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Berliner Infodienst Migration vom 15.10.2007

BIM 50/2007 - Berliner Infodienst Migration vom 15.10.2007

 

In dieser Ausgabe:

 

1. Integration und Arbeitsmarkt (I): Aufschwung ohne Ausländer

2. Integration und Arbeitsmarkt (II): Holz hacken mit Diplom

3. “Ehrenmord”: Täter rechtfertigt sich vor Gericht

4. Augsburg, 25.10.2007: „Islamischer Feminismus, Feminismus im Islam“

5. Berlin, 23./24.10.2007: Sensibilisierungstraining zur Diversity-Kompetenz

6. Duisburg, 27.10.2007: Veranstaltung über “Ehrenmorde”

7. Hamburg: Bürgerpreis "Miteinander in Mitte" für Integrationsarbeit

8. Münster, 19.10. bis 24.10.2007: „Wie friedensfähig sind Religionen?“

9. Rostock, 18.10.2007: „Keine Angst vor dem Islam!“

10. Würzburg, 05.11. bis 09.11.2007: Seminar zum Dialog der Kulturen

11. Völkermord an Armeniern (I): US-Ausschuss spricht von Genozid

12. Völkermord an Armeniern (II): Türkei ruft US-Botschafter zurück

13. Völkermord an Armeniern (III): aktuelle Presseschau

14. Frankreich: Neues Museum zur Geschichte der Einwanderung

15. Litauen: Die Rückkehr der Auswanderer

16. USA: Die katholische Retortenstadt Ave Maria

17. Schweiz: Die Eidgenossen und das schwarze Schaf

18. Buch-Tipp: „Das Haus an der Moschee“ von Kader Abdolah

19. TV-Tipps

20. BIM zitiert - heute ein Zitat von Ralph Giordano, Publizist

 

... und am Ende: Impressum und Bezugsmöglichkeiten

 

1. Integration und Arbeitsmarkt (I): Aufschwung ohne Ausländer

Der starke Rückgang der Erwerbslosigkeit in den vergangenen zwei Jahren von knapp fünf Millionen auf 3,8 Millionen Arbeitslose im September 2007 hat fast alle Bevölkerungsgruppen erreicht: Junge, Ältere, Frauen, Männer, Hoch- und Gering-qualifizierte. Nur eine Gruppe bleibt abgekoppelt: die 15,3 Millionen Migranten in Deutschland. Das birgt nach Auffassung von Ingo Behnel, Büroleiter der Beauftrag-ten der Bundesregierung für Integration, Maria Böhmer, "Sprengstoff für die Zukunft".

Die gesellschaftliche Akzeptanz und Integration von Migranten vollzieht sich über den Arbeitsmarkt, betont Behnel.

 

Und hier, sagt auch Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Ar-beit (BA), "haben wir die Integrationsaufgabe nicht bewältigt". Die Zahlen sprechen laut Behnel eine deutliche Sprache: Während die Arbeitslosenquote insgesamt von 10,1 Prozent im September 2006 bis September 2007 auf 8,4 Prozent gesunken ist, verharrt sie bei den Ausländern konstant auf dem hohen Niveau von rund 20 Pro-zent. Auch die Erfolge bei den unter 25-Jährigen (ein Drittel weniger Arbeitslose als im September 2005) gingen den BA-Zahlen zufolge an den jungen Ausländern kom-plett vorbei: Für sie änderte sich nichts.

 

Gerade in den Hauptschulen zeige sich, dass sehr viele Ausländer nicht in der deut-schen Gesellschaft angekommen sind. Jeder vierte Ausländer verlässt die Schule ohne Abschluss. Unter ihnen hat die Quote der Schulverweigerer nach Angaben der Bundesbehörde für Integration sogar zugenommen. Bei den Deutschen liegt die Quote bei neun Prozent. Wer keinen Schulabschluss hat, da sind sich alle Arbeits-marktexperten einig, wird im Berufsleben nur schwer Fuß fassen. Um zu verhindern, dass weiterhin jedes Jahr 80.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen, hat die BA Becker zufolge knapp ein Dutzend Projekte aufgelegt. Dabei gehen Mitar-beiter der Arbeitsagenturen ein bis zwei Jahre vor Schulende in die Hauptschulen, um "Gefährdete zu identifizieren" und ihnen spezielle Hilfen anzubieten.

 

Mit dem sogenannten Nationalen Integrationsplan, den die Bundesregierung gemein-sam mit den Bundesländern und zahlreichen Verbänden im Sommer 2007 beschlos-sen hat, soll die Zahl der Ausbildungsverträge für junge Ausländer gesteigert werden. Dazu werden vor allem ausländische Arbeitgeber angesprochen, mehr für die beruf-liche Qualifikation von Migranten zu tun. An deutsche Arbeitgeber tritt die Bundesre-gierung mit Unterstützung der Großkonzerne Telekom, Deutsche Bank, Daimler und BP unter dem Schlagwort "Charta der Vielfalt" heran, um sie dazu zu bewegen, mehr Ausländer einzustellen. Die Kommunen haben bereits bekräftigt, den Anteil von Mi-granten in der Verwaltung zu erhöhen.

 

Außerdem hat der Gesetzgeber nach den Worten von Ingo Behnel den Druck auf ar-beitslose Leistungsbezieher erhöht, Deutschkurse zu besuchen und damit durch ei-gene Anstrengung ihre berufliche Qualifikation zu verbessern. Und schließlich, glaubt Behnel, wird der Ausbau der Krippenplätze bis 2013 dazu führen, dass ausländische Kinder sehr viel früher als heute die deutsche Sprache lernen - und damit eine ganz wichtige Grundlage für ihren späteren schulischen und beruflichen Erfolg schaffen.

Storm fordert mehr Engagement für lebenslanges Lernen

 

Für Andreas Storm, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesbildungsmi-nisterium, werden in Zukunft eine gute Schul- und Berufsausbildung nicht mehr aus-reichen, um möglichst ohne Phasen der Arbeitslosigkeit durchs Berufsleben zu kom-men. "Lebenslanges Lernen" sei gefordert, um nicht als älter werdender Arbeitneh-mer von der Dynamik der Arbeitswelt abgekoppelt zu werden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass derzeit die älteren Arbeitnehmer von der Belebung auf dem Arbeitsmarkt überproportional profitieren. So waren nach den BA-Zahlen im Septem-ber 2007 bei den über 50-Jährigen 4,9 Prozent mehr in sozialversicherungspflichti-gen Jobs beschäftigt als ein Jahr zuvor; bei den über 55-Jährigen waren es sogar 6,3 Prozent - bei einem Gesamtanstieg über alle Altersgruppen von 1,6 Prozent inner-halb eines Jahres.

 

Damit ältere Beschäftigte, deren Anteil an den Belegschaften in den nächsten Jahr-zehnten Storm zufolge steigen wird, "genauso innovativ und produktiv wie die Jun-gen sein werden, sind erhebliche Anstrengungen im Bildungsbereich und auf dem Arbeitsmarkt notwendig". Die Bundesregierung will, so Storm, Arbeitnehmern, die einen Teil ihres Einkommens für kostspielige Weiterbildungen verwenden, steuerlich begünstigen, ihnen preiswerte Darlehen gewähren und sie auch direkt finanziell un-terstützen. Bei den Unternehmen setzt die Bundesregierung in diesem Punkt auf Freiwilligkeit. Zwang, etwa in Form einer Weiterbildungsabgabe, komme derzeit nicht in Betracht, so Storm. In der berufsbegleitenden Weiterbildung liegen deutsche Be-triebe weit hinter anderen OECD-Staaten zurück. Insbesondere weniger qualifizierte Beschäftigte sowie Mitarbeiter, die älter als 45 Jahre alt sind, profitieren in nur sehr geringem Umfang von Weiterbildungsmaßnahmen.

 

aus: epd sozial Nr. 41 vom 12. Oktober 2007 (von Markus Jantzer)

 

2. Integration und Arbeitsmarkt (II): Holz hacken mit Diplom

 

In Russland hat Irina Bier für ihre Heimatstadt Wladimir und später für den Energie-riesen Gasprom gearbeitet. Sie ist Diplomingenieurin, ihr Spezialgebiet ist Hydro-technik, der Bau von Kanälen und Schleusen. In Deutschland findet die 43-Jährige trotz mehrerer deutscher Weiterbildungen keinen Job. Es geht ihr wie vielen ihrer Be-kannten, die mit anerkanntem Ingenieursdiplom als Kraftwagenfahrer oder Altenpfle-ger arbeiten. "Dieses Land nutzt unsere Kräfte nicht richtig", sagt sie. "Ich kann mehr, als ich zurzeit beweisen kann."

 

Tausende Zuwanderer arbeiten in Deutschland trotz Hochschulabschluss als Hilfsar-beiter. Laut einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind fast 19 Prozent der hochqualifizierten Ausländer arbeitslos, bei den Spätaus-siedlern sind es sogar 43,6 Prozent. "Das Potential der Ausländer wird nicht ausge-schöpft", sagt Herbert Brücker, Bereichsleiter für Internationale Vergleiche und Euro-päische Integration beim IAB. Der Befund steht im Widerspruch zu Forderungen von Wirtschaftsverbänden, die über Mangel an Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Informatikern klagen - und darauf drängen, mehr Hochqualifizierte aus dem Ausland zu holen. 20 Milliarden Euro koste der Mangel an Qualifizierten die Wirtschaft jähr-lich, heißt es in einer Studie des Wirtschaftsministeriums.

 

Oliver Heikaus, Arbeitsmarktexperte der IHK, fordert deshalb, die Zuwanderung für ausgebildete Ausländer zu erleichtern. "Dazu gehört, die Einkommensanforderungen bei hochqualifizierten ausländischen Experten zu senken und den deutschen Arbeits-markt generell für mittel- und osteuropäische EU-Bürger mit Hochschulabschluss zu öffnen." Diese kurzfristige Lösung hält Roberto Alborino, Leiter des Referats Migrati-on und Integration bei der Caritas, für falsch. Hochqualifizierte Ausländer seien ja längst in Deutschland - nur werden sie nicht ihren Talenten gemäß eingesetzt. "Es gibt hier viele unentdeckte Potentiale. Es ist nicht richtig, dass wir sie unterbewerten und nicht benutzen." Alborino selbst kennt viele Beispiele: Eine Schulleiterin, die als Sekretärin arbeiten muss, oder einen Ingenieur, der sich mit Übersetzungen über Was-ser gehalten hat. "Viele höher qualifizierte Migranten sind bereits so demotiviert, dass sie ihren Kindern vom Studium abraten", sagt er.

 

Zuständig für die Anerkennung von Hochschulabschlüssen sind die Bundesländer. Sie entscheiden, ob ein ausländisches Diplom deutschen Standards entspricht. Das Problem dabei ist oft die mangelnde Vergleichbarkeit. Viele Berufsgruppen, wie Leh-rer oder Juristen, haben kaum eine Chance auf Anerkennung. Andere dürfen zwar ihren ausländischen Titel tragen, doch mit dem können die meisten Arbeitgeber dann nichts anfangen.

 

Irina Hartok ist 25 Jahre alt und IT-Technikerin, Diplom-Wirtschaftsinformatikerin und Verkaufsmanagerin. "Ich habe in Russland alles gleichzeitig gemacht, gearbeitet und gelernt", erklärt sie ihre Qualifikationen. Sie brachte neben ihrem Diplom vier Jahre Berufserfahrung, meistens aus dem Einkauf von IT-Technik, mit nach Deutschland. Trotzdem hat sie auf rund 30 Bewerbungen nur Absagen bekommen - obwohl Infor-matiker eigentlich stark nachgefragt sind. "Dabei sind die Arbeitgeber oft nicht so ehr-lich und offen", sagt Hartok. "Sie sagen meistens einfach, sie hätten schon jemanden gefunden." Jetzt sitzt die Wirtschaftsinformatikerin wieder auf der Schulbank. Sie wurde ins Akademikerprogramm der Otto Benecke Stiftung (OBS) aufgenommen. Mit einem meist einjährigen Ergänzungsstudium und Praktika können Akademiker mit ausländischem Abschluss hier ihre Chancen auf einen Job verbessern. Rund 3150 hochqualifizierte Spätaussiedler, Kontigentflüchtlinge und Asylberechtigte bewerben sich pro Jahr. Die Kurse reichen von Betriebswirtschaft über Informatik bis zu Ma-schinenbau. Mit dem Zertifikat schaffen es 70 Prozent, innerhalb eines Jahres einen Job zu bekommen.

 

Entscheidend sei die Chance, sich im Praktikum zu beweisen, sagt Dagmar Maur, Leiterin des Akademikerprogramms. "Viele haben 100 Bewerbungen geschrieben und trotzdem keinen unbezahlten dreimonatigen Praktikumsplatz bekommen", so Maur. "Die Unternehmen denken, ausländische Praktikanten kosten Zeit und Auf-merksamkeit." Sie wünsche sich mehr Mut von den Arbeitgebern, erst mal zu sehen, was die Absolventen können. Vorurteile der Arbeitgeber gegen nicht-deutsche Ab-schlüsse sieht auch Caritas-Integrationsexperte Alborino als Problem. "Zum Beispiel wird ehemaligen Bürgern von früheren Sowjetstaaten oft unterstellt, sie seinen zu angepasst und phlegmatisch. Da sind immer noch Stereotype in den Köpfen."

 

Besonders schwierig wird es, wenn der Abschluss von den Behörden gar nicht erst akzeptiert wird. Professor Rolf Meinhardt, Migrationsforscher an der Universität Ol-denburg, hat in einer Untersuchung 260 studierte Migranten in Niedersachsen be-fragt. 40 Prozent von ihnen wurde der Universitätsabschluss nicht anerkannt, etwa jeder Dritte war arbeitslos, besonders Naturwissenschaftler fanden oft keinen Job.

"Sie gelten als ungelernte Arbeitskräfte", sagt Meinhardt. "Warum wird ein ehemali-ger Oberarzt nicht mal Krankenpfleger, sondern Hilfskrankenpfleger? Diesen Um-gang mit Fachkräften finde ich entwürdigend."

 

Barbara Buchal-Höver, stellvertretende Leiterin der Zentrale für ausländisches Bil-dungswesen, findet dagegen nicht, dass die Hürde für die Anerkennung zu hoch ist. Jeder Abschluss müsse sich daran messen lassen, was in Deutschland Standard ist. Bestimmte Berufe dürften von Migranten nur dann ausgeübt werden, wenn Dauer und Inhalt der Ausbildung den hiesigen entsprechen. "Es liegt in unserer Verantwor-tung, dass niemand einen Beruf ausübt, in dem er wegen mangelnder Qualifikation schädlich wirken kann. Davor müssen wir die Öffentlichkeit schützen", sagt sie.

 

Sadrija Musina, diplomierter Gymnasiallehrer für Philosophie, Logik und politische Wissenschaft arbeitete als Holzfäller, nachdem er 1992 aus Serbien nach Deutsch-land geflüchtet war. Er wurde in Deutschland geduldet, an eine Anerkennung seines Diploms war nicht zu denken. Musina schlug sich mit befristeten Jobs durch, im Sä-gewerk, beim Gerüstbauer, als Gärtnereigehilfe und als Lagerarbeiter in der Gastro-nomie. "Das Schwerste war, immer als unqualifiziert behandelt zu werden", erzählt er. "Wer nicht gut deutsch spricht, der kann auch alles andere nicht gut - so denken die Leute." Er sei von seinen Kollegen oft schikaniert worden, habe sich tief bücken müssen, um den Job zu behalten. Musina, der damals in Serbien promovieren wollte, hatte Sehnsucht nach der Universität. An der Uni Oldenburg besuchte er gelegentlich Vorlesung und traf auf Rolf Meinhardt. Der Professor richtete 2006 den Bachelor-Stu-diengang "Interkulturelle Bildung und Beratung" für Migranten ein. Der 48-jährige Mu-sina hat gerade das vierte von sechs Semestern abgeschlossen. Im nächsten Jahr soll ein zweiter Bachelor-Studiengang für Migranten in Oldenburg starten - diesmal für Ingenieure.

 

aus: SPIEGEL ONLINE vom 14.10.2007 (Von Silke Bigalke)

 

3. “Ehrenmord”: Täter rechtfertigt sich vor Gericht

 

Wegen eines besonders grausamen "Ehrenmordes" an seiner just geschiedenen Ehefrau ist ein 36-jähriger Iraker in München zu lebenslanger Haft verurteilt worden. "Nur die Unterwerfung unter seinen Willen hätte ihr den Tod erspart", stellte das Schwurgericht am Donnerstag in der Urteilsbegründung fest.

Vor den Augen ihres fünfjährigen Sohnes hatte der Mann seine Ex-Frau Sazan im Oktober 2006 auf offener Straße niedergestochen, mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt. "Sie haben das Wort Ehre in den Mund genommen, aber es ging Ihnen um die Macht über Ihre Frau", sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Kazim M. nahm das Urteil lächelnd entgegen. "Ich bin sehr froh, dass ich die Tat begangen habe", lautete sein Schlusswort.

 

Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest und schloss damit eine Haftentlassung nach 15 Jahren aus. Kazim M. verachte die deutsche Rechtsord-nung, sagte Götzl. Für ihn sei es "ein Fehler, dass hier die Frauen überhaupt Rechte haben. Er wirft den Behörden und der Justiz vor, dass sie diese Rechte schützen."


Sazan B. habe ihren späteren Mörder als 17-jähriges Mädchen im Irak heiraten müs-sen: "Sie beugte sich damit dem Willen ihres Vaters." Als sie sich nach fünf Jahren in Deutschland nach mehrfachen Misshandlungen von ihm trennte, habe er "das Gere-de seiner Landsleute" gefürchtet, "er könne sich bei seiner Frau nicht durchsetzen", erklärte Götzl. Deshalb habe er Monate vorher beschlossen, sie möglichst grausam umzubringen.

Als die Frau mit dem Kind nach der Scheidung nach Hause wollte, stach Kazim M. ihr mit einem Messer zwölfmal in Kopf und Körper, bis die Klinge abbrach. Dann übergoss er sie mit Benzin und zündete sie an. "Sie hat es verdient!", hatte er zum Prozessauftakt erklärt und betont, auch die Familie der Frau habe das von ihm ver-langt.

Dass der kleine Sohn bis heute unter der Bluttat leide, sei dem Angeklagten egal, sagte der Richter: "Er ist der Ansicht, in Fragen der Ehre könne keine Rücksicht auf Kinder genommen werden." Seiner 24-jährigen Frau habe er möglichst große Schmerzen zufügen wollen. Deshalb habe er auch überlegt, "sie an sein Auto zu binden und zu Tode zu schleifen".

 

aus: Frankfurter Rundschau vom 12.10.2007, Link: www.fr-online.de/in_und_

ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1224362&sid=abd8ad274eea75bbf9805bd1f61773df

 

4. Augsburg, 25.10.2007: „Islamischer Feminismus, Feminismus im Islam“

 

Der Feminismus, der sich in den 1970er Jahren aus der Frauenrechtsbewegung und den außerparlamentarischen Oppositionsbewegungen (Studentenbewegung, Black Power-Bewegung, anti-imperialistische Bewegungen) in den USA und Europa ent-wickelt hat, erscheint seit einigen Jahren im Zusammenhang mit islamischen Revita-lisierungsbestrebungen.

 

Diese sind sowohl an demokratisch-pluralistischen Modellen als auch an Vorstellun-gen von shari'a und islamischem Staat orientiert. Die Idee des Feminismus selbst wurde von den Akteurinnen und Akteuren dekonstruiert und wird derzeit anhand ei-gener religiöser Vorstellungen neu definiert. Dabei lassen sich teilweise Überlappun-gen mit dem westlichen Diskurs um Themen wie politische Partizipation, Bildung, Be-rufstätigkeit, Führungspositionen etc. feststellen. Andererseits zeichnen sich aber auch Unterschiede ab, die es notwendig machen, explizit von islamischem Feminis-mus zu sprechen, der nicht homogen ist (ebenso wenig wie der westlich-säkulare Fe-minismus), sondern die unterschiedlichen nationalen, ethnischen und ideologischen Kontexte widerspiegelt, in denen Musliminnen zurzeit agieren. Gemeinsam ist allen, dass sie über ein Emanzipationskonzept sowie über politische Strategien verfügen, mit deren Hilfe sie diese Konzepte in die soziale Praxis übertragen möchten. In die-sem Vortrag soll anhand des Beispiels muslimischer Frauenorganisationen in Indo-nesien diskutiert werden, inwiefern und mit welchen Mitteln islamischer Feminismus in Indonesien gelebt und praktiziert wird.

 

Die Referentin, Dr. Monika Arnez, Postdoktorandin, lehrt indonesische und südost-asiatische Literatur am Lehrstuhl für Südostasienkunde, Universität Passau, geboren 1974,1994-1999 Studium der Malaiologie, Anglistik und Ethnologie in Köln, 2002 Promotion an der Universität zu Köln, Malaiologischer Apparat: Politische Gewalt und Macht in indonesischer Literatur von 1945 bis zur Gegenwart. Seit 2005 am Lehrstuhl für Südostasienkunde, Universität Passau. Schwerpunkt in Lehre und Forschung: Islam und Gender in Südostasien, Moderne indonesische Literatur, Geschichte, Kul-turgeschichte und Literatur Südostasiens.

 

Die Veranstaltung findet statt am Donnerstag, 25.10.2007, 19.30 Uhr im Mesopota-mien Verein, Mendelssohnstraße 21 in Augsburg. Die Teilnahmegebühr beträgt vier Euro

 

5. Berlin, 23./24.10.2007: Sensibilisierungstraining zur Diversity-Kompetenz

Diversity-Kompetenz ist in den letzten Jahren zum Schlagwort geworden. Sie gilt heute im Alltag und Beruf als Schlüsselqualifikation. Dabei impliziert Diversity- Kom-petenz oft die Annahme, dass das Wissen über menschliche Vielfalt, andere kulturel-le Kontexte und Codes ausreicht, um sich den Herausforderungen einer sich stetig verändernden und pluralistischeren Gesellschaft stellen zu können. Diversity- Kom-petenz meint jedoch viel mehr. Sie setzt bei der Selbstreflexion jedes/r Einzelnen an. So lösen bestimmte Merkmale in unseren Köpfen sofort Bilder und Assoziationen aus. Menschen werden oft aufgrund ihrer (zugeschriebenen) ethnischen Herkunft, Hautfarbe, Sprache, sexuellen Identität, ihres Alters, Geschlechts, einer Behinde-rung, ihrer Religion oder Weltanschauung mit Vorurteilen und im schlimmsten Fall mit diskriminierenden Verhaltensweisen konfrontiert. Kein Mensch ist frei von Vorurtei-len. Oft sind wir uns dessen nicht bewusst, denken und handeln allerdings im Alltag, im Privatleben und im Berufsleben nach diesen.

Ziel dieses Diversity-Trainings ist, den Teilnehmer/innen einen Raum für die persön-liche Auseinandersetzung mit Vor-urteilen zu geben, um diese zu reflektieren bzw. bewusst mit diesen umzu-gehen und somit die eigene Diversity-Kompetenz im alltäg-lichen Umgang zu stärken. Im interaktiven Gruppenprozess werden mit Hilfe einer Vielzahl von Übungen aus dem „Eine Welt der Vielfalt-Programm“ verschiedene In-halte rund um das Thema Vielfalt sowie Vorurteile und Diskriminier-ung thematisiert, reflektiert und erlebbar gemacht

TrainerInnen: Florencio Chicote, Diplom-Psychologe, Eine Welt der Vielfalt-Trainer, Diversity-Trainer und Eren Ünsal, Sozialwissenschaftlerin, Eine Welt der Vielfalt-Trai-nerin, Diversity-Trainerin

Das Seminar findet statt in der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, An der Urania 4-10, 10787 Berlin, 1. Etage/ Seminarraum R120. Die Teilnahmegebühr, die vor Ort entrichtet werden kann, beträgt 6 Euro.

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. Duisburg, 27.10.2007: Veranstaltung über “Ehrenmorde”

 

„Ehrenmorde“ sind ein spektakuläres Thema, das gerne benutzt wird, um die Inte-grationsfähigkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen und ihrer Religion in Zweifel zu ziehen. In einem Programm mit Vorträgen und Diskussion wollen das kurdische In-stitut Navend, Bonn, und die Volkshochschule Duisburg zur Versachlichung beitra-gen.

 

Als Referent konnte Dr. Ilhan Kizilhan, Konstanz, gewonnen werden. Er hat als Ge-richtsgutachter 20 Fälle von Ehrenmorden in ganz Europa untersucht und Opfer psy-chotherapeutisch behandelt. Berivan Aymaz, vom kurdischen Institut Navend, behan-delt das Thema aus Sicht kurdischdeutscher Frauen. Darüber hinaus werden Info-Kampagnien vorgestellt und deren Wirksamkeit besprochen.

 

Die öffentliche Veranstaltung findet statt am Samstag,  27. Oktober 07, 14.30 bis 18.00 Uhr, Einlass ab 14.00 Uhr, im Internationalen Zentrum, Flachsmarkt 15, Duisburg-Innenhafen. Kostenbeitrag: 5 Euro. Anmeldung unter (02 03) 2 83-39 62 oder internationales-zentrum@stadt-duisburg.de

 

7. Hamburg: Bürgerpreis "Miteinander in Mitte" für Integrationsarbeit

 

In Hamburg leben über 200.000 Menschen mit Migrationshintergrund, davon allein 70.000 im Bezirk Hamburg-Mitte. Der Bezirk Hamburg-Mitte setzt sich in erheblichem Umfang für die Integration von Migranten ein – nicht zuletzt durch das erste von ei-nem Hamburger Bezirk beschlossene Integrationsleitbild, die vom Bezirk Hamburg-Mitte angestrebte Partnerschaft mit dem Bezirk Izmir-Konak, sowie durch den Bür-gerpreis für die Arbeit mit Migranten.

 

Viele Migranten setzen sich für andere ein und engagieren sich für ihre Mitbürger mit dem Ziel der Teilhabe aller an der Gesellschaft. Sie geben damit ein Beispiel für an-dere. Es braucht solche Vorbilder, damit die Integration aller gelingen kann. Mit dem Bürgerpreis des Bezirks Hamburg-Mitte will die Bezirksversammlung Menschen aus-zeichnen, die sich für Integration einsetzen, damit aus Zugewanderten Einheimische werden. Für den Bürgerpreis in Betracht kommen dabei Menschen, die sich in den Bereichen Kultur, Soziales, Bildung, Sport und im Einsatz für demokratische Werte wie Toleranz und Teilhabe engagieren.

 

Einsendeschluss ist am 31.10.2007. Mehr Informationen unter: http://fhh.hamburg.de

/stadt/Aktuell/bezirke/mitte/politik-verwaltung/pressemitteilungen/archiv/2007/

buergerpreis.html

 

aus: Pressemitteilung des Bezirksamts Hamburg-Mitte vom 08.10.2007

 

8. Münster, 19.10. bis 24.10.2007: „Wie friedensfähig sind Religionen?“

Das Konflikt- und das Friedenspotenzial von Religion steht vom 19. bis 24. Oktober in Münster im Brennpunkt einer zehnteiligen Veranstaltungsreihe zum Jahrestag des Westfälischen Friedens. Religionswissenschaftler, Theologen, Pädagogen, Journa-listen und nicht zuletzt die 34 in Münster existierenden Religionsgemeinschaften wer-den sich damit unter anderem im Rathaus am Prinzipalmarkt auseinandersetzen - dort, wo am 24. Oktober 1648 nach mehrjährigen Verhandlungen ein auch religiös motivierter europäischer Krieg auf diplomatischem Parkett beendet wurde.

 

Sind monotheistische Religionen wie das Christentum und der Islam mit ihrem Wahr-heitsanspruch überhaupt friedensfähig? Wie stehen sie heute zu den Werten von To-le-ranz und Koexistenz und zur Trennung von Religion und Staat? Dieser roblematik geht die Reihe aus unterschiedlichen Perspektiven nach.

 

Das genaue Programm, dem die Einzelveranstaltungen zu entnommen werden kön-nen gibt es unter: www.marketing.muenster.de

  

9. Rostock, 18.10.2007: „Keine Angst vor dem Islam!“

 

Die Rostocker Moschee lädt am Donnerstag, 18.10.2007, 19.30 Uhr ein zu einem Vortrag von Uwe Mikail Troppenz zum Thema „Keine Angst vor dem Islam!“ ein. Uwe Mikail Troppenz lebt in Parchim, ist 59 Jahre alt und hat als Pressereferent gearbei-tet. Er lebt in Parchim. Im Anschluss an den Vortrag gibt es bei Tee und orientali-schem Gebäck die Möglichkeit zur Diskussion.

 

Die Veranstaltung findet bei freiem Eintritt statt im Literaturhaus Kuhtor, Ernst-Bar-lach-Straße 5, 18055 Rostock

 

10. Würzburg, 05.11. bis 09.11.2007: Seminar zum Dialog der Kulturen

 

Viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind bemüht, ein differenziertes Bild vom politischen Islam und Hintergrundwissen über die Weltreligion des Islam zu er-langen sowie ein besseres Verständnis für die hier lebenden Musliminnen und Mus-lime zu entwickeln. Was führt zur Entstehung von sogenannten „Parallelgesellschaf-ten“? Wie kann auf beiden Seiten Toleranz und Verständnis gefördert werden? Wo gibt es bereichernde Beispiele durch den „Dialog der Kulturen“?

 

All das wird Thema eines umfassenden Seminars sein, zu dem Akademie Franken-warte in Würzburg einlädt. Das Seminar findet statt von Montag, 05.11. bis Freitag, 09.11.2007 statt. Das Programm gibt es als Download unter: www.frankenwarte.de/programm/seminare/subdir/2007_11/art1335,912.html

Infos über die Akademie Frankenwarte gibt es unter: www.frankenwarte.de/aktuelles

 

11. Völkermord an Armeniern (I): US-Ausschuss spricht von Genozid

 

Abdullah Gül reagierte sofort. Nach dem Beschluss des Auswärtigen Ausschusses im US-Repräsentantenhaus in Washington, den türkischen Völkermord an den Arme-niern anzuerkennen, meldete sich der türkische Staatspräsident noch in der Nacht zum Donnerstag zu Wort. Diese Entscheidung sei einer Großmacht wie den USA un-würdig, erklärte Gül. Leider hätten amerikanische Politiker die „großen Fragen“ ihren engstirnigen innenpolitischen Spielchen geopfert. Was Gül mit den „großen Fragen“ meinte, könnte den Amerikanern schon bald klar werden: Türkische Politiker drohen damit, den US-Nachschub für den Irak zu kappen, der vorwiegend über türkisches Staatsgebiet läuft. Außerdem macht die US-Entscheidung eine türkische Intervention im Nordirak wahrscheinlicher.

„Inakzeptabel“ sei der Beschluss der US-Abgeordneten, kritisierte die Regierung in Ankara. „Endet jetzt eine hundertjährige Partnerschaft?“, fragte die Zeitung „Hürriyet“. Sollte das Plenum des US-Repräsentantenhauses die Entschließung des Ausschus-ses übernehmen, will die Türkei mit gezielten Maßnahmen reagieren. Dabei werde sein Land aber mit kühlem Kopf vorgehen, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. In den vergangenen Jahren hatte Ankara auf mehrere ähnliche Parla-mentsentscheidungen, darunter in Frankreich oder der Schweiz, empfindlich reagiert. So wurden französische Firmen von Rüstungsprojekten in der Türkei ausgeschlos-sen.

Im Fall der USA könnten die Konsequenzen wesentlich weiter reichen. Rund 70 Pro-zent des Luftnachschubes für die US-Truppen in Irak laufen nach Angaben des Pen-tagon über den türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik bei Adana. Auch 30 Prozent des US-Treibstoffes für den Irak werden über die Türkei transportiert. Neue gepan-zerte Fahrzeuge, die US-Soldaten besser vor Anschlägen schützen sollen, kommen ebenfalls über die Türkei nach Bagdad. Sollte die Türkei die Basis Incirlik und den Seehafen Mersin für die Amerikaner schließen, stünde die US-Armee vor erheblichen Problemen. Auch ein Teil des Nachschubes für Afghanistan wird über die Türkei ab-gewickelt.

Türkische Diplomaten und Militärs arbeiten Fernsehberichten zufolge an einem Maß-nahmenkatalog, zu dem die Schließung des türkischen Luftraums für US-Militärflug-zeuge gehören soll – was den Iraknachschub abwürgen würde. Zudem soll die militä-rische Zusammenarbeit mit den USA in der Nato auf ein Mindestmaß abgesenkt wer-den –-was Missionen wie die in Afghanistan treffen könnte. Schon vor der Abstim-mung im US-Ausschuss hatten türkische Politiker die Amerikaner gewarnt: „Vergesst Mersin“, sagte der Außenpolitiker Egemen Bagis.

Nach der als Demütigung empfundenen Ausschussentscheidung wird in der Türkei auch der Ruf nach einer baldigen Militärintervention im Nordirak lauter werden, bei dem die Militärs gegen die PKK-Kurdenrebellen im Nachbarland vorgehen wollen. Bisher zögerten die Türken unter anderem mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zu Washington mit dem Einmarsch. Diese Überlegung dürfte ab sofort keine große Rolle mehr spielen. Nächste Woche soll die Beschlussvorlage für die Truppenentsendung im Parlament von Ankara beraten werden.

Mit der amerikanischen Entscheidung hat zudem die Politisierung der Armenierfrage eine neue Dimension erreicht. Offiziell steht die Türkei auf dem Standpunkt, dass der Tod mehrerer hunderttausend Armenier im Ersten Weltkrieg die unbeabsichtigte Fol-ge einer kriegsbedingten Umsiedlungsaktion war. Von einem gezielten Völkermord könne aber keine Rede sein. Armenien und ein Großteil der Forschung sehen das anders.

Türkische Nationalisten sehen sich nun in ihrer Ansicht bestätigt, dass ausländische Mächte das Thema benutzen, um Druck auf die Türkei auszuüben. Dabei wäre ein Umdenken in der Armenierfrage in der Türkei dringend nötig. Nur wenige Stunden nach dem Beschluss im US-Kongress verurteilte ein Istanbuler Gericht zwei türkisch-armenische Journalisten wegen „Beleidigung des Türkentums“ zu Bewährungsstra-fen.

 

aus: DER TAGESSPIEGEL vom 12.10.2007 (von Susanne Güsten)

Link: www.tagesspiegel.de/politik/div/Tuerkei;art771,2397921

 

12. Völkermord an Armeniern (II): Türkei ruft US-Botschafter zurück

 

Die Türkei hat ihren Botschafter aus den USA abgezogen. Das ist eine Konsequenz, nachdem der US-Kongress das Massaker an Armeniern 1915 als Völkermord be-zeichnete. Die Türkei wiegelt aber ab: Man wolle nur mit dem Botschafter reden. Es sei normal, dass der Botschafter nach einer solchen Entscheidung zu Beratungen zu-rückgerufen werde, sagte der türkische Außenamtssprecher Mahmut Bilman. Wann Botschafter Nabi Sensoy in die USA zurückkehren werde, sei schwer zu sagen.

 

Ein Sprecher des Weißen Hauses betonte das Bemühen der US-Regierung um den Erhalt der starken Beziehungen zur Türkei. Das Land ist auch in Hinblick auf die Mili-tär-Einsätze im Irak und in Afghanistan ein wichtiger Verbündeter der USA in der Nahost-Region. Der Auswärtige Ausschuss des Repräsentantenhauses hatte trotz der Warnungen der Regierung Bush eine Resolution verabschiedet, in der Massaker und Vertreibungen an Armeniern im damaligen Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917 als "Völkermord" bezeichnet werden.

 

Bei der Türkei löste der Schritt höchste Verstimmung aus, Präsident Abdullah Gül be-zeichnete die Resolution als "nicht hinnehmbar". Washington fürchtet, dass die Tü-rkei aus Verärgerung über die Resolution künftig die über ihr Territorium gehenden Transporte der US-Armee für die Einsätze im Irak und in Afghanistan unterbinden könnte.

 

>>> Infobox: Bei Massakern und Vertreibungen im damaligen Osmanischen Reich kamen zwischen 1915 und 1917 nach armenischen Angaben mehr als 1,5 Millionen Armenier ums Leben, nach türkischen Angaben zwischen 250.000 und 500.000.

Die Türkei lehnt die Einstufung der Verbrechen als Völkermord ab und spricht statt-dessen von der "Unterdrückung" eines Volkes, das sich im Ersten Weltkrieg mit dem russischen Feind verbündet hätte.


Die Regierung von US-Präsident George W. Bush lehne den Text der US-Parlamen-tarier ab, betonte Johndroe am Donnerstag in Washington. Der Sprecher Bushs äus-serte die Hoffnung, Botschafter Sensoy werde schon bald wieder in Washington sein. "Wir erwarten seine schnelle Rückkehr und werden weiter für den Erhalt der starken Beziehungen zwischen der Türkei und den USA arbeiten", betonte er.

 

Nach einem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu berät der Botschaf-ter mit der Regierung in Ankara über das Vorgehen nach der bevorstehenden Vorla-ge des Textes im Repräsentantenhaus. Im US-Kongress gibt es seit Jahren Bestre-bungen, die Massaker an den Armeniern als Völkermord anzuerkennen. Ein Entwurf wurde 2000 fallen gelassen, nachdem der damalige Präsident Bill Clinton seinen Wi-derstand erklärt hatte.

 

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte vor Journalisten die "Massentötungen" von Armeniern im Osmanischen Reich, wollte jedoch in dem Streit keine Position be-ziehen. Dies sei eine Angelegenheit zwischen den USA und der Türkei, betonte Ban in New York.

 

aus: heute.de vom 12.10.2007

Link: www.heute.de/ZDFheute/inhalt/4/0,3672,7104068,00.html

 

13. Völkermord an Armeniern (III): aktuelle Presseschau

 

Das außenpolitische Komitee des US-Repräsentantenhauses hat eine Resolution verabschiedet, worin die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord bezeichnet werden.

 

Von einem "Produkt der armenischen Lobbyarbeit in den Vereinigten Staaten" ist in der türkischen Zeitung MILLIYET die Rede. "Für manche Ausschussmitglieder hat das etwas mit 'Moral' zu tun. Andere wiederum wollen die Türkei bestrafen, weil sie in letzter Zeit nicht auf die US-Interessen Rücksicht genommen hat. So wurde etwa den amerikanischen Truppen verboten, im Irak-Krieg über türkisches Territorium einzu-marschieren. Auch das Energieabkommen Ankaras mit Teheran hat in Washington für Unmut gesorgt", zählt MILLIYET auf.

Die ebenfalls in Istanbul erscheinende Zeitung STAR dagegen appelliert: "Jetzt soll-ten wir aufhören herumzuschreien und uns aufzuregen, sondern fragen, warum es so weit kommen konnte. Die Vorfälle sind fast 100 Jahre her. In dieser Zeit waren wir nicht in der Lage, über dieses Thema zu diskutieren. Wer den offiziellen Standpunkt nicht teilte, wurde zum Landesverräter erklärt, kam ins Gefängnis. Was hat uns das gebracht? Gar nichts. Es gibt nur Stillschweigen. Bevor wir uns über andere aufre-gen, sollten wir doch einmal schauen, was wir falsch gemacht haben", rät das türki-sche Blatt STAR.

Die schwedische Zeitung SYDSVENSKA DAGBLADET notiert: "In der Türkei selbst ist es verboten, die Ereignisse von 1915 als Völkermord zu bezeichnen. Das ist nicht nur schwer zu begreifen, sondern auch inakzeptabel. Auch die Reaktion des Weißen Hauses ist zweifelhaft. Bush protestierte gegen die Resolution, weil er nicht will, dass die USA einen wichtigen Verbündeten vor den Kopf stoßen. Aber damit lässt er natio-nale Interessen vor Anstand gehen. Die historische Wahrheit ist schmerzhaft. Aber sie darf nicht auf dem Altar der kurzfristigen Politik geopfert werden", verlangt das SYDSVENSKA DAGBLADET aus Malmö.

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG betont: "Außenpolitik ist eine schwierige Sache. Grundsätze sind wichtig, aber in der Tagespolitik geraten sie oft in Konflikt mit prakti-schen Erfordernissen. Die Interessen aller Beteiligten wiegen schwerer. Dennoch ist fraglich, ob Parlamente gut daran tun, sich mit Geschichtsschreibung zu befassen. Sie sollte Historikern überlassen werden. Außenpolitisch ist diese symbolische Aktion überflüssig und kontraproduktiv", urteilt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.

Die österreichische Zeitung DER STANDARD hält dagegen: "Was immer man von US-Außenpolitik hält - sie wird nicht allein von einem allmächtigen Präsidenten im Weißen Haus bestimmt. Kongressabgeordnete reden lautstark mit und lassen sich dabei von engagierten Wählergruppen beeinflussen. Zu Wort melden sich meist eth-nische Lobbys. Das Ergebnis ist eine oft widersprüchliche und ineffektive Außenpoli-tik. Für Amerikaner ist das ein akzeptabler Preis für eine gelebte Demokratie, wie es sie anderswo kaum gibt. Den Rest der Welt mag dies zwar erstaunen. Überreaktio-nen à la Türkei sind allerdings unangebracht", unterstreicht DER STANDARD aus Wien.

"Was sind mögliche Folgen dieser Resolution für die jetzige US-Regierung?"
fragt die ROSSIJSKAJA GAZETA aus Moskau. "Die Türkei könnte den USA etwa den Zugang zur türkischen Militärbasis Inzhirlik verwehren. Diese spielt bei den Ope-rationen der US-Luftstreitkräfte im Irak und in Afghanistan eine Schlüsselrolle. Doch wie dem auch sei, die Entscheidung des amerikanischen Kongresses erscheint lo-gisch", findet das russische Blatt ROSSIJSKAJA GAZETA.

"Die überaus wichtige Militärbasis der USA in der Südtürkei ist nun gefährdet", ist auch die estnische Zeitung POSTIMEES überzeugt. "Bei uns wird der Völkermord an den Armeniern wenig thematisiert. Das ist nicht gerechtfertigt. Das Thema ist durch-aus von Relevanz und liegt uns keineswegs fern. Erstens sind die USA unser Ver-bündeter, und zweitens ist die Türkei Kandidat für eine Mitgliedschaft in der EU", führt POSTIMEES aus Tallinn an.

Die italienische Zeitung LA STAMPA merkt an: "Es gibt zwei Bereiche, die das Anse-hen und die Stabilität der modernen Türkei gefährden: eine Vergangenheit, die nicht verarbeitet ist, und eine unsichere Gegenwart. Das Massaker an der armenischen Minderheit im Ersten Weltkrieg wirft zyklisch wiederkehrend dunkle Schatten auf die türkische Gesellschaft. Die Gegenwart wird hingegen von der rebellischen kurdi-schen Minderheit bedroht: Seit sich im angrenzenden Irak ein so gut wie autonomes Kurdistan gebildet hat, stellen die Kurden eine tägliche Gefahr an der südlichen tür-kischen Grenze dar", glaubt LA STAMPA aus Turin.

aus:
Deutschlandradio Presseschau vom 12.10.2007

 

14. Frankreich: Neues Museum zur Geschichte der Einwanderung

In Paris ist das neue Museum zur Geschichte der Einwanderung eröffnet worden. Die Tageszeitung LE MONDE berichtet: "Asylbetrug, Schwindel bei der Familienzusam-menführung, illegale Grenzübertritte, Parallelgesellschaft... Die aktuelle Debatte scheint völlig von den Rechtsmissbräuchen und generellen Gefahren durch die nach Frankreich kommenden Einwanderer dominiert zu sein... Eine ganz andere Perspek-tive bietet das neue Museum der Geschichte der Einwanderung in Frankreich. Es ist sorgsam darauf bedacht, die 'Debatte zu entschärfen', ohne die Augen zu verschlies-sen oder einen Schlussstrich darunter zu ziehen. Gibt es gute oder schlechte Ein-wanderer? Erzwungene oder freiwillige Immigration? Der 'Blick' auf die beiden ver-gangenen Jahrhunderte, zu dem wir eingeladen werden, ist ein ganz anderer. Ob 'Aufnahmeland' oder 'feindliches Land' - gegenüber 'seinen' Ausländern verhielt sich das Land immer ambivalent."

 

Link zum vollständigen Artikel (französisch): www.lemonde.fr/web/article/0,1-0@2-3232,36-964721@51-963901,0.html

 

aus: euro|topics-newsletter vom 10.10.2007

 

15. Litauen: Die Rückkehr der Auswanderer

 

In allen drei baltischen Staaten gibt es infolge von Auswanderung und einer gleich-zeitig boomenden Wirtschaft zu wenig Arbeitskräfte. Nun versucht Litauen, mit einer Werbeaktion Bürger ins Land zurückzuholen. Dazu schreibt die estnische Zeitung POSTIMEES: "Litauen hat ebenso hohe Wachstumsraten wie Estland, und der Ar-beitskräftemangel ist dort so stark fühlbar, dass die politischen Führer endlich von Worten zu Taten übergegangen sind und einen Appell an die Hunderttausende von Wirtschaftsemigranten richteten. Die Informationsstellen, die nun in Westeuropa ein-gerichtet werden, sind vermutlich nicht genau das, was den im Ausland lebenden Li-tauern fehlt. Aber der Schritt zeigt zumindest, dass die Regierung ihre Bürger nicht vergessen hat. Noch wichtiger freilich wäre, mehr Wert auf die Schaffung menschen-würdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen im eigenen Land zu legen."

 

Link zum Artikel (estnisch): www.postimees.ee/111007/esileht/arvamus/288581.php

 

aus: euro|topics-newsletter vom 11.10.2007

 

16. USA: Die katholische Retortenstadt Ave Maria

 

Auf der Suche nach behütetem Wohnen in Kleinstadt-Atmosphäre zieht es US-Ame-rikaner verstärkt in Retortenstädte. In Florida lockt nun eine besondere Form dieser Projekte: Ave Maria - Kleinstadt samt Eliteuniversität. Und alles rein katholisch. Der Weg nach Ave Maria führt meilenweit durchs Nichts. Durch Plantagen, durch Felder, durch die endlosen Sümpfe Südfloridas. Und plötzlich ist man da. "Gegründet 2007" steht stolz auf dem Schild. Dabei ist Ave Maria längst nicht fertig.

 

Die Uni allerdings steht schon. Gegründet wurde die neueste amerikanische Privat-universität von einem Mann, der alles verkauft hat für den Traum von der eigenen katholischen Hochschule. "Endlich", sagt Tom Monaghan, "meine Gebete sind erhört worden. Wir haben den richtigen Ort für Ave Maria." Mit einer Pizzakette ist Mona-ghan zum Multimillionär geworden, katholisch war er schon immer. Jetzt sei es Zeit, etwas zurückzugeben und anderen zu helfen bei der Erlösung, findet Monaghan: "Ich will Seelen retten. Ich habe so viel von Gott bekommen, ich will jetzt meinen Mitmen-schen etwas geben. Am besten helfe ich ihnen, in den Himmel zu kommen und die Hölle zu vermeiden."

 

Eine Eliteuni soll Ave Maria einmal werden - mit allen gängigen Fachrichtungen. Die nagelneuen Gebäude bieten Platz für 6000 fromme Studenten, 600 haben sich bis-her eingeschrieben. Wegen der Werte seien sie hier, sagen alle. Manche meinen das sehr ernst: "Ich überlege noch, ob ich Nonne werde, oder ob ich doch heirate", be-richtet eine Studentin. "Es gibt hier so ein Programm, da kann man das Nonne-Sein ausprobieren. Ich habe ein wenig Angst vor der Entscheidung, aber ich will offen sein für alles. Hier sind viele Mädchen, die sich das überlegen, das ist großartig." Auch ei-ne andere Studentin wird wohl diesen Weg einschlagen: "Meine Mutter hat mir das vorgeschlagen. Du könntest gut Nonne werden, hat sie gesagt. Ich war erst total da-gegen, aber dann habe ich gedacht - warum nicht? Vielleicht will Gott ja, dass ich genau das tue."

 

Die Wohnheime sind nach Geschlechtern getrennt, mit festen Besuchszeiten. Alle hier finden das in Ordnung. Jeweils zu dritt wohnen sie auf zehn Quadratmetern. Da-menbesuch im Männerheim geht nur für ein paar Stunden am Wochenende - und bei weit geöffneter Tür. Andrew hat eine Verlobte auf dem Campus, die wohnt natürlich im Mädchenheim. In seinem Männerzimmer haben sie es gemütlich gemacht. "Ich denke, so wie Ave Maria sollte eigentlich die ganze Welt sein", sagt Andrew. "Natür-lich ist es gut, viele unterschiedliche Menschen um sich herum zu haben, wir sollten auch niemanden ausschließen. Aber wenn es eine gemeinsame Glaubensgrundlage gibt, dann finde ich das gut."

 

Johannes-Paul-der-Zweite-Boulevard oder Verkündigungs-Ring heißen hier die Straßen. Und die Kirche kann nicht groß genug sein. Denn zum Projekt Ave Maria gehört auch die Stadt Ave Maria - auch wenn die Kirche erst mal nur "Oratorium" heißen darf , solange Rom nicht seinen Segen gibt. Noch wird gebaut, aber die In-nenstadt - nach italienischem Vorbild - ist fast fertig. Eine gute katholische Stadt soll es werden, das jedenfalls wünscht sich Gründer Monaghan. Bisher ist es eher eine Geisterstadt. "Ach was, man braucht nur ein wenig Phantasie", sagt Blake Gable von der Baufirma. "In ein paar Monaten öffnen hier die ersten Geschäfte. Stellen sie sich das ganze Angebot vor - Souvenirs, Spielwaren, Supermärkte, da vorne kommt eine Zahnarztpraxis hin."

 

Blake Gable ist Projektmanager. Seine Firma zieht rund um die Uni eine schlüssel-fertige Stadt hoch - auf Anregung der katholischen Unigründer, aber auf eigene Kos-ten. Elftausend Häuser und Wohnungen sollen es einmal werden. Ein Multi-Millio-nenprojekt, perfekt geplant. Und mit Häusern in allen Preiskategorien. Damit zukünf-tig

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