Benutzer Online |
Gäste Online: 1
Keine Mitglieder Online
Registrierte Mitglieder: 616
Neustes Mitglied: bookytutboype
|
|
Nützliche Nachrichten |
Aachener Friedenspreis für Mentor der deutschen Friedensbewegung Andreas Buro Der Aachener Friedenspreis würdigt in diesem Jahr den Einsatz für ein friedliches Zusammenleben in Nahost und die Entwicklung der zivilen Konfliktbearbeitung. Die Auszeichnung geht an den Mentor der Friedensbewegung Andreas Buro, den Bethlehemer evangelischen Pfarrer Mitri Raheb sowie die israelische Fraueninitiative MachsomWatch, wie der Aachener Friedenspreis am 8. Mai 2008 mitteilte. "Prof. Dr. Andreas Buro, der am 15. August 2008 seinen 80. Geburtstag feiert, gilt als eine der herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Friedensbewegung. Seine Biographie liest sich wie die Geschichte der Friedensbewegung nach 1945. Er war bei allen wichtigen Etappen dabei, manche - wie den Ostermarsch - hat er mitinitiiert. Sein wichtigster Beitrag zur deutschen Friedensbewegung ist mittlerweile die Entwicklung der Zivilen Konfliktbearbeitung als Alternative der Friedensbewegung zu Militäreinsätzen. Mit diesem Ansatz kann die Friedensbewegung über die Forderung nach Truppenrückzug hinaus konstruktive Positionen für Konfliktlösungen erarbeiten. Beispiele für konkrete Vorschläge zur zivilen Konfliktbearbeitung hat Prof. Dr. Andreas Buro gemeinsam mit weiteren Autoren in seinen "Monitoring- Dossiers" für die Kooperation für den Frieden erarbeitet. Bisher liegen sie vor für Iran, Türkei/Kurdistan, Israel/Palästina, geplant ist ein Dossier für Afghanistan. Die Verleihung des Aachener Friedenspreises an Prof. Dr. Andreas Buro würdigt daher nicht nur eine überaus verdiente Persönlichkeit der deutschen Friedensbewegung, sondern leistet darüber hinaus vor allem einen Beitrag, die Alternativen der Zivilen Konfliktbearbeitung im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Der Aachener Friedenspreis ist mit je 1.000 Euro dotiert und wird am 1. September verliehen. Zur Preisverleihung sind - wie in jedem Jahr - alle Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen." Die Redaktion der Nützlichen Nachrichten und die aktiven Mitwirkenden des Dialog-Kreises freuen uns riesig zu diesem besonderen Ereignis und gratulieren Andreas Buro. http://www.aachener-friedenspreis.de Der Kommentar Einen Schritt vor und vier Schritte zurück Von Andreas Buro Es ist wirklich eine gute Nachricht, dass sich Kurden und Türken, die in EU-Ländern leben, zu einem "Europäischen Friedensrat Türkei" zusammengeschlossen haben, um gemeinsam für eine friedliche Lösung des in weltpolitischer Hinsicht anachronistischen Konflikts der Türkei mit ihren kurdisch- stämmigen Bürgern einzutreten. Dieser Friedensrat will eng mit dem Friedensrat in der Türkei zusammenarbeiten und mit allen Kräften, die sich für eine friedliche Lösung einsetzen. Trotzdem ist er nicht an eine Partei gebunden, sondern soll unabhängig agieren. Leider haben sich die größeren türkischen Vereine bisher nicht angeschlossen, obwohl es in ihrem eigenen Interesse liegt, endlich diesen Konflikt beizulegen, um dann gemeinsam die in der EU vorliegenden Probleme zu bearbeiten. Türken wie Kurden, die in der EU leben, haben doch ein gemeinsames Interesse an einem Beitritt der Türkei zur EU. Ohne die friedliche Lösung der Kurdenfrage wird jedoch ein Beitritt nicht möglich sein. Statt Aussöhnung und Toleranz geht der Kurs in der Türkei gegenwärtig in die andere Richtung. Einer Delegation von Nicht- Regierungsorganisationen aus Diyarbakir erklärt Ministerpräsident Erdogan, Kurdisch würde niemals weder in den Schulen gelehrt, noch im öffentlichen Leben in den kurdischen Siedlungsgebieten geduldet werden. Offensichtlich keine Bereitschaft zu der dringlich notwendigen Politik einer Aussöhnung! Leyla Zana hat man, wie zur Bestätigung der Politik der Zwangsassimilierung zu erneuter Haft verurteilt, weil sie Öcalan neben Barzani und Talabani als eine wichtige Persönlichkeit für die Kurden bezeichnet hat. Der zweite Schritt zurück ist die de facto Nicht-Reform des § 301. Wie soll die Türkei jemals EU-Mitglied werden, wenn Kritik, das Lebenselement von Demokratie, ständig mit Gefängnis bedroht ist. Es gibt hier nur eine Lösung, nämlich diesen Paragraphen ein für alle mal zu streichen. Kosmetik nützt da nicht. Zum Dritten: Der Premierminister tritt in Deutschland zu Recht für die freie Religionsausübrung seiner hiesigen Glaubensbrüder und -schwestern ein. In der Türkei aber wird den Aleviten die Bitte abgeschlagen, ihren Versammlungsräumen einen offiziellen Status als Plätzen religiöser Anbetung zu verleihen. Die Intoleranz gegenüber christlichen Kirchen ist bekannt. Hier wird sogar einer Abspaltung vom sunnitischen Islam die rote Karte gezeigt. Ankara aber verhandelt über den Beitritt zur EU, einer multireligiösen, multiethnischen und multikulturellen Vereinigung! Und schließlich, die gesamte türkische Politik ist vom Konflikt zwischen AKP-Regierung und den kemalistischen Eliten, angeführt von der Generalität, auf das Schwerste belastet, der auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wird: Beim Newroz-Fest werden die Kurden und am 1. Mai die Arbeiter zusammen geknüppelt. Die Generalität bombardiert im Nord-Irak und schüren Kurdenfeindlichkeit. Der Justizapparat bemüht sich die mit überwiegender Mehrheit gewählte AKP und ihre Repräsentanten zu verbieten. Offensichtlich wird in der Türkei gegenwärtig ein gefahrliches Stück aufgeführt, eine Tragödie. Deutsche Friedensorganisationen unterstützen Europäischen Friedensrat Türkei Am 26. April 2008 wird in Düsseldorf von Kurden und Türken in der EU ein ,Europäischer Friedensrat Türkei' gegründet. Auf die Initiative vom Dialog-Kreis hin begrüßten deutsche Friedensorganisationen, die sich bisher für Frieden in der Türkei eingesetzt haben, mit der folgenden Adresse die Gründung, da hierdurch eine eigenständige Vertretung dieser Bürger und Bürgerinnen im Bemühen um eine friedliche Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts entsteht. "Wir die unterzeichneten deutschen Friedensorganisationen begrüßen die Gründung eines Europäischen Friedensrats Türkei und wünschen ihm viel Erfolg für seine Tätigkeit. Unsere Arbeit für eine friedliche Lösung des türkisch- kurdischen Konflikts beruht auf dem Grundsatz, dass nur politische friedliche Anstrengungen und Dialoge zu einer Lösung des Konflikts führen können. Wir wenden uns deshalb gegen alle Versuche, einer militärischen Lösung und fordern beide Seiten auf, die Waffen nieder zu legen. Die Invasion wie auch die Invasionsdrohung müssen sofort beendet werden. Angesichts der jüngsten Eskalation der Kriegshandlungen haben wir unseren Standpunkt gerade noch einmal in den folgenden Punkten verdeutlicht: * An die Stelle der Politik der Konfrontation muss endlich eine Politik der Aussöhnung treten. Ankara hat dies in der Hand. Zwangsassimilierung ist ein Verbrechen, wie der türkische Ministerpräsident zu Recht feststellte. Dies gilt auch für die Behandlung der Kurden in der Türkei. * Beide Konfliktparteien müssen die Gefahren einer Eskalation der gewaltsamen Auseinandersetzungen innerhalb der Türkei zur Kenntnis nehmen. Sie kann zu einer zunehmenden Verfeindung zwischen Türken und Kurden führen. "Die Waffen nieder" gilt für beide Seiten! Eine Ausweitung der Gewalttakte in die türkischen Städte bedeutet ebenso eine Katastrophe, wie eine nationalistische Aufhetzung der Bevölkerung gegen ihre kurdischen Landsleute. * Für die Türkei, die Mitglied der EU werden will, ist es unabdingbar, die dominante Rolle des Militärs zurück zu drängen: Denn statt Militärpolitik muss Friedenspolitik auf die Tagesordnung. Sie ist vom Militär nicht zu erwarten. Wichtige Schritte zur Deeskalation - Die kulturelle Identität und Gleichstellung der Kurden muss endlich anerkannt und in der Verfassung festgeschrieben werden. - Die Verurteilung der kurdischen Seite als terroristisch muss aufgehoben werden, da durch sie Friedens- und Aussöhnungspolitik national und international unmöglich gemacht wird. - Der neu gebildete Friedensrat der Türkei ist in seinen Bemühungen um eine Lösung des Konflikts und um eine Kultur des Friedens zu unterstützen. - Die Existenz der kurdischen DTP-Partei, die in die große Nationalversammlung in Ankara gewählt wurde, darf nicht in Frage gestellt werden. Sie ist ein wichtiger potentieller Dialog-Partner für die Lösung des Konflikts. - Bei der türkischen Invasion werden wieder deutsche Waffen vertragswidrig eingesetzt. Die EU und die EU- Staaten müssen endlich begreifen, dass es in ihrem ureigensten Interesse liegt, den Konflikt friedlich beizulegen. Es gilt, eine gefährliche Ausweitung der Kämpfe zu verhindern, welche die ganze Region erschüttern könnten. Sie können sich auch in Deutschland und der EU auswirken. Die EU und ihre Staaten müssen friedenspolitisch tätig werden, damit die Kurdenfrage nicht zur "Palästinenserfrage" des 21. Jahrhunderts wird. Wir halten es für sehr wichtig, dass türkische und kurdische Bürger und Bürgerinnen in der EU ihren eigenständigen Einfluss für eine friedliche, zivile Bearbeitung des Konflikts in der Türkei geltend machen und auch in unseren Gesellschaften ihren Friedenswillen zum Ausdruck bringen. Möge es gelingen, die hier lebenden Bürger und Bürgerinnen, die aus der Türkei hierher gekommen sind, für eine Politik der Aussöhnung zu gewinnen und sowohl die deutsche Politik wie auch die der EU zu einem verstärkten Engagement zugunsten einer friedlichen Lösung zu bewegen. Wir hoffen auf eine gute gegenseitige Information und Zusammenarbeit. Dem neuen Friedensrat wünschen wir einen guten Beginn und den notwendigen langem Atem für seine sicher schwierige Aufgabe." Unterzeichner: Dialog-Kreis: "Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden"; Aachener Friedenspreis; medico international; DFG-VK-Bundesverband, Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen; DFG-VK- Landesverband Baden Württemberg; Friedensnetzwerk Ulm; Frauen in Schwarz; Helsinki Citizens Assembly - Deutsche Sektion; Dr. Jürgen Micksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates in Deutschland; Komitee für Grundrechte und Demokratie; Koordination "Gerechtigkeit, Frieden und Ehrfurcht vor der Schöpfung" der Franziskaner; Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie; Mönchengladbacher Friedensforum; AG Kurdistan/Türkei im Netzwerk Friedenskooperative; Pax Christi Limburg und Kooperation für den Frieden (Der Kooperation gehören 44 Friedensorganisationen an) (Dialog-Kreis, PM, 22.4.08) Ereignis-Kalender PKK zu Unrecht auf der Terrorliste Das Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 3. April 2008 entschieden, dass die Arbeiterpartei Kurdistans PKK und der aus ihr hervorgegangene Volkskongress Kurdistan Kongra-Gel von der Terrorliste der EU gestrichen werden müssen. Die Europäische Union habe die Aufnahme der Organisationen in die Liste in den Jahren 2002 und 2004 nicht ausreichend begründet, rechtfertigte das Gericht seine Entscheidung mit Verfahrensfehlern. Praktische Folgen wird das Urteil nicht haben. Denn schon längst hat das hinter verschlossenen Türen tagende Gremium des EU- Rats eine von dem Urteil nicht berührte Neufassung der Liste beschlossen, die weiterhin die PKK und Kongra-Gel enthält. So ist das aktuelle Urteil lediglich eine weitere Ohrfeige für die »schwarzen Listen« und ein erneuter Beweis für Rechtsverletzungen im so genannten Anti-Terror-Kampf. Auch der Sonderermittler des Europarats, Dick Marty, hatte vergangenen November harte Kritik an den willkürlichen Terrorlisten geübt und mehr Rechtsschutz für die Betroffenen eingefordert. Denn schon ein vager Verdacht reiche aus, um als unbescholtener Bürger auf die Terrorlisten zu kommen -mit gravierenden Folgen wie der Sperrung der Konten und der Unterbindung aller Geschäftsbeziehungen der Betroffenen. Die Listen mit rund 50 als »terroristisch« eingestuften Organisationen und eben so vielen Einzelpersonen waren nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vom Rat der Europäischen Union eingeführt worden. Allein außenpolitische Interessen der EU-Staaten entscheiden darüber, ob eine Gruppierung als terroristische oder Befreiungsbewegung eingestuft wird. (...) Zusätzlich zu den Terrorlisten besteht in Deutschland seit 1993 das PKK-Verbot. In den letzten Wochen wurden deswegen wieder mehrere Kurden verhaftet und Kulturvereine durchsucht. Regelmäßig kommt es zu Polizeiübergriffen auf friedliche Demonstrationen, nur weil dort Bilder des in der Türkei inhaftierten kurdischen Politikers Abdullah Öcalan gezeigt werden. Organisationen, die wie der Kongra-Gel für eine politische Lösung der kurdischen Frage im Rahmen einer demokratischen Föderation eintreten, werden verfolgt und kriminalisiert. (.) Ein Ende des PKK-Verbots in Deutschland ist notwendig, um hier lebenden kurdischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern eine demokratische politische Betätigung zu ermöglichen. Dies wäre ein Beitrag zu einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage auch in der Türkei. (Ulla Jelpke in Neues Deutschland, 11.4.08; Azadî e.V., FR und Der Standard, 3.4.08; AFP, 4.4.08)
Premier Erdogan: "Kurdisch weder in der Schule noch im öffentlichen Leben" Vertreter von insgesamt 15 Nichtregierungsorganisationen aus Diyarbakir sind am 8. April 2008 für zwei Tage in die Hauptstadt Ankara gekommen, um der türkischen Staatsführung eine Denkschrift zur friedlichen Lösung der Kurdenfrage zu überreichen. An der Delegation waren vor allem die politisch gemäßigten Interessenverbände von Diyarbakir beteiligt, auch die vorbereite Denkschrift enthielt nichts Brisantes - dennoch kam es beim Zusammentreffen mit Ministerpräsident Erdogan zum Eklat. Bei dem Empfang hatte Erdogan seinen Standpunkt erneuert, er wolle den Kurdenkonflikt durch ein »umfassendes Wirtschaftspaket« lösen, das seine Regierung gegenwärtig vorbereite. Zu dem Zwischenfall kam es, als der Vertreter der Rechtsanwaltskammer von Diyarbakir, Sezgin Tanrikulu, anmerkte, dass eine Lösung, die sich nur auf wirtschaftliche Ansätze beschränke, kaum Aussicht auf Erfolg haben könne. Vielmehr müssten auch soziokulturelle Aspekte, wie etwa die seit langem geforderte Freigabe der kurdischen Sprache in Erziehung und Verwaltung, eingeschlossen werden. Der bekannte türkische Ministerpräsident soll den verblüfften Delegationsteilnehmer daraufhin wütend als »unaufrichtigen Lügner« beschimpft haben. Das Treffen fand ein vorzeitiges Ende. In den vergangenen Wochen hat Erdogan wiederholt deutlich gemacht, dass nach Auffassung der Regierung allein die wirtschaftliche Rückständigkeit der Südosttürkei für das Kurdenproblem verantwortlich sei. Eine umfassende politische Lösung des Konfliktes, mit der die Regierungspartei AKP noch im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Juli 2007 erfolgreich auf Stimmenfang gegangen war, wird inzwischen kategorisch ausgeschlossen. So verkündete Erdogan kürzlich, daß eine Anerkennung des Kurdischen als zweite Amtssprache in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Provinzen selbst langfristig »völlig undenkbar« sei. Auch stehe die vielfach geforderte Anerkennung der politischen und kulturellen Rechte nichttürkischer Bevölkerungsteile in der Verfassung nicht länger zur Debatte. Das Fazit der Delegation aus Diyarbakir fiel nach Abschluss der Gespräche entsprechend enttäuscht aus. »Wir haben versucht, auf die Dringlichkeit des Kurdenproblems aufmerksam zu machen und klarzustellen, dass eine nur auf wirtschaftliche Fragen beschränkte Lösung ohne Erfolg bleiben muss«, so Sezgin Tanrikulu. »Aber es gibt in Ankara erheblichen Widerstand gegen eine friedliche Lösung«. (junge Welt, 11.4.08) Leyla Zana verurteilt Leyla Zana, die bekannte kurdische Politikerin, wurde am 10. April 2008 von einem türkischen Gericht in Diyarbakir zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt. Das ihr vorgeworfene Vergehen ist es, im vergangenen Jahr in einer Rede Abdullah Öcalan, neben dem irakischen Staatspräsidenten Celal Talabani und dem Präsidenten Kurdistan Mesut Barzani, als eine der drei Führungspersönlichkeiten des kurdischen Volkes bezeichnet und somit Propaganda für eine verbotene Organisation gemacht zu haben. Bereits 1994 wurde die ehemalige Abgeordnete der DEP des türkischen Parlaments und Trägerin des Sacharow Friedenspreises des Europaparlamentes zu einer fünfzehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie bei der Vereidigung als Abgeordnete in kurdischer Sprache geäußert hatte, sie werde für die Brüderlichkeit zwischen dem türkischen und kurdischen Volk arbeiten. Die Lösung der Kurdenfrage ist unabdingbar für die Demokratisierung der Türkei. Solange die Türkei das kurdische Volk und seine elementaren Grundrechte nicht anerkennt, wird sie auch keine ernst zu nehmenden Schritte in Richtung Demokratie und Fortschritt vollziehen können. (Cenî- Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V., www.ceni-kurdistan.de; YÖP und junge Welt, 11.04.2008)
Haft für Eren Keskin Der Umgang der türkischen Justiz mit der Menschenrechtlerin Eren Keskin und die Bemühungen der Regierung um eine Reform des "Türkentum"-Gesetzes zeigen, dass die EU- Reformen der vergangenen Jahre an Teilen des Staatsapparates spurlos vorüber gegangen sind. Viele Staatsanwälte und Richter in der Türkei sehen ihre Aufgabe in politischen Verfahren nach wie vor darin, den Staat vor den Bürgern zu schützen. Dahinter steckt die Leitidee einer Entwicklungsdiktatur - die Überzeugung, dass den Menschen in wichtigen Dingen wie der Meinungsfreiheit nicht zu trauen ist. Keskin wurde wegen ein und derselben Rede in zwei Prozessen vor zwei Kammern ein und desselben Gerichts angeklagt. In einem Verfahren entschied der Richter auf Freispruch, sein Kollege im anderen Verfahren verurteilte die Menschenrechtlerin zu zehn Monaten Haft. Keskin hatte in einer Rede in Köln schwere Vorwürfe gegen die Armee erhoben. Meinungsfreiheit, sagte der eine Richter, Beleidigung, sagte der andere. Dass verschiedene Richter zu unterschiedlichen Urteil kommen, ist nicht ungewöhnlich. Doch der Fall Keskin zeigt in aller Schärfe das Problem der Türkei mit der Meinungsfreiheit auf: Nur eine Kammer entschied nach dem Prinzip "im Zweifel für den Angeklagten". Die andere Kammer urteilte im Zweifel lieber für den Staat. Diese Mentalität lässt sich mit der Nachbesserung von Gesetzen nur notdürftig im Zaum halten. Gebraucht wird neben einer besseren Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten vor allem ein anderes Gesellschaftsklima. Denn noch gibt es in der Türkei keinen Konsens darüber, dass Kritik und Streit zum normalen demokratischen Prozess gehören. (Weser Kurier, 16.4.08) EU-Präsident und Erweiterungskommissar zur Unterstützung der AKP in der Türkei "Wir sind besorgt. Eine Partei verbieten zu wollen, die erst vor acht Monaten einen großen Wahlsieg errungen hat, ist nicht normal. Wir sind für Säkularismus, aber für einen demokratischen Säkularismus." Mit diesen Statements am 10. April 2008 hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für heftige Auseinandersetzungen gesorgt. Wegen unangemessener Einmischung und dem angeblichen Versuch, die türkische Justiz unter Druck zu setzen, versuchten die beiden großen Oppositionsparteien, CHP und MHP, Barrosos Rede vor dem Parlament zu verhindern. Zunächst hatte Erweiterungskommissar Olli Rehn gesagt, dass solche Fragen, wie sie nun das Verfassungsgericht bearbeitet - ob nämlich die AKP die Islamisierung des Landes betreibe -, in Europa an der Wahlurne und nicht im Gerichtssaal entschieden werden. Dann legte der EU-Außenbeauftragte Javiar Solana nach: Ein AKP-Verbot. sagte er, hätte unweigerlich Konsequenzen für den Beitrittsprozess der Türkei. Barroso vermied es über die Konsequenzen eines möglichen Verbots der AKP zu spekulieren. Stattdessen forderte er die Türkei dazu auf, zur Reformpolitik der Zeit zwischen 2002 und 2005 zurückzukehren. Mit dem gemeinsamen Besuch von Barroso und Rehn hat aber immerhin die EU nach fast zweijähriger Pause wieder signalisiert, dass sie die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei noch nicht ganz abgeschrieben hat. Bis Juli, so Barroso, sollen zwei weitere Verhandlungskapitel eröffnet werden. (AFP, 9.4.008; junge Welt, 11.4.08; NZZ, taz 12.4.08) "Mein Sohn wurde heimlich begraben" Dass die türkische Armee bei ihrer Invasion in Irakisch-Kurdistan im Februar 2008 viel höhere Verluste hatte als angegeben, ist seit langem bekannt. Im April erklärte eine Soldatenmutter gegenüber der Zeitung Özgür Politika, ihr bei der Operation ums Leben gekommene Sohn sei auf Befehl des Militärs und des "Vereins der Märtyrerfamilien" heimlich begraben worden. Als Begründung sei ihr gesagt worden, man wolle der "PKK keine Freude machen". Vom Tod ihres Sohnes habe sie erst fünf Tage später erfahren. Zur Beerdigung ihres Sohnes erklärte G.C.: "Wir haben ihn nachts begraben. Eine Trauerfeier fand nicht statt. Sie sagten uns: ,Machen wir den PKKlern keine Freude'. Eine Person vom ,Verein der Märtyrerfamilien' kam und meinte, er solle ,für den Staat' in der Dunkelheit begraben werden. ,Ihr Sohn hätte das so gewollt', sagte er. Personen mit Rangabzeichen sagten außerdem, es könne bei einer Trauerfeier zu Auseinandersetzungen kommen und wir sollten dem türkischen Militär vertrauen. Mein Sohn hat nicht für die Befreiung von Izmir oder Antep gekämpft. Wie soll ich sagen, es war fürs Vaterland? Wie soll ich einen weiteren Sohn zum Militär schicken? Von wem soll ich wofür Rache fordern? Weil ich leide, soll ich deshalb fordern, dass auch andere leiden? Wenn darüber offen gesprochen wird, vielleicht hört es dann auf, dass Mütterherzen brechen, junge Menschen sterben und heimlich begraben werden. Ich habe keine Angst, aber ich habe Enkel und Töchter. Was wird mit ihnen geschehen, wenn ich offen im Fernsehen oder in einer Zeitung spreche? Werden nicht die, die meinen Sohn heimlich begraben haben, auch meinen Enkel heimlich etwas antun? Wer auf Krieg setzt, ist kein Moslem, kein Mensch. Recep Tayyip Erdogan schickt unsere Kinder in die Berge. Soll er erst seine eigenen schicken und dann den Mund aufmachen. Nur türkische, kurdische Mütter können diesen Krieg stoppen. Wer ein Gewissen hat, hört auf die Mütter." (ANF, 15.4.2008, ISKU) 53 Kurdische Bürgermeister wegen ROJ-TV verurteilt 53 kurdische Bürgermeister sind wegen eines Briefs an den dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen zu zweieinhalb Monaten Haft verurteilt worden. Wegen guter Führung während des Prozesses seien die Gefängnisstrafen jedoch anschließend in Geldstrafen von jeweils rund 900 Euro umgewandelt worden, teilte das Gericht in Diyarbakir am 15. April 2008 mit. In dem Schreiben aus dem Jahr 2005 hatten sie Rasmussen dazu aufgerufen, Ankaras Bitte nach Schließung des kurdischen Fernsehsenders Roj TV nicht nachzukommen. Die türkischen Behörden betrachten den Sender mit Sitz in Dänemark als Sprachrohr der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK). Die dänische Kontrollbehörde konnte bei Roj TV keine Aufstachelung zum Hass beobachten. Die Anklage hatte Haftstrafen von bis zu 15 Jahren gefordert. (AFP, YÖP und junge Welt, 16.4.08; taz, 17.4.08) OBM von Diyarbakir: Ich bin Zeuge, Angeklagter und Opfer der stattgefundenen Tragödie Innerhalb von einer Woche haben drei Prozesse gegen den Oberbürgermeister von Diyarbakir Osman Baydemir stattgefunden. Gemeinsam mit den anderen DTP- Bürgermeistern wurde er am 15. April 2008 im "Roj-TV-Prozess" zu einer Geldstrafe verurteilt. Am 17. April fand eine Verhandlung gegen Baydemir im Zusammenhang mit den blutigen Auseinandersetzungen in Diyarbakir vor zwei Jahren statt. Vor Gericht sagte der Oberbürgermeister aus: "Ich bin gekommen, um die Mentalität anzuklagen, mit der unsere drei-, fünf- und zwölfjährigen Kinder, unsere 70-jährigen Großväter erschossen worden sind. Ich bin Zeuge, Angeklagter und Opfer der stattgefundenen Tragödie, aber ich bin nicht der Täter. Auch ich führe einen Prozess. Dabei geht es um Identität, Sprache, Kultur, Rechte und Freiheiten, um einen würdevollen Frieden." Angeklagt war Baydemir, weil er in dem Bemühen, die aufgebrachten Menschenmassen zu beruhigen und weitere Gewalt zu verhindern, im Verweis auf den Tod von 14 Guerillakämpfern, der die Vorfälle ausgelöst hatte, in einer Ansprache gesagt hatte: "Unser Schmerz war 14-fach, jetzt ist er 17-fach, die Zahl soll nicht noch auf 18 steigen". Wegen dieser Äußerung wurde er zu einem Monat und 20 Tagen Haftstrafe verurteilt. Ein weiterer Prozess fand am 11. April wegen einer kurdisch- türkischsprachigen Broschüre zu einer Säuberungskampagne der Stadtverwaltung statt. Gemeinsam mit Baydemir ist die Bezirksbürgermeisterin von Baglar, Yurdusev Özsökmenler, angeklagt. Die Verhandlung wurde vertagt. (Yeni Özgür Politika und ANF, 18.4.08, ISKU) Europäischer Friedensrat Türkei gegründet Am 26. April 2008 haben in Düsseldorf rund 250 Delegierte aus verschiedenen europäischen Ländern den Europäischen Friedensrat Türkei gegründet. An dem Gründungskongress, das unter dem Motto "Schweigen tötet! Frieden jetzt!" stattfand, nahmen kurdisch-türkische MigrantInnen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Schweden und der Schweiz teil. In einer ersten Erklärung wurde betont, dass man sich für die friedliche und demokratische Lösung der Kurdenfrage, für die Demokratisierung der Türkei einsetzen und gemeinsam mit der europäischen Friedensbewegung gegen den neoliberalen und militaristischen Umbau Europas vorgehen wolle. Kurz vor dem Gründungskongress hatten über 50 deutsche Friedensorganisationen mit einer Erklärung die Gründung des Europäischen Friedensrats Türkei begrüßt und sich solidarisch erklärt. An der Podiumsdiskussion "Beitrag der Friedensbewegung für die friedliche Lösung der Kurdenfrage nahmen Prof. Dr. Andreas Buro, Prof. Dr. Norman Paech (MdB) und Dr. Peter Strutynski teil. Die Moderation wurde von Edgar Auth (FR) übernommen. Der Gründungskongress wählte einen Koordinierungskreis, der aus 49 Personen besteht. Das geschäftsführende Sekretariat übernehmen Günay Aslan, Murat Cakir, Koray Düzgören, Songül Karabulut, Dr. Isik Iscanli, Turgut Öker, Yücel Özdemir, Dogan Özgüden, Mustafa Peköz, Mehmet Sahin und Pinar Tuzcu. In den nächsten Monaten sollen lokale, regionale und landesweite Sektionen des Europäischen Friedensrats Türkei in allen europäischen Ländern gegründet werden. Das Sekretariat rief die kurdisch- und türkischstämmigen MigrantInnen in Europa auf, die Bemühungen des Europäischen Friedensrats Türkei zu unterstützen. Pogrom ähnliche Attacken auf Kurden in Sakarya Auf einer Fraktionssitzung der DTP hat der Fraktionsvorsitzende Ahmet Türk sich zu den faschistischen Angriffen auf eine Veranstaltung seiner Partei in Sakarya (27.4.08) geäußert. Türk machte auf die Verantwortung der Hintermänner dieser Aktion aufmerksam und bezeichnete sie als "organisiert und geplant". Aufgrund der Besonnenheit der Teilnehmer der kurdischen Veranstaltung habe eine größere Katastrophe verhindert werden können, so Türk. Falls der Nationalismus in der Türkei nicht gestoppt werde, werde eine Balkanisierung einsetzen. Weiter sprach Türk von "kritischen Entwicklungen die Zukunft der Türkei betreffend". Es gehe um die Frage, ob "die Türkei ein Land der Demokratie, des Friedens, der Freiheiten und der Gerechtigkeit oder zur Dunkelheit des Mittelalters zurückkehren" werde. Die DTP habe sich seit ihrem Einzug ins Parlament stets für Dialog und Verständigung eingesetzt. "Wir haben gesagt, die Militäroperationen sollen gestoppt werden, es soll keinen Krieg mehr geben, und sie sind mit Panzern über uns gerollt. Am 8. März, zu Newroz haben wir gesagt, es lebe die Geschwisterlichkeit der Völker, und haben eine sehr harte Antwort darauf bekommen. Auf uns wurde geschossen, wir wurden verprügelt, wir wurden ermordet, ins Gefängnis geworfen. Es wurde versucht, uns zum schweigen zu bringen. An manchen Orten traf es die Mütter, an anderen war es ein 15- jähriger Junge, dem mitten auf der Straße der Arm gebrochen wurde." Bei den Angreifern in Sakarya habe es sich um eine "nationalistische, rassistische Gruppe" gehandelt. Der Gouverneur der Stadt habe die Vorfälle heruntergespielt, aber die Gruppe habe über fünf Stunden hinweg ihre Angriffe mit rassistischen Parolen und Beleidigungen fortgesetzt. Das Szenario habe deutlich gemacht, welche Dimensionen Nationalismus, Rassismus und Chauvinismus in der Türkei angenommen haben. "Die angreifenden Gruppen haben nicht aus Eigeninitiative gehandelt. Hinter ihnen stehen Kräfte, die sie dorthin geschickt und in Bewegung gesetzt haben." (ANF, 29.4.08, ISKU) § 301: Alles beim alten Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Nach gut zwei Jahren heftiger Debatte hat das türkische Parlament unter dem Druck der Europäischen Union am 30. April 2008 eine Reform des berüchtigten Strafrechtsparagrafen 301, der die Beleidigung des "Türkentums" unter Strafe stellte, beschlossen. Kritiker bezeichnen die Reform indes als reine Kosmetik. Bestraft wird jetzt nicht mehr die Beleidigung des "Türkentums", sondern "der türkischen Nation", ein Begriffswechsel, der es einer Justiz, die in weiten Teilen als reine Staatsschutzjustiz auftritt, nicht allzu schwer machen dürfte, weiterhin gegen Journalisten, Schriftsteller, Menschenrechtlern und kurdischen Politiker vorzugehen, die sich an die Tabufragen des Armeniergenozids und des seit über 80 Jahren ungelösten Kurdenfrage heranwagen. Bisherige Fassung: Wer offen das Türkentum, die Republik oder die Große Nationalversammlung beleidigt, soll mit Haft zwischen sechs Monaten und drei Jahren bestraft werden. Wer offen die Regierung der Republik Türkei, die juristischen Einrichtungen des Staates, die militärischen oder Sicherheitsorgane beleidigt, soll mit Haft zwischen sechs Monaten und zwei Jahren bestraft werden. Falls ein türkischer Bürger das Türkentum in einem anderen Land beleidigt, soll die Strafe um ein Drittel erhöht werden." Neufassung: - Wer offen die türkische Nation, den Staat der Türkischen Republik oder die türkische Nationalversammlung und die Rechtsorgane des Staates herabwürdigt, wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren bestraft. - Wer offen das Militär und die Sicherheitskräfte des Staates herabwürdigt, wird entsprechend des Absatzes 1 bestraft. - Meinungsbekundungen, die mit der Absicht der Kritik bekundet wurden, stellen kein Verbrechen dar. - Eine Untersuchung dieses Verbrechens kann nur mit Erlaubnis des Justizministers erfolgen. Die Änderungen betreffen: 1) die Senkung der Höchststrafe (von drei auf zwei Jahre), 2) die Ersetzung des schwammigen Begriffs "Türkentum" durch "türkische Nation", 3) die Straffreiheit für kritische Meinungsäußerungen und 4) die Verlagerung der Zuständigkeit. Gerade letzteres ist allerdings unvereinbar mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung: Denn wenn die Exekutive - also der Justizminister - darüber entscheidet, ob ein Verfahren eingeleitet werden soll, bedeutet dies das Ende der Unabhängigkeit der Judikative, ganz abgesehen davon, dass diese Regelung sämtliche Entscheidungen von politischen Konjunkturen abhängig macht. Mit Grundsatzverfahren gegen diese Regelung ist mit Sicherheit zu rechnen. Ebenso darf man gespannt sein, wie in der Rechtspraxis die Trennlinie zwischen straffreier "kritischer Meinungsäußerung" und strafbarem "Herabwürdigen" der "türkischen Nation" u. ä. gezogen wird. Bis vor kurzem fühlten sich türkische Staatsanwälte verpflichtet, die vermeintliche Beleidigung des "Türkentums" in geradezu inflationärer Weise zu ahnden. Als entsprechende Herabwürdigung wurde etwa ein Artikel über die armenische Abstammung der türkischen Kampffliegerin Sabiha Gökcen oder die Kritik einer Frauen- und Menschenrechtsanwältin, Eren Keskin, an der Willkür der Streitkräfte angesehen. Der Strafrechtsartikel verhinderte nicht nur die offene, demokratische Erörterung von Fragen, die eine zentrale Bedeutung für die türkische Gesellschaft besitzen (wie Zypern, die Stellung der kurdischen Bevölkerung oder die Aufarbeitung des Genozids an den Armeniern und anderen christlichen Ethnien), sondern führte auch zur Brandmarkung und damit Gefährdung Verurteilter, namentlich des am 19. Januar 2007 ermordeten und mehrfach nach §301 verurteilten armenischen Journalisten und Menschenrechtlers Hrant Dink. Die inzwischen von Verbot bedrohte konservativ-islamische Regierungspartei AKP, die mit der Unterstützung der liberalen Wählerschaft in der Türkei zur Macht gelangt war, betrieb bisher nur ein einziges "Reform"vorhaben aus vollem Herzen: die Aufhebung des Kopftuchverbots. Trotz ständiger in- und ausländischer Forderungen und Appelle rührte sie drei Jahre lang keinen Finger gegen den Strafrechtsparagraphen 301, nach dem allein in der ersten Hälfte des Jahres 2007 1.200 Bürger/Innen der Türkei gerichtlich verurteilt wurden; weit über 700 Fälle sind derzeit noch anhängig. Die Novelle des 301 vom 30. April 2008 zielt darauf ab, vor allem das Europäische Parlament und die Europäische Kommission zu beeindrucken. "Egal wo ich rede oder was ich schreibe, es kommt sofort zu einem Strafprozess. Man wird auf einer Seite vor Gericht gezogen und auf der anderen fürchtet man um sein Leben", beschreibt die Menschenrechtsaktivistin und Aachener Friedenspreisträgerin Eren Keskin die Lage der kritischen Intellektuellen in der Türkei. "Wir erhalten viele Drohungen, weil wir anders denken als die Mehrheit. Hier in der Türkei fühle ich mich nicht frei." E. Keskin ist wiederholt nach §301 angeklagt worden. (http://www.aga-online.org/de/aktionen/detail.php?newsId=268; FAZ.NET, NZZ Online und FR, 30.04.08; Der Standard, 2.5.08) Türkei erwägt Kauf von russischen Flugabwehr-Systemen Die Türkei will bis zum Jahr 2010 einen eigenen Raketenschild aufbauen. Seinen Kern könnten die russischen Flugabwehr- Systeme S-300 bilden, berichtet die Nachrichtenagentur ANKA. Der Raketenschild soll aus acht Batterien bestehen. Zwei davon sollen in Istanbul und Ankara aufgestellt werden. Der Lieferant der Rüstungen soll im Rahmen einer Ausschreibung ermittelt werden. Die russischen Raketenabwehr-Systeme S-300 haben laut ANKA gute Chancen für den Sieg. Als Alternative kämen die US-amerikanischen Systeme Patriot sowie die amerikanisch- israelischen Arrow in Betracht, die den russischen Waffen jedoch bei vielen Parametern nachstünden. Nach Angaben der Zeitung Turkish Daily News (TDN) will die Türkei eine Milliarde US-Dollar für den Aufbau des Raketenschildes ausgeben und hat bereits mit den USA, Russland, Israel und China vorläufige Verhandlungen geführt. Russland habe der Türkei die Flugabwehr-Systeme S-400 angeboten, berichtet TDN. Das türkische Militär habe noch keine endgültige Wahl getroffen. (RIA Novosti, 30.4.08) 1. Mai in Istanbul: "Staatsterrorismus" Süleyman Celebi, Vorsitzender der Gewerkschaft DISK (Konföderation Revolutionärer Arbeitergewerkschaften) nannte die brutalen Übergriffe der Polizei gegen die Teilnehmer der 1. Mai-Feier "Staatsterrorismus". Über einen ganzen Tag setzte die Polizei Knüppel, Tränengas und Wasserwerfer gegen die wartende Menge. Tränengasbomben wurden sogar in frühen Morgenstunden in das DISK-Gewerkschaftshaus geworfen, wo über 1000 Gewerkschafter sich noch mit den Vorbereitungen beschäftigten. Tränengasbomben wurden auch in die Notaufnahme eines Krankenhauses eingeschleudert, wo sich kranke Kinder, Frauen und Alte befanden. Die Verbindungsbrücken zwischen europäischen und asiatischen Teil über Bosporus wurden gesperrt. Die Metro und die Straßenbahnen fuhren nicht. Die Fähre zwischen beiden Teilen von Istanbul wurde stillgelegt. Kurz gesagt, es herrschte über Istanbul ein nicht deklarierter Ausnahmezustand. Nach den schweren Übergriffen der Polizei am 1. Mai in Istanbul nimmt die Kritik an der Regierung Erdogan zu. Die Kritik an der türkischen Regierung entzündet sich nicht nur an dem Ausmaß der Polizeigewalt, sondern auch daran, dass es für den Polizeieinsatz keinen nachvollziehbaren Grund gab. Das Massenblatt »Milliyet« schrieb über seine Titelseite »Warum?« »Hürriyet« stellte in dicken Balken auf der Frontseite fest: »1 Mai, Polizeistaat«. »Radikal«, bisher eine der Zeitungen, die das Verfahren gegen die AKP am schärfsten verurteilt hat, titelte ebenfalls über die volle Front: »Die Demokratie der AKP reichte bis hierher«. Es war kein normaler 1. Mai in Istanbul gewesen und auch etwas anderes als eben ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen ein paar jugendlichen Demonstranten und der Staatsmacht. Die Auseinandersetzungen begannen kurz nach 6 Uhr. Hubschrauber kreisten im Tiefflug über den Häusern. Mit Wasserwerfern, Gasbomben und Knüppelorgien wurde das erste Häuflein Demonstranten bekriegt, das nichts weiter gemacht hatte, als sich vor dem Hauptsitz des Gewerkschaftsverbandes DISK zu versammeln. Das war drei Kilometer entfernt von dem berühmten Taksim-Platz, auf den die Demonstranten auf keinen Fall kommen sollten. 1977 starben auf dem Taksim-Platz bei einer Mai-Demonstration 37 Menschen. Im vergangenen Jahr wurden Dutzende Menschen verletzt. Die Demonstration der geballten Staatsmacht dauerte dann den ganzen Tag. »Radikal« stellte fest, die Regierung habe in den letzten fünf Monaten getan, was sie nur konnte, um sich selbst zu isolieren. Okay Gönensin, linksliberaler Kolumnist der Zeitung «Vatan» (Das Vaterland), meint, Erdogan verkörpere, obwohl in Istanbul geboren, die Ideale der türkischen Kleinstadt, ihm seien westliche Gesellschaften im Grunde fremd, er verstehe sie nicht einmal ganz. Gewerkschaften seien im paternalistischen Denken der Kleinstadt einfach etwas Überflüssiges. Reformen habe er eine Zeitlang gemacht, weil er sie gebraucht habe, aber nicht, weil er als Reformer geboren worden sei. Seine Regierung mache nur noch das Allernötigste, weil es die EU eben verlange. Dann zählt er alle die Schritte auf, mit denen die Regierung die Gewerkschaften brüskiert hat. Zum Beispiel verglich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Arbeiter mit den Füßen, die auf den Kopf hören sollten. Schließlich am Ende das Beharren der Regierung auf dem Verbot der Demonstration zum 1. Mai auf Istanbuls zentralem Taksim-Platz. Das wurde begleitet von einer Einschüchterungskampagne, zu der auch die Eröffnung von Strafverfahren gegen die Gewerkschaftsführer wegen ihres Demonstrationsaufrufs gehörte. Schon vor dem 1. Mai war eine allmähliche Abwendung der türkischen Liberalen von Erdogans AKP spürbar. Darunter sind Leute, die Erdogan jahrelang unterstützt haben, weil sie sich von ihm das Aufbrechen verkrusteter Strukturen erhofften, weil sie mehr Demokratie wollen und weil sie in die EU wollen. Doch der Reformeifer der Regierung ist lange erloschen. Wollte Erdogan nun zeigen, dass er auch den starken Staat machen kann, wie schon an Newroz diesen Jahres als in den kurdischen Gebieten vier Menschen bei Demonstrationen starben? Meint Erdogan, zeigen zu müssen, dass die Demokratie mit ihm nicht so weit geht, dass der Staat nicht mehr hart durchgreifen kann? (taz.de, Reuters und AFP, 1.5.08¸ Neues Deutschland und junge Welt, 2.5.08; Neues Deutschland, Tagblatt und Die Presse, 3.5.08) Türkei bombardiert seit Dezember 2007 kurdisches Territorium im Irak Seit Dezember 2007 bombardiert die türkische Luftwaffe fast wöchentlich Irakisch-Kurdistan, zuletzt in der Nacht zum 2. Mai 2008. In der gleichen Zeit führte eine türkische Delegation Gespräche mit kurdischem Premier Necirvan Barzani. Bei den Luftangriffen der türkischen Armee auf Stellungen der PKK seien nach Angaben des türkischen Generalstabs in der Nacht zum 2. Mai 2008 "mehr als 150 Mitglieder der PKK getötet worden. Auch Murat Karayilan, Vorsitzender des Exekutivrates der KCK sei getötet worden, teilte der Generalstab nach Abschluss der Operation mit. Etwa 50 türkische Kampfflugzeuge bombardierten nach Angaben des Generalstabs 43 Ziele auf den Kandilbergen, die hundert Kilometer südlich der türkisch-irakischen Grenze liegen. Ziele seien Orte der PKK-Führung, Zufluchtsstätten und Höhlen gewesen, ferner Lager und eine Anlage für die Telekommunikation. Sie alle seien zerstört worden. In einer schriftlichen Erklärung dementierte der Exekutivrat der KCK die Verlautbarungen des türkischen Generalstabs. Demnach hat der Luftangriff dem PJAK-Hauptquartier und weiteren PJAK-Einheiten gegolten, die gegen Iran kämpfen. Das Pressebüro der PJAK sei dabei getroffen worden und sechs PJAK-Mitglieder ums Leben gekommen, darunter fünf in der Pressearbeit tätige Personen. Betroffen seien auch Dörfer in der Umgebung, in denen es zu schweren Sachschäden gekommen sei. In der genannten Erklärung wird noch auf die folgendes hingewiesen: "Bei seinem kürzlichen Irak-Besuch hat der iranische Staatspräsident Ahmedinejat die Türkei und den Irak dazu aufgerufen, gemeinsam mit dem Iran gegen die kurdische Befreiungsbewegung vorzugehen. Die Aufklärungstätigkeiten beider Staaten im Grenzgebiet und über Kandil, die als Resultat eines zwischen der Türkei und dem Iran geschlossenen Bündnisses entstanden sind, haben bereits im Vorfeld darauf hingewiesen, dass eine gemeinsame Angriffsphase auf die kurdische Befreiungsbewegung stattfinden wird. Drei Tage vor dem Angriff fand eine gemeinsame Aufklärung über dem PJAK- Gebiet der Türkei, des Iran und des Irak statt. Einen Tag vor dem Angriff waren US-Aufklärungsflugzeuge über dem betroffenen Gebiet. Daraus ist deutlich geworden, dass beide Seiten ihre Aufklärungsergebnisse zusammengebracht haben." Murat Karayilan, der vom Generalstab der Türkei als getötet gemeldet wurde, meldete sich am 7. Mai 2008 über ROJ-TV und nahm zu aktuellen Entwicklungen Stellung. (ANF und Der Standard, 2.5.08; NZZ Online, 3.5.08; FAZ, 4.5.08; ANF und FAZ, 5.5.08, ISKU) Ankara spricht mit Erbil/Hewlêr Zum ersten Mal haben hochrangige türkische Vertreter und Mitglieder der nordirakischen Kurdischen Regionalregierung einander getroffen. Das Treffen fand in Bagdad statt, die türkische Seite war von Ahmet Davutoglu, Berater von Premier Recep Tayyip Erdogan, vertreten, auf kurdischer Seite führte Premier Nechirvan Barzani die Delegation an. Bisher hatte Ankara immer nur mit der Regierung in Bagdad verhandelt und offene direkte Kontakte zur kurdischen Regionalregierung in Kurdistan tunlichst vermieden. Die weit reichende Autonomie der Kurden im Nordirak ist Nationalisten in Ankara ein Dorn im Auge, fürchten sie doch, dass sie erstens die Ambitionen der eigenen Kurden bestärken könnte, und zweitens letztlich zu einem unabhängigen Kurdenstaat im Nordirak führt. Es ist ein altes türkisches Trauma, in der Aufteilung des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg begründet, dass jede territoriale Veränderung in der Region zu Ungunsten der Türken ausgeht. Dazu kommen die Vorwürfe an Erbil, die PKK zu unterstützen und an Bagdad, die irakischen Grenzen nicht zu kontrollieren. Auf der anderen Seite stehen die kurdischen Ängste, dass die PKK nur einen Vorwand für türkische Militäroperationen bietet, die die Kurdische Regionalregierung und ihr - weitgehend stabiles - Autonomiegebiet schädigen sollen. Einerseits spricht Ankara mit Kurden im Irak und zeitgleich bombardiert die türkische Luftwaffe kurdisches Territorium im Irak. Der Journalist Cengiz Candar bezeichnete dieses in sich widersprüchliche Vorgehen folgendermaßen: "Die Militär möchte mit der Bombardierung zeigen, wer Herr im Lande ist und sendet sowohl an die Adresse der AKP-Regierung als auch der kurdischen Regierung die Botschaft: ,Egal was ihr beschließt, am Ende entscheiden wir, wo es lang geht." (Der Standard und Referans, 3.5.08) Ilisu-Staudamm droht das Aus Der Ilisu-Staudamm, eines der umstrittenen Energie-Projekte der Türkei, ist in einer kritischen Phase. Derzeit prüfen Österreich, die Schweiz und Deutschland, ob die Türkei Auflagen wie eine sozialverträgliche Umsiedlung tausender Menschen einhält. Insgesamt geht es um rund 150 Auflagen an die Behörden. Die Türkei musste bis Ende April nachweisen, dass sie bei den Auflagen mehr Dampf macht. Anfang März hatte ein Expertenbericht festgestellt, dass das Staudammprojekt am Tigris nahe der Grenze zu Syrien und dem Irak die internationalen Standards für Umwelt, Umsiedlungen und Kulturgüter nicht einhält. (Der Standard, 2.5.08; Weitere Informationen: www.weed- online.org/ilisu) Kurdische Kinder wegen eines Liedes vor dem Kadi Sechs Mitglieder eines Kinderchors stehen seit dem 1. Mai 2008 in Diyarbakir vor Gericht, weil sie ein kurdisches Lied gesungen haben. Laut den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft haben die angeklagten Kinder im Alter von 14 und 15 Jahren im vergangenen Oktober bei einem Auftritt während des World Music Festivals im US-amerikanischen San Francisco den Marsch »Ey Ragip« angestimmt - und sollen so Propaganda für die in der Türkei verbotene PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) geleistet haben. Angeklagt sind die Kinder nach dem berüchtigten »Antiterrorgesetz«, das verschärfte Strafen vorsieht. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft. Nach Angaben von Baran Pamuk, einem der Verteidiger der Kinder, sind die Vorwürfe allerdings nicht haltbar. So gehöre der Marsch zwar durchaus zum Liedgut der PKK, werde aber keinesfalls exklusiv von der Guerilla gesungen. Vielmehr sei das Lied auch Nationalhymne der kurzlebigen kurdischen Republik von Mahabad in Iranisch-Kurdistan im Jahre 1946 gewesen und auch heute wieder Nationalhymne der kurdischen Autonomieregion in Irakisch-Kurdistan. Darüber hinaus ist das Lied den Verlautbarungen Pamuks zufolge bei vielen kurdischen Gruppierungen unterschiedlichster politischer Auffassungen in allen Teilen Kurdistans populär. Geschrieben wurde der Text bereits in den 40ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, etwa 35 Jahre also vor Gründung der PKK. Repressalien und Prozesse gegen Minderjährige wegen angeblicher Sympathien für die Guerilla sind in der Türkei nicht ungewöhnlich. So waren erst kürzlich im Anschluss an die kurdischen Newroz-Feierlichkeiten im März mehrere Kinder teils wochenlang in Untersuchungshaft genommen worden. Dem türkischen Menschenrechtsverein (IHD) zufolge dienen die Prozesse und Verhaftungen vor allem dem Zweck, ein abschreckendes Beispiel für andere Jugendliche zu statuieren. (junge Welt, 3.5.08) Muzaffer Ayata verurteilt Ein kurdischer Politiker ist am 10. April 2008 vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wegen angeblicher Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch zu 3 1/2 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht wirft dem im August 2006 in Mannheim verhafteten 52jährigen Muzaffer Ayata vor, als hauptamtlicher Kader für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK die Arbeit in Süddeutschland geleitet zu haben. Das Urteil des OLG stützt sich hauptsächlich auf Telefonüberwachungen und Zeugenaussagen ehemaliger PKK-Mitglieder. Der seit 2002 in Deutschland lebende Ayata arbeitete unter anderem als Europa- Vertreter der mittlerweile in der Türkei verbotenen kurdischen Parteien HADEP und DEHAP. Journalistisch setzte er sich in der Tageszeitung Özgür Politika für eine friedliche Lösung des Kurden-Konfliktes ein. Während Ayatas Anwälte Revision gegen das Urteil ankündigten, ist beim OLG Frankfurt ein Auslieferungsverfahren angelaufen. Die türkische Justiz macht Ayata, der bereits 20 Jahre in türkischer Haft verbrachte, für 3000 Morde mitverantwortlich -- gemeint sind offensichtlich bei Gefechten mit der PKK-Guerilla getötete Soldaten. Ebenfalls am gleichen Tag stürmte die Polizei den kurdischen Kulturverein Birati in Bremen und neun Wohnungen von Vereinsmitgliedern. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aufgrund von Spendensammlungen für die PKK wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung«. Dies sei eine »neue Qualität der psychologischen Kriegsführung gegen die kurdische Befreiungsbewegung in Europa«, sagte Monika Morres vom Rechtshilfefonds für Kurden AZADI in Düsseldorf. Bislang wurden Spendensammler wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz mit Geldstrafen belegt. Jetzt droht Haft wegen Unterstützung oder Bildung einer kriminellen Vereinigung. So solle die Mitgliedschaft der Kulturvereine eingeschüchtert werden. (FR und Azadî, PM, 10.4.08; junge Welt, 11.4.08) Kurdische Medien im Visier der Strafverfolgungsbehörden "Auf der Grundlage eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln, veranlasst vom Landeskriminalamt NRW, wurden am 7. Mai 2008 die Studioräume des in Wuppertal ansässigen kurdischen Fernsehsenders Roj TV, der Produktionsfirma VIKO sowie die Privatwohnungen aller Mitarbeiter/innen durchsucht. Außerdem führten Polizeikräfte eine Razzia in der Kölner Wohnung eines sowohl für den Sender als auch für die prokurdische Tageszeitung Yeni Özgür Politika tätigen Journalisten durch. Azadî protestiert in aller Schärfe gegen das fortgesetzte polizeiliche und politisch motiviertes Vorgehen gehen kurdische Institutionen und ihre Mitarbeiter/innen. Diese jüngsten Repressionsmaßnahmen sind Beleg dafür, dass die deutsche Politik den vielfachen Forderungen des türkischen Staates nach Zerschlagung der Strukturen der kurdischen Bewegung bereitwillig folgt. Sind seit Monaten erhebliche Verschärfungen in der Strafverfolgung kurdischer Aktivist(inn)en zu konstatieren, zielen diese Durchsuchungen darauf ab, die kurdischen Medien zu zerschlagen, um eine (kritische) Berichterstattung über die eskalierende Situation in der Türkei und im Norden des Irak gegen die kurdische Bevölkerung unmöglich zu machen. So zeichnet sich ab, dass die türkische Seite mit US-, israelischer und iranischer Unterstützung die kurdische Frage mit militärischen Methoden "lösen" will und die deutsche Politik dieses Treiben mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln begleitend unterstützt." (Azadî e.V., PM, 7.5.08, azadi@t-online.de) Weiterhin offiziell keine alevitischen Versammlungsräume Der Parlamentarier Süleyman Yagiz hatte eine Anfrage an Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan gerichtet mit der Bitte, alevitischen Versammlungsräumen (Cemevleri) einen offiziellen Status als Plätze religiöser Anbetung zu geben. Darauf erging eine ablehnende Antwort. Der Leiter des türkischen Religionspräsidium DIB, Ali Bardakoglu, antwortete, eine solche Anerkennung würde die bereits vorhandene Abspaltung des Alevismus vom türkisch-sunnitischen Islam weiter verfestigen. Alle Moscheen in der Türkei gehörten, so Bardakoglu allen islamischen Glaubensgruppen. Laut Bardakoglu habe es in der islamischen Geschichte keine Muslime gegeben, die eine alternative Moschee gegründet hätten. Deshalb seien die alevitischen Versammlungsräume auch keine alternativen Moscheen. Parlamentarier Süleyman Yagiz lehnte die Einstellung und die Argumente Bardakoglus entschieden ab. Wer die Türkei kennt, weiß, dass die türkischen Moscheen de facto nur Versammlungsstätten für Anhänger des sunnitischen Islam sind. Viele Teile der Aleviten verstehen sich als eigenständige Religionsgemeinschaft, andere als eine muslimische Gruppierung. Aleviten beten nicht in Moscheen, sondern versammeln sich in eigenen Versammlungshäusern. Männer und Frauen kommen zu rituellen Tänzen unter der Leitung von Ältesten (Pîr und Dede) zusammen. Aleviten leiden in der Türkei durch ihre Vereinnahmung durch den sunnitischen Islam, von dem sie sich nicht vertreten fühlen. (Institut für Islamfragen, mk, 27.4.08; Mesop, 28.4.08; www.zaman.com.tr/haber.do?haberno=675399) Internationaler Aufruf An der größten Newroz-Veranstaltung in der Metropole Diyarbakir 2008 nahmen im März 2008 über eine halbe Million Menschen teil, in Städten wie Cizre oder Sirnak beteiligten sich an die 20.000 Menschen. In mehreren kurdischen Städten im kurdischen Südosten der Türkei griffen im März und April 2008 türkische Polizei und Militär die feiernden Menschen an, weil sie Newroz feierten. Die Staatskräfte gingen mit unverhältnismäßiger Brutalität vor, schossen willkürlich auf jeden, der sich auf der Straße befand, Die Polizisten prügelten auf bereits auf dem Boden liegende Kinder und alte Menschen ein. Sie verwüsteten Wohnungen, Geschäfte und Autos. Sondereinsatzkommandos bzw. Polizei riefen mit Lautsprechern aus fahrenden Autos: "Ihr seid keine Menschen", die Polizei durchsuchte Frauen auf erniedrigende Art und Weise bis unter die Unterwäsche. Kurdische Abgeordnete, der Bürgermeister von Hakkari und Mitglieder der legalen Partei DTP wurden beleidigt, bedroht, tätlich angegriffen und in ihrer Arbeit behindert. Polizei und Militär verwüsteten bei den Angriffen auch willkürlich kurdisches Eigentum, Häuser, Autos und Geschäfte. In Nordkurdistan nahmen Polizei und Sondereinsatzkommandos über 2000 KurdInnen fest, davon wurde fast die Hälfte inhaftiert, darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Die genaue Zahl der inhaftierten und angeklagten Menschen steht noch nicht fest, vergrößert sich jedoch infolge der Proteste gegen dieses Vorgehen täglich. Vier Menschen erlagen bereits ihren Verletzungen. Der 25- jährige Ramazan Dag, der in Van verstarb, hatte vielfache Brüche und eine Schusswunde am Bauch, d.h. er wurde zuerst geprügelt und dann gezielt erschossen. Die Eltern durften ihren Sohn nach seinem Tod nicht mehr sehen. In dieser Atmosphäre prügelte die Polizei zahlreiche Kinder und Jugendliche, bis sie bewußtlos mit dem Gesicht auf der Straße liegen blieben, Schädel und Gesicht zertrümmert waren. Kinder, die noch gehen konnten, wurden festgenommen, gefoltert, verhaftet und unter dem Vorwurf des Terrorismus in Isolationshaft gesteckt. Die vorliegenden Fakten: Zeugenberichte, Fernsehaufnahmen, etc. beweisen ohne jeglichen Zweifel, dass die gesamte Bevölkerung kurdischer Städte angegriffen, Menschen willkürlich und systematisch getötet und verletzt werden sollten. Die "Sicherheitskräfte" gingen dabei gezielt gegen Kinder und Jugendliche vor. Menschen, die wegen der Vorfälle Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft erstatten wollen, werden eingeschüchtert und bedroht. Sie riskieren wie der damals 13-Jährige A, Y. eine Anklage wegen Terrorismus, 15 Jahre Haft und eine grundlose Abweisung ihrer eigenen Klage. Das Alter der Angeklagten spielt dabei keine Rolle. Mehrere Kinder und Jugendliche sind bereits wegen Terrorismus angeklagt. Die Kliniken lehnten zahlreiche Verletzte, auch Kinder ab, und gaben sämtliche Daten von Verletzten an Polizei und Militär . Aus Angst, denunziert zu werden, lassen sich viele nicht behandeln. Der Fall des 15-jährigen Cuneyit Ertus hat in den letzten Wochen in dieser Hinsicht traurige Berühmtheit erlangt. Link: http://www.dailymotion.com/related/8202245/video/x4vdol_n ewroz-tragedy-2008-better-version_news Auf dem Video sichtbar, bricht der Folterer Turgay Sen zu Anlass der Newrozfeiern in Hakkari dem 15-jährigen Cuneyit Ertus den Arm nach hinten durch. Die Folterer ließen danach einen sog. ärztlichen Bericht erstellen, wonach dem Jungen nichts fehle und er keinerlei Beschwerden gegen die Polizei habe. Dem "ärztlichen Bericht" sind keinerlei Untersuchungsergebnisse beigefügt. Cuneyt Ertus wurde auch in der Haft gefoltert. Seitdem ist Cuneyit ohne medizinische Behandlung geblieben. Obwohl amnesty im Fall Cuneyit Ertus fordert, die Verantwortlichen zu bestrafen, sind Turgay Sen und die beiden anderen Folterer immer noch in Hakkari unterwegs und jagen weitere Menschen. Alle Aktionen von Polizei und Militär waren angeordnet und von den höchsten Stellen abgesegnet. Die Übergriffe gegen die kurdische Bevölkerung sind unabhängig von der Gesetzgebung der Türkei, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sollten eine weltweite Ächtung erfahren. Angesichts der jüngst verübten grundlosen Repressionen gegen die kurdische Bevölkerung appellieren wir weltweit an die Öffentlichkeit, die Institutionen der EU und den Europarat, den EU-Erweiterungskommissar, Olli Rehn, der für die Beitrittsverhandlungen der Türkei zuständig ist, und Frankreich, das die Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2008 innerhalb der Europas innehaben wird: Auf die Türkei muss effektiv und schnell Druck ausgeübt werden, um eine sofortige Freilassung und eine ärztliche Behandlung insbesondere der inhaftierten und gefolterten Kinder zu erwirken damit die Türkei die unbegründeten und automatischen Terrorismusklagen, insbesondere gegen Kinder und Jugendliche fallen lässt. <
|
Kommentare |
Es wurden keine Kommentare geschrieben.
|
Kommentar schreiben |
Bitte einloggen, um einen Kommentar zu schreiben.
|
Bewertung |
Die Bewertung ist nur für Mitglieder verfügbar.
Bitte loggen Sie sich ein oder registrieren Sie sich, um abzustimmen.
Keine Bewertung eingesandt.
|
|
Login |
Noch kein Mitglied? Klicke hier um dich zu registrieren.
Passwort vergessen? Fordere Hier ein neues an
|
|