„Wir sind Romantiker mit offenen Augen“ „Klein-Istanbul“ wird der im Norden Duisburgs gelegene Stadtteil Marxloh abschätzig genannt. Fast zwei Drittel der hier lebenden Menschen haben einen Migrationshintergrund. Zurzeit entsteht dort, was niemand in solchen Bezirken vermutet: eine kreative Parallelgesellschaft. Ein Besuch bei Halil Özet, einem der beiden Gründer der Film- und Fernsehproduktion „P.Y.P.“. Wer das Büro der Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft „P.Y.P.“ in Duisburg-Marxloh betritt, kommt nicht umhin, das groß kopierte Bekenntnis an der Eingangstür zu lesen. Es ist ein Zitat aus einem Buch von Camille de Toledo mit dem viel sagenden Titel „Goodbye Tristesse“: „Wir eröffnen die Welt wieder, nachdem sie geschlossen war, und geben es bekannt, als wäre sie ein Geschäft auf den Champs-Elysees. Wir werden es jetzt laut und deutlich sagen können, ohne dabei in Lachen auszubrechen: Wir sind Romantiker mit offenen Augen.“ „Ich bin ein Marxloher“ Nur ein paar Schritte entfernt ist die Weseler Straße, das Zentrum des im Norden von Duisburg gelegenen Stadtteils. Die ist mit den Champs-Elysees zwar kaum zu vergleichen, doch reichlich Platz für kühne Zukunftsentwürfe gibt es hier allemal, Tristesse sowieso. Denn obwohl es in Marxloh seit ein paar Jahren wieder aufwärts geht, stehen noch immer viele Ladenlokale und Wohnungen leer. Rund 18.000 Menschen leben in dem abschätzig „Klein-Istanbul“ genannten Bezirk. Fast zwei Drittel haben einen Migrationshintergrund. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 19,8 Prozent weit über dem ohnehin hohen Durchschnitt der vom Strukturwandel hart getroffenen Stadt, und jeder Vierte verlässt die Schule ohne Abschluss. Halil Özet, zusammen mit Rainer Kzonsek Begründer von „P.Y.P.“, ist in Marxloh aufgewachsen. Sein Vater kam in den 1960er Jahren nach Deutschland und arbeitete in einem Duisburger Stahlwerk. Der Sohn hingegen wollte Filme machen, reiste als Kameramann um die Welt. Nach Stationen in Essen und Köln ist Özet mit seiner Film- und Fernsehproduktionsfirma 2003 wieder nach Duisburg zurückgekehrt. Nicht des Geschäfts wegen, sondern weil der 34-Jährige wissen wollte, wo seine Wurzeln liegen. „Ich bin kein Türke, ich bin kein Deutscher“, sagt Özet. „Ich bin Marxloher, und ich wollte ergründen, warum ich als Jugendlicher ein Problem mit Marxloh hatte.“ mehr
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