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Zentrale Gedenkfeier
für die Opfer
des Genozids an den Armeniern
24. April 2009, 19.00 Uhr
in der Paulskirche zu Frankfurt am Main
Armenier gedenken des Völkermords von 1915
Am 24. April 1915 veranlasste die jungtürkische Regierung des Osmanischen Reichs die Verhaftung, Deportation und Ermordung armenischer Künstler, Schriftsteller, Politiker und weiterer Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Konstantinopel. Dieses Datum ist zum Gedenktag für die 1,5 Millionen Opfer des Völkermordes in den Jahren 1915/16 geworden.
Am 24. April findet die diesjährige zentrale Gedenkfeier der Armenier in Deutschland wieder in der Frankfurter Paulskirche statt. Es nehmen an der Gedenkfeier zahlreiche Vertreter aus Politik, Kirche, Kultur und Wissenschaft teil. Hauptredner sind der Historiker und Journalist Wolfgang Gust sowie der Rechtswissenschaftler und Verfassungsexperte Prof. Dr. Otto Luchterhandt. Sie beleuchten u. a. die Rolle Deutschlands in diesem historischen Geschehen sowie die juristischen Implikationen bei der Definition der Ereignisse in Sinne der UN-Konvention 260 gegen Völkermord vom 9. Dezember 1948. Parallel finden in anderen deutschen Städten Gedenkveranstaltungen der regionalen armenischen Gemeinden und Vereine statt. Träger der Frankfurter Gedenkfeier sind der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) und die Diözese der Armenischen Kirche in Deutschland.
Die Armenier gedenken zugleich auch der Aramäer und der Pontos-Griechen, die den Völkermord im osmanischen Reich nicht überlebten, und sie gedenken in diesem Jahr ganz besonders der Opfer, die bei den großen Massakern von Adana unter Sultan Abdul Hamid II. zu beklagen waren. Diese Massaker jähren sich 2009 zum 100. Mal.
Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stehen das unermessliche Leid, der Verlust an Sprache, Kultur, Heimat - und die Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden und Versöhnung. Daran knüpfen sich allerdings konkrete politische Forderungen. Vor allem geht es noch immer darum, dass Deutschland - nachdem der Bundestag 2005 den Völkermord implizit anerkannt hat - nun endlich auch explizit eine formale Anerkennung im Sinne der UN-Konvention ausspricht. Erst danach wird es möglich sein, Leugnung, Relativierung und Verharmlosung des Völkermords auch hierzulande strafrechtlich zu verfolgen. Die Wahrheit muss, so die Gruppe24April als Organisatorin der Veranstaltung, ständig und unermüdlich eingefordert und konsequent durch das Recht geschützt werden.
Folgerichtig bleibt auch die Behandlung des Themas Völkermord in den deutschen Schulen auf der Agenda. Es ist zutiefst bedauerlich, dass die Bundesländer bis heute die dringende und einstimmige Aufforderung des Parlaments vom Juni 2005 nicht aufgegriffen haben, der Vertreibung und Vernichtung der Armenier im osmanischen Reich im Rahmen ihrer bildungspolitischen Verantwortung die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen. Der ZAD wird deshalb in den zuständigen Länderministerien erneut initiativ werden. Es ist eine hohe Verantwortung, dass Kinder in Deutschland - gleich welcher ethnischen oder religiösen Herkunft - ihre Geschichte und die ihrer Vorfahren kennen lernen. Nur aus dem Respekt vor der Wahrheit kann Versöhnung entstehen, Versöhnung mit der Geschichte des anderen, aber auch Versöhnung mit der eigenen Geschichte.
Der 24. April markiert für die armenische Gemeinschaft, verstreut in der Welt, die Erinnerung an einen unüberwindbaren Bruch, der den Alltag und das Leben in der neuen Heimat wesentlich mitprägt. Die Bilder der Todesmärsche in die Wüste Mesopotamiens, die Bilder verhungerter Kinder und Frauen, die Bilder gefolterter, verbrannter, gehenkter, gekreuzigter armenischen Menschen haben sich fest in das Gedächtnis der Überlebenden und ihrer Nachfahren eingebrannt. Die Namen der Todeslager Deir-es-Sor und Ras-ul-Ain sind zum Synonym für die Vernichtung geworden, die aus der lebendigen, Jahrtausend alten west-armenischen Gemeinschaft eine Gemeinschaft der Überlebenden und - durch die Generationen - eine Gemeinschaft der Erinnernden gemacht hat. Die Überlebenden fanden keine Worte für ihren Verlust, die meisten schwiegen - an diesem 24. April aber finden sich die Armenier ein, um den Wortlosen eine Stimme zu geben, um ihrem Verlust einen Ort zu geben, um ihrer Erinnerung einen Raum zu geben.
Ein Genozid zielt jedoch nicht allein auf die physische Vernichtung der Opfer ab, sondern richtet sich gegen die Existenz der Gemeinschaft in Gegenwart und Zukunft. Daher sind die Verantwortung für die Erinnerung an die Opfer und die Erfahrung der Überlebenden zum Vermächtnis geworden. Die alles überschattende Leugnungspolitik der Türkei zielt ja gerade auf die Vernichtung der letzten Reste armenischer Gegenwart und Zukunft - sie zielt auf die Erinnerung der armenischen Gemeinschaft und ihrer Träger. Das Feindbild Armenier gehört heute zum konstituierenden Element der nationalen türkischen Identitätspolitik. So wird die Erinnerung nicht nur de-legitimiert, sondern es werden auch Stereotypen über die armenische Gemeinschaft propagiert, die zur Stigmatisierung, Dämonisierung und Vernichtung geführt haben. Die Fortsetzung dieser Leugnungspolitik, so die Gruppe24April, wird das Land auf lange Sicht von Europa trennen.
Die armenische Gemeinschaft bedarf des Schutzes. Die Erinnerung an den armenischen Genozid bedarf eines festen Ortes im deutschen und europäischen Erinnern. Die Erinnerung von Menschheitsverbrechen gehört zum deutschen Wertekanon, der nach der Katastrophe des Holocaust einen Konsens in der deutschen und europäischen Erinnerungskultur bildete, der besagt "Nie wieder Völkermord".
Über eine Berichterstattung würden wir uns freuen und laden Sie herzlich als Vertreter der Medien zu unserer Gedenkfeier ein.
Frankfurt, 20. April 2009
Gruppe24April
Eine Initiative
des Zentralrats der Armenier in Deutschland und
der Diözese der Armenischen Kirche in Deutschland
Kontakt: g24april@zentralrat.org