Stellungnahme des Bundesrates zu Zwangsheirat, Bleiberecht für Jugendliche etc.
Der Bundesrat hat am 17. Dezember 2010 eine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften beschlossen (Bundesratsdrucksache 704/10). Vorgeschlagen wird ein eigenständiges Bleiberecht für „gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende“ in Form eines neuen § 25a AufenthG. Die irritierende Begründung in den vorangegangenen Empfehlungen der Ausschüsse entfiel und damit der Hinweis, dass es keinen über die jetzt geplante Regelung hinausgehenden Bedarf an weiteren Bleiberechtsregelungen gebe. Dennoch wirft der Beschluss selbst für die Aufenthaltsgewährung im Falle der Personengruppe, die man begünstigen will, eine Vielzahl von Fragen auf, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren geklärt werden müssen. Ohnehin nicht geklärt ist die Situation all derer, die aus der bereits geltenden Bleiberechtsregelung herausfallen: Alte, Kranke, Behinderte und andere Personengruppen mit problematischer Lebensunterhaltssicherung. Zum Teil sind in den Bundesländern noch im Dezember Vorgriffsregelungen ergangen, da offenbar damit gerechnet wird, dass sich das Gesetzgebungsverfahren noch bis zum Sommer 2011 hinziehen kann. Soweit solche Vorgriffsregelungen vorliegen, spiegeln sie zum Teil die Widersprüchlichkeiten des zugrundeliegenden IMK-Beschlusses und der Bundesratsempfehlung wider. Kommentar von Bernd Mesovic zum Bleiberecht nach Schulerfolg: Deutschland sucht den Superschüler.
Bundesrat verwirft Antrag zur Abschaffung der Residenzpflicht
Ebenfalls am 17. Dezember 2010 hat der Bundesrat den Antrag des Landes Bremen verworfen, der die weitgehende Abschaffung der Residenzpflicht bedeutet hätte. Angenommen wurden stattdessen Änderungsanträge der Länder Brandenburg und Thüringen. Demnach sollen Landesregierungen zukünftig auch für geduldete Flüchtlinge den Aufenthaltsbereich über Bundesländergrenzen hinweg erweitern können.
NRW beschließt Lockerung der Residenzpflicht
Wenige Tage später hat das nordrhein-westfälische Kabinett die Lockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber im Lande beschlossen. Eine am 21. Dezember 2010 verabschiedete Verordnung ermöglicht es Asylsuchenden in NRW künftig, sich vorübergehend erlaubnisfrei im gesamten Gebiet des Bundeslandes aufzuhalten und nicht mehr nur wie bisher im Bereich eines Regierungsbezirkes. Man beachte den fußballspezifischen Begründungszusammenhang in der entsprechenden Presseerklärung des Innenministeriums.
Miroslaw Redzepovic versuchte sich das Leben im Abschiebungsgefängnis Billwerder zu nehmen
Miroslaw Redzepovic versuchte am 2. Dezember 2010 sich sein Leben im Abschiebungsgefängnis der JVA Billwerder/Hamburg zu nehmen. Zum zweiten Mal in seinem Leben hätte er nach Belgrad abgeschoben werden sollen. Die Abschiebung stand unmittelbar bevor. Der 22-Jährige hat den Jahreswechsel in der forensischen Abteilung einer Hamburger Klinik verbringen müssen und wurde dann freigelassen, nachdem die Hamburger Ausländerbehörde auf die weitere Vollstreckung der Abschiebungshaft verzichtet hatte. Die tragische Biographie des Mannes hatte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt. Sein Vater hatte sich im Jahr 2002 im Rathaus von Syke in Niedersachsen verbrannt, um die Abschiebung seiner siebenköpfigen Familie zu verhindern. Doch einige Zeit später wurde die Abschiebung der Familie doch durchgeführt. Im Oktober 2011 machte sich Miroslaw Redzepovic erneut auf den Weg nach Deutschland. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war, unternahm er noch am selben Tag einen Suizidversuch. Nach einem Bericht der taz Nord vom 6. Januar 2011 will sein Anwalt nun versuchen, einen Antrag auf ein humanitäres Bleiberecht zu stellen.
Flüchtlinge Weihnachten in Berlin...
Weihnachten in Berlin. Flüchtlinge standen zum Teil mit unzureichender Kleidung und ohne Geld auf der Straße. Auf diesen Missstand wies der Berliner Flüchtlingsrat in einer Presseerklärung am 22. Dezember 2010 hin und forderte die zuständige Sozialsenatorin auf, umgehend sicherzustellen, dass neuankommende Flüchtlinge die ihnen zustehenden Mindestleistungen erhalten.
... und in Thüringen
Wenig weihnachtlich ging es auch in Thüringen zu. „Polizei vor der Tür – Flüchtlingslager in Thüringen: Zu Weihnachten Schikanen vom Amt und kein Hausverbot für Neonazis“ überschrieb die Junge Welt am 27. Dezember 2010 einen Artikel von Gitta Düperthal.
Romni aus NRW trotz Abschiebungsstopp in den Kosovo abgeschoben
Am 1. Dezember hatte das NRW-Innenministerium einen bis Ende März 2011 gültigen Winterabschiebungsstopp für Roma und andere Minderheiten nach Kosovo und Serbien erlassen. Trotzdem schob die Ausländerbehörde Heinsberg nach Angaben der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration in einer Pressemitteilung vom 10. Dezember 2010 eine schwerkranke alleinstehende Romafrau in den Kosovo ab.
Dokumentarfilm über zwei abgeschobene Roma-Brüder
Ein kurzer Dokumentarfilm von Andrew Lampard „A Lost Generation“ beleuchtet das Schicksal zweier in Deutschland geborener Roma-Brüder, die mit ihrem neuen Leben nach der Abschiebung in den Kosovo nicht zurechtkommen.
Aktion gegen Gutscheinsystem vom Landrat in Oberhavel kriminalisiert
Der Landrat des Kreises Oberhavel hat Anzeige wegen Beleidigung und Amtsanmaßung erstattet, nachdem BesucherInnen eines Stadtfestes in Oranienburg an einem Grillstand mit Gutscheinen bezahlen mussten und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten, die Asylsuchende im Kreis jeden Tag erfahren, zu spüren bekamen. Eine Pressemitteilung mehrerer Organisationen aus der Region schildert die Aktion.
Flüchtlingskatastrophe vor Christmas Island
Makabrerweise kurz vor Weihnachten zerschellte ein Flüchtlingsboot an den Klippen der australischen Insel Christmas Island. Vermutlich 48 Menschen ertranken am 14. Dezember, als ein 15 m langes Holzboot bei heftigem Wellengang an einer Klippe zerbarst. Christmas Island liegt mehr als 2.600 km von der nordwestaustralischen Küste entfernt im Indischen Ozean, weit kürzer ist der Weg nach Indonesien. Die Insel beherbergt Australiens größtes Lager für Asylsuchende, das 2006 eröffnet wurde und im Herbst 2010 mehr als 2.000 Asylsuchende beherbergte – mehr als die Einwohnerzahl der 135 m² großen Insel. Üblicherweise werden die Gewässer vor Christmas Island aus der Luft und per Radar stark überwacht. Holzboote werden jedoch bei hohem Seegang zum Teil nicht erkannt. Unter den Toten befanden sich u.a. Flüchtlinge aus Afghanistan und dem Iran.
Die Ankünfte von Flüchtlingsbooten in australischen Gewässern, insbesondere auf Christmas Island, haben eine politische Kontroverse verschärft, die es in Australien bereits seit Jahren gibt. Ein Sprecher des Immigrationsministers kündigte nach Vorwürfen der Opposition an, die Regierung arbeite hart an der Entwicklung nachhaltiger regionaler Schutzsysteme und möchte ein „regional processing center“ eingerichtet sehen. Man bemühe sich deshalb insbesondere um gute Beziehungen zu Indonesien und anderen regionalen Partnern wie Malaysia, Sri Lanka und Thailand. Der australische Flüchtlingsrat spricht sich ebenfalls für regional processing centers außerhalb Australiens aus, aus denen dann anerkannte Flüchtlinge ggf. übernommen werden könnten. Im Jahr 2010 kamen an den australischen Küsten 134 Schiffe mit Asylsuchenden an, deren menschliche Ladung sich nach Angaben von The Australian vom 6. Januar 2011 aus „6.535 people and 345 crew“ zusammensetzte. Nach Angaben der australischen Immigrationsbehörde befanden sich in der ersten Januarwoche 2011 2.828 Asylsuchende in der Haft auf Christmas Island und 3.469 in Einrichtungen auf dem Kontinent. Keine großen Zahlen für einen ganzen Kontinent also. Trotzdem trommelt die australische Opposition mit dem Hinweis auf 10.000 Bootsflüchtlinge, die während der dreijährigen Labourregierung bislang gelandet seien. The Australian vom 4. Januar 2011 weist darauf hin, dass Christmas Island sehr schnell zu einem überfüllten de-facto-Abschiebungshaftgefängnis geworden ist. Ein Artikel, der die Forderungen nach einer Verschärfung der Flüchtlingspolitik in Australien kritisch beleuchtet, findet sich in der Irish Times vom 30. Dezember 2010 unter der Überschrift „No season of goodwill despite Christmas Island tragedy“.
Weltmeere: Zerstörung traditioneller Fischerei und Versenkung von Menschenrechten
Schwerpunkt des INKOTA-Briefs Nummer 154 vom Dezember 2010 ist das Thema „Weltmeere – die globalisierte Ausplünderung“. Francisco Mari berichtet darin über „Fischraub vor Westafrika“ am Beispiel der Zerstörung der ghanaischen Fischerei. Die Fischereipolitik der Europäischen Union habe sogar nach einer selbstkritischen Analyse der EU-Kommission versagt. Die Fischereien der meisten Entwicklungsländer leiden unter der Konkurrenz mit hochsubventionieren Fangflotten vor allem der EU und Japans und deren Kooperation mit komplett illegal fischenden Flotten. Die Zerstörung der traditionellen Fischerei vor großen Teilen der westafrikanischen Küste ist in den letzten Jahren immer wieder als eine der Triebfedern für die Migration in Richtung Europa genannt worden. In derselben Ausgabe des INKOTA-Briefs schreibt PRO ASYL-Referent Karl Kopp unter der Überschrift „Menschenrechte versenkt“ über die Tatsache, dass die EU-Agentur FRONTEX die Meere für Flüchtlinge noch gefährlicher macht als diese vorher schon waren.
Kosovarischer Innenminister leugnet das Elend der Roma im Kosovo
Einen nachvollziehbaren EU-Schmusekurs fährt der kosovarische Innenminister Bajram Rexhepi in einem Interview mit der Frankfurt Allgemeinen Zeitung am 29. Dezember 2010. Er versteigt sich zum Appell an die Regierungen Bosniens und Albaniens, ihren Bürgern deutlich zu sagen, dass Reisefreiheit in die EU-Staaten nicht die Freiheit bedeute, dort Asyl zu beantragen. Diese Zeiten seien auf dem ganzen Balkan vorbei. Insbesondere habe kein Bürger des Kosovos Grund, politisches Asyl zu beantragen. Regelrecht denunziert werden die Roma mit einer sarrazinisch anmutenden Eingangsfloskel: „Ich will niemanden angreifen, aber wenn beispielsweise Roma von Menschenrechtsorganisationen zu ihren Lebensbedingungen im Kosovo gefragt werden, behaupten sie oft, diese seien sehr schlecht – ganz gleich, was wir ihnen bieten“. Auf die Nachfrage der FAZ, viele abgeschobene Roma gerieten im Kosovo doch tatsächlich in eine prekäre Lage, wird auf die prekäre Situation der Roma und anderer Minderheiten in keiner Weise eingegangen, lediglich die Reintegrationsprobleme von Jugendlichen und Kindern, deren Eltern vor vielen Jahren das Kosovo verließen, werden erwähnt, allerdings zum – bloß nicht über Nacht – lösbaren Problem erklärt. Selbst in entwickelten europäischen Ländern dauere eine erfolgreiche Integration Jahre. Zu verweisen ist an dieser Stelle auf die vielfältigen Berichte internationaler Organisationen, die darauf hinweisen, dass es neben der Verabschiedung papierener Absichtserklärungen und Reintegrationsstrategien seit langem keine substantiellen Verbesserungen gibt. Wer den UNICEF-Bericht zur Situation abgeschobener Kinder und Jugendlicher zur Kenntnis genommen hat, wird auch die Darstellung von deren Reintegrationsproblemen à la Rexhepi bagatellisierend finden. Für viele abgeschobene Kinder gibt es im Kosovo keine schlechte Schule, sondern gar keine. Die ganze Ranschmeiße dient einerseits dem Weg des Kosovo zur Visumfreiheit, ist aber auch weitergehende Unterwerfungsgeste des finanziell am Tropf hängenden Staates. Der lebt z.Zt. in großem Maße von den Überweisungen der im Ausland lebenden Staatsbürger – ob regulär oder irregulär. Hatten andere Regierungsvertreter dies noch öffentlich gelegentlich anzudeuten gewagt und vorsichtig als Argument gegen verstärkte Abschiebungen eingebracht, so gibt es für den jetzigen Innenminister offenbar keine Alternative zur Demutgeste.
FRONTEX veröffentlicht Bericht über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX hat einen Bericht zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im Rahmen der europäischen Migration herausgegeben. Der Bericht beschäftigt sich unter der Überschrift „Unaccompanied Minors in the Migration Process“ mit den Trends der letzten Jahre, u.a. mit der Zunahme des Anteils unbegleiteter Minderjähriger an den Asylsuchenden in der Europäischen Union.
Deutsche Polizisten an griechisch-türkischer Grenze kritisieren die Behandlung von Flüchtlingen
Deutsche Bundespolizisten, die im Rahmen von FRONTEX-Einsätzen an der griechisch-türkischen Grenze im Rahmen von sogenannten Rapid Border Intervention Teams eingesetzt sind, haben die harte Behandlung von Flüchtlingen kritisiert und sich dabei auf exzessive Anwendung von Gewalt sowie Fälle bezogen, bei denen Flüchtlinge mit Warnschüssen in Minenfelder gejagt worden seien, so der Spiegel vom 11. Dezember 2010 und andere Medien. Der Einsatz wird dennoch bis Anfang März 2011 auf jeden Fall fortgesetzt, so das Bundesinnenministerium. PRO ASYL hatte nach Recherchen an der griechisch-türkischen Landgrenze im Evros-Gebiet kritisiert, dass deutsche Polizisten in ein chaotisches System eingebunden würden, das eklatante Menschenrechtsverletzungen beinhalte. Ausführlicher als der Spiegel berichtete die taz am 29. Dezember 2010 unter der Überschrift „Einsatz an griechisch-türkischer Grenze – deutsche Polizei hilft FRONTEX auch 2011“.
Aktueller Amnesty-Bericht kritisiert Malta für Kooperation mit Libyen
Amnesty International ist dem Schicksal von Menschen nachgegangen, die in internationalen Gewässern durch maltesische und libysche Seestreitkräfte im Juli aufgegriffen wurden. Ein Mitte Dezember veröffentlichter Bericht unter dem Titel „Seeking Safety, Finding Fear: Refugees, Asylum Seekers and Migrants in Libya and Malta“ kritisiert Malta für die Kooperation bei der gewaltsamen Rückkehr Schutzbedürftiger nach Libyen. Zum Teil seien die Betroffenen in Libyen während der darauffolgenden Haft gefoltert worden. Schläge sowie Elektroschocks seien bei Verhören verwendet worden.
Neue Hürde für sans-papiers beim Zugang zur Gesundheitsvorsorge
Seit dem 1. Januar 2011 müssen die sans-papiers in Frankreich 30 Euro für die AME (L'aide médicale d'Etat), die staatliche Gesundheitshilfe, zahlen. In den letzten Jahren wurde die Gesundheitsversorgung für sans-papiers zunehmend verschlechtert. Leistungen wurden gekürzt und die Voraussetzungen, um in den Genuss der AME zu kommen, sind immer schwerer zu erfüllen. Auch diesmal hagelt es Kritik von allen NGO-Seiten. Das Argument einer Kostenersparnis wird in Frage gestellt, da auf die staatliche Gesundheitsversorgung höhere Kosten zukommen werden, wenn die sans-papiers, die die 30 Euro nicht aufbringen können, später zum Arzt gehen, ihre Krankheit dann schon fortgeschritten ist und z.B. einen Krankenhausaufenthalt nötig macht, so ein Artikel in Libération vom 4. Januar 2011.
Innenminister macht Druck auf Präfekten wegen höherer Abschiebungszahlen
Zum wiederholten Mal hat der französische Innenminister Druck auf die Präfekten ausgeübt und sie am 13. Dezember 2010 aufgefordert, die Abschiebungszahlen zu erhöhen, um die von ihm angestrebte Zahl von 28.000 Abschiebungen für 2010 zu erreichen, berichtet der Nouvel Observateur vom 14. Dezember 2010. Hortefeux versprach den Präfekten, er werde „persönlich“ die Ergebnisse jedes einzelnen Präfekten verfolgen. 2009 wurden bis Ende November 25.511 Ausländer abgeschoben, das sind 7% weniger als 2009. Erhöht hat sich seit Ende Juli 2010 die Zahl der abgeschobenen Rumänen und Bulgaren. NGOs haben allerdings beobachtet, dass eine ganze Reihe von ihnen erneut nach Frankreich eingereist sind. Nach den Verlautbarungen Hortefeuxs, Vertreter der immigration choisie (d.h. der gewählten Migration im Gegensatz zu der „erlittenen Migration“), soll sich der Anteil der regulären ArbeitsmigrantInnen an der Gesamtzahl der MigrantInnen seit 2007 von 12% auf 23% fast verdoppelt haben. Im Februar sollen die französischen Konsuln von Hortefeux darauf eingestimmt werden, strenger bei der Vergabe von Visa für kurze Aufenthalte, diesen „Pässen zur Illegalität“ zu sein.
NGOs fordern menschenwürdige Unterkünfte statt Zelten für Asylbewerber
In einer Presseerklärung vom 20. Dezember 2010 wenden sich NGOs, Gewerkschaften und Parteien gegen einen Beschluss des Staatsrates, mit welchem dem Präfekten von Paris geraten wird, Zelte für die Asylbewerber aufzustellen, die keinen Platz in den Gemeinschaftsunterkünften, Wohnungen oder Hotels finden. In ganz Frankreich gibt es nur 20.410 Plätze für Asylbewerber, benötigt wird die doppelte Zahl. Asylbewerber sind gezwungen auf der Straße zu schlafen oder leerstehende Wohnungen zu besetzen.
Eine lange Liste von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisiert die Entscheidung des Staatsrates, die die Menschenwürde verletze und gegen die europäische Aufnahmerichtlinie von 2003 verstoße, und ruft zum Protest auf.
Journalist berichtet ausführlich über Flüchtlingsmisere in Griechenland
Griechenland macht zwar keine Fortschritte bei der Einrichtung eines Aufnahmesystems für Asylsuchende und der Umsetzung eines Asylverfahrens, das diesen Namen verdient. Durch die Medien ging das Land allerdings im Dezember mit seinen Planungen, an der Landgrenze zur Türkei eine mehr als 12 Kilometer lange Mauer zu errichten. Aus der „Flüchtlingshölle Hell-As“ berichtet Wassilis Aswestopoulos für den Online-Dienst Telepolis am 3. Januar 2011. Der fehlende politische Wille zur Schaffung eines wirksamen Asylsystems schaffe zusammen mit dem Dublin II-Abkommen die Voraussetzung für humanitäre Dramen, die aktuelle Finanzkrise liefere den Rahmen für absolut menschenunwürdige Zustände und Europa schaue zu, so sein Fazit. Aswestopoulos weist allerdings auch darauf hin, in welchem Maß rechtlose Migranten als Hilfskräfte ausgebeutet werden oder als Finanzquelle dienen.
Human Rights Watch fordert Griechenland und EU zu besserem Schutz von unbegleiteten Minderjährigen auf
Human Rights Watch hat Griechenland am 6. Dezember 2010 aufgefordert, Migranten aus den überfüllten und inhumanen Haftanstalten in der Evros-Region in andere Unterkünfte zu schaffen und insbesondere die 120 unbegleiteten Minderjährigen unter ihnen effektiv zu schützen. Die belgische EU-Präsidentschaft sei aufgefordert, insbesondere die Situation der unbegleiteten Minderjährigen an der EU Außengrenze als Angelegenheit besonderer Dringlichkeit zu betrachten.
AktivistInnen verhindern unrechtmäßige Abschiebung
Am 15. Dezember 2010 wollte die österreichische Polizei einen aus Guinea stammenden, politisch engagierten Studenten aus Wien abschieben. Nachdem sich Aktivisten Flugtickets besorgt und im Flugzeug gegen die Abschiebung protestiert hatten, wurde die Abschiebung schließlich abgebrochen. Neben der taz vom 16. Dezember 2010 („Krawall im Flieger“) berichtete kontinuierlich No-racism.net. Der Standard vom 26. Dezember 2010 zieht ein klares Fazit: „Versagen der Behörden im Fall Ousmane C.“ Nur zivilgesellschaftlicher Intensiveinsatz habe die unrechtmäßige Abschiebung des guineischen Politaktivisten verhindern können – in Verbindung mit einer Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshofs. Am 24. Dezember 2010 wurde Ousmane C. aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Staatsanwaltschaft allerdings ermittelt weiter wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie Körperverletzung.
Richterin am EGMR bestürzt über Abschiebungen nach Griechenland
Gegenüber der österreichischen Tageszeitung Der Standard vom 8. Dezember 2010 zeigte sich Elisabeth Steiner, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, bestürzt und betroffen darüber, dass Österreich trotz Ersuchens des EGMR weiter Asylbewerber nach Griechenland schickt: „Kein Europäer kann für solche Abschiebungen sein“.
Kritik führt zur Einstellung „phallometrischer Tests“
Die heftige Kritik von Nichtregierungsorganisationen, aber schließlich auch der EU hat dazu geführt, dass die Praxis sogenannter „phallometrischer Tests“ in der tschechischen Republik eingestellt wurde. Diese sollten dazu dienen festzustellen, ob sich auf Verfolgung wegen Homosexualität berufende Asylsuchende wirklich schwul sind. Selbst die EU befürchtete Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das tschechische Innenministerium berief sich darauf, man habe diese Methode in weniger als zehn Asylfällen angewendet. Bekannt wurde der Fall, nachdem ein deutsches Verwaltungsgericht die Rücküberstellung eines iranischen Asylsuchenden in die tschechische Republik nicht zugelassen hatte – unter Hinweis auf den Test, dem er dort wohl unterworfen wäre.
Stellungnahme von UNHCR zur Situation Asylsuchender
UNHCR hat sich im November 2010 mit einer Stellungnahme an das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) zur Situation von asylsuchenden Flüchtlingen in Ungarn geäußert. In der Stellungnahme wird u.a. auf Probleme beim Zugang zum ungarischen Territorium und zum Asylverfahren hingewiesen sowie auf die ungarische Praxis, Asylsuchende für die Benutzung falscher Dokumente zu bestrafen. Darüber hinaus verhänge Ungarn zum Teil Administrativhaft gegenüber Asylsuchenden, ohne dass effektiver Rechtsschutz gegen diese Praxis möglich sei. Diese Praxis stelle willkürliche Haft dar. Seit April 2010 sei die Inhaftierung von Asylsuchenden eher die Regel als die Ausnahme. Die Zustände in der Administrativhaft sind bedrückend. Psychosoziale Unterstützung für Opfer/Überlebende von Folter, die traumatisiert sind, gebe es nur in geringem Maße von Seiten einiger Nichtregierungsorganisationen.