GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER PRESSEMITTEILUNG Göttingen, den 20.03.2007
Bombenanschlag auf Assyro-Aramäer in Südost-Türkei: Rückkehr von christlichen Flüchtlingen bleibt ungewiss
Gegen den Kirchenratsvorsitzenden von Midyat im Südosten der Türkei ist ein Bombenanschlag verübt worden. Dies erfuhr die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) von Gewährsleuten im Tur Abdin am Dienstag. "Die Bombe wurde am vergangenen Samstag auf den Hof von Yusuf Türker geworfen" berichtete der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido nach dem Telefonat. "Sie ist jedoch glücklicherweise nicht explodiert, sonst hätte das Attentat tödliche Folgen haben können." Dieser Anschlag sei eines von mehreren Attentaten auf Christen in der Südosttürkei. Assyro-aramäische Flüchtlinge im Exil sollten so verunsichert und davon abgehalten werden, in ihre Heimat zurückzukehren.
Beobachter vor Ort vermuten, dass der so genannte "tiefe Staat" (türkisch: derin devlet) hinter dem jüngsten Anschlag steht. Eine informelle Koalition aus nationalistischen Politikern, Justiz, Militärs und Teilen der Wirtschaft. Sie nimmt Einfluss auf so genannte Dorfschützer, die als paramilitärische Einheiten an der Seite der türkischen Sicherheitskräfte gegen die radikale kurdische PKK kämpfen sollten und heute neben der türkischen Gendarmerie die größte Gefahr für die Menschen in der Region darstellen.
Zuletzt wurde am 30. August 2006 gegen das Haus von Gebro Seven, den langjährigen Vorsitzenden des "Assyrischen Mesopotamien Vereins Augsburg", ein Sprengsatz geworfen. Im Juni und August 2006 hatte es eine Reihe solcher Angriffe gegen Häuser und Dörfer der Assyro-Aramäer in der Südost-Türkei gegeben.
"Es ist höchste Zeit, das Unterdrückungssystem der Dorfschützer endlich aufzulösen", forderte der GfbV Generalsekretär Tilman Zülch in einem Brief an den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Diese Attentate bedrohen die zaghafte Rückkehrbewegung der so lange verfolgten Volksgruppe in ihre alte Heimat." Seit der Schaffung des Dorfschützersystems 1985 wurden Hunderte von Verbrechen, Mord, Vergewaltigung, Betrug oder Schmuggel begangen. Offiziellen Angaben zufolge gibt es noch mindestens 70.000 bewaffnete Dorfschützer. Sie werden noch immer bei Militäroperationen -- auch im Nordirak -- eingesetzt, obwohl die bewaffneten Auseinandersetzungen mit der PKK seit 1999 weitgehend eingestellt wurden.
Schon 2003 haben die wichtigsten assyro-aramäischen Verbände wie der Dachverband der Entwicklungsvereine Tur Abdin (DETA), die European Syriac Union (ESU), die Assyrische Demokratische Organisation - Sektion Europa (ADO), der Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland und Mitteleuropa (ZAVD) und die Union der Assyrer-Suryoye Vereinigungen in Deutschland (UASD) in einem Appell an die türkische Regierung die Abschaffung des Dorfschützersystems gefordert.
Gab es Mitte der der 60-er Jahre noch rund 130.000 Assyro-Aramäer im Tur Abdin, leben hier heute kaum noch 3000. Die überwältigende Mehrheit dieser Christen flüchtete nach Mittel- und Nordeuropa vor Verfolgung durch fanatische Muslime, aber vor allem durch die seinerzeit vom türkischen Militär geschaffenen kurdischen Dorfschützerverbände.
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