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Für ein umfassendes Bleiberecht

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 26. November 2009

 

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf:

a)  Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Daðdelen, weiterer Ab­geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Für ein umfassendes Bleiberecht

– Drucksache 17/19 –

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

b)  Erste Beratung des von den Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Frak­tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Auf­enthaltsgesetzes

– Drucksache 17/34 (neu) –

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Ulla Jelpke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute wieder einmal über Menschen, die aus ihren Herkunftsländern geflohen sind und hier in Deutschland nur geduldet sind. Geduldet zu sein, bedeu­tet ständige Angst vor Abschiebung, bedeutet, den Wohnort nicht verlassen zu dürfen, keine Bewegungs­freiheit zu haben, also Residenzpflicht, bedeutet Arbeits­verbot und vor allen Dingen, von reduzierten Sozialleis­tungen leben zu müssen. Die Gesundheitsversorgung ist nur auf Notfälle reduziert.

Weil die Duldung immer wieder neu verlängert wer­den musste, hat es seit Jahren in diesem Hause eine De­batte darüber gegeben – genauer gesagt mit dem Zuwan­derungsgesetz von 2001, das von Grünen und SPD eingebracht wurde –, dass diese Kettenduldung endlich abgestellt werden muss.

Was ist bis dahin passiert? Rein gar nichts. Stattdes­sen hat die Koalition eine Altfallregelung eingebracht. Diese wird von Pro Asyl, einer Flüchtlingsorganisation, als kleinmütige Teillösung bezeichnet. Wir können uns dieser Aussage nur anschließen; denn das ist für die Be­troffenen wirklich nicht mehr zu ertragen.

(Beifall bei der LINKEN)

60 000 Menschen sollen ein Bleiberecht erhalten, ver­sprach damals die SPD. Nur 8 000 Menschen haben ein Bleiberecht bekommen. 30 000 Menschen haben ein Aufenthaltsrecht auf Probe bekommen. Das muss man sich einmal vorstellen. Sie müssen bis zum Ende dieses Jahres ein Einkommen aufbringen, das über Hartz-IV-Niveau liegt, sonst heißt es: Abschiebung. Es ist unseres Erachtens ein Skandal, dass die Regierung bis heute kei­nerlei Vorschläge vorgelegt hat, um bis Jahresende diese Abschiebungen zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Koalitionsvertrag steht – ich zitiere –:

… sind wir uns einig, dass vor dem Hintergrund der momentanen wirtschaftlichen Rahmenbedingun­gen Handlungsbedarf … besteht. … Zeitgerecht wird eine angemessene Regelung gefunden werden.

Herr Kollege Wolff von der FDP, Sie haben in den vergangenen Tagen immer wieder in den Medien verlau­ten lassen: Wir brauchen noch ein Jahr Zeit, um in Ruhe über eine vernünftige und tragfähige Lösung zu reden. Ich frage Sie: Warum schiebt es diese Regierung erneut der Innenministerkonferenz zu, eine Lösung zu finden? Auf der Innenministerkonferenz hat Innenminister Herrmann zum Beispiel gesagt: erst Arbeit, dann Dauer­aufenthalt; das muss das Prinzip sein.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Was spricht denn dagegen?)

Das ist fast so, als wenn man sagt: Wer keine Arbeit hat, soll auch nicht essen, Herr Grindel. Das ist die Mentali­tät, die aus diesen Positionen spricht.

(Beifall bei der LINKEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Ach je!)

Ich will hier noch einmal ganz deutlich sagen: Sie sind diejenigen, die diesen Menschen lange Zeit ein Ar­beitsverbot auferlegt und ihnen durch die Residenz­pflicht die Möglichkeit genommen haben, sich um Ar­beit zu bemühen. Auch die Fachleute sagen: Aufgrund der Wirtschaftskrise haben diese Menschen die gerings­ten Chancen, einen Job zu finden. Und nun soll ausge­rechnet die Innenministerkonferenz im Konsens eine Lö­sung finden. Ich sage hierzu nur: Dieses Spiel kennen wir seit langem und zur Genüge. Die Bundesregierung und die Innenminister schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. Wer genau hinschaut, sieht: Auch die In­nenministerkonferenz hat bis heute überhaupt keine Lö­sung. Deswegen fordern wir die Koalition auf, sofort eine Lösung zu finden. Wir fordern das Bleiberecht für alle, die diesen seltsamen Status „Aufenthalt auf Probe“ haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linksfraktion stellt in ihrem Antrag zunächst ein­mal fest – ich kann leider nur zwei Punkte nennen –, dass wir dieses Bleiberecht ganz dringend brauchen, und wir fordern die Bundesregierung in unserem Antrag auf, die Kettenduldung endlich zu beenden. Ich möchte hier noch einmal daran erinnern, dass Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Gewerkschaften vor der Sommerpause an die Politik appelliert haben, die Altfallregelung wenigs­tens zu verlängern. Die Regierung hat damals abgestrit­ten, dass es einen Handlungsbedarf gibt. Ich lese beson­ders gerne aus der Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom heutigen Tag vor, in der steht:

Die Aufenthaltserlaubnis muss erteilt werden kön­nen, sobald die Ausreise unzumutbar ist. Es wäre einfach kaltherzig und inhuman, wenn Kinder, die hier aufgewachsen sind, ständig Angst vor Ab­schiebung haben müssen, nur weil ihre Eltern keine Arbeit finden.

Dort steht weiter, die Menschen brauchten keine Dul­dung, sondern Rechtssicherheit.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Das sehen wir ganz genauso.

Es ist nicht akzeptabel,

– sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband weiter –

wenn hunderttausend Menschen über Jahre hinweg als Mitmenschen „auf Abruf“ behandelt werden.

Wir können uns dem nur anschließen und hoffen, dass die Bundesregierung endlich zu einer Lösung kommt.

Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Reinhard Grindel für die Fraktion der CDU/CSU.

Reinhard Grindel (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst der Kritik an der bestehenden gesetzlichen Bleiberechtsregelung entgegentreten. Frau Jelpke, die Frage ist doch: Nach welchen Kriterien bewerte ich, ob eine Bleiberechtsregelung erfolgreich ist oder nicht? Die Linke führt dabei vor allem Zahlen ins Feld. Wenn es nur auf Zahlen ankäme, dann wäre die erfolgreichste Bleiberechtsregelung die, die aus nur einem Satz be­steht: Alle Ausländer, die da sind, können bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das wäre aber keine verantwortliche Zuwanderungspoli­tik. Das muss ich Ihnen vorhalten, da hier auch noch Beifall geklatscht wird.

Tatsächlich verdient derjenige ein Bleiberecht, bei dem es aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen zu ei­nem so langjährigen Aufenthalt in Deutschland gekom­men ist, dass eine Verwurzelung in unserem Land statt­gefunden hat, die eine Rückführung in das ursprüngliche Heimatland aus humanitären Gesichtspunkten als nicht vertretbar erscheinen lässt.

Wir unterhalten uns hier über einen Weg der legalen Zuwanderung. Die Personen, um die es geht – das muss man auch unseren Zuschauern deutlich machen –, sind eigentlich allesamt ausreisepflichtig und erhalten durch das Bleiberecht eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive. Wir müssen also integrationspolitische Überlegungen in den Blick nehmen. Deshalb sind an das Bleiberecht aus wohlerwogenen Gründen eine Reihe von Bedingungen wie zum Beispiel das Beherrschen der deutschen Spra­che oder ein regelmäßiger Schulbesuch geknüpft wor­den.

Mit der Aufenthaltsgenehmigung auf Probe, die Sie hier völlig zu Unrecht diskreditiert haben, wollten wir Geduldeten vor allem die Arbeitsaufnahme erleichtern. Für diejenigen, die so gut integriert sind, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können, haben wir so­gar die Möglichkeit zur Erteilung einer regulären Auf­enthaltserlaubnis eröffnet.

Um es klar zu sagen: Die Bleiberechtsregelung ist nicht nur, aber auch ein humanitärer Akt. Wir wollen Geduldeten, die sich gut integriert haben, helfen. Eines wollen wir aber auf jeden Fall: Wir wollen Zuwanderung in die Sozialsysteme nachhaltig verhindern. Auch das müssen wir bei der Bleiberechtsregelung in den Blick nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist die jetzige Bleiberechtsrege­lung ein Erfolg. Über 10 300 Geduldete haben eine Auf­enthaltserlaubnis erhalten, weil sie in der Lage waren, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Weitere knapp 30 000 Personen besitzen eine Aufenthaltserlaub­nis auf Probe.

Es ist interessant, sich die Statistiken der einzelnen Bundesländer anzuschauen. Dann stellt man fest, dass bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen kein Land so engherzig ist wie das Land Berlin, wo die Linke Regierungsverantwortung trägt: Hier hat es ganze 74 Aufenthaltserlaubnisse gegeben. In Bayern waren es knapp 1 000. Sie brauchen uns von der Union in der Frage des humanitären Bleiberechts keinen Nachhilfeun­terricht zu erteilen. Dort, wo Sie Regierungsverantwor­tung tragen, sieht die Bilanz am schlechtesten aus.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts auf Probe um zwei Jahre ist bereits im Gesetz selber vorgesehen, sofern der Lebensunterhalt zumindest überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit bestritten worden ist. Das Bun­desinnenministerium hat in einer Reihe von Bundeslän­dern eine stichprobenartige Untersuchung durchgeführt. Danach ist zu erwarten, dass rund die Hälfte der Besitzer dieses Aufenthaltsrechts auf Probe mit einer Verlänge­rung rechnen kann. Zu den 10 000 Personen mit dauer­hafter Aufenthaltserlaubnis kommen also 15 000 Perso­nen hinzu, die keine oder nur geringe Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Insofern ist es nicht richtig, wenn der Paritätische Wohlfahrtsverband heute in einer Pressemit­teilung den Eindruck erweckt – Frau Jelpke, Sie haben das angesprochen –, als ob fast alle gut 30 000 Besitzer dieser Aufenthaltserlaubnis auf Probe zum Jahresende ein Problem bekämen.

Es ist sicher nicht zu bestreiten – das räumen wir ein –, dass manch gutwilliger Inhaber eines Aufenthalts­rechts auf Probe wegen der augenblicklich schwierigen wirtschaftlichen Lage keine Verlängerung erhalten wird, weil es ihm nicht gelungen ist, seinen Lebensunterhalt überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit zu bestreiten, sondern möglicherweise nur zu einem geringen Teil.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur manche! Viele!)

Deshalb stellen wir uns gemeinsam mit den Ländern die Frage: Wie gehen wir damit um? Die Grünen und die Linken schlagen vor, die Bleiberechtsregelung pauschal um mindestens ein Jahr zu verlängern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte das einmal deutlich machen, auch weil Sie hier Beifall klatschen: Sie wollen eine pauschale Rege­lung. Das heißt, Sie wollen denjenigen, der sich um Ar­beit bemüht hat, der für kleines Geld gearbeitet hat,

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kleine Geld reicht doch nicht!)

der sich immer wieder beworben hat, genauso behandeln wie denjenigen, der überhaupt nichts getan hat, sondern nur von Sozialhilfe gelebt hat. Das halte ich nicht für richtig. Wir brauchen eine differenzierte Lösung für den Umgang mit den ausländischen Mitbürgern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Welche Botschaft geht von Ihrem Vorschlag aus? Das Gesetz sieht vor, dass man sich um Arbeit bemühen muss. Viele Geduldete haben das getan, weil sie davon ausgegangen sind, dass man den Gesetzgeber ernst neh­men kann. Sie sagen dann aber: Wer nichts getan hat, der wird genauso behandelt. Das ist nicht in Ordnung.

Ich sage für die CDU/CSU-Fraktion eindeutig, dass wir keine gesetzliche Verlängerung der Bleiberechtsre­gelung wollen, sondern schon aus Zeitgründen eine Lö­sung durch Beschluss der Innenministerkonferenz vor Jahresende anstreben. Weil durch die Verlängerung der Bleiberechtsregelung zusätzliche Kosten auf Länder und Kommunen zukommen werden, macht es großen Sinn, die Länder daran zu beteiligen.

Dabei ist uns völlig klar, dass eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts auf Probe nur in Betracht kommen kann, wenn der geduldete Ausländer nachweist, dass er sich um die Sicherung seines Lebensunterhalts zumin­dest bemüht hat. In den Genuss einer Verlängerung müs­sen diejenigen kommen, die tatsächlich unter der schwierigen Wirtschaftslage leiden, nicht aber diejeni­gen, die ohnehin, unabhängig von der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, nichts tun, ob es Arbeit gibt oder nicht. Wir sind für eine differenzierte Lösung, wie sie von vielen Bundesländern und den dortigen Innenminis­tern angestrebt wird.

(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von wie vielen Leuten reden Sie da?)

Ich betone noch einmal: Eine Zuwanderung in die So­zialsysteme durch die Verlängerung der Bleiberechtsre­gelung darf es nicht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der FDP)

Dementsprechend ist es auch falsch, dass die Grünen in ihrem Gesetzentwurf schreiben, eine pauschale Verlän­gerung verursache keine zusätzlichen Kosten. Natürlich würden Kommunen, die ansonsten einen Ausländer in sein Herkunftsland zurückführen könnten, mit zusätzli­chen Hartz-IV-Leistungen belastet.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sie können doch gar nicht zurückgeführt werden! Sonst würden sie ja nicht geduldet!)

Das ist angesichts der schwierigen Lage der kommuna­len Haushalte nicht unproblematisch.


Bei dieser Gelegenheit möchte ich, weil Frau Jelpke das Thema Kettenduldungen angesprochen hat, darauf hinweisen, dass Ihre Bemerkung in die völlig falsche Richtung gegangen ist. Es war nie unser Wille, Duldun­gen generell abzuschaffen.

(Rüdiger Veit [SPD]: Unserer schon!)

Selbstverständlich können diejenigen Ausländer kein Aufenthaltsrecht beanspruchen, die durch das eigene Handeln, nämlich durch das Vernichten von Ausweispa­pieren, durch die Täuschung über ihre Identität und Rei­sewege, selber dazu beigetragen haben, dass sich ihr Aufenthalt zum Teil über mehrere Jahre hingezogen hat, weil zum Beispiel keine Passersatzpapiere herbeige­schafft werden konnten. Wer selber dafür verantwortlich ist, dass die Behörden die Rückführung nicht möglich machen konnten, wer in der Zeit vielleicht sogar straffäl­lig geworden ist, darf kein Aufenthaltsrecht bekommen und dessen Rückführung muss grundsätzlich möglich sein. Deshalb wollen wir für diese Fälle an der Duldung festhalten.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Wer bezahlt die denn? Wer bezahlt die Rückführung?)

Unsere Beratungen sind im Übrigen ein Beleg dafür, dass Stichtagsregelungen immer dann unehrlich sind, wenn allen Beteiligten sowieso klar ist, dass man ein Problem nur verschiebt und der Stichtag letztendlich nicht so ernst genommen wird. Ich will deshalb nicht verhehlen, dass es in unserer Fraktion Sympathie dafür gibt, über eine generelle Regelung hinsichtlich der Le­benssituation von gut integrierten Kindern nachzuden­ken.

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr gut!)

Viele Kinder aus geduldeten Familien gehen erfolgreich in die Schule und haben eine gute Bildungs- und Ausbil­dungsperspektive in unserem Land.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Dann werden nur die Eltern abgeschoben!)

Für sie ist Deutschland oftmals längst neue Heimat ge­worden. Ich sage hier: Im Zusammenwirken mit den In­nenministern der Länder bleibt es eine Aufgabe in dieser Legislaturperiode, zu prüfen, ob wir für diese Kinder und natürlich auch ihre Familien eine weitergehende Re­gelung treffen können. Gleichzeitig bleibt es eine ebenso wichtige Aufgabe, diejenigen, die kein Recht haben, auf Dauer bei uns zu bleiben, konsequent in ihre Heimat zu­rückzuführen und dabei etwaige Abschiebungshinder­nisse zu beseitigen. Beides gehört zusammen: tragfähige humanitäre Lösungen für gut integrierte geduldete Aus­länder und eine Rückführung derjenigen, die erfolgrei­che Integration in unserem Land eher erschweren.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Rüdiger Veit für die SPD-Fraktion.

Rüdiger Veit (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich möchte mit einer Art Amtsanma­ßung beginnen. Normalerweise gratulieren Sie, Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen zu ihren runden Geburtstagen; es ist erfreulich, wenn Kolleginnen und Kollegen älter werden und runde Geburtstage haben. Ich möchte einen anderen Glückwunsch aussprechen, der mir ein aufrichtiges Bedürfnis ist. Herr Kollege Grindel, Sie sind vor zwei Tagen Vater geworden. Ich wünsche Ihnen, Ihrer Frau und dem neuen Erdenbürger, dass er gesund heranwächst und allzeit liebevolle und auch sehr kluge Eltern hat, damit er ein ganz wichtiger Mitbürger in unserer Gesellschaft wird.

(Heiterkeit und Beifall)

Auch wenn wir ein bisschen schmunzeln, der Glück­wunsch ist sehr ernst und sehr herzlich gemeint.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen, wir reden wieder einmal über die Altfall- oder Bleibe­rechtsregelung in Bezug auf Geduldete. Wir wissen aus der letzten Statistik, die das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Linken zusammengetragen hat, dass wir Mitte dieses Jahres immer noch rund 100 000 geduldete ausländische Mitbürger in Deutschland hatten; rund 60 000 davon haben sich hier bereits seit sechs und mehr Jahren aufgehalten.

Jetzt muss man sowohl an die Adresse der hier neu im Haus befindlichen Kolleginnen und Kollegen als auch an die Adresse der Öffentlichkeit bzw. des Publikums klar sagen: Wir betreiben hier keine Übungen in einem juris­tischen Trockendock von Fachsprache. Es ist auch nicht so, dass uns daran gelegen wäre, Zuständigkeitsfragen zwischen diesem Parlament und der Innenministerkonfe­renz hin und her zu schieben. Vielmehr reden wir kon­kret über das Schicksal dieser über 100 000 Menschen; ganz viele davon sind Kinder und Jugendliche, die hier in Deutschland geboren und/oder aufgewachsen sind. Deswegen muss man sich im Interesse eines Sozial- und Rechtsstaates sehr wohl ein paar Gedanken mehr darü­ber machen, was mit diesen sinnvollerweise zu gesche­hen hat.

Duldung ist nichts anderes als die Erklärung an die Betroffenen: Ihr seid hier nicht willkommen; ihr be­kommt hier keinen gesicherten Aufenthalt; wir wollen euch abschieben, das heißt, notfalls auch mit Anwen­dung unmittelbaren Zwanges außer Landes bringen, so­bald wir das können. – Das ist die klare Ansage der Aus­setzung einer Abschiebung, also einer Duldung. Das bedeutet im Extremfall – machen wir uns da nichts vor; ich habe das in meiner früheren Praxis leider manchmal miterleben müssen –, dass beispielsweise um 5 Uhr mor­gens der entsprechende Mitarbeiter der Ausländerbe­hörde mitsamt zwei Polizeistreifen vor der Tür steht, weil er nur so sicher sein kann, die gesamte Familie zwecks Rückführung – in der Regel auf dem Luftweg – zu erreichen.

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Dann ist da aber schon mal jemand untergetaucht, Herr Kollege!)

Das ist die Realität. Dieses Leben, das aus einem Sitzen auf gepackten Koffern besteht, ist unseres Staates eigent­lich unwürdig. Es ist inhuman und auch unvernünftig, weil man die Betreffenden außerstande setzt, sich hier bei uns sinnvoll zu integrieren und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten; ich will das ausdrücklich so klar und deut­lich sagen.

Die damalige rot-grüne Mehrheit hatte sich bei den Beratungen zum neuen Aufenthaltsgesetz und zum Zu­wanderungsgesetz in den Jahren 2002 und 2004 aus gu­tem Grund vorgenommen, die Duldung gänzlich abzu­schaffen und klar zu sagen: Wer hier in Deutschland bleiben darf, der bleibt und bekommt eine Perspektive. Derjenige, für den das nicht möglich ist, muss Deutsch­land wieder verlassen. Dieses Zwischending, genannt Duldung oder Kettenduldung – manchmal für zehn und mehr Jahre –, wollen wir nicht mehr.

Wir mussten in den damaligen Gesetzesberatungen aus Rücksicht auf die CDU/CSU sowohl hier im Parla­ment als auch im Bundesrat leider das Instrument des § 60 a wieder einführen. In einem neuen Gesetz weist eine a-Nummerierung immer ziemlich deutlich darauf hin, dass die entsprechende Regelung – entschuldigen Sie bitte diese Formulierung – im Nachhinein noch „hineingewürgt“ worden ist.

Um was geht es heute konkret? Die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen hat einen Gesetzentwurf eingebracht, um die Möglichkeit der Aufenthaltserlaubnis auf Probe um ein Jahr zu verlängern.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Mindestens!)

Die Fraktion Die Linke hat darüber hinaus eine Erweite­rung dieses Bleiberechts, der Möglichkeit einer Aufent­haltserlaubnis, gefordert.

Ich möchte für die SPD-Fraktion – natürlich unter dem Vorbehalt, dass unsere Gremien das genauso sehen – an­kündigen, dass wir Ihnen in der nächsten oder übernächs­ten Woche einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem wir das Problem, wie wir hoffen, längerfristiger und sehr dif­ferenziert lösen können.

Ich füge hinzu: Natürlich bleibt es dabei, dass wir die Duldung am liebsten ganz abgeschafft hätten; daran wird sich auch nichts ändern. Wir sind aber Realisten. Wir wis­sen, dass wir für eine solche Änderung des Aufenthalts­gesetzes auch die Zustimmung des Bundesrates brauchen. Demgemäß nehmen wir auf die dortigen Mehrheitsver­hältnisse Rücksicht. Natürlich versuchen wir, den einen oder anderen Kollegen von der neuen Koalition, nament­lich von der FDP, als Mitstreiter zu gewinnen.

Ich kündige schon jetzt an, dass in diesem Gesetzent­wurf in einer differenzierten Stufung klargestellt wird: Wer sich mit Familie seit zehn Jahren oder als Alleinste­hender seit zwölf Jahren bei uns aufhält, weil er, aus welchen Gründen auch immer, aus guten Gründen nicht abgeschoben werden konnte, der kann bleiben. Diese Regelung wird, unserer Auffassung nach sinnvoller­weise, deswegen stichtagsbezogen sein, weil wir für die Zukunft keinen Anreiz schaffen wollen, sich der Ab­schiebung durch Verschleppung absichtlich zu entzie­hen.

Außerdem wollen wir bei deutlicher Verkürzung der bisherigen Fristen sagen: Wer sich als Alleinstehender acht Jahre oder mit Familie sechs Jahre hier aufhält, der kann auch dann bleiben, wenn er seinen Lebensunterhalt nicht gesichert hat.

In einer weiteren Stufung von wiederum sechs Jahren bei Alleinstehenden und vier Jahren bei Familien wollen wir sagen: Wer sich ernsthaft um die überwiegende Si­cherung seines Lebensunterhaltes bemüht, der kann ebenfalls bleiben. Wohlgemerkt sind solche Tatbestände und Konstellationen, in denen Ausweisungsgründe im Sinne schwerwiegender Straftaten oder des Verdachts terroristischer Bezüge vorliegen, immer ausgeschlossen.

Wir wollen darüber hinaus sagen: Bei Minderjährigen und solchen Personen, die minderjährig eingereist sind, reichen uns auch vier Jahre Aufenthalt in Deutschland, wenn die Perspektive gegeben ist, dass sie sich hier inte­grieren werden.

In der Konsequenz dessen gehen wir dann noch einen Schritt weiter und sagen: Kinder und Jugendliche, die mindestens einen Hauptschulabschluss oder einen ver­gleichbaren Schulabschluss erworben haben, sollen ebenfalls hierbleiben können, ohne die erforderlichen Mindestaufenthaltszeiten nachweisen zu müssen. Denn sie haben schon den Nachweis erbracht, dass und in wel­cher Weise sie in der Lage sind, sich in unsere Gesell­schaft und unser Bildungssystem zu integrieren. Eine solche gesetzliche Regelung soll wohlgemerkt nicht stichtagsbezogen sein. Wir glauben, dass auch diejeni­gen, die aufgrund ihrer Aufenthaltszeiten immer wieder in diese Möglichkeit „hineinwachsen“, auch in der Zu­kunft das Recht erhalten müssen, eine Aufenthaltser­laubnis zu bekommen.

Wir wollen uns nicht darauf verlassen, dass die Innen­ministerkonferenz auf ihrer Sitzung Anfang Dezember dieses Jahres einfach nur beschließt: Wir verlängern die Möglichkeit der Aufenthaltserlaubnis auf Probe um ein oder zwei Jahre. – Es gibt einen Berliner Vorschlag, der eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Probe auf zwei Jahre und weitere Voraussetzungen, die aller­dings nicht so eng wie die bisherige Regelung gefasst sind, beinhaltet. Im Augenblick deutet aber nichts darauf hin, dass die Innenminister – sie müssten das gemeinsam und einstimmig machen – einem derartigen Vorschlag nähertreten. Dies löst auch nicht wirklich das Problem. Außerdem ist es von der Systematik her schwierig, wenn die Innenministerkonferenz in ihrer Weisheit – das ist jetzt gar nicht unbedingt nur ironisch gemeint – etwas korrigieren soll, was der Gesetzgeber ausdrücklich an­ders erklärt hat. Eigentlich wäre es unsere ureigenste Aufgabe als Gesetzgeber, die Hausaufgaben zu machen.

(Beifall der Abg. Wolfgang Gunkel [SPD] und Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Idee ist auch gar nicht neu. Denn seit März haben wir versucht, unseren damaligen Koalitionspartner, die Union, davon zu überzeugen, dass wir eine solche gesetz­liche Änderung dringend brauchen. Ich habe immer wie­der darauf hingewiesen, dass die Zeit nach der Wahl, auf die wir vertröstet werden sollten, nicht ausreicht, weil wir mit einem regulären Gesetzgebungsverfahren bis zum Jahresende nur schwer fertig werden können und weil die­jenigen, die damit rechnen müssen, dass ihre Aufenthalts­erlaubnis auf Probe nicht wieder verlängert wird – das sind, wie wir heute wissen, ungefähr 15 000 Menschen –, in der Zwischenzeit entweder kein neues Arbeitsverhält­nis eingehen können oder sogar ihre Arbeit verlieren. Das heißt, die bei uns lebenden ausländischen Mitbürger müssten entgegen dem, was wir eigentlich wollen, näm­lich ihre Integration, zumindest eine Zwangspause einle­gen.

Leider haben wir uns gegenüber unserem Koalitions­partner nicht durchsetzen können. Unser Koalitionspart­ner war der Auffassung: Das machen wir alles nach der Wahl. Ich habe sogar noch die halbironische Bemerkung im Ohr, dieser Punkt könnte für die Koalitionsverhand­lungen – mit wem auch immer – ein wichtiger Verhand­lungsgegenstand oder vielleicht eine Art Morgengabe werden.

Was sich jetzt in den Koalitionsvereinbarungen wie­derfindet, geht über das, was die CDU sowieso zu ma­chen bereit war, nicht wesentlich hinaus. Ich unterstelle einmal, bei der Union besteht – der Kollege Grindel hat das zart angedeutet – durchaus eine gewisse Bereit­schaft, zumindest über eine Verlängerung der Aufent­haltserlaubnis auf Probe nachzudenken. Ich sage aber noch einmal: Ich halte die Innenministerkonferenz für das falsche Instrument. Wir könnten das auch hier be­schließen; es wäre noch nicht zu spät.

Insgesamt – damit will ich eine gewisse Spitze gegen­über dem neuen Koalitionspartner der CDU/CSU nicht verhehlen – hätte ich der FDP angesichts der Denkweise, die sie in den vergangenen Jahren gezeigt hat, zugetraut, sich in manchen Punkten, gerade was das Ausländer­recht angeht, besser durchzusetzen.

(Otto Fricke [FDP]: Besser als ihr!)

Daher sage ich nur: Schon wir waren vielleicht nicht gut oder nicht optimal; aber Sie sind ein noch wesentlich kleinerer Teil der Koalition. So ist Ihr Erfolg in den Koalitionsverhandlungen noch bescheidener ausgefal­len. Dafür kann ich Sie nicht loben.

Gleichwohl werbe ich dafür, dass wir über den Ge­setzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen und den Antrag der Linken, auch wenn sie nach meinem Dafürhalten nicht differenziert genug, nicht weitgehend genug sind, gemeinsam mit der neuen Koalition beraten. Ich würde mich freuen, wenn wir zeitnah gemeinsam zu einem konstruktiven Ergebnis kämen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Hartfrid Wolff für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Re­form des Bleiberechts durch die Bundesregierung 2007 war ein längst überfälliger Schritt. Das habe ich damals als Vertreter der Opposition gesagt, und das sage ich auch als Vertreter der FDP-Fraktion in der Regierungs­koalition.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Gunkel [SPD])

Wenn bei lange geduldeten, gut integrierten Auslän­dern eine Abschiebung nicht mehr vertretbar ist, muss dieser Tatsache durch eine vernünftige und unbürokrati­sche Regelung Rechnung getragen werden. Die ent­scheidenden Kriterien waren und sind jedoch: lange ge­duldet und gut integriert. Eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts ist dabei von entscheidender Be­deutung.

Das Zahlenmaterial, das die Grünen in ihrem Gesetz­entwurf und die Linken in ihrem Antrag zitieren, deutet darauf hin, dass diese Anforderung für die Integration sehr bedeutsam ist. Anders als die Linken es in ihrem Antrag vorgaukeln, ist es zutiefst inhuman, Menschen den Aufenthalt zu ermöglichen, die keine Chance haben, ihren Lebensunterhalt hier selbst zu verdienen. Wer so etwas tut, hält Alimentierung für humane Politik.

Wir Liberalen halten es für besser, Menschen Chan­cen zu eröffnen. Arbeit ermöglicht es Zuwanderern, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, und fördert da­durch das Selbstwertgefühl nicht nur der Berufstätigen, sondern auch ihrer Familienangehörigen.


Ohne einen gleichberechtigten Arbeitsmarktzugang können sich Zuwanderer nicht aus ihrer ökonomischen Abhängigkeit befreien. Erwerbstätigkeit ist die Grund­lage für wirtschaftliche Eigenständigkeit. Deshalb stellt die Koalition die Ermöglichung einer Erwerbstätigkeit in den Mittelpunkt. Daher sagen wir im Koalitionsvertrag:

Die Residenzpflicht soll so ausgestaltet werden, dass eine hinreichende Mobilität insbesondere im Hinblick auf eine zugelassene Arbeitsaufnahme möglich ist …

(Rüdiger Veit [SPD]: Das gilt heute schon!)

Wir sind uns in der Koalition einig, und wir sind uns üb­rigens auch mit den Grünen einig, wenn ich ihren Antrag richtig verstehe.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Abschaffung der Residenzpflicht!)

Vor dem Hintergrund der momentanen wirtschaftli­chen Rahmenbedingungen besteht Handlungsbedarf in Bezug auf die Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe, die die gesetzlichen Vorgaben zur Lebensunter­haltssicherung zum Jahresende voraussichtlich verfehlen werden. Auch der Kollege Grindel hat das gerade ausge­führt.

Wir haben vereinbart, zeitgerecht eine angemessene Regelung zu finden. Zunächst gilt es, die zum Jahres­ende auslaufende Regelung so anzupassen, dass wir den notwendigen Raum gewinnen, eine tragfähige gesetzli­che Grundlage für ein Bleiberecht zu schaffen, um den nicht mehr verständlichen Zustand der Kettenduldungen nachhaltig anzugehen.

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr gut!)

Anfang Juli habe ich hier an dieser Stelle gesagt: Die FDP hält es für notwendig, die Frist – bisher 31. Dezem­ber 2009 – zu verlängern, da nach der Neuwahl des Bun­destages die Zeit zu kurz ist, um durch eine neue Gesetz­gebung für eine praktikable Umsetzung zu sorgen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ach nein! Das ist ja interessant!)

Die damalige FDP-Position sieht man jetzt weitgehend wörtlich in dem Antrag der Grünen. Sie sind ihr beige­treten.

(Aydan Özoðuz [SPD]: Dann können Sie doch zustimmen!)

Ich finde es übrigens ganz interessant: Im Sommer konn­ten die Grünen dem noch nicht zustimmen. Auch die SPD wollte dem in der damaligen Koalition nicht beitre­ten. Eine Gesetzesänderung wäre Anfang Juli freilich das Mittel der Wahl gewesen.

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr richtig!)

Jetzt ist es arg spät dafür. Das war allen Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Hause auch bereits in der letzten Legislaturperiode bewusst.

(Rüdiger Veit [SPD]: Nicht allen, aber den meisten!)

Unsere Befürchtung hat sich also als berechtigt herausgestellt. Die Alternative, die die Grünen im vor­liegenden Entwurf aufzeigen, über ein Votum der Innen­ministerkonferenz eine Übergangslösung zu bewerkstel­ligen, ist deshalb der richtige Weg. Zeitlich erhalten wir so schneller als durch ein komplexes Gesetzgebungsver­fahren, nämlich Anfang Dezember, eine verlässliche Grundlage für die Betroffenen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Wolff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sharma?

Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):

Das muss nicht unbedingt sein.

(Raju Sharma [DIE LINKE]: Keine Lust zu antworten?)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Bitte schön.

Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):

Das eigentliche Problem stellt sich danach. Das Pro­blem der Kettenduldungen muss einer nachhaltigen Lö­sung zugeführt werden, und wir brauchen für alle, insbe­sondere auch für die bisher Geduldeten, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr gut!)

Die große Schwierigkeit einer sinnvollen Bleibe­rechtsregelung besteht darin, einerseits den unhaltbaren Zustand der Kettenduldungen abzuschaffen und anderer­seits die Zuwanderung nach Deutschland so zu steuern, dass diese eine nachhaltige Akzeptanz bei den Bürgerin­nen und Bürger findet. Hier muss die tatsächliche Inte­gration das entscheidende Kriterium sein.

(Aydan Özoðuz [SPD]: Von welchen Massen reden Sie denn?)

Wer einem schrankenlosen Daueraufenthaltsrecht in ver­meintlich humanitärer Gesinnung das Wort redet, riskiert die steigende Ablehnung der Bevölkerung gegenüber Zuwanderern.

Im Antrag der Linken wird die Notwendigkeit einer eigenständigen Lebensunterhaltssicherung für Menschen verneint, die ein Aufenthaltsrecht in Deutschland su­chen. Es hilft niemandem weiter, wenn die Fraktion Die Linke immer wieder fordert, de facto auf jegliche Zu­wanderungssteuerung zu verzichten. Vielmehr erweist die Linke damit den Bemühungen um Ausländerintegra­tion einen Bärendienst. Die Linken erwecken mit ihrem Antrag den Eindruck, Geduldete könnten sich allein da­durch, dass sie sich fünf oder gar nur drei Jahre lang hierzulande aufgehalten haben, ohne aktiv etwas für ihre Integration zu tun, einen Anspruch auf ein Bleiberecht erwirken. Damit werden falsche Hoffnungen geweckt.

Eine solche Rücksichtslosigkeit gegenüber unseren Sozialsystemen, vor allem aber übrigens auch gegenüber den Betroffenen selbst, die die Linke offenbar nur als Unmutspotenzial in der Bevölkerung kultivieren will, trägt die FDP nicht mit. Die Möglichkeit für langjährig Geduldete, den eigenständigen Lebensunterhalt zu be­streiten, ist deshalb sehr wohl ein wichtiges Kriterium bei der Bleiberechtsregelung. Das dient der Integration.

Um die Arbeitsmigration sinnvoll zu steuern, hat die FDP konkrete Vorschläge gemacht, die auch von den Gewerkschaften und den Unternehmen dringend ange­mahnt werden und über die wir im Koalitionsvertrag Einvernehmen erzielt haben.

Wir sind uns auch beim Bleiberecht einig. Wir brau­chen eine Zuwanderungssteuerung mit nachvollziehba­ren Kriterien. Zuwanderer sind zu fördern, aber auch selbst gefordert. Die deutsche Sprache, die Demokratie, der Rechtsstaat und die Grund- und Menschenrechte sind das für alle geltende Fundament unserer Gesell­schaft.

Die Linke will das Gegenteil. Sie will die Akzeptanz von Ausländern in Deutschland erschweren, die Sozial­systeme sprengen, die inneren Spannungen erhöhen und die deutsche Gesellschaft desintegrieren, indem sie schlicht falsche Erwartungen weckt und statt Engage­ment nur Anspruchsdenken fördert.

(Zuruf von der LINKEN: Wo wollt ihr denn hin?)

Wir Liberalen wollen dagegen Chancen eröffnen.

(Zuruf von der LINKEN: Wo denn?)

Wir wollen eine neue Kultur des Willkommens, die nicht falsche Versprechungen auf Kosten anderer Leute macht, sondern Chancen und Perspektiven eröffnet. Wir wollen, dass die Menschen, die zu uns kommen, sich ihre Zukunft selbst erarbeiten dürfen und können.

Wir wollen, dass sie hier willkommen sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Raju Sharma.

Raju Sharma (DIE LINKE):

Herr Kollege Wolff, ich habe zur Kenntnis genom­men, dass Sie zur Lebenssituation der Menschen, die nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt überwie­gend eigenständig zu sichern, ausgeführt haben, diese Menschen hierzubehalten, sei inhuman. Ich finde diese Aussage bemerkenswert, weil sie darauf rückschließen lässt, dass Sie die Lebenssituation dieser Menschen als inhuman betrachten. Wir können das unterstreichen. Ich frage mich bloß: Wie beabsichtigen Sie diese Situation zu ändern?

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwann nächstes Jahr oder übernächstes Jahr!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Wolff.

Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):

Lieber Herr Kollege, wir sind uns doch darüber einig, dass das geltende Ausländerrecht demokratisches Recht ist und man dementsprechend beachten muss, dass man nicht meinen kann, dieses außer Kraft setzen und einen Anreiz dafür geben zu können, dass jeder, der in ir­gendeiner schwierigen Situation ist, nach Deutschland kommen kann. Das heißt, wir werden eine Lösung fin­den müssen, nach welchen Kriterien jemand bleiben und einen Aufenthaltsstatus bekommen kann. Dementspre­chend müssen wir auch diese Regelung vollziehen.

Genau deshalb müssen wir klare, für die Betroffenen selbst, aber auch für unsere Gesellschaft nachvollzieh­bare Kriterien finden, die vernünftigerweise auch aner­kannt sind. Ich glaube, dazu gehört auch die Möglich­keit, hier zu arbeiten und etwas für die Integration zu tun. Aber bei demjenigen, der sich nicht integrieren will, ist es verhältnismäßig schwierig, von den demokrati­schen Gesichtspunkten des Ausländerrechts Abstand zu nehmen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Josef Winkler für die Frak­tion Bündnis 90/Die Grünen.

Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wende mich gleich an den Kollegen Wolff. Nur weil der Deutsche Bundestag auf demokrati­sche Weise ein Gesetz beschlossen hat, muss es nicht au­tomatisch nur humane Auswirkungen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Aydan Özoðuz [SPD])

Gerade im Bereich der Flüchtlingspolitik und des Flüchtlingsrechts kann man das sehr genau beobachten. Das alleine ist also noch kein inhaltlich starkes Argu­ment gegen das gewesen, was der Kollege Sharma vor­gebracht hat.

Jetzt will ich aber für den Kollegen Grindel und den Kollegen Wolff aus unserem Gesetzentwurf zitieren:

In § 104 a Absatz 5 Satz 1 und 2 wird das Datum „31. Dezember 2009“ jeweils durch das Datum „31. Dezember 2010“ ersetzt.

Ich habe nicht gedacht, dass das so missverständlich sein könnte, wie es sich heute gezeigt hat. Sie haben eine große kreative Intelligenz bewiesen und hier Dinge hi­neininterpretiert, die damit wirklich nicht gemeint sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ich habe doch klar gesagt: keine pauschale Verlängerung! Nur für die, die sich bemüht haben!)

– Herr Kollege Grindel, Sie ignorieren meine Zwischen­rufe auch immer. Desha

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