Handys in Trümmern: Netz-Proteste gegen Nokia
Quelle:http://www.netzeitung.de/internet/884093.html
22. Jan 14:24, ergänzt 23. Jan 11:06
| Derzeit recht unbeliebt: Handy von Nokia | Foto: dpa |
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Nicht nur vor den Werkstoren von Nokia wird demonstriert, die Proteste haben sich längst ins Internet ausgedehnt. Manche sind nicht nur engagiert, sondern unterhaltsam - und brutal. Ein Update. Die Entscheidung ist gefallen, und nicht einmal mehr die engagiertesten Politiker glauben noch daran, Nokia von dem Beschluss, seine Bochumer Produktionsstätte nach Rumänien zu verlegen, wieder abbringen zu können. Selbst in solchen Situationen müssen sich Politiker kompromissbereit und diplomatisch geben. Das gehört zu ihrem Job. Und wer weiß - vielleicht lässt sich ja doch noch was erreichen? Andere müssen so viel Rücksicht nicht nehmen. Protestkundgebungen und Demonstrationen gehören in Bochum nun ebenso zum Alltag wie das Abrufen der eigenen E-Mails und das Surfen im Internet.Und genau dort, im Internet, entsteht momentan fast stündlich etwas, das man als Erweiterung des Protestes auf der Straße und vor den Werkstoren bezeichnen kann. Hier werden Unterschriften gesammelt, Boykottaufrufe verbreitet und Videos gepostet. Einige der vielfätigen Aktionsseiten möchten wir Ihnen kurz vorstellen.
Sag-Nokia-deine-Meinung.de
Auf der Seite Sag-Nokia-Deine-Meinung.de steht seit Mittwoch ruft - in eigenen Worten - «die Aktions-Community zur größten Aktion Deutschlands gegen die Werkschliessungen von Nokia auf. Unter: www.sag-nokia-deine-meinung.de haben alle Bundesbürger die Möglichkeit, ihren Unmut gegen das Handeln von Nokia zum Ausdruck zu bringen. Während die Politiker ratlos sind, nicht wissen, was tatsächlich mit den 88 Millionen Euro Subventionen passiert ist und ob die EU den Abschied nach Rumänien mit weiteren Millionen Euro versüßt hat, handelt Sag-Nokia-deine-Meinung und zeigt Flagge.
Die Seite vom sozialen Netzwerk Myfaible. de betrieben und alle hier geäußerten Meinungen sollen veröffentlicht, an das Management und den Betriebsrat von Nokia übergeben werden. Ansonsten passiert hier nicht viel. Nokia-Protest.de
Nokia-Protest.de erklärt zum Ziel, «dass sich bis zum 20. Februar 2008 200.000 Personen auf dieser Seite registriert haben, die anlässlich der geplanten Werksschließung in Bochum bereit sind, ihr Nokia-Handy abzugeben bzw. kein neues Nokia-Handy mehr zu kaufen.» Dazu trägt man sich mit dem Vornamen, dem Nachnamen und der E-Mail-Adresse in eine Online-Namensliste ein.
Die Betreiber, die in Baden-Baden ansässige Firma Bayanoo Ltd., die auch mit einer Online-Tauschbörse für Handyverträge im Internet vertreten ist, will dann Ende Februar diese Liste der Geschäftsleitung von Nokia übergeben. Man ahnt hier schon die unter Umständen geringen Auswirkungen solcher Protestformen. «Sollte es trotz der Aktion keine positive Reaktion seitens der Geschäftsleitung geben, so werden wir uns im März mit anderen Herstellern in Verbindung setzen und Ihnen per E-Mail ein Angebot für ein neues Handy-Modell zukommen lassen, welches im Vergleich zu den üblichen Ladenpreisen sensationell sein wird.»Klingt gut, nur: Bis zum 22. Januar mittags hatten sich gerade mal 57 Personen auf Nokia-Protest.de registiert. Außerdem wird auf anderen Werbeseiten von Bayanoo Ltd. durchaus unkritisch mit Nokia umgegangen - Werbung für die Geräte der Firma inklusive.
Attac
Wo Protest ist, ist das Antiglobalisierungsbündnis Attac nicht weit. Und siehe da: Unter www.attac.de/nokia steht seit Dienstag schon eine entsprechende Unterseite der Organisation bereit. In einer Presseerklärung heißt es ergänzend: «Bürgerinnen und Bürger können von der Internetseite aus Protestbriefe an Nokia schicken sowie mit ihrer Unterschrift die Attac-Forderungen an die Politik unterstützen.»
Geboten werden hier Informationen über die Werksschließung und über geplante Gegenaktivitäten, man kann Protestmails verfassen, via Mail Freunde auf die Seite einladen, online Spenden überweisen oder namentlich einen Attac-Aufruf zum Thema unterstützen. SPD
Vom Prinzip her ähnlich, aber was die Beteilungsmöglichkeiten der User angeht, deutlich reduziert, funktioniert die Seite nonokia.nrwspd.de. Sie ist in Form eines Weblogs angelegt und wird vom «SPD Landesverband NRW» betrieben.
Man kann einen Aufruf unterschreiben, wird über die diversen Protestaktionen im Netz wie im realen Leben informiert und kann als User jeden der veröffentlichten Beiträge kommentieren. Die meisten der User-Meinungen werden aber nicht nur im Kommentarbereich, sondern direkt als Statements im Blog veröffentlicht. In kurzer Zeit ist hier einiges zusammengekommen. Telefon-Treff.de
Hunderte von Foren sind derzeit voll von Diskussionsbeiträgen über Nokia Bochum. Besonders viel aber wird in einem der zahlreichen Foren von Telefon-Treff.de diskutiert - in einem Forum zu Nokia natürlich.
Seit dem 15. Januar haben hier hunderte User ihre Nachrichten, Informationen und Meinungen hinterlassen. Man diskutiert über Bochum, Rumänien und Finnland, das Unternehmen Nokia, staatliche Subventionen und manchmal auch nur über die Last der täglichen Arbeit. Meinungzaehlt.de
Neu gestartet ist auch die Seite Meinungzaehlt.de. Ihr geht es nicht so sehr um Proteste, Demonstrationen und die Sammlung kritischer Stimmen gegen Nokia, sondern vor allem um die «Stimmungslage», wie Betreiber Stefan Lorber schreibt.
Man kann abstimmen, derzeit zum Beispiel über die Frage «Nutzen Sie weiter Nokia Produkte?» Bis Dienstagmittag wurden insgesamt 538 Stimmen abgegeben. Mit «Nein» antworteten 379 Besucher, «Weiß noch nicht» sagten 35, «Ja» meinten immerhin noch 124 Besucher. Eine andere Rubrik auf der Seite heißt «Handy zerstören». Betreiber Lorber schreibt dazu: «Jeder hat alte Handys im Schrank herum liegen. Nutzt diese noch einmal. Wer sich dabei filmt wie er sein Handy zerstört und mir den Link schickt, nimmt am Gewinnspiel teil. Zusätzlich platziere ich einen Link deiner Wahl unter dem Video.» Leider wurden bisher noch nicht viele dieser Videos auf Meinungzaehlt.de veröffentlicht.
Für das Web ediert von Maik Söhler