Trotz Plädoyer für Flüchtlingsaufnahme Minister Schäuble schiebt Iraker ab In Brüssel wirbt der Bundesinnenminister für die Aufnahme irakischer Flüchtlinge - daheim setzt er die Abschiebung zweier Iraker durch, die verfolgten religiösen Minderheiten angehören. VON SABINE AM ORDE BERLIN taz Am Donnerstag wird Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Brüssel noch einmal für die Aufnahme irakischer Flüchtlinge in der Europäischen Union werben. Dabei liegt ihm, wie er häufig betont hat, die verfolgte christliche Minderheit besonders am Herzen. Mark Raad Matt-Hannoussi ist ein Christ aus dem Irak. Ihm aber wird Schäubles Initiative nicht helfen. Im Gegenteil: Matt-Hannoussi ist am Montag abgeschoben worden - auf Betreiben des Bundesinnenministers. Der 21-jährige Matt-Hannoussi stammt aus Basra, wo seine Familie ein Spirituosengeschäft betrieb. Nach Drohungen floh er zunächst nach Mossul, dann verließ er das Land. Anfang des Jahres kam der junge Mann nach Deutschland. Das Problem: Matt-Hannoussi reiste über Athen in die Europäische Union ein. /*<\/scr'+'ipt>'); /*]]>*/ Damit ist Griechenland für den Asylantrag des Irakers zuständig, so steht es in dem sogenannten Dublin-II-Vertrag der EU. Doch in Griechenland, darauf weisen Flüchtlingsorganisationen seit Langem hin, gibt es kein funktionierendes Asylverfahren. Die EU-Kommission hat deshalb bereits drei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Griechenland angestrengt. Zudem liegt die Anerkennungsquote für Christen aus dem Irak in Griechenland bei fast null. In Deutschland dagegen werden laut Pro Asyl derzeit fast 80 Prozent der irakischen Flüchtlinge anerkannt. "Für meinen Mandanten kommt die Abschiebung nach Griechenland einer Abschiebung in den Irak gleich", sagt Anwalt Peter Koszian. Deshalb hat er im März den Petitionsausschuss des Bundestages eingeschaltet. Seine Bitte: Matta-Houssinis Asylantrag möge in Deutschland durchgeführt werden. Der Ausschuss sprach sich vor der Sommerpause fraktionsübergreifend dafür aus, aus Zeitgründen aber wurde noch kein formaler Beschluss gefasst. "Deshalb haben wir das Bundesinnenministerium gebeten, die Abschiebung zunächst nicht vorzunehmen", sagt Carsten Müller, der für die CDU im Petitionsausschuss sitzt. Doch der Bundesinnenminister wies dieses Begehren in einem Brief zurück. Matt-Hannoussi wurde abgeschoben. "Schade" sei das, sagt Müller. Andere Mitglieder des Ausschusses äußern ihre Empörung offener. "Angesichts der Situation in Griechenland ist es völlig unverantwortlich, Menschen in diese Ungewissheit abzuschieben", so der Grüne Josef Winkler. Matt-Hannoussis Fall ist nicht der Einzige dieser Art, der derzeit den Petitionsausschuss beschäftigt. Mitglieder sprechen von fünf Irakern, die religiösen Minderheiten angehören und akut von Abschiebungen nach Griechenland bedroht sind. Einer von ihnen könnte schon am heutigen Mittwoch von München nach Athen geflogen werden: der Jesside Hussein Ali Ido. Wie viele Iraker insgesamt betroffen sind, war gestern nicht zu erfahren. Der Innenminister sieht in seiner EU-Initiative einerseits und den Abschiebungen andererseits keinen Widerspruch: Ziel der Initiative sei es nicht, irakischen Flüchtlingen, die die EU bereits erreicht haben, die Durchführung in einem von ihnen bevorzugten Mitgliedstaat zu ermöglichen, so sein Sprecher. "Das Ministerium geht davon aus, dass in Griechenland auch irakischen Asylbewerbern, die einer religiösen Minderheit angehören, Schutz gewährt wird, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen." Das hält Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl, für "völlig realitätsfern: Diese Menschen haben in Griechenland keine Chance auf ein faires Asylverfahren." Zudem sei es "absurd, jetzt die Menschen abzuschieben, die bald die Begünstigten einer humanitären Lösung sein sollen".
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