Nachrichtenagentur Firat mitteilte, handelt es sich bei den Bomben um GPS gesteuerte Bomben der NATO. Nassauer, dem die Codes von den Überresten der Bomben vorgelegt wurden, konnte damit die Bomben näher spezifizieren. Aus dem Code (Nsn 1325-01) werde ersichtliche, dass es sich um eine NATO Bombe (NSN = NATO Stock Number) handele, die in den USA hergestellt worden sei, das durch die am Ende sehende Nummer ‚01‘, das innerhalb der NATO für die USA steht, ersichtlich werde. Bei den Bomben selbst handele es sich um die 227 kg schwere Mk-82 Bombe die zwar nicht neu sei, aber aus der Aufschrift „Wing assembly“ auf der Bombe, werde ersichtlich, dass diese modernisiert und mit der GPS-Technik ausgestattet worden sind. Dadurch lassen sich die Bomben zielgenau steuern. Auf telefonische Anfrage bei der NATO-Zentrale in Brüssel, erklärte der Verantwortliche für die NATO-Logistik (NAMSA) John Bosmans, dass sie den Code auf der Bombe untersuchen würden. Weitere Informationen wurden von Bosmans allerdings nicht gegeben. (ANF, 10.11.11, ISKU) Türkei kauft AH-1W „Supercobra“ Kampfhubschrauber Der US-Kongress hat den Verkauf drei AH-1W „Super Cobra“ Kampfhubschrauber an die Regierung in Ankara gebilligt. Die US-Regierung hatte zuvor den Kongress offiziell von einem ungewöhnlichen Plan unterrichtet, Kampfhubschrauber an die Türkei zu verkaufen. In einer Erklärung des US- Verteidigungsministeriums an die Abgeordneten hieß es, „drei AH-1W ‚SuperCobra‘ der Marineinfanterie sollten aus dem aktiven Dienst heraus an die Regierung in Ankara verkauft werden. Das Geschäft wird die Fähigkeit der Türkei zur Selbstverteidigung sowie zur Zusammenarbeit mit anderen NATO-Staaten verbessern. NATO-Mitglied Türkei hatte in den 90er Jahren zehn AH-1W-Kampfhubschrauber gekauft. Die Türkei will weitere Helikopter dieser Art zum Kampf gegen die PKK erwerben.“ Ferner wurden 6 unbemannte Drohnen mit neuster Waffentechnik namens „Pretador“, die aus dem Irak frei wurden, inzwischen im US-Stützpunk in Incirlik in der Türkei stationiert (Mesop, 16.11.11, ANF, 10.11.2011, ISKU) Fast alle Anwälte Öcalans verhaftet „Die Verhaftungswelle gegen demokratische AktivistInnen in der Türkei hat einen neuen Höhepunkt erreicht. In einer türkeiweiten Festnahmewelle wurden am 22. November rund 100 Menschen verhaftet, 70 von ihnen Anwälte und Anwältinnen. Diese Festnahmewelle ist Teil des beispiellosen Angriffs gegen politische AktivistInnen während der letzten zwei Jahre. Seither wurden mehr als 4.500 Menschen inhaftiert, die meisten von ihnen warten noch auf Gerichtsverfahren. Unter den Inhaftierten sind zahlreiche gewählte Abgeordnete, BürgermeisterInnen und Stadtratsmitglieder, JournalistInnen, GewerkschafterInnen, Lehrer und MenschenrechtsaktivistInnen. Die Inhaftierungen richten sich überwiegend gegen die kurdisch-demokratische Opposition und Menschen, die sich für eine friedliche Verhandlungslösung im Kurdenkonflikt ausgesprochen haben. Unter den am 22. November Festgenommenen befindet sich nahezu das komplette Verteidigungsteam von, Abdullah Öcalan, einschließlich der Sekretärin und des Fahrers des Anwaltsbüros. Öcalan selbst ist seit dem 27. Juli 2011 von seiner Verteidigung abgeschnitten. Dieses Anordnung geht direkt auf Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zurück, der in einer Erklärung der Presse gegenüber die Anwältinnen und Anwälte zur Zielscheibe erklärte Gleichzeitig führt die türkische Armee massive grenzüberschreitende Luftangriffe auf vermutete Guerillastellungen im Irak durch. Dabei kommt es immer wieder zu zivilen Opfern. Bei Luftangriffen auf türkischem Territorium wurde dabei vermutlich mehrfach Giftgas eingesetzt, zuletzt bei der Tötung von 36 GuerillakämpferInnen in Çukurca/Hakkari am 22.-24. Oktober. Bei den anhaltenden massiven Angriffen auf die Zivilgesellschaft handelt es sich um die größten Massenverhaftungen seit dem Militärputsch 1980. Die Internationale Initiative ruft dazu auf, in jeder möglichen Weise gegen die Kriegspolitik der Türkei zu intervenieren, die sich immer mehr zum Polizeistaat entwickelt. Nur Dialog und Verhandlungen können einen stabilen Frieden bringen und zu einer Stärkung der Demokratie führen. Wir rufen insbesondere dazu auf, die jüngste Festnahme von 70 Anwältinnen und Anwälte und den damit einhergehenden Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit zu verurteilen.“ (International Initiative "Freedom for Abdullah Ocalan - Peace in Kurdistan", http://www.freedom-for-ocalan.com) Gesetz zur Beschlagnahme der Vermögen auf Terrorverdacht Von Veysi Sarisözen Die AKP-Regierung ist dabei ein Gesetz zu erarbeiten, um bei Verdacht auf Unterstützung einer „Terrororganisation“ das gesamte Vermögen der Verdächtigten zu beschlagnahmen. (...) Wir haben stets über die türkischen Medien vernehmen können, dass der Musiker und Schauspieler Ibrahim Tatlises der PKK Geld zuführt. Auch er wird auf diese Nachrichten stets mit einem müden Lächeln reagiert haben. Aber dies kann sich nun schlagartig ändern, da, wenn das Gesetz von dem wir hier sprachen das Parlament passiert, der Staat bereits bei Verdacht z.B. alle „Kebab-Läden“, die im Besitz von Ibrahim Tatlises sind, verstaatlichen kann. Und was passiert, wenn so z.B. die Marktanteile auf dem Kebab- Markt neuverteilt werden. Dann wird ein Türke von der Gülen- Sekte diese Lücke fühlen und sich so das kurdische Kapital einverleiben. (...) Die AKP versucht bereits, die Geschäftsleute östlich des Euphrats zu kriminalisieren, die aus Protest ihre Geschäfte geschlossen halten. Die AKP und Oligarchen der Gülen-Sekte, die dem türkischen Kapitalismus die Richtung geben, bedrohen offen das kurdische Kapital, Geschäftsleute, Vermögende, indem sie deutlich machen, dass sie ihnen ihr Haus, ihren Laden, ihre Fabrik, ihre Herde, etc. wegnehmen werden. Sobald dieses Gesetz verabschiedet ist, wird man das Vermögen der Kurden und Kurdinnen plündern und sich aneignen können. Man wird durch dieses Gesetz an den Küsten, wo die Fremdenfeindlichkeit ihren Höhepunkt erreicht hat, die kurdischen Manufakturen innerhalb weniger Jahre vom Markt drängen. Dies ist der Beginn der Säuberung der Küste von KurdInnen. Aber es gibt weitaus strategisch wichtigere Ziele, die man so zu erreichen hofft. Alle, die in Antep, Malatya, Diyarbakir und in den vom Euphrat östlich gelegenen aufstrebenden Städten Teil der demokratisch- kurdischen Front waren, an Demonstrationen vielleicht gar nicht teilgenommen aber die BDP gewählt haben, irren sich, wenn sie glauben, dass man sie in Ruhe lassen wird, wenn sie sich vom demokratisch-kurdischen Widerstand fern halten. Die AKP wird diese, sobald das Gesetz verabschiedet ist, nicht wegen Unterstützung des „Terrors“ anklagen, sondern das kurdische Kapital angreifen und die Lücken mit türkischen Kapitalisten schließen… Das türkische Kapital versucht durch dieses neue Gesetz, die Verhaftungen, die Vertreibungen, durch den Krieg und durch die Schaffung von Besitzlosen die demokratisch-nationale Einheit der Kurden zu zerschlagen. So, oder durch andere Tricksereien und Betrügereien, versucht sie sich das Herz der Region einzuverleiben. Über den Weg, der von über 200.000 Soldaten und Tausenden von Polizisten geebnet werden soll, hat das türkische Kapital seinen Feldzug in die Region gestartet. (Özgür Gündem, 23.11.11, ISKU) „Wir sind alle KCKler“ Am 3. November sind bei einer Kundgebung unter dem Motto „Ich bin hier und stehe hinter meinem politischen Willen“ zehntausende Demonstranten in Amed/Diyarbakir zusammengekommen. Die BDP hatte aus Protest gegen die fortdauernden Festnahmewellen unter dem Vorwurf der KCK- Mitgliedschaft zur Teilnahme an der Kundgebung aufgerufen. Bei der Kundgebung, auf der die Farben rot-gelb-grün dominierten, wurden immer wieder Parolen wie „Wir sind alle KCKler“ oder „Die PKK ist das Volk, und das Volk ist hier“ gerufen. Unter den zahlreichen TeilnehmerInnen befanden sich die Abgeordneten der BDP, sowie VertreterInnen der kurdischen sowie türkischen Parteien wie HAKPAR, KADEP, ÖSP, TSDK, EMEP, ESP und der DTK. Nach einer Begrüßung der KundgebungsteilnehmerInnen, sprach die Co-Vorsitzende der BDP Diyarbakir Zübeyde Zümrüt zu den DemonstrantInnen. Zümrüt, die mit klaren Worten gegen die KCK-Operationen protestierte, schloss ihre Rede mit folgenden Worten: „Sie übersehen eine Sache, den demokratischen Widerstand des kurdischen Volkes. Die AKP soll sich folgendes hinter die Ohren schreiben: Selbst durch den Tod haben wir uns von unserem gerechtfertigtem Kampf nicht abgewendet. Auch der politische Genozid der AKP-Regierung wird weder das kurdische Volk noch ihre PolitikerInnen dazu verleiten, auch nur einen Schritt zurückzutreten. Ganz im Gegenteil, das kurdische Volk wird seinen Widerstand und seinen demokratischen Kampf weiter verstärken. Das Volk von Amed wird die Statuslosigkeit und Unfreiheit nicht weiter akzeptieren.“ In mehreren Städten gehen tagtäglich Hunderte Menschen zur Staatsanwaltschaft und zeigen sich mit den Worten an:„Auch ich bin ein KCKler“. (ANF, 3.12.11, ISKU) Fethullah Gülen ruft zur Vernichtung der KurdInnen auf „Die graue Eminenz der AKP Fetullah Gülen, der u.a. Ehrenvorsitzender des in Berlin ansässigen Forum für Interkulturellen Dialog ist und zurzeit in den USA lebt, kritisierte in einer jüngst ausgestrahlten Videobotschaft die "Erfolglosigkeit" im 30-jährigen Kampf gegen die PKK und schlug menschenverachtende Auswege vor. Gülen forderte die Regierung im Verlauf der ca. 45minütigen Videobotschaft bezüglich der KurdInnen unter Beschwörung der nationalen Einheit im Namen Allahs auf, die Kurden zu vernichten: ‚Lokalisiert sie, umzingelt sie (...) zerschlagt ihre Einheiten, lasst Feuer auf ihre Häuser regnen, überzieht ihr Klagegeschrei mit noch mehr Wehgeschrei, schneidet ihnen die Wurzeln ab und macht ihrer Sache ein Ende!‘ In Bezug auf die Guerilla forderte Gülen ebenfalls deren Vernichtung durch militärische Übermacht und ergänzte: ‚Ob 500, ob 5000, lass es 50.000 (gemeint sind die Guerillas) sein, du hast eine Million (gemeint sind Soldaten)‘. Unter diesen Vorzeichen lassen sich die aggressive Kurdenpolitik der AKP und die Forderung nach einer tamilischen Lösung der kurdischen Frage seitens regierungsnaher Kräfte besser verstehen. Mit diesen Aussagen lenkt und bestimmt Gülen die aktuelle Politik gegenüber KurdInnen und anderen fortschrittlichen Bewegungen in der Türkei. Die Bewegung Gülens betreibt in der Türkei mehrere Stiftungen sowie ein Medienimperium mit der regierungsnahen und auflagenstärksten Zeitung Zaman und mehreren Fernsehsendern. Unter dem Dach der Stiftungen befinden sich zahlreiche Privatuniversitäten, mehr als 200 Privatschulen, sowie 1.000 "Lichthäuser" für den Religionsunterricht. Sämtliche Eliten des Landes samt der AKP werden von Anhängern der Gülen-Bewegung dominiert. Internationale Experten sprechen diesbezüglich von einer destruktiveren und gefährlicheren Kraft als dem "Tiefen Staat" in den neunziger Jahren. Auch in der Bundesrepublik betreibt die Bewegung das Internet Nachrichtenportal "Deutsch-Türkische Nachrichten" und in vielen Städten Moscheen und Nachhilfeinstituten. Dass die AKP Regierung unter den Vorzeichen eines Aufrufs zum Massenmord durch ihren Vordenker, seitens der Bundesregierung und weiteren Kräften immer noch als bestmögliches ‚Rollenmodell‘ zur Demokratisierung der Türkei und des Mittleren Ostens gesehen wird ist vom menschenrechtlichen Standpunkt aus inakzeptabel. Wir verurteilen den Aufruf zum Massenmord durch Fethullah Gülen und sind mehr als besorgt über die aggressive Politik der AKP gegenüber der kurdischen Bevölkerung," so die UnterzeichnerInnen der Pressemitteilung. Sämtliche demokratischen Kräfte sind aufgefordert Druck auf die türkische Regierung auszuüben, sich von den Äußerungen und Absichten Fethullah Gülens zu distanzieren auf die Freilassung der Inhaftierten hinzuwirken. Die kurdische Frage kann nur auf friedlichem und demokratischem Weg gelöst werden. Dazu bedarf es allerdings eine Politik der Verständigung und des Dialogs." Gemeinsame Pressemitteilung, 23.11.11, Heidrun Dittrich, MdB DIE LINKE; u.a.. (www.kriegsverbrechen-tuerkei.info). DTF: Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei Allen Fortschritten auf dem Weg der Annäherung an die EU zum Trotz hat sich in der Türkei in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 gerade unter Menschenrechtlern die Angst vermehrt, plötzlich zum Opfer von willkürlichen Festnahmen und einer nicht selten Jahre andauernden Untersuchungshaft zu werden. Diese Angst wird zum Einen durch die massenhaften Festnahmen von Bürgermeistern und Politikern aus legalen Parteien im Rahmen der Operationen gegen die KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistan (Koma Ciwaken Kurdistan Türkiye Meclisi), bzw. von Angehörigen des Militärs, Politikern und Journalisten als vermeintliche Mitglieder des Geheimbundes Ergenekon, aber auch durch Verfahren gegen einzelne oder kleinere Gruppen, denen Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation vorgeworfen wird, geschürt. Grundsätzliche Informationen sind beim DTF auf den Seiten Menschenrechtslage und Anliegen zu finden. Auf der Seite Meinungsfreiheit werden alle Sonderberichte des DTF zu dem Thema und die wichtigsten Bestimmungen, die die Meinungsfreiheit einschränken, aufgelistet. Auf den englischen Seiten werden die Jahresberichte von 2010 von Amnesty International, Human Rights Watch, der EU und dem US Außenministerium zum Thema Meinungsfreiheit zitiert. Im Monatsbericht Oktober 2011 werden die zentralen Punkte des Fortschrittsberichts der EU vom 12.10.2011 aufgelistet. Der Schwerpunkt lag hier auf Kritik an der Einschränkung der Meinungsfreiheit. Ausführlicher Bericht auf Seiten von Demokratisches Türkeiforum e.V., info@tuerkeiforum.net, www.tuerkeiforum.net PKK Verbot aufheben - Demokratie stärken! Vor 18 Jahren, am 26. November 1993, wurde das PKK-Verbot in Deutschland zum ersten Mal angewandt. Verboten wurden damals unter anderem die Föderation kurdischer Vereine (FEYKA Kurdistan) und 29 örtliche Vereine, ein Verlag und eine Nachrichtenagentur. Tausende Menschen wurden seitdem wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt, hunderte unterschiedliche Institutionen, Vereine, Versammlungen und Festivals verboten und über 100 kurdische Politiker nach dem § 129 oder §129a als angebliche Mitglieder einer „kriminellen“ oder „terroristischen Vereinigung“ verurteilt. Seit rund einem Jahr werden kurdische Politiker in Deutschland als Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ nach § 129b StGB verfolgt. Wer hier in einem kurdischen Kulturverein tätig ist, soll nach dieser Logik für Aktionen der Guerilla in Kurdistan in Mitverantwortung genommen werden! Mit dem PKK-Verbot wird bis heute die friedliche und demokratische politische Betätigung von Kurdinnen und Kurden in Deutschland eingeschränkt, verfolgt und verboten. Während der türkische Staat in den letzten Jahren in einen Dialog mit dem von Millionen Kurdinnen und Kurden als Repräsentanten betrachteten Abdullah Öcalan stand, sind in Deutschland schon Bilder von Öcalan vielerorts verboten. Das PKK-Verbot entpuppt sich zunehmend als ein Integrationshindernis für in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden, deren politische Partizipation damit erschwert wird. Gleichzeitig ist das PKK-Verbot in Deutschland ein Hindernis für eine demokratische Friedenslösung in der Türkei und Kurdistan. Denn mit dem PKK-Verbot werden legitime Forderungen des kurdischen Volkes kriminalisiert und die türkische Regierung wird so zu Fortsetzung ihrer antikurdischen Politik ermutigt… * Wir fordern die Aufhebung des PKK-Verbots sowie die Streichung der PKK von der Terrorliste der EU. Schluss mit der Kriminalisierung politisch aktiver Kurdinnen und Kurden! * Wir erwarten von der Bundesregierung und der EU, dass sie eine Friedenslösung der kurdischen Frage nicht durch weitere Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung und weitere Waffenlieferungen an die türkische Armee behindern! * Wir fordern die Anerkennung von über 800.000 in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden als eigenständige Migrationsgruppe, die rechtlich anderen anerkannten Migrantengruppen gleichgestellt ist. (YEK-KOM - Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V., info@yekkom.com, www.yekkom.com) Ismet Chérif Vanly – Ein Nachruf Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) trauert um den Demokraten, Wissenschaftler und Mitglied ihres Beirats, Ismet Chérif Vanly (Wanly). Er starb am 9. November 2011, einige Tage vor seinem 87. Geburtstag, in seinem Haus in Lausanne. Ende der 70-er Jahre, als in Deutschland noch sehr wenig über die Unterdrückung der Kurden, ihren Widerstand und ihr Ringen um Selbstbestimmung bekannt war, arbeitete Vanly eng mit der GfbV zusammen bei der Erarbeitung des dreibändigen Werkes „Kurdistan und die Kurden - pogrom Reihe bedrohte Völker“. In diesen Büchern wurde detailliert dargestellt, warum die Kurden bis dahin in keiner Form die nationale Selbstbestimmung verwirklichen konnten. (....) Er war Präsident der Vereinigung der kurdischen Studenten in Europa (KSSE) und später des Komitees für Kurdologie an der Sorbonne. (....) Er gab sein Lehramt an der Universität auf, um sich in den Dienst des Aufstandes der Kurden im Irak1961 - 1975 zu stellen, deren Delegierter im Ausland und Sprecher General Mustafa Barzanis er bis 1975 blieb. Er war ebenfalls Mitglied des Komitees für die Rechte der Kurden in Europa. 1963 hatte das Baath-Regime in Syrien die Todesstrafe über Vanly verhängt. In der Organisation der „Kurdischen Juristen in Europa“, die Vanly 1985 in der Schweiz gründete, gehörte er zum Vorstand. Zehn Jahre später wurde er Vorsitzender des "Kurdischen Institutes in Berlin". Zeitgleich trat er dem "Kurdischen Parlament im Exil" (PKDW) bei, das 1999 in den "Kurdistan Nationalkongress" (KNK) umbenannt wurde. Patriot und Demokrat, geachtet vom kurdischen Volk in ganz Kurdistan, bemühte sich I.C. Vanly geduldig, die Einheit der kurdischen Bewegung auf der Grundlage des Prinzips der Selbstbestimmung wiederherzustellen, ohne dabei jemals seine allererste Passion aufzugeben: Den Kurden und anderen Minderheiten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen durch den fortwährenden Versuch, ihre Vergangenheit und ihren Anteil an der Errichtung der zivilen Gesellschaft des Nahen Ostens aufzuhellen. (Dr. Kamal Sido, Gesellschaft für bedrohte Völker, nahost@gfbv.de, www.gfbv.de) Danielle Mitterrand– Ein Nachruf Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) trauert um ihre gute Freundin und Menschenrechtsaktivistin Danielle Émilienne Isabelle Mitterand. Am 22. November starb die Gattin des früheren französischen Staatspräsidenten François Mitterrand in einem Pariser Krankenhaus. Sie wurde 87 Jahre alt. In die Schlagzeilen geriet sie unter anderem weltweit im Sommer 1992, als sie in Irakisch-Kurdistan nur knapp einem - dem irakischen Geheimdienst zugeschriebenen - blutigen Bombenanschlag entging. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie in Kurdistan als „Mutter der Kurden bezeichnet“. In Wirklichkeit war sie für alle Verfolgten und Unterdrückten eine gute Freundin. Am 19. Mai 2003 hielt Mitterand die Laudatio bei der Verleihung des Victor-Gollanz-Preises der Gesellschaft für bedrohte Völker an die Schicksalsgemeinschaft der kurdischen Witwen aus dem Barzan-Tal im Irak und die Vereinigung der ehemaligen weiblichen Lagerhäftlinge aus Bosnien. Die kurdischen Witwen hatten den "Anfal", die "ethnischen Säuberungen" und extremen Maßnahmen der Unterdrückung – bei denen 182.000 Kurden starben - unter der Herrschaft Saddam Husseins überlebt. Zum Ende ihrer Laudatio äußerte Mitterand den folgenden Wunsch: "Ich möchte so gern erleben, dass diese Frauen wieder ihre bunten Gewänder anlegen, um das Werk all derer fortzuführen, die ihr Leben hingaben für Freiheit und Wohlstand und ein glückliches Leben. Wir hoffen, dass bei unserem nächsten Besuch in dem schönen Barzan-Tal die Frauen in den von Saddam Hussein so fürchterlich geschändeten Dörfern wieder ihre farbenfrohe Kleidung tragen, die so vielgestaltig und farbig ist wie die herrliche, malerische Landschaft, in der sie leben." (…) Mitterrand, geborene Gouze, wurde am 29. Oktober 1924 in Verdun geboren. Bereits während ihres 17. Lebensjahres schloss sie sich dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs an. Dort traf sie ihren späteren Ehemann und Staatspräsidenten Frankreichs, François Mitterrand. Sie haben drei gemeinsame Kinder. Ihr Mann verstarb am 8. Januar 1996. Danielle Mitterrand hat stets ihre Meinung unabhängig von den Ansichten und der politischen Position ihres Mannes auch in der Öffentlichkeit vertreten. Sie setzte sich stets für die Rechte der Unterdrückten ein. (Gesellschaft für bedrohte Völker, nahost@gfbv.de, www.gfbv.de) Veranstaltung: „Arabischer Frühling“in Syrien? Auf den „Arabischen Frühling“ folgte in Syrien im Jahre 2011 ein blutiger Sommer. Nur mit dem Einsatz von brutaler Gewalt gelang es dem Assad-Regime, sich an der Macht zu halten. Mehr als 3.500 Menschen kamen nach UNO-Schätzungen bisher ums Leben, man geht derzeit von mindestens 30.000 politischen Gefangenen aus, und der Strom syrischer Flüchtlinge in Richtung Türkei und Libanon reißt nicht ab. Auch die Menschenrechtslage hat sich kontinuierlich verschlechtert. Selbst internationale Proteste und Sanktionen haben Assad nicht von seinem Kurs abbringen können. Auch die feierliche Unterzeichnung des Friedensplans der Arabischen Liga hat bisher wenig verändert. Am 25. Januar 2012 wird der GfbV-Nahostreferent, Dr. Kamal Sido, in Münster einen Vortrag zur politischen Entwicklung Syriens im Jahr 2011 halten. Beginn: 18:30 Uhr (Katholisch Soziale Akademie, zahn@franz-hitze-haus.de) Neuerscheinungen: Andreas Buro: Gewaltlos gegen Krieg Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten Ein kurdischer Freund bezeichnete Andreas Buro und mich wegen unserer mühseligen Bemühungen zur friedlichen Lösung der Kurdenfrage und in Bezug auf unserer "Nützlichen Nachrichten" als "nützliche Idioten". Ja, diese Welt braucht viele "nützliche Idioten" wie Andreas Buro. "Gewaltlos gegen Krieg" heißt sein neues Buch, das von Brandes & Apsel herausgebracht wurde. Ein Zeitgenosse eines Jahrhunderts, das von Gewalt und Krieg gekennzeichnet war, schildert Etappen und Meilensteine einer schwierigen Mission, die auf Gewaltlosigkeit und ziviler Konfliktlösung beruht. Moskau und Rom, Diyarbakir und Ankara, Peking und Berlin sind einige der vielen Stationen dieser Mission, die stets für Frieden und Gerechtigkeit einstand und ständig mobil war und immer noch ist. Wo liegt Afghanistan und wo ist Palästina? Was geschieht seit Jahrzehnten in Kurdistan und was mussten die Vietnamesen erleben? Oder was geschah vor den Toren Europas und auf dem Balkan? Andreas Buro, eine mobile Bibliothek und Dokumentationsstelle der deutschen Friedensbewegung auf zwei Beinen, berichtet von seinen Erfahrungen des letzten halben Jahrhunderts. Ihn treffen wir in seinem Werk auch als einen normalen Menschen, der lacht und einfühlsam ist. Mit seinem Werk erleichtert uns der Verfasser der "butterweichen Texte" die Konflikte und ihre Hintergründe zu verstehen und zeigt, wie Konflikte auf friedliche Bahnen umgeleitet werden können. Buros Autobiographie ist ein Album der Köpfe und Mentoren, Akteure und Aktivisten der deutschen Friedensbewegung. Geeignet auch für diejenigen, die historische Erfahrungen nicht aus ihrem Leben tilgen möchten. (Memo Sahin) Buro, Andreas: Gewaltlos gegen Krieg. Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten, Brandes & Apsel, Frankfurt 2011, ISBN 978-3-86099-709-3, Demokratieförderung von Deutschland und USA in der Türkei Aus der Untersuchung der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung geht hervor, dass sich Deutschland im bilateralen Verhältnis deutlich stärker an Demokratieförderung orientiert als die USA. Die folgenden Forderungen werden abgeleitet: A) Für die Geber ist es wichtig, grundlegende Fragen beim Umgang mit islamischen Symbolen sowie ihr eigenes Verständnis von Demokratie und Menschenrechten vorab zu klären; B) Die Geberländer sollten das Ergebnis von demokratischen Wahlen in muslimischen Ländern respektieren; C) Demokratieförderung sei nur glaubwürdig, wenn die eigenen muslimischen Minderheiten nicht diskriminiert werden; D) Eine Kooperation des Empfängerlandes Türkei mit autoritären Regimen sollte nicht vorschnell als Abwendung vom Westen verstanden werden. Cemal Karakas: Demokratieförderung zwischen Interessen und Werten. US-amerikanische und deutsche Reaktionen auf den politischen Islam in der Türkei, HSFK Report 12/2010, Frankfurt/M Hinweis auf sonstige Infostellen: Azadi, azadi@t-online.de; www.nadir.org/azadi/ Demokratisches Türkeiforum, info@tuerkeiforum.net, www.tuerkeiforum.net Europäischer Friedensrat Türkei/Kurdistan, www.barismeclisi.com/html/index.php?newlang=german Europäisches Zentrum für Kurdische Studien - Berlin, info@kurdwatch.org, www.kurdwatch.org Gesellschaft für bedrohte Völker, nahost@gfbv.de, www.gfbv.de ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V., isku@nadir.org; www.nadir.org/isku/ Kurdmania.com, Portal für Politik & Kultur, www.kurdmania.com Koalition für einen Demokratischen Irak (KDI), kdi@gmx.net Koalition Demokratisches Syrien (KDS), kds-info@gmx.net Kurdisches PEN-Zentrum, webmaster@pen-kurd.org, www.pen-kurd.org/ Kurdistan Report, www.kurdistanreport.de Mezopotamian Development Society, MESOP@online.de, www.mesop.de NAVEND – Zentrum für kurdische Studien e.V., info@navend.de, http://www.navend.de/ Österreichisch-Kurdische Ges. für Wissenschafts- u. Kultur- austausch, office@ok-gesellschaft.at, www.ok-gesellschaft.at/ The Turkish Economic and Social Studies Foundation (TESEV), www.tesev.org.tr/eng/ Zentrum für Türkeistudien, www.zft-online.de ---------------- Ende Nützliche Nachrichten 11-12/2011
|