Presseerklärung des Niedersächsischen Flüchtlingsrates:
Suizid des Flüchtlings Slawik C. verdeutlicht Skandal der Abschiebungshaft Wieder einmal hat ein Flüchtling keinen Ausweg gesehen und sich in Abschiebungshaft das Leben genommen. Die Hintergründe und Umstände dieses erneuten Todesfalls eines Flüchtlings verdeutlichen den alltäglichen Skandal der Abschiebungshaft in Deutschland. Slawik C. floh mit seiner Frau und seinem Sohn Samuel 1999 nach Deutschland. Während der heute 29-jährige Sohn mit einer Niederlassungserlaubnis in Deutschland lebt und nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung eine Festeinstellung antreten kann, sollte Vater Slawik C. – ohne seine Frau – am 7. Juli 2010 nach Armenien abgeschoben werden. Die Inhaftierung zwecks Abschiebung war aus mehreren Gründen skandalös: 1) Die Inhaftierung hätte gar nicht erfolgen dürfen, da Slawik C. keinerlei Anlass für die Vermutung gegeben hat, dass er sich der Abschiebung entziehen wollte. Der herbeigeführte Haftbeschluss war insofern – wie im Übrigen auch in etwa einem Drittel aller übrigen Abschiebungshaftfälle – rechtswidrig (siehe hier). Es ist unerträglich, dass in Niedersachsen immer wieder Flüchtlinge ohne hinreichende Rechtsgrundlage inhaftiert werden, ohne dass das Innenministerium dagegen einschreitet. 2) Die Ausländerbehörde des Landkreises Harburg hat offenkundig falsche Identifikationsdaten von Interpol dazu benutzt, um sich bei der armenischen Botschaft ein Passersatzpapier für den aus der aserbaidschanischen Provinz Nachidjevan stammenden Mann zu beschaffen.[1] Wissentlich hat die Ausländerbehörde insofern den Flüchtling unter falschen Voraussetzungen in das falsche Land abschieben wollen. Rechtswidrige Methoden bei der Beschaffung von Passpapieren für armenische Staatsbürger haben offenbar System (siehe hier). 3) Für Slawik C.s Frau hatte die Ausländerbehörde keine Abschiebungspapiere. Dennoch bestand sie darauf, den Ehemann ohne seine Frau abzuschieben und die seit elf Jahren in Deutschland lebende Familie damit zu trennen. 4) Slawik C. erhielt Medikamente – offenbar Beruhigungsmittel. Zwei Tage vor seinem Suizid wurde er „zu seiner eigenen Sicherheit“ in Sicherungsverwahrung genommen. Dort verletzte er sich selbst an beiden Armen sowie am Kopf. Am nächsten Tag wurde er wieder in seine Zelle gebracht und erhielt Besuch von seiner Familie. Eine fachkundige medizinische Begleitung, welche die akute Suizidalität des Flüchtlings erkannt und deswegen eine Haftentlassung herbeigeführt hätte, fehlte ganz offenbar. Wir fordern die niedersächsische Landesregierung auf, den Fall des armenischen Flüchtlings Slawik C. lückenlos aufzuklären und die rigide Abschiebungspolitik des Landes endlich zu beenden. Nicht eine bessere Kontrolle und (Video-)Überwachung der Flüchtlinge, sondern ein sensiblerer Umgang mit Flüchtlingen sowie der Verzicht auf eine Abschiebung um jeden Preis muss die Konsequenz aus diesem neuerlichen Todesfall in Abschiebungshaft sein. 1) [1] Eine Auskunft von Interpol, die einen Mann namens Slawik C. beschrieb, aber schon vom Lichtbild her eine offenkundig andere Person bezeichnete und auch hinsichtlich Geburtsdatum, Geburtsort sowie dem Namen des Vaters nicht auf den Flüchtling passte, wurde Herrn C. von der Polizei vorgelegt. Die Polizisten haben beim Vergleich des Interpol-Dokuments mit dem Betroffenen herzlich gelacht und festgestellt, dass es sich um eine andere Person handelte. Dennoch benutzte die Ausländerbehörde dieses Interpol-Dokument für die Passbeschaffung
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