Kriminalstatistik in Hessen Die Täter sind Deutsche Schwere Gewaltdelikte wie Raub, Vergewaltigung und Körperverletzung sind ausgerechnet in Hessen seit 1999 stärker gestiegen als in fast allen übrigen Bundesländern. Und zu 90 Prozent sind Deutsche dafür verantwortlich. Von Roland Preuß Nirgendwo in Deutschland haben schwere Gewaltdelikte so zugenommen wie in Hessen. SZ-Grafik | | | Wolfgang Heinz hört die Rufe nach einem schärferen Jugendstrafrecht mit wachsendem Ärger. "Wir fügen damit unnötiges Leid zu, denn wir verhängen härtere Strafen, die nichts bringen", sagt der Kriminologe und Strafrechtsprofessor an der Uni Konstanz. Auch den jüngsten Vorschlag Roland Kochs, im Einzelfall Kinder unter 14 Jahren vor Gericht zu stellen, lehnt er ab. Dafür wäre zunächst immer ein Gutachten über den Verdächtigen nötig, sagt Heinz. "Das kostet Zeit, ist teuer und bringt nichts." Der Ärger des Konstanzer Professor wird mehr und mehr zum Protest einer ganzen Berufsgruppe: Fast 1000 Professoren, Staatsanwälte und anderen Fachleuten unterstützen eine sechsseitige Resolution von Wolfgang Heinz. Darin legt er dar, dass die Forderungen der Union den Erkenntnissen der Wissenschaftler widersprechen. Die derzeit populäre Härte sei ein "Katastrophenrezept", heißt es in der Resolution. "Strafrecht kann weder Ersatz noch darf es Lückenbüßer sein für Kinder- und Jugendhilfe, für Sozial- und Integrationspolitik." Zugleich fragen Kriminologen kritisch nach der Leistungsbilanz von Koch in Hessen, der damit wirbt, dass die Straßenkriminalität seit seinem Regierungsantritt 1999 um 25 Prozent zurückgegangen sei. Für Straßendelikte wie Diebstahl aus Autos oder Sachbeschädigung mag dies gelten, nicht aber für Jugendgewalt und dort speziell die gefährliche und schwere Körperverletzung, um die sich die Debatte dreht. Dies zeigen Berechnungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) auf Grundlage der offiziellen Kriminalstatistik.
| Demnach sind Gewaltdelikte wie Raub, Vergewaltigung und Körperverletzung ausgerechnet in Hessen seit 1999 stärker gestiegen als in fast allen übrigen Bundesländern. So begingen im Jahr 2006 14- bis 18-Jährige bezogen auf die jeweilige Einwohnerzahl in Hessen gut 66 Prozent mehr schwere und gefährliche Körperverletzungen als noch 1999. Im Bundesgebiet betrug der Anstieg 27,5 Prozent. Ähnlich sieht es bei der Jugendgewalt insgesamt aus, zu der neben Körperverletzung auch Raub, Vergewaltigung, Mord und Totschlag zählt. Hessen verzeichnet von 1999 bis 2006 eine Zunahme von gut 35 Prozent, das restliche Bundesgebiet dagegen nur 12,4 Prozent. "Für diesen starken Anstieg der Gewaltdelikte sind vor allem Deutsche verantwortlich, nämlich zu etwa 90 Prozent", sagt der Leiter des KFN, der Kriminologe Christian Pfeiffer. Kochs Regierung lasse sich nur bedingt für den Anstieg verantwortlich machen. So gebe es besonders viele Aussiedler in Hessen, die durch viele Gewalttaten auffielen. Allerdings müsse sich Koch ankreiden lassen, dass Jugendstrafverfahren in Hessen mit durchschnittlich 4,1 Monaten länger dauern als in jedem anderen Bundesland. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa hatte ergeben, dass Jugendliche dort am längsten auf ein Urteil warten müssen, in Bayern am kürzesten. Schnelle Strafen seien aber wichtig: In den ersten Wochen nach der Tat zeigten Jugendliche noch eher Einsicht, so Pfeiffer.
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