"Identität" lautet das harmlos klingende Thema des internationalen Kongresses, zu dem vom 20. bis 24. Mai rund 1.000 Menschen nach Marburg strömen wollen. Doch die Tagung, die von der evangelikalen Akademie für Psychotherapie und Seelsorge aus dem nordhessischen Frankenberg ausgerichtet wird, sorgt für massiven Wirbel in der Universitätsstadt.Von einem "Homophobie-Kongress" sprechen Hessens Grüne. Schwulen- und Lesbenverbände fordern von Stadt und Universität, sich von "Homoheilern und Umpolern" zu distanzieren. Die jungen Liberalen nennen es ein "pseudowissenschaftliches Treffen". Unter dem Titel "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus" hat sich ein Bündnis aus 15 Gruppen gegründet, das Aktionen gegen den gesamten Kongress vorbereitet.
Dagegen hat sich nun eine Gegeninitiative gebildet, die unter dem Namen "Für Freiheit und Selbstbestimmung" mehr als 400 Unterschriften im Internet gesammelt hat. Sie wirft Lesben- und Schwulenverbänden sowie den Grünen "mediales Mobbing" sowie einen "Angriff auf fundamentale Freiheitsrechte" vor. Gleichzeitig behauptet die Initiative, dass praktizierte Homosexualität ein erhebliches gesundheitliches und psychisches Risiko berge. Zu den Erstunterzeichnern zählen der Salzburger Weihbischof Andreas Laun sowie der Aschaffenburger CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis.
Die Kritiker gehen vor allem gegen zwei Referenten vor: Markus Hoffmann von der Organisation "Wüstenstrom" und Christl Ruth Vonholdt vom "Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft" wird vorgeworfen, Homosexuelle "heilen" zu wollen. Der Veranstalter, die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge, hält dies für "wenig hilfreiche Diffamierungen". Die Akademie sei keine Organisation, die homosexuellenfeindliche Angebote unterstütze.
Zudem werde das Thema Homosexualität während des Kongresses allenfalls am Rande thematisiert. "Wir zeichnen uns durch Meinungsvielfalt aus", betont Vorstandsmitglied Dietmar Seehuber. Die insgesamt 120 Referenten bildeten das gesamte Spektrum der kirchlichen Diskussion ab. Bekennende Homosexuelle finden sich allerdings nicht unter den Vortragenden.
Unterdessen fordern die Landtagsabgeordneten Angela Dorn und Kai Klose (Grüne), dass sich die Universitätsleitung nicht weiter "wegducken" dürfe. Auch der Präsident der Fachhochschule Frankfurt, Detlev Buchholz, hat Stadt und Universität aufgefordert, keine Räume für die Veranstaltung zur Verfügung zu stellen und sich von den "homophoben Tendenzen" zu distanzieren.
Der Marburger Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) sieht keinen Grund, den Kongress in der Stadthalle zu verbieten. Er hat sich jedoch von den strittigen Referenten distanziert: "Positionen, die sich gegen homosexuelle Identitäten und Lebensweisen richten, lehne ich ab." Nach Einschätzung von Uni-Sprecherin Viola Düwert vertreten die strittigen Referenten eine Minderheitenmeinung, die die Hochschule nicht nachvollziehen könne. Allerdings deckten die insgesamt 120 Referenten ein breites Meinungsspektrum ab: "Der Kongress insgesamt zielt nicht darauf ab, Schwule umzupolen", sagte Düwert.
Bislang nicht in die Diskussion einbezogen ist die evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck. Sprecher Karl Waldeck betont auf Anfrage: "In unserer Kirche ist für Homosexuelle Platz, auch für homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer." Ulrike Wagner-Rau, Professorin für praktische Theologie an der Marburger Philipps-Universität, hält die strittigen Veranstaltungen für problematisch: "Homosexualität als Krankheit anzusehen, kann die Betroffenen in große Bedrängnis bringen." Zudem entspreche es dem Forschungsstand in keiner Hinsicht: "Das ist theologisch nicht zu verantworten", so die Hochschullehrerin.
http://www.epd.de/