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OFFENER BRIEF zur Gülen-Bewegung

OFFENER BRIEF AN DEN HESSISCHEN INTEGRATIONSMINISTER JÖRG-UWE HAHN

 

Am 29. April findet in der Frankfurter Festhalle unter Ihrer Schirmherrschaft, Herr Minister, die deutsch-türkische Kulturolympiade statt. Damit werten Sie eine Veranstaltung des konservativ-islamischen Netzwerks um den türkischen Prediger Fethullah Gülen auf und fungieren als Aushängeschild.

 

Die Gülen-Gemeinde, die inzwischen ein weltweites Netz an Bildungseinrichtungen verschiedenster coleur aufgebaut hat und über vielschichtige Finanz- und Finanzierungskanäle verfügt, bekennt sich nicht offen zu ihrer religiösen Motivation, die eindeutig unter Scharia-Vorbehalt steht. Die Schirmherrschaft, die eine hohe Symbolkraft hat, kommt einer Organisation zugute, die durch ihre “geheime Agenda” und Intransparenz von sich Reden macht. Daher dürfte und sollte es Sie nicht verwundern, dass Sie sogar zum Teil von Ihrem Koalitionspartner kritisiert werden. Vielmehr sollten all diese Kritiken Sie dahin gehend überzeugen, Ihre Entscheidung noch einmal selbstkritisch zu überdenken und Ihre Haltung in dieser Sache zu reflektieren. Meine in diesem Brief aufgeführten Fakten hinsichtlich dieser Gemeinde sollen ebenfalls einen Beitrag dazu leisten, diese Organisation zu demaskieren.

 

Das Gülen-Netzwerk unterhält weltweit über eintausend Bildungseinrichtungen, deren Finanzquellen nicht eindeutig offenbart werden. Die demonstrativ nach außen getragene gemäßigte Haltung islamischen Glaubens findet in den Einrichtungen nicht ihre Entsprechung. Gang im Gegenteil: Es wird in diesen Einrichtungen, z. B. in den 120 Nachhilfevereinen, die unter dem Dachverband Academy, dem Ausrichter dieser Kulturolympiade, gegliedert sind, eine rigide und dogmatische Auslegung des Islams vertreten und propagiert.

 

Der 71-jährige Prediger Fethullah Gülen ist 1999 in die USA emigriert, um einer Verurteilung wegen Scharia-Umtriebe durch die damalige Judikative, die damals zugegebenermaßen stärker unter dem Einfluss des Militärs stand, zu entkommen. 

 

Gülen und seine Anhänger haben mittlerweile ein Konglomerat aus Bildungseinrichtungen  
und Medien gegründet. Die aus diesen Anhängern entstandene Bewegung, die sich Dienstleistungs-Bewegung (Hizmet Hareketi) nennt, verfügt über eine Finanzmasse von ca. 35-40 Milliarden Dollar.

 

Da ich aus nächster Nähe Zeuge dieser Bewegung geworden bin, möchte ich an Sie, Herr Hahn, mit diesem Brief wichtige Hinweise liefern, mit der Bitte, Ihre Unterstützung für dieses Netzwerk zu entsagen.  

 

1-    Obwohl ihre Einrichtungen Namen wie Consensus, Optimum, Dialog, Koordination, Toleranz usw. tragen, entspricht weder das Curriculum noch ihr missionarische Eifer diesen nach außen getragenen Namen. Die Organisationsstruktur ist eindeutig autoritär ausgerichtet.

2-    Für die Nachhilfekurse in Deutschland werden oft Studenten angeworben, die einen sehr geringen Stundensatz auf Honorarbasis erhalten. Diese Einrichtungen sind im juristischen Sinne eingetragene Vereine. Hier wäre zu hinterfragen, ob diese Einrichtungen buchhalterisch alles ordnungsgemäß erfassen und ausweisen.

 

3-    Die 12- und 14-järigen Kinder meines Schwagers besuchen eines dieser Einrichtungen. Und sie zahlen für den Nachhilfekurs Beträge, die nicht unter Marktwert liegen. Dies müsste unbedingt überprüft werden.

 

4-    So wie es meinem Schwager widerfahren ist, werden Personen bzw. deren Angehörige zu Abonnements für die islamisch-konservativeTageszeitung Zaman  (Die Zeit) sowie der Zeitschrift Sızıntı (Fontäne) gedrängt.

 

5-    Meine Neffen wurden zudem auch bedrängt, sonntags an sogenannten Ethik-Kursen (Ahlak Dersi) teilzunehmen, obwohl sie nur Nachhilfe nehmen wollten. Es entsteht ein Gruppenzwang, dem sich die Kinder kaum entziehen können. Die Nachhilfekurse werden genutzt, um sich diesen Kindern nähern zu können und sich einen Zugang zu verschaffen.

 

6-    Insbesondere mein älterer Neffe erzählt mir zunehmend Geschichten religiösen Inhalts. Die Evolutionstheorie lehnt er mittlerweile kategorisch ab. Obwohl sie Aleviten sind, geht er nunmehr in die Moschee zu den Freitagsgebeten. Was hat das mit Nachhilfe zu tun?

 

7-    Diese Bildungseinrichtung hat zudem in den Osterferien eine Reise in die Türkei organisiert, wo sie heilige Stätte besucht haben, und bei den Dardanellen die Gefallenen des 1. Weltkrieges geehrt haben. Diese sogenannte Bildungsreise wurde missbraucht, um nationalistische und religiöse Gefühle anzusprechen, mit Integration und säkularer Bildung hat das nichts zu tun.

 

8-    Eine kleine Anekdote von der letzten Kulturolypiade: Mein Neffe wollte an diesem Wettbewerb mit einer Kurzhalslaute (Saz) teilnehmen und ein alevitisches Volkslied vorsingen. In der Vorauswahl wurde er rausgenommen und durfte nicht teilnehmen. Die Begründung kam auch prompt: Er durfte kein alevitisches Volkslied vortragen. Dies alles kann ich auf Wunsch bezeugen.

 

Diese Punkte sollen Ihnen, Herr Minister, nur einen kleinen Einblick in das Leben dieser Einrichtungen in Deutschland leben. Ich bitte Sie, sich die Mühe zu machen und hinter die Vorhänge zu schauen. Nicht überall dort, wo Integration und Toleranz gepredigt werden, ist auch Integration und Toleranz drin. Ich bitte Sie daher eindringlich, Abstand von dieser Organisation zu nehmen und zugleich kritisch hinzuschauen.

 

Mit herzlichen Grüßen.

 

 

 

Hüseyin Demirtas

Autor und Geschichtslehrer

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