BIM 53/2007 - Berliner Infodienst Migration vom 29.10.2007 1. Flucht weltweit (I): Griechenland - PRO ASYL erhebt schwere Vorwürfe 2. Flucht weltweit (II): Jemen - Erneut viele Tote im Golf von Aden 3. Flucht weltweit (III): Sri Lanka - Tamilen fliehen vor Militär 4. Flucht weltweit (IV): Syrien - Aufenthalt für zwei Millionen geflohene Iraker 5. Flucht weltweit (V): Tschad - etwas mehr Sicherheit für Darfur-Flüchtlinge 6. Flucht weltweit (VI): Westafrika - 150 Flüchtlinge im Meer ertrunken? 7. Berlin, 12.11.2007: FES-Tagung „Europäisches Jahr der Chancengleichheit“ 8. Erfurt, 01.11.2007: Lesung mit Seyran Ates 9. Hamburg, 08.11.2007: Tagung „Partizipation von Migrantenorganisationen“ 10. München, 13.11.2007: Tagung „Als Migrant ohne Versicherung krank“ 11. Nürnberg, 04.11.2007: Konzert „Sonidos de la Tierra - weltweite Klänge“ 12. Reinickendorf, 09.11.2007: GESOBAU veranstaltet Integrationskonferenz 13. Was anderswo ganz anders ist: Warum in Äthiopien der Gast gefüttert wird 14. Schweiz (I): Was ist bloß mit unseren Nachbarn los? 15. Schweiz (II): Immigrationspolitik soll verschärft werden 16. Buch-Tipp: „Imperialismus im Namen Allahs“ von Efraim Karsh 17. Kino-Tipp: "Ich habe euch nicht vergessen" von Richard Trank 18. TV-Tipps 19. BIM zitiert - heute ein Zitat von Jürgen Rombach, Integrationsbeauftragter
1. Flucht weltweit (I): Griechenland - PRO ASYL erhebt schwere Vorwürfe Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wirft der griechischen Küstenwache vor, Boots-flüchtlinge systematisch zu misshandeln. Zwei Untersuchungsmissionen hätten schockierende Erkenntnisse zu Tage gebracht, teilte der zuständige Direktor von Pro Asyl, Karl Kopp, am Montag in Brüssel mit. Manche Flüchtlinge seien auf unbewohn-ten Inseln ausgesetzt oder auf offener See ihrem Schicksal überlassen worden. Einer von ihnen habe sogar von einer Scheinhinrichtung berichtet. Pro Asyl und eine Gruppe griechischer Anwälte hatten im Juli und August sowie im Oktober über 100 Betroffene interviewt. Die Polizei interniert laut Pro Asyl auch Min-derjährige unter inakzeptablen Bedingungen in Abschiebelagern. Niemand kläre die Betroffenen über ihre Rechte auf, kritisierte Kopp. Auch hätten sie keine Anwälte. Da-mit verstoße die Küstenwache gegen internationales Recht, etwa gegen die Europäi-sche Menschenrechtskonvention. D er Flüchtling, der von der Scheinhinrichtung berichtet hatte, war laut Pro Asyl auf der Insel Chios gefoltert worden. Der Mann habe erzählt, mit einem Stock brutal geschla-gen worden zu sein. Polizisten hätten mehrfach seinen Kopf in einen Eimer Wasser getaucht und ihm eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, bis er zu ersticken drohte. Pro Asyl und der griechische Zweig von Amnestiy International (AI) forderten die EU zum Einschreiten auf. Die übrigen EU-Staaten könnten nicht hinnehmen, «dass das EU-Mitglied Griechenland Regeln des Völkerrechts und die Menschenrechte massiv verletzt». Die Zahl der Flüchtlinge, die über Griechenland in die EU einzureisen versuchen, ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. In diesem Jahr wurden bereits 18.000 Flüchtlinge - vor allem aus Pakistan, dem Irak und Bangladesh - an den Land- und Seegrenzen aufgegriffen. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch vor zwei Jah-ren. Die griechische Küstenwache nehme den Tod von Flüchtlingen in Kauf, klagt Pro Asyl. «Während sich die Kernländer der EU, insbesondere Deutschland, auf be-queme Art ihrer Verantwortung für eine humane Flüchtlingspolitik entziehen, wehren die EU-Mitglieder an den Außengrenzen vermehrt Flüchtlinge brutal ab», so der Vor-wurf von AI. aus: NETZEITUNG.DE vom 29.11.2007 Link: www.netzeitung.de/ausland/793650.html 2. Flucht weltweit (II): Jemen - Erneut viele tote Flüchtlinge im Golf von Aden Eine neue Tragödie im Golf von Aden hat offenbar 66 Menschen das Leben gekos-tet. Überlebende berichten, sie wurden von Menschenschmugglern gezwungen, auf dem offenen Meer über Bord zu springen. Die Opfer gehören zu insgesamt 244 Men-schen, zumeist Äthiopier und Somalis, die am Samstag auf zwei Booten die somali-sche Hafenstadt Bossaso verließen. Die Passagiere wurden von den Schleppern ge-zwungen, im tiefen Wasser von Bord zu gehen. Viele ertranken, berichten Überle-bende, die genauen Umstände bleiben unklar. 28 Leichen wurden bereits an den Strand gespült, 38 gelten weiter als vermißt. Darunter 29 Äthiopier und neun Soma-lis. Die Passagiere seien während der Überfahrt von der Boots-Crew brutal geschla-gen worden, mehrere Menschen hätten Verletzungen davongetragen. Andere der 178 Überlebenden gaben an, sie seien später am Strand von Angehörigen des jeme-nitischen Militärs ausgeraubt worden. Humanitäre Helfer konnten den Überlebenden vor Ort Wasser und Nahrungsmittel bringen, bevor sie in das UNHCR-Aufnahmezen-trum Mayfaa gebracht wurden. Nach jüngsten Berichten hoffen in Somalia nicht nur Einheimische und Äthiopier auf eine Überfahrt nach Jemen. Auch Kenianer, Ugander und Tansanier würden nun dort darauf warten, den Versuch zu wagen.
Rund 26.000 Menschen wurden im letzten Jahr im Jemen als neuankommende boat people gezählt. Das Land erkennt Flüchtlinge aus Somalia automatisch (prima facie) als Flüchtlinge an. Trotz aller Warnungen hat sich die Zahl der boat people in die-sem Jahr nicht verringert. Die Betroffenen begründen dies mit der verzweifelten Lage in ihrem Heimatland. Man habe nichts zu verlieren und nehme deshalb jedes Risiko auf sich.
UNHCR hat derweil seinen Hilfseinsatz im Jemen verstärkt: mehr humanitäre Hilfe und Hilfsgüter u. a. für das Flüchtlingscamp Kharaz/Aden, mehr Personal sowie mehr Ausbildung für die Küstenwache und andere Behördenmitarbeiter, stehen im Mittel-punkt des Programms in Höhe von sieben Millionen US-Dollar. Zudem gibt es eine enge Zusammenarbeit mit NGO’s wie den Ärzten ohne Grenzen (MSF), die mobile Kliniken an der Küste einsetzen können, wo die boat people stranden. In diesem Jahr haben insgesamt mehr als 20.000 Menschen mit Schlepper-Booten die gefährli-che Fahrt über den Golf von Aden gewagt. Mindestens 439 Menschen ließen dabei ihr Leben, weitere 489 werden vermißt oder gelten ebenfalls als tot. aus: Pressemitteilung des UNHCR vom 23.10.2007 Mehr Informationen unter: www.unhcr.de/index.php
3. Flucht weltweit (III): Sri Lanka - Tamilen fliehen vor Militär
Seit bald 25 Jahren kennt die tamilische Bevölkerung im Norden und Osten des In-selstaates nur Krieg, Vertreibung und Flucht. Die Tsunamiwelle vom Dezember 2004 hat nicht zu dem erhofften nationalen Schulterschluss geführt. Stattdessen flammte trotz des 2002 vereinbarten Waffenstillstands der Bürgerkrieg in den letzten Monaten erneut auf, unversöhnlich stehen sich die srilankische Regierung und die LTTE-Re-bellen (Liberation Tigers of Tamil Eelam) gegenüber. Unter dem Vorwand, die „Terro-risten“ der Front in allen Landesteilen zu vernichten, ließ die Regierung über mehrere Wochen lang tamilische Dörfer mit Kampfflugzeugen und schwerer Artillerie be-schießen.
Viele Flutopfer hatten gerade ihre neuen, mit internationaler Hilfe erbauten Häuser bezogen und wieder mussten sie fliehen, diesmal vor einer Welle menschlicher Ge-walt. Von den neuen Wohnhäusern sind nur Trümmer übrig geblieben. Während der von der internationalen Öffentlichkeit nicht wahrgenommenen Militäroperationen ha-ben die meisten internationalen Hilfsorganisationen die Ostprovinzen verlassen, nur wenige Helfer kümmern sich heute um die 300 000 Flüchtlinge, denen die Regierung die Rückkehr in ihre Dörfer verweigert. Vorläufig leben sie in den zahlreichen Auf-fanglagern, in den Gemeinden der Tamilen sollen bald Singalesen angesiedelt wer-den. In Deutschland und Frankreich haben inzwischen 160 000 Tamilen politisches Asyl gefunden.
aus: ARTE - Die Reportagen (von Rita Erben) Ein Videobeitrag ist abrufbar unter: www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/arte-reportage/diese-woche/100716.htmlhttp://www 4. Flucht weltweit (IV): Syrien - Aufenthalt für zwei Millionen geflohene Iraker Fast zwei Millionen Iraker sind inzwischen nach Syrien geflüchtet - für den Nachbarn eine gewaltige Herausforderung. Hält der Zustrom an, wird bald die Grenze ge-schlossen, warnt Syriens Innenminister Bassam Abd al-Madschid im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. SPIEGEL ONLINE: Wie viele Iraker leben mittlerweile in Syrien? Abd al-Madschid: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ging vor zwei Mo-naten von über 1,4 Millionen aus. Jetzt werden es wohl 1,8 Millionen sein. Täglich reisen rund 2450 Iraker ein. Ich nenne sie lieber Gäste als Flüchtlinge, denn Gäste bleiben eine bestimmte Zeit im Land und kehren dann zurück. Auch die 700.000 Li-banesen, die während des Bürgerkriegs Syrien aufgesucht hatten, kehrten anschlies-send wieder in ihre Heimat zurück. SPIEGEL ONLINE: Beinahe jeder zehnte Bewohner Syriens kommt also bereits aus dem Irak. Was bedeutet das für Ihr Land? Abd al-Madschid: Im Juni stieg allein der Brotkonsum um 35 Prozent, der Stromver-brauch um 21,5 Prozent. Der Verbrauch an Benzin und Erdgas kletterte um 12 Pro-zent nach oben, die ohnehin schwierige Trinkwasserbeschaffung ist zu einem großen Problem geworden. Die Preise für Lebensmittel, Treibstoff, Strom und Medikamente werden bei uns staatlich subventioniert, unser Mehraufwand ist riesig. Auch die medi-zinische Betreuung und die öffentlichen Schulen müssen mit den vielen Zuzüglern fertig werden. SPIEGEL ONLINE: Wie steht es mit der Sicherheit? Leidet sie unter dem Zustrom der Flüchtlinge? Abd al-Madschid: Natürlich bleibt es nicht aus, dass in einer Gruppe von annähernd zwei Millionen Menschen auch Kriminelle am Werk sind. Das ist normal. SPIEGEL ONLINE: Was bereitet die größten Probleme - Diebstahl, Prostitution? Abd al-Madschid: Eigentumsdelikte und die Prostitution bekämpfen wir mit Erfolg. Al-lerdings haben wir es neuerdings mit einem in Syrien bislang unbekannten Verbre-chen zu tun: Entführungen und Erpressungen. Iraker entführen ihre eigenen Lands-leute, um Lösegeld zu erpressen. SPIEGEL ONLINE: Können Sie auch weiterhin den Zustrom der Iraker aufnehmen? Abd al-Madschid: Wenn der Druck unvermindert anhält, übersteigt das unsere Kräfte. Wann wir die Grenzen schließen, weiß ich nicht, aber wir müssen damit rechnen. SPIEGEL ONLINE: Erhalten Sie keine Finanzhilfe von den Vereinten Nationen? Abd al-Madschid: Das Uno-Flüchtlingshilfswerk bemüht sich redlich, doch wir brau-chen deutlich mehr Unterstützung. Um das Allernotwendigste zu bestreiten, fehlen uns 200 Millionen Dollar. SPIEGEL ONLINE: Wer trägt aus Ihrer Sicht die Hauptschuld an dieser Tragödie? Abd al-Madschid: Die Amerikaner und ihre Verbündeten, die den Irak besetzen, tra-gen die Hauptverantwortung. Sie haben die Terroristennetze entstehen lassen und das Tor zur Hölle aufgemacht. Es stimmt schon: Saddam Hussein war ein Diktator. Er hat Saboteure auch nach Syrien eingeschleust und Sprengstoffanschläge ausfüh-ren lassen. Dennoch gab es zu Saddams Zeiten im Irak einen Staat mit seinen Insti-tutionen. Den haben die Amerikaner zerstört, und seitdem gibt es keine Sicherheit mehr. Washington sollte die Besatzung beenden. SPIEGEL ONLINE: Wissen Sie eigentlich genau, wer alles über die syrischen Gren-zen einreist? Abd al-Madschid: Ja, die Einreiseformalitäten müssen penibel erledigt werden. Ohne Papiere kommt niemand ins Land. SPIEGEL ONLINE: Amerikanische Geheimdienste gehen davon aus, dass sich auch Qaida-Terroristen in Syrien verbergen. Abd al-Madschid: Keine Chance, wir kontrollieren unsere Grenze bestens. Eine ge-wisse Anzahl verdächtiger Elemente haben wir bereits abgeschoben. aus: SPIEGEL ONLINE vom 02.10.2007 (Interview von Volkhard Windfuhr und Bern-hard Zand , Link: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,508973,00.html
5. Flucht weltweit (V): Tschad - etwas mehr Sicherheit für Darfur-Flüchtlinge Etwa 230.000 Menschen aus Darfur sind nach Tschad geflohen. Dort gibt es zu alle-dem auch noch mehr als hunderttausend Binnenflüchtlinge. Sharon Blumenthal ar-beitet für die Hilfsorganisation „Care Deutschland“ in den Flüchtlingslagern. Mit ihr sprach Oliver Hoischen. Frau Blumenthal, Sie waren schon mehrmals für Care Deutschland in Flüchtlingsla-gern in Tschad und kommen gerade von dort zurück. Was haben die Leute hinter sich, wenn sie in Ihre Lager kommen? ! Viele waren bei den Angriffen der berüchtigten arabischen Reitermiliz der Djandja-wid auf ihre Dörfer dabei, mussten mit ansehen, wie ihre Häuser angesteckt, wie Fa-milienangehörige ermordet, Frauen vergewaltigt wurden. Andere haben gesehen, wie ihr Nachbardorf brannte, und sind sofort geflohen. Manche waren einen Monat unterwegs, oft nachts, weil sie Angst vor Angriffen der sudanesischen Armee aus der Luft hatten. Wenige Glückliche hatten einen Esel. Der Strom dieser Flüchtlinge hat in letzter Zeit aber nachgelassen. ? Wie leben die Leute in Tschad? ! Es gibt ungefähr 230.000 Flüchtlinge, von denen sind etwa 10.000 in den Dörfern der lokalen Bevölkerung untergekommen, zum Teil handelt sich ja um die gleichen Volksstämme, die Zaghawa und die Fur. Als die ersten Flüchtlinge kamen, war die Bereitschaft groß, sie aufzunehmen und zu unterstützen. Das war vor vier Jahren. Später entstanden die Flüchtlingslager, von denen Care drei in der Nähe der Stadt Eriba betreut mit insgesamt 60.000 Menschen. Man muss sich das so vorstellen: Man fährt durch die Wüste, dann kommt eine Schranke, und auf einmal haben Sie ein riesiges Meer an braunen, zerschlissenen Zelten vor sich. So eine Zeltstadt ist in Blocks und Zonen unterteilt. Es gibt einen Markt, eine Krankenstation, Schulen für die Kinder. Mit Lehm und Wasser versuchen die Leute, sich Mauern um die Zelte zu bauen. Drinnen ist es nicht zum Aushalten, viele wollen draußen schlafen. Gerade hat die Regenzeit begonnen, es kommt zu Erdrutschen und Überschwemmungen. ? Hoffen die Flüchtlinge, dass sich die Lage in Darfur verbessert, jetzt, da eine starke UN-Truppe in Aussicht gestellt wurde? ! Alle sagen natürlich, sie wollen zurück, aber sie sind sehr skeptisch und resigniert. Die haben Schlimmes erlebt. Und auch wenn sie wirklich zurückkehren könnten - dann geht die Arbeit doch erst los, dann müssen die Dörfer wieder aufgebaut wer-den. Sie finden zu Hause ja im wahrsten Sinne des Wortes nichts vor als verbrannte Erde. Wir stellen uns darauf ein, dass es die Lager in Tschad noch mehrere Jahre geben wird. ? Sind die Flüchtlinge vor Übergriffen sicher? ! Nicht unbedingt. Es ist vorgekommen, dass die Rebellen, die gegen die Djandjawid kämpfen, Mitkämpfer im Lager rekrutieren. Zudem ist die Sicherheitslage im Osten Tschads in letzter Zeit immer schlechter geworden, weil sich die tschadischen Rebel-en, die die Regierung in N'Djamena bekämpfen, dorthin zurückgezogen haben. In diesem Durcheinander hat die Kriminalität erheblich zugenommen, auch auf Autos und Büros der Hilfsorganisationen gab es Überfälle. Man kann da leicht zwischen die Fronten geraten. Als die Stadt Abéché im November in die Hände der Rebellen fiel, gab es heftige Kämpfe. Manche Flüchtlingslager werden mittlerweile von der tschadi-schen Gendarmerie bewacht. ? Stellen die Reiter der Djandjawid den Flüchtlingen nach? ! Nicht in den Lagern, aber weiter südlich kommt es zu solchen Übergriffen. Sie müs-sen wissen: Es gibt ja auch 150.000 bis 170.000 Binnenflüchtlinge in Tschad, also Leute, die in ihrem eigenen Land vertrieben wurden. Einige von ihnen, die aus dem Grenzgebiet im Süden stammen, wurden von den Djandjawid vertrieben, die kamen aus Sudan und haben auch auf tschadischer Seite Dörfer niedergebrannt. Die Aus-einandersetzungen in Sudan greifen auf Tschad über. Und umgekehrt: Es gibt ja ara-bische Stämme in Tschad, die sich an Überfällen in Darfur beteiligt haben. In Tschad gibt es hausgemachte Konflikte: Im Südosten des Landes kann die Staatsmacht nicht für Sicherheit sorgen. Sie hat ihr Militär vor allem in den Städten gebündelt und ist ganz mit dem Kampf gegen die Rebellen beschäftigt, die fast die Hauptstadt N'Djamena eingenommen hätten. Das ist alles etwas kompliziert. Einige Sudanesen aus Darfur sind ja auch in die Zentralafrikanische Republik geflüchtet. Wenn der Dar-fur-Konflikt gelöst würde, wäre die Region stabiler. aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06.08.2007 Link: www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~EDD 490A35491344899E94104F6FF0A4BE~ATpl~Ecommon~Scontent.html
6. Flucht weltweit (VI): Westafrika - 150 Flüchtlinge im Meer ertrunken? Vor Westafrika hat sich offenbar eines der bisher größten Flüchtlingsdramen abge-spielt. Nach Berichten aus Senegal sind rund 150 Menschen beim Kentern ihres Bootes auf dem Weg über den Atlantik auf die Kanaren ums Leben gekommen. Der Vorfall vor der marokkanischen Küste habe sich letzte Woche ereignet, berichtete gestern die senegalesische Tageszeitung Sud Quotidien. Ein Boot mit 160 Passagie-ren sei in hohe See geraten; spanische Fischer hätten nur 10 Menschen retten kön-nen, bevor das Boot auseinanderbrach und alle anderen ertranken. 140 der Toten stammten aus der Region um die Stadt Kolda, wo am vergangenen Freitag eine kol-lektive Trauerfeier stattgefunden habe. Erst vor zehn Tagen waren vor Gambia 35 Menschen beim Sinken eines Flüchtlingsschiffs ertrunken. Dieses Jahr haben bereits über 7.000 Westafrikaner die illegale Bootsmigration Richtung Kanaren gewagt; 2006 waren es insgesamt 31.200 gewesen, wobei mehrere tausend weitere unterwegs ums Leben gekommen sein sollen. aus: taz vom 24.10.2007, Link: www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/ artikel/?ressort=au&dig=2007%2F10%2F24%2Fa0074&src=GI&cHash=297266f93e
7. Berlin, 12.11.2007: FES-Tagung „Europäisches Jahr der Chancengleichheit“ Die Herstellung möglichst gleicher Chancen, unabhängig von Herkunft, Nationalität, Alter, Geschlecht, Gesundheit oder sexueller Orientierung, ist Kernelement einer ge-rechten Gesellschaft. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Beseitigung von Dis-kriminierungen und Benachteiligungen in der Arbeitswelt. Migrantinnen und Migran-ten und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden im Beschäftigungssys-tem immer noch benachteiligt und sind überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit be-troffen; weibliche Beschäftigte sind in den Führungsebenen der Unternehmen unter-durchschnittlich vertreten; homosexuelle Beschäftigte sind häufig von Mobbing be-troffen. Mit dem „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle 2007“ will die Europäi-sche Union ein deutliches Zeichen setzen gegen Diskriminierung und für Chancen-gleichheit. Neben den Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichbehandlungsrechte, zu denen die Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in nationales Recht gehört, zielt das EU-Jahr auf die Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit. Es soll in den Mitgliedsländern der EU eine Debatte anregen, wie die Teilhabe bisher be-nachteiligter Gruppen an der Gesellschaft gestärkt und Respekt und Toleranz geför-dert werden können. Der Einsatz für Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung steht für die Gewerk-schaften und die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) seit vielen Jahren auf der Agenda. Die gemeinsame Konferenz hat das Ziel, Handlungsmöglichkeiten zur Herstellung von Chancengleichheit für alle aufzuzeigen. Daher stehen nicht die Formen und Wir-kungen der Benachteiligungen einzelner Gruppen im Vordergrund, sondern es wird ein merkmalsübergreifender Ansatz verfolgt. Neben einer Bewertung der Ergebnisse des EU-Jahres für Chancengleichheit und der Umsetzung des Allgemeinen Gleichbe-handlungsgesetzes in Deutschland werden unterschiedliche betriebliche Strategien zur Verwirklichung von Chancengleichheit verglichen. Die ganztägige Veranstaltung, die am Montag, 12.11.2007, 10.00 Uhr beginnt, findet statt in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin-Tiergarten. Weitere Informationen zum Programm und Anmeldung über Frau Sabine Matambal-ya, Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik, Godesberger Al-lee 149, 53175 Bonn, Telefon 0228 883-268, Fax: 0228 883-398 und per E-Mail: sabine.matambalya@fes.de
8. Erfurt, 01.11.2007: Lesung mit Seyran Ates (BIM) Am kommenden Donnerstag, 01.11.2007 liest Seyran Ates in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt aus ihrem neuen Buch „Der Multikulti-Irrtum“. Die Lesung findet statt um 16.30 Uhr im Frauenzentrum in der Pergamentergasse 36 9. Hamburg, 08.11.2007: Tagung „Partizipation von Migrantenorganisationen“ (BIM) migration.works - Zentrum für Partizipation - Ein Projekt von basis & woge e.V. im Rahmen der Equal-Entwicklungspartnerschaft NOBI (Norddeutsches Netzwerk zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten) führt am Donnerstag, 08.11.2007, eine ganztägige Veranstaltung zu „Partizipation von Migrantenselbstor-ganisationen alsHerausforderung für Hamburg - Zukunft gemeinsam gestalten!“ durch. Die Veranstaltung, die um 10.00 Uhr beginnt, findet statt im Altonaer Rathaus (Kollegiensaal), Platz der Republik 1, 22765 Hamburg. Weitere Informationen zum Programm und Anmeldung bei Frau Maha Al Asiri, migra-tion.works - Zentrum für Partizipation basis & woge e.V., Bahrenfelder Straße 244 22765 Hamburg, Telefon: 040 39 84 26 71, Fax: 040 39 84 26 26 und per E-Mail: maha.alasiri@basisundwoge.de
10. München, 13.11.2007: Tagung „Als Migrant ohne Versicherung krank“ In Deutschland leben MigrantInnen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus, deren gesundheitliche Versorgung unzureichend geregelt ist. Dazu gehören Flüchtlinge, die hier als Asylsuchende oder Geduldete leben, EU-BürgerInnen aus den neuen EU-Staaten im Osten Europas und Menschen ohne Aufenthaltsstatus. Die Fachtagung hat zum Ziel, die Situationsanalyse der gesundheitlichen Versorgung von MigrantInnen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus und Klärung offener Fragen bezüglich der Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten für MigrantInnen im Krankheitsfall zu diskutieren und den Austausch zwischen NGOs und staatlichen Stellen über Grenzen und Möglichkeiten der Behandlung sowie Lösungsansätze zu ermöglichen. Die Fachtagung wird in Kooperation mit der Petra-Kelly-Stiftung, bayerisches Bil-dungswerk für Ökologie und Demokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. durchge-führt. Sie findet statt am Dienstag, 13.11.2007, von 10.00 bis 15.00 Uhr in der Seidl-villa, Nikolaiplatz 1, 80331 München. Weitere Informationen zum Programm und Anmeldung bei Frau Marion Chevenas, E-Mail: marion.chevenas@aerztederwelt.org
11. Nürnberg, 04.11.2007: Konzert „Sonidos de la Tierra - weltweite Klänge“ Unter der Leitung von Maestro Luis Szarán, Direktor des Philharmonischen Orches-ters von Paraguay, kommen in Nürnberg ca. 25 junge Musiktalente aus Paraguay, Palästina, Indien, Italien und Deutschland zusammen, um gemeinsam über Grenzen hinweg Musik zu machen. Das von der Jesuitenmission initiierte Projekt ermöglicht es Jugendlichen in verschiedenen Ländern der Welt, ihre musikalischen Begabungen durch Instrumentalunterricht zu entfalten und vermittelt ihnen so eine neue Lebens-perspektive.
Ursprünglich waren es völlig getrennte Projekte, die in Nürnberg einmal im Jahr auf einander treffen: Unter dem Motto „Wer tagsüber Mozart spielt, wirft nachts keine Fensterscheiben ein“ bekommen benachteiligte Kinder und Jugendliche in Paraguay die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen. Im nordindischen Kalimpong ergriff ein kanadischer Jesuit die Initiative und sorgte dafür, dass Kinder aus ärmsten Familien zur Schule gehen, dreimal am Tag essen und dazu noch ein Musikinstrument spielen können. In beiden Projekten geht es darum, über Musik und Schulbildung Chancen für die Kinder der Ärmsten zu schaffen. Die Kreativität der Kinder und Jugendlichen wird gefördert und ihr Selbstbewusstsein und Vertrauen in eine Gemeinschaft ge-stärkt. Sie lernen Alternativen zum Leben auf der Straße kennen. Möglich werden die Projekte durch junge Musiker bzw. Musikstudenten aus Europa, die in Freiwilligen-einsätzen Musikunterricht erteilen. Für eine Woche kommen die Jugendlichen und ihre freiwilligen Helfer zusammen und musizieren miteinander über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg. Das Konzert findet am Sonntag, 04.11.2007, in den Nürnberger Hofsälen statt und beginnt um 19.00 Uhr.
12. Reinickendorf, 09.11.2007: GESOBAU veranstaltet Integrationskonferenz Unter dem Motto „Gut miteinander wohnen – Was können Wohnungsunternehmen, Kommunen und freie Träger dafür tun?“ lädt die Berliner GESOBAU AG gemeinsam mit der Schader-Stiftung, Darmstadt, am 9. November 2007 zu einem Austausch von Konzepten und Praxisbeispielen für die zukünftige Gestaltung von Wohnquartieren ein. „Wohnquartiere sind zunehmend als Integrationsschwerpunkte zu begreifen. Ty-pische soziale Konflikte, aber auch das Bedürfnis nach Abgrenzung und Individualität prägen oftmals die Beziehungen der Bewohner“, erläutert Jörg Franzen, Vorstand der GESOBAU. „Daneben können sich aber auch nachhaltige Formen gelungener Integration entwickeln. Diese zu erkunden und zu fördern ist Anliegen der Konfe-renz“.
Die Integrationskonferenz wendet sich an Praktiker aus Wohnungswirtschaft, Politik und Kommunalverwaltung sowie an Akteure vor Ort. Im Mittelpunkt der eintägigen Veranstaltung stehen neben der Gestaltung des Sozialraumes erfolgreiche Strategi-en zur Schaffung von guter Nachbarschaft, aber auch die Aufgaben und Strukturen von beteiligten Akteuren.
Die GESOBAU kann bereits auf zahlreiche Erfolge in der nachhaltigen Integration von Mietern unabhängig ihres Alters, Geschlechts oder ihrer Herkunft in den unter-nehmenseigenen Beständen verweisen. Unterstützt wird sie dabei seit 2006 durch eine eigene Integrationsbeauftragte, Frau Prof. Barbara John. In Kooperation mit ver-schiedenen sozialen Trägern plante und koordinierte die GESOBAU zahlreiche Pro-jekte zur sozialräumlichen Integration und setzte diese innerhalb weniger Monate für ihre Mieterinnen und Mieter um. „Eine Vielzahl an Projekten laden dazu ein, sich ak-tiv in der Gestaltung des Wohnungsumfeldes zu beteiligen. Einander besser kennen lernen und miteinander leben, sind wichtige Bausteine für gute Nachbarschaften“, so Jörg Franzen.
Die Integrationskonferenz „Gut miteinander wohnen“ findet statt am 09.11.2007 von 10.00 bis 17.30 Uhr im Fontane-Haus in Berlin-Reinickendorf (Märkisches Viertel). Weitere Infos und Anmeldung unter Telefon: (030) 4073-1510 sowie unter http://www.gesobau.de
13. Was anderswo ganz anders ist: Warum in Äthiopien der Gast gefüttert wird Essen ist in Äthiopien ein beinahe ritueller Akt. Man isst zusammen, bricht sozusa-gen heute noch das Brot miteinander. Meistens essen wir eine Art äthiopischen Gu-lasch mit Injera, einem besonderen Fladenbrot. Dabei ist dieses Brot nicht nur Nah-rungsmittel, sondern auch Essinstrument. Die Speisen werden mithilfe des Fladens umwickelt und dann, wie in anderen arabischen Ländern auch, ausschließlich mit der rechten Hand in den Mund gesteckt. Dabei sollte man im Idealfall den Mund nicht mit den Fingern berühren. Da dies wirklich eine Kunst ist, gibt es in Äthiopien die - wie ich finde - sehr schöne Tradition, dass die Hausherrin dem Gast beim Essen hilft. Sie bereitet ihm kleine Röllchen und steckt ihm diese direkt in den Mund. Der Gast wird also als Zeichen der Ehrerbietung gefüttert. Natürlich geht das nicht die ganze Zeit so, sondern lediglich zwei- oder dreimal. Aber man sollte als Gast auf keinen Fall er-schrecken und auch nicht ablehnen, wenn man gefüttert wird. Das ist bei uns ein wirkliches Zeichen der Gastfreundschaft. Der Autor, Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. Er ist in Frankfurtam Main als Unternehmensberater für Afrika und den mittleren Osten tätig. 2004 erhielt er für sein Buch „Manieren“ den Adalbert-von-Chamisso-Preis. aus: KULTURAUSTAUSCH IV/2007, http://cms.ifa.de/pub0/kulturaustausch
14. Schweiz (I): Was ist bloß mit unseren Nachbarn los? Die Schweizer sind nicht fremdenfeindlich. Wenigstens 72 Prozent der Wähler sind es nicht. Das haben sie am letzten Wochenende kundgetan. Bei den Parlaments-wahlen gaben fast drei Viertel der Wähler ihre Stimme nicht der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei . Nur 28 Prozent wählten die SVP. Nur 28 Prozent? Mo-ment, da stimmt was nicht. Mit ihrem Wähleranteil ist die SVP immerhin die stärkste rechtsnationale Partei Europas. Da stimmt wirklich etwas nicht mehr in der Schweiz. Obwohl die Partei keine Mehrheit hat, dominiert sie die Politik. Zwei ihrer Minister sit-zen in der Regierung.
Der Argwohn gilt natürlich nicht allen Ausländern. Wir leben ja zu einem guten Teil von ihnen. Der Ausländeranteil ist mit 21 Prozent so hoch wie in keinem andern euro-päischen Land. Wir haben die Ausländer geholt, weil wir sie brauchen. Amerikani-sche oder britische Banker und Finanzspezialisten arbeiten zu Tausenden in Zürich. Genf ist nach London das wichtigste arabische Geschäftszentrum Europas. Der Hauptaktionär der zweitgrössten Bank des Landes, der Credit Suisse, ist eine saudi-arabische Familie. Die Ablehnung gilt auch nicht den 40.000 Deutschen, die allein in den letzten Jahren in die Schweiz eingewandert sind. Man weiß die Deutschen zu schätzen, sofern sie uns nicht die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie sind gut ausgebil-det, sprechen eine ordentliche Sprache, und sie schlachten keine Hammel in der Ba-dewanne.
Unter Beobachtung stehen ganz andere Gruppen von Ausländern, vorzugsweise Serben, Kosovo-Albaner, Bosnier, aber auch Schwarzafrikaner. Viele von ihnen sind Moslems. Das kommt verschärfend hinzu. So sammelte die SVP zweihunderttau-send Unterschriften, weil eine muslimische Gemeinschaft eine Moschee bauen möchte: mit einem - man wagt es kaum zu sagen - sechs Meter hohen Minarett. Sechs Meter Beton scheinen die alpenländische Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Kern zu treffen. Es ist ein nationales Thema. Über ein Verbot von Minaretten, egal wie hoch, kann die Bevölkerung abstimmen. Die Mehrheit wird wahrscheinlich ja sa-gen. Gerechterweise sei erwähnt, dass der Ausländeranteil an kriminellen Gewaltta-ten überproportional hoch ist, speziell in den erwähnten Volksgruppen. Andere politi-sche Parteien haben das nie thematisiert.
Die Versäumnisse der andern Parteien machte sich die Volkspartei zunutze. Mit die-sen Themen wurde sie groß, weil viele Schweizer das Gefühl beschlich, es werde nicht genug getan. Dabei ist die Empfindung, man sei als normaler Bürger auf der Straße gefährdet, durch überhaupt keine Fakten gedeckt. Die Schweiz ist nach wie vor sehr sicher. Die SVP aber schürt geschickt dieses latente Gefühl von Unsicher-heit. Manchmal ist es schon fast neurotisch.
Die zunächst ablehnenden Medien zeigen zunehmend Verständnis für den Durch-marsch von rechts. Die SVP ist daran, sich von einer Kuhglocken schwingenden, lärmigen Partei der unteren Mitteklasse zur akzeptierten Volksbewegung zu entwik-keln. Auch unter Jungen, unter Unternehmern und Intellektuellen bekennt man sich offen zur SVP. Das ist neu.
Die Schweiz wird damit zum Experimentierfeld einer neuen Rechten, die nicht fa-schistisch ist, die aber Elemente des Faschismus auf hoch professionelle Art adap-tiert. Dazu gehört die permanente Emotionalisierung des Publikums mit Reizthemen, eine Politik mit Südenböcken: In unserem Fall betrifft das jene bereits erwähnten Gruppen von Ausländern. Ziel der verbalen Attacken können auch Sozialhilfe-Schnorrer oder EU-Bürokraten sein. Ein für die Schweiz bisher einmaliger Führerkult gehört ebenso dazu wie eine Überhöhung alles Nationalen. Die Galionsfigur der Par-tei ist der Jurist, Unternehmer und Justizminister Dr. Christoph Blocher. Der 67-Jähri-ge wirkt nicht wie ein Volkstribun, eher wie ein leutseliger Grossbauer. Ihm vertrauen viele, die der globalisierten Welt misstrauen. Blocher ist Demokrat. Die demokrati-schen Möglichkeiten reizt er aber bis an die Schmerzgrenze aus. Auch und gerade als Justizminister. Dem Milliardär stehen außerdem finanzielle Mittel zur Verfügung, wie sie andere, etwa die oppositionellen Grünen und die Sozialdemokraten, nicht ha-ben. Blocher ist nicht Berlusconi, Blocher ist nicht Le Pen und auch nicht Jörg Haider. Er ist bloß erfolgreicher als sie alle.
Geschickt nützen Christoph Blocher und die SVP alle diese Möglichkeiten. Die Bewe-gung verschmilzt allmählich mit dem Selbstverständnis vieler Schweizer, auch wenn sie der Blocher-Partei nicht angehören, ja sie nicht einmal wählen. Sie dulden sie au-genzwinkernd und sind im Grunde genommen ganz froh, dass es sie gibt. Das macht die Blocher-Partei auch ohne Blocher so erfolgreich. Und so gefährlich.
aus: Deutschlandradio Kultur vom 25.10.2007 (von Fred David) Link: www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/685405/
15. Schweiz (II): Immigrationspolitik soll verschärft werden
Der Schweizer Bundesrat hat am 24. Oktober über neue Bestimmungen beim Ein-wanderungsrecht diskutiert. Virginie Poyetton fürchtet in der Zeitung LE COURRIER, die Schweiz könnte ihre Politik weiter verschärfen: "Ab 2008 haben Eltern aus Nicht-EU-Ländern, die Kinder über 12 Jahren nachziehen lassen wollen, ein Jahr Zeit, um entsprechende Anträge zu stellen und den Behörden nachzuweisen, dass sie finan-ziell unabhängig sind. Halten sie diese Frist nicht ein, verfällt ihr Recht. Dies wider-spricht nicht nur den Rechten der Kinder, sondern wird auch bei Arbeitskräften aus EU-Ländern in der Schweiz nicht angewendet. Dem Geist dieser Regelungen ent-spricht auch, dass bei Familienzusammenführungen die Nachgezogenen mit im ge-meinsamen Haushalt leben müssen. Eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen wird und in einem Frauenhaus Zuflucht sucht, könnte damit ihr Aufenthaltsrecht gefähr-den... Würde der Europäische Gerichtshof den Opfern dieser Politik Recht geben? Ortstermin in Straßburg." Link zum Artikel (französisch): www.lecourrier.ch/index.php?name=NewsPaper&file =article&sid=437827&layout=article,latruite aus: euro|topics-newsletter 26.10.2007 16. Buch-Tipp: „Imperialismus im Namen Allahs“ von Efraim Karsh Von der ersten arabisch-islamischen Herrschaft im 7. Jahrhundert bis zum Osmani-schen Reich war die Geschichte des Mittleren Ostens eine Geschichte von Aufstieg und Niedergang großer Imperien. Nicht zuletzt war sie die eines islamischen imperia-listischen Traums. Dieser Traum, so Efraim Karsh, existiert bis zum heutigen Tag, und der 11. September 2001 kann als sein bisher letzter Ausdruck betrachtet wer-den. Karsh bietet eine neue Sicht auf Geschichte und Gegenwart der muslimischen Welt. Er betrachtet sie nicht als Ausläufer europäischer und amerikanischer Machtpolitik, sondern porträtiert sie als Gegenentwurf zur westlichen Zivilisation und stellt unmiss-verständlich klar, wonach der Islam strebt, nämlich der Veränderung der Welt nach seinen Vorstellungen. Die Botschaft des Buches ist klar: Der Westen täte gut daran, diese Ambitionen ernst zu nehmen.
Das Buch „Imperialismus im Namen Allahs - Von Muhammad bis Osama Bin Laden“ von Efraim Karsh (ISBN: 978-3-421-04237-8) enthält 400 Seiten und ist im Münch-ner DVA Verlag erschienen. Es enthält 400 Seiten und kostet 24,95 Euro. Es kann portofrei bezogen werden über die "vorwärts:buchhandlung + antiquariat" im Willly-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, 10963 Berlin (www.vorwaerts-ba.de), Telefon: 030 252 99 871, Fax: 030 252 99 872, E-Mail: info@vorwaerts-buchhandlung.de
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