Generalunternehmer auf der größten Schweinfurter Baustelle ist die Firma Züblin, Stuttgart. Sie arbeitet auf dem künftigen Stadtgalerie-Gelände mit Subunternehmern. Einer dieser Partner, eine türkische Firma, hat sich wiederum selbst eines Sub-Unternehmens aus dem Raum Darmstadt bedient. Deren Chef bezahlte seine Mitarbeiter zunächst nur „sehr schleppend und nicht in vollem Umfang“, sagt Rechtsanwalt Beck. Im September und Oktober erhielten die Arbeiter dann keinen Cent mehr.
Kein Geld mehr für Essen
Die Türken waren in einem Containerdorf im Maintal untergebracht, für das sie auch Abgaben leisten mussten. Als überhaupt kein Geld mehr kam, konnten sich die hart arbeitenden Bauarbeiter kein Essen mehr kaufen: Der Zeitpunkt für eine Reaktion war gekommen. Die frustrierten und verzweifelten Arbeiter wandten sich in ihrer Not an die Stadt und landeten dort bei der türkischstämmigen Integrationsbeauftragten der Volkshochschule.
Funda Ersindigil wiederum nahm Kontakt zur Schweinfurter Kanzlei Beck, Burkard, Schürkens und Walter auf. Die Kanzlei ist in Ausländerfragen oder bei Asylfällen eine erste Adresse. Zudem konnte die ebenfalls türkischstämmige Rechtsanwältin Akcay sich mit den des Deutschen nicht mächtigen Arbeitern in deren Muttersprache besprechen.
„Hier waren in kürzester Zeit rechtlich komplexe Fragen zu erörtern, und täglich drohte den türkischen Bauarbeitern die Ausweisung. Sie hätten ohne einen Cent in der Tasche nach Hause zu ihren Familien zurückkehren müssen“, so Akcay.
Sub-Sub-Unternehmen gefeuert
Der erfolgreiche Einsatz der Rechtsanwältin und ihres Kollegen Armin Beck war auch der Firma Züblin zu verdanken. Züblin hatte dem Subunternehmer angedroht, die Aufträge zu entziehen, sollte kein Geld fließen. Das Subunternehmen, das wiederum das Darmstädter Unternehmen nach Schweinfurt gebracht hatte, zahlte dann auch. Die hessische Unterfirma ist sofort rausgeworfen worden, bestätigte Züblin-Projektleiter Michael Mack.
Mack erklärte weiter, dass auch Züblin eingesprungen wäre. Die Türken hätten „bei Wind und Wetter gearbeitet“, da sei es „verdammte Pflicht“, dass sie auch ihr Geld bekommen. Der Projektleiter der Großbaustelle bedauerte den Vorfall, meinte aber, dass solch rufschädigende Dinge leider immer wieder vorkämen. Deshalb kümmere sich Züblin bei Bekanntwerden solcher Vorfälle sofort und intensiv.
Wind hatte auch das Schweinfurter Hauptzollamt von den Unregelmäßigkeiten bekommen. Wegen des Verdachts der Unterbezahlung und nicht ordnungsgemäßer Anmeldung der Mitarbeiter fand deshalb eine Kontrolle auf der Baustelle durch Mitarbeiter der Abteilung „Schwarzarbeit“ statt. Pressesprecher Mathias Grenzer bestätigte die Aktion.
Das Los der Wanderarbeiter
Die weiteren Ermittlungsergebnisse der Zoll-Fahnder sind mittlerweile von der Staatsanwaltschaft Schweinfurt an die offensichtlich in größerem Umfang tätige hessische Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei weitergeleitet worden, erklärte Leitender Oberstaatsanwalt Rainer Vogt.
Pressesprecher Grenzer vom Hauptzollamt bejahte die Frage, ob seine Fahnder solche Vorfälle hellhörig machten. Das heißt: Auf die ECE-Baustelle wirft man ab sofort ein besonderes Augenmerk.
Für den Europäischen Verband der Wanderarbeiter mit Sitz in München ist das Problem der Rechtlosigkeit ausländischer Beschäftigter ein alltägliches, bestätigte eine Sprecherin. Auf der Homepage finden sich tatsächlich jede Menge ähnlicher Missbrauchsfälle. Oft bemühe sich der jeweilige Bauherr oder Generalunternehmer um Ersatz, um die Wogen zu glätten, so die Sprecherin. Der Schweinfurter Fall war der Hilfseinrichtung für geleimte ausländische Bauarbeiter aber nicht bekannt. Die außergewöhnliche Hilfe eigentlich Unbeteiligter sei aber „sehr erfreulich“.