Iraker verlieren Flüchtlingsstatus in Deutschland Die Münchner Rechtsanwältin Angelika Lex hat auf einer Abschlusskundgebung nach einer Protestdemonstration irakischer Flüchtlinge am Sonnabendnachmittag vor dem Rathaus der bayerischen Landeshauptstadt in scharfer Form Kritik daran geübt, dass seit dem 1. April die Aufenthaltsberechtigungen irakischer Flüchtlinge in Deutschland in Duldungen umgewandelt werden. Das werde einschneidende Konsequenzen für die Flüchtlinge bedeuten. In ihrer Rede sagte Angelika Lex u.a.: Iraker waren schon unter Saddam Hussein einer Schreckensherrschaft unterworfen, aber das, was derzeit im Irak stattfindet, ist – nach Angaben von vielen irakischen Flüchtlingen – weit schlimmer. Zu den ganzen Leiden, Übergriffen und Morden des Saddam-Regimes ist die Unberechenbarkeit gekommen, nicht zu wissen, ob man den Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen überleben und wieder nach Hause zurückkommen wird. … Bei diesen politischen Verhältnissen im Irak möchte man meinen, dass vollkommen klar ist, dass die Iraker, die hier nach Deutschland geflüchtet sind, keine Probleme haben, als politische Flüchtlinge anerkannt zu werden. Dies war in Zeiten des Saddam-Regimes auch so, hat sich aber seit 2003 grundlegend geändert. Derzeit darf kein Iraker hoffen, hier als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Zur Begründung wird angeführt, dass eine politische Verfolgung derzeit nicht stattfindet. … Auch die, die bisher anerkannt waren, weil sie vor dem Regime Saddam Husseins geflohen waren und teilweise seit vielen Jahren in Deutschland leben, verlieren nun alle ihren Status als Flüchtlinge. Die Folgen sind fatal: Sobald die bisher erteilten Aufenthaltserlaubnisse enden, werden keine neuen Erlaubnisse erteilt, bzw. es werden bereits ausgestellte Erlaubnisse widerrufen. Die Leute erhaltern – nach teilweise jahrelangem Aufenthalt – lediglich Duldungen. Diese Duldungen haben ganz weitreichende Konsequenzen und führen zu vielfachen Problemen, z. B. auf dem Arbeitsmarkt. Es findet eine Vorrangprüfung durch das Arbeitsamt statt mit dem Ergebnis, dass jeder, der einen Arbeitsplatz gefunden hat, letztendlich keine Genehmigung bekommt, ihn anzutreten. Die Duldung ist an sich kein legaler Aufenthaltstitel und kann nie dazu führen, dass eine Aufenthaltsverfestigung, also ein Daueraufenthaltsrecht, entsteht. In Bayern führt die Duldung auch grundsätzlich dazu, dass man nicht mehr in seiner Wohnung wohnen darf, sondern verpflichtet ist, wieder ein eine Gemeinschaftsunterkunft zu ziehen. Ein ständiger Abstieg ist vorprogrammiert und offensichtlich auch politisch erwünscht. Vor allem Familien, die sich bisher hervorragend integriert haben, Kinder, die hier geboren sind, werden damit in einen Status zurückgedrängt, den sie seit Jahren glaubten, überwunden zu haben. Aber damit nicht genug: Das bayerische Innenministerium hat sich weitere Schikanen ausgedacht, um Iraker zu einer Rückkehr zu zwingen. Sobald eine Niederlassungserlaubnis oder eine Einbürgerung beantragt wird, wird erst beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Anfrage gestartet, ob denn tatsächlich noch die Flüchtlingseigenschaft vorliegt oder ob das Bundesamt nicht die Flüchtlingseigenschaft widerrufen will, was diese natürlich regelmäßig wollen. Damit hat ein nächstes Problem begonnen. Es gibt eine Anweisung, Ehepartnern von Flüchtlingen, die noch einen blauen Pass (Flüchtlingspass, d. Red.) haben, nur Duldungen zu geben, obwohl ausdrücklich im Gesetz eine Regelung vorhanden ist, dass die Ehepartner eine Aufenthaltserlaubnis haben müssen. Im Einzelfall kann man das nur durch gerichtliche Verfahren erzwingen, die generelle Anweisung gilt nach wie vor. … Die aktuellste Schikane: Alle Pässe, nämlich die der Serie S, die in der Botschaft in Berlin und in anderen Botschaften ausgestellt werden, gelten am dem 1. April nicht mehr. Zwar bleiben noch die Aufenthaltstitel gültig, aber wenn man einen neuen Aufenthaltstitel benötigt, sind diese Pässe nicht mehr gültig. Gültig sind nur noch Pässe der G-Serie, die aber, und da sind sich alle einig, bisher überhaupt nicht ausgestellt werden. Man zwingt damit Iraker in eine Situation der Passlosigkeit. … Obwohl ich seit 20 Jahren als Anwältin im Asylbereich tätig bin, und dort schon viele unglaubliche Schikanen von Flüchtlingen erlebt habe, ist mir eine derartige mutwillige Benachteiligung einer ganzen Bevölkerungsgruppe noch nie begegnet. Man fragt sich nach dem Warum. Warum erhalten Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, einen Bescheid der Ausländerbehörde, in dem steht, sie haben innerhalb von vier Wochen das Land zu verlassen, und wenn sie das nicht tun, werden sie abgeschoben? Erst viel weiter hinten im Bescheid steht dann drin, dass sie eine Duldung erhalten werden. Das führt bei vielen Betroffenen zu regelrechter Panik. … Hier wird eine angebliche Sicherheitspolitik auf dem Rücken von Männern, Frauen und Kindern betrieben, die aus einem Land kommen, in das kein Deutscher jemals reisen möchte, das ihm Gänsehaut verursacht, wenn er die Bilder im Fernsehen sieht. Man würde deutschen Eltern sofort das Sorgerecht entziehen, wenn sie mit ihren Kindern vorhätten, in ein Land zu reisen, in dem Verhältnisse wie im Irak herrschen – und dennoch heißt es in allen Bescheiden und Gerichtsurteilen: eine freiwillige Rückkehr in den Irak ist möglich und zumutbar.
Weitere Informationen zur Nichtanerkennung irakischer Pässe der Serie S durch das BMI ab 1.4.2007
1. Nach Angaben des Servicebüros des Auswärtigen Amtes ist die Einreise von irakischen Staatsbürgern, die einen Pass der Serie S besitzen, weiterhin in das Bundesgebiet möglich, wenn im Pass ein Aufenthaltstitel der Bundesrepublik eingetragen ist oder die Einreisevoraussetzungen gemäß Schengener Abkommen vorliegen. Allerdings wird ab 1.4.2007 in diesen Fällen der Pass bei der Einreise ungültig gestempelt. 2. Das Bundesinnenministerium erklärte auf Nachfrage, "dass eine Aussage zu der Frage wann mit der Erteilung irakischer Reisepässe der Serie G durch die zuständigen irakischen Behörden zu rechnen ist, von hier nicht getroffen werden kann, da dies in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der irakischen Seite fällt". Von der irakischen Botschaft in Berlin war zu erfahren, dass neue Pässe der Serie G derzeit nur zentral (im Irak) ausgestellt werden können. Die Kosten betragen ca. 80 Euro. Die irakischen Botschaften werden trotz der Ankündigung des BMI bis auf Weiteres nur Pässe der Serie S ausstellen. Die Kosten für einen solchen Pass betragen 17 Euro. 3. Schwierigkeiten haben insbesondere solche irakischen Staatsbürger zu erwarten, die noch keinen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik besitzen und z.B. im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen wollen. Hierzu erklärte das BMI auf Anfrage: "In Fällen der Familienzusammenführung weise ich auf das erforderliche Visumverfahren hin. Bei der Beantragung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung kann über die zuständige deutsche Auslandsvertretung eine Ausnahme von der Passpflicht vor der Einreise beantragt werden. Inhaber ungültiger Reisepässe der Serie "S" sind gehalten, einen neuen Reisepass bei den zuständigen irakischen Behörden zu beantragen."
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