Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“ Redaktionsschluss: 13.04.2012 dialogkreis@t-online.de, www.dialogkreis.de Nützliche Nachrichten 3-4/2012 Inhalt: Erdbebenopfer in Wan: „Wir haben es geschafft am Leben zu bleiben!“ Hungersteik und KCK-Verhaftungen Offener Brief von Desmond Tutu an den Europarat Erneute Verhaftungen von Gewerkschafterinnen Sexueller Missbrauch von Kindern im Gefängnis Pozanti Doppelt so viele politische Gefangene Pro Asyl: Verschärfte Menschenrechtslage in der Türkei 8.-März-Botschaften von Frauen aus den Gefängnissen Newroz 2012: Trotzt Verbotes gingen Millionen von Kurden auf die Straßen Der Friedensrat: Das blutigste Newroz seit über 20 Jahren Häuser von kurdischen Aleviten markiert Frauenkooperative in Gewer eröffnet „Ihr seid alle Armenier,ihr seid alle Bastarde!“ Auswärtiger Ausschuss empfing syrische Kurden PYD: Wir entwickeln alternative Strukturen in Syrien Erfolgreicher Protest in Deutschland: Erdogan blieb zu Hause Berufsverbot für den Kurden Ayata Petition an die UNESCO zum Ilisu-Staudamm Urgent Action: KDV Halil Savda weiterhin in Haft Bildungsreise nach Hakkari und Van Überwachung von AZADÎ durch den Verfassungsschutz war rechtswidrig Fortbildung kurdisch-Lektoren und Lehrkräfte www.lerne-kurdisch.de Hinweis auf sonstige Infostellen Die aktuelle Reportage Erdbebenopfer in Wan: „Wir haben es geschafft am Leben zu bleiben!“ Gulê Çinar-Sahin Auf die Frage, wie es ihnen gehe, sagte die 50-jährige Narê: „Wir haben es geschafft am Leben zu bleiben.“ Narê und ihre 8-köpfige Familie lebt in einem Zelt, in dem armen Wohnviertel von Süphan. Narê bittet uns herein. Das Zelt ist provisorisch aus Plastikplanen zusammengestellt. Auf dem Zeltboden gibt es keine Isolierung. Es wurde lediglich ein dünner Teppich ausgebreitet. Man spürt die Kälte. Das Zelt ist notdürftig ausgestattet. Es befinden sich ein paar Matratzen, Kissen und Decken, welche am Tag als Sitz- und abends als Schlafgelegenheit benutzt werden. Gewärmt wird mit einem Kohleofen. Dieser Winter sei besonders kalt gewesen. Die Kommune habe Kleidung, Decken, Ofen, Teppich und Nahrungsmittel an sie verteilt. Während sie uns Tee anbietet, sagt sie: „Gott möge die Kommune und die Partei (gemeint ist die pro kurdische Partei BDP- Partei für Frieden und Demokratie) schützen, ohne sie hätten wir nicht überlebt.“ Fünf Monate sind nach dem Erdbeben in der kurdischen Provinz Wan/Van vergangen. Viele Menschen sind obdachlos und wohnen in provisorisch erstellten Zelten. 10-15 Personen leben auf engsten Raum zusammen. Hilfsunterstützungen von der Zentralregierung in Ankara, sind sehr gering. Bei der Verteilung der Hilfsgüter wird nach Parteibuch selektiert. Dies bedeutet, dass vor allem die Menschen unterstützt werden, die der Regierungspartei AKP nahe stehen. Ca. 60% der Bevölkerung erhält keinerlei Unterstützung von der Zentralregierung. Es gibt 29 Containersiedlungen, in denen vor allem AKP-Wähler angesiedelt wurden. Sie erhalten täglich warmes Essen und andere Hilfsgüter. Aber auch aus diesen Reihen ist Kritik zu hören. Im Gespräch mit einem Containerbewohner ist seine Unzufriedenheit zu spüren. Sie hätten kein fließendes Wasser, Probleme mit der Kanalisation und die Müllbeseitigung würde nicht funktionieren. Die Bewohner hätten versucht mit dem Gouverneur zu reden, aber vergeblich. Er würde sie nicht beachten. Wir erfahren auch, dass Journalisten nicht in die Containersiedlungen rein gelassen werden. So möchte man die Berichterstattung verhindern. Auch äußerlich ähneln die Containersiedlungen einem Gefängnis. Sie sind umzäunt mit Stacheldraht und die Polizei ist stets präsent. Die Infrastruktur in vielen Vierteln ist zusammengebrochen. Wasser kann nicht abfließen. Es haben sich kleinere Seen gebildet. Überall ist Schlamm. Die Kinder sind öfters krank, sie haben Fieber, Husten und Gelenkschmerzen. Einen Arztbesuch können sich nur die leisten, die Geld haben. Die Kommune versucht mit ehrenamtlich engagierten Ärzten, dieses Problem zulösen. Der Bedarf ist aber viel höher, als es ehrenamtliche Ärzte gibt. Viele Menschen sind traumatisiert. Vor allem machen die Nachbeben den Menschen große Angst (bis zur 4,8 auf der Richterskala, auch im April 2012). Deshalb schlafen viele in ihrer Kleidung. Vier Nachbeben konnten wir innerhalb einer Woche miterleben. Kinder haben Angst alleine zu schlafen. Viele von ihnen sind bis spät in die Nacht wach. Die große Angst der Kinder ist auf den Bildern, die sie gemalt haben, zu sehen. Die Kommune hat in 5 Bezirken Zelte mit Erzieherinnen bereitgestellt. Es wird gemalt, gespielt, gebastelt und gesungen. Je Zelt nehmen 20-30 Kinder täglich dieses Angebot in Anspruch. Um die Arbeit besser koordinieren zu können, wurden von der kurdischen Kommune Kommissionen in 5 Stadtbezirken eingerichtet. Diese Kommissionen sind für die Belange und Bedürfnisse der Bevölkerung zuständig. Die Hilfsgüter und finanzielle Möglichkeiten der Kommune sind gering. Der erste große Bedarf konnte durch die Unterstützung der anderen kurdischen Kommunen und Hilfsorganisationen aus dem Ausland gedeckt werden. Die Kommissionen arbeiten rund um die Uhr. Täglich kommen Hunderte von Menschen zum Zelt, um für ihr Leid und ihre Bedürfnisse eine Antwort zu finden. Niemand wird weggeschickt. Wegen der geringen finanziellen Mittel stoßen die Mitarbeiter an Grenzen. Die Mitarbeiter gehen sehr behutsam und respektvoll mit den Menschen um, obwohl diese manchmal beleidigend werden und die Mitarbeiter persönlich angreifen. Es herrscht ein einjähriges Bauverbot. Die Menschen werden auch im Winter 2012/2013 in ihren provisorischen Zelten verbringen müssen. Das Ziel der Zentralregierung ist es, die Bewohner, die in den letzten 20 Jahren nach Wan gekommen sind, in Plattenbauten (Toki - Housing Development Administration of Turkey) anzusiedeln und somit die Kontrolle über sie zu erhöhen. Dieser Plan der AKP-Regierung wird vermutlich nicht aufgehen, denn die überwiegende Mehrheit der Menschen in Wan sind Bauern. D.h. sie brauchen ihren Garten für Obst- und Gemüseanbau und für die Viehhaltung. Die Einwohnerzahl von Wan betrug 600.000. Nach dem zweiten Erdbeben am 9.11.2011 sind viele zu ihren Verwandten in die benachbarten kurdischen Städte und in den Westen geflohen. Zurückgeblieben sind die Ärmsten der Armen ca. 200.000. Seit März 2012 kommen die Menschen wieder zurück. Nach Angaben der Kommune lebt 60% der Bevölkerung wieder in Wan. Auf die Frage wie die derzeitige Situation in Wan sei, sagt Selim Bozyigit, stellvertretender Bürgermeister von Wan: „Die Menschen hier haben vor allem wirtschaftliche, soziale und psychische Probleme. Wir versuchen Hilfe zu leisten. Aber unseren Ressourcen sind sehr knapp. Von der Zentralregierung erhalten wir keinerlei Hilfestellung. Wir versuchen unsere Menschen so gut wie möglich zu unterstützen. Die Mittel sind gering. Es fehlt weiterhin an Lebensmitteln, Kleidung, finanziellen Mitteln, Baufahrzeuge und Zubehör. Die Unterstützung aus dem Ausland ist sehr wichtig für uns. An dieser Stelle möchte ich mich, in Namen der Kommune, bei Pro Humanitate für ihre Unterstützung bedanken. Diese Unterstützung ist für uns sehr wertvoll“. Abschließend ist festzuhalten: Bis Juni werden voraussichtlich alle Bewohner von Wan zurückkommen. Die Infrastruktur ist zerstört. Um diese zu beheben fehlt es an Fahrzeugen und finanziellen Mitteln. Die Menschen werden auch nächsten Winter in den Zelten verbringen müssen, Kinder werden krank werden und sterben. Die Zentralregierung in Ankara wird den Aufbau in Wan nicht unterstützen. Auch heute, nach 5 Monaten, wird nach dem Parteibuch selektiert. Protesten wird mit Tränengas und Knüppeln begegnet. Beeindruckend sind die Hilfeleistung der anderen kurdischen Kommunen und die Solidarität der kurdischen Bevölkerung aus anderen Städten. Beeindruckend ist auch die Arbeit der Kommissionen in den Stadtbezirken. Beeindruckend sind auch die Menschen, die trotz ihrer Notlage lächeln und Stärke zeigen. Ein 60-jähriger Kurde sagte mir: „Egal was kommt, ob Erdbeben, Verhaftungen oder Folter - wir geben nicht auf!“ Pro Humanitate hat mit finanzieller Unterstützung von Caritas- Deutschland, der Missionszentrale der Franziskaner, des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) und des Päpstliches Kindermissionswerk vom 31.3.-7.4.2012 insgesamt 58,9 Tonnen Lebensmittel in 5 Stadtbezirken von Wan verteilt. 1900 Familien haben Reis, Speiseöl, Zucker, Linsen, Weizengrütze, Nudeln und Tomatenmark erhalten. Die Listen der notbedürftigen Familien wurden mit den Kommissionen in den 5 Stadtbezirken zusammen erstellt. Auch Sie können helfen! Mit einer Spende von etwa 35 Euro können Sie eine Familie mit Lebensmitteln (je 5 kg Reis, Speiseöl, Zucker, Nudeln, Linsen und Weizengrütze und 1 kg Tomatenmark) unterstützen. Helfen Sie mit, damit Not und Leid der Erdbebenopfer gelindert und Brücken der Freundschaft errichtet werden. Spendenkonto: Pro Humanitate e.V., Konto: 10 26 25 33, BLZ: 370 501 98 bei der Sparkasse KölnBonn. (Spenden sind steuerlich abzugsfähig), pro-humanitate@t-online.de Ereignis-Kalender Hungersteik und KCK-Verhaftungen Bis vor 3 Jahren hat man die der Staatsideologie quer kommenden Parteien einfach verboten. Die pro-kurdischen Parteien HEP, DEP, HADEP, DEHAP, DTP und die islamische Refah-Partei usw. Mittlerweiler scheint es aber, dass die türkische Politik und Justiz dazu gelernt haben. Um ein Verbot einer legalen Partei zu umgehen, versuchen sie nun seit drei Jahren, diese Parteien durch Verhaftung ihrer Kader und Funktionäre zu lähmen. Seit April 2009 haben wir eine massenhafte Verfolgung der kurdischen Aktivisten zu beobachten. Laut Angaben des Vorsitzenden der BDP (Partei für Frieden und Demokratie) sind über 6.300 Menschen verhaftet. Unter den Verhafteten befinden sich 6 gewählte Parlamentarier; 31 Bürgermeister und 12 stellvertretende Bürgermeister (1/3 der Bürgermeister); 94 Journalisten, 36 Rechtsanwälte; 183 Vorstandsmitglieder der Kreise; 28 Mitglieder des Hauptvorstandes, darunter 6 Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes und 2 stellvertretende Ko- Vorsitzende der BDP. Opfer dieser Willkür waren auch namhafte türkische Wissenschaftler und Menschenrechtler wie Prof. Dr. Busra Ersanli und Ragip Zarakolu. (Hasan Cemal, Milliyet, 17.2.12) Die Wahlsiege bei den Kommunalwahlen im März 2009 und der Parlamentswahlen im Juni 2011 der kurdischen Parteien (DTP und BDP) waren das Werk dieser verhafteten Politiker. So wurden die Hauptakteure dieser Siege mit einem Schlag ausgeschaltet. Die Gefangenen lehnen ab, Aussagen in Türkisch zu machen. Obwohl im Lausanner Friedensvertrag von 1923, der als Gründungsvertrag der Türkei gilt, das Recht des Gebrauchs der Muttersprachen vor Gerichten und in Schulen allen Bürgern zusteht, verbietet die Türkei im Jahre 2012 Kurdisch vor Gerichten zuzulassen. Unbefristeter Hungerstreik Um gegen die Willkür der Staatsmacht, die Verhaftungen und Isolation des PKK-Vorsitzenden Öcalan seit Juli 2011, zu protestieren und den Weg zu einem Dialog für eine politische Lösung der Kurdenfrage zu ebnen, befinden sich seit 15. Februar 2012 über Tausend kurdische Gefangene darunter vier inhaftierte Parlamentarier in einem unbefristeten Hungerstreik. Außerdem führten die gesamte Fraktion der BDP im Parlament sowie alle Bürgermeister zwei Tagelang einen Solidaritätshungerstreik durch. Auch in Europa macht sich eine Solidaritätsbewegung breit. Seit dem 1. März befinden sich 15 kurdische Aktivisten in einem unbefristeten Hungersteik in Straßburg. Die europäischen Staaten, die Protestierende in Ägypten, Libyen, Tunis und Syrien unterstützen, sehen die von Millionen getragenen Proteste in der Türkei auch im Jahre 2012 nicht. Unter folgender Internetadresse finden Sie eine Petition an den Generalsekretär des Europarats Thorbjørn Jagland: http://www.petitions24.net/soutenir_les_grevistes_de_la_faim_kurdes In der Petition wird dazu aufgerufen den Hilferuf der kurdischen Bevölkerung auch in Europa wahrzunehmen und in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu diskutieren. Offener Brief von Desmond Tutu an den Europarat Der Friedensnobelpreisträger und ehemaliger Erzbischoff von Südafrika Desmond Tutu hat den Generalsekretär des Europarates Thorbjørn Jagland aufgefordert, auf die Forderungen der Hungerstreikenden zu reagieren und somit dazu beizutragen, dass die Hungerstreiks in den Gefängnissen der Türkei und in Straßburg ein Ende finden. Wir dokumentieren den Brief des Friedensnobelpreisträgers: FriedensnobelpreisträgerInnen sind gegen den Krieg. Wir arbeiten für den Frieden und wollen, dass alle militärischen und politischen Auseinandersetzungen ein Ende finden. Unsere Hoffnung ist, dass in Zukunft alle Menschen über gleiche Rechte und Freiheiten verfügen. Seit Jahren verfolgen wir die ausufernden Gefechte in der Türkei, die aus der ungelösten kurdischen Frage herrühren. Wie traurig ist doch, dass bei diesen Gefechten tausende Türken und Kurden, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, ums Leben gekommen sind. Deshalb ist es unser dringlichster Wunsch, dass die internationale Gesellschaft, sowie die Institution, welche Sie repräsentieren, Bemühungen dafür aufbringen, dass beide Seiten eine demokratische und friedliche Lösung finden. Es ist wichtig, dass die gesellschaftliche Atmosphäre in der türkischen Gesellschaft sich zu einer Friedlichen entwickelt. Für die Realisierung dessen ist ein beidseitiger Dialog unabdingbar. Abdullah Öcalan, den die Kurden als ihren Repräsentanten anerkannt haben und der bei einem möglichen Dialog Gesprächspartner wäre, sitzt seit 13 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali unter erschwerter Isolation ein. In den letzten acht Monaten konnte mit Herrn Öcalan weder durch seine Anwälte noch durch seine Familie ein Kontakt aufgebaut werden. Diese Situation beunruhigt die Kurden sehr. Um die Aufmerksamkeit auf diese beunruhigende Situation zu lenken, hat das kurdische Volk zum Mittel der Hungerstreiks gegriffen. Wir glauben daran, dass das CPT, als eine dem Europarat angehörige Institution, auf einige der nur allzu menschlichen Sorgen der Kurden, eine Antwort sein kann. Deswegen wollen wir von Ihnen, dass Sie ihren Anteil für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben des türkischen und des kurdischen Volkes einbringen. Wir bedanken uns bereits im Voraus für jegliche Schritte Ihrerseits, die dazu beitragen werden, eine Antwort auf die politischen Forderungen des kurdischen Volkes zu geben. Gott möge Sie schützen. Desmond Tutu (ANF, 13.4.12) Erneute Verhaftungen von Gewerkschafterinnen Am Morgen des 13 Februar 2012 wurden in Ankara die Büros des Dachverbandes der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, KESK, sowie die Büros der Gewerkschaften SES (Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen) und TÜM BEL SEN (Gewerkschaft der Kommunalangestellten) von Polizeikräften durchsucht und 15 Frauen verhaftet. Unter den Inhaftierten sind auch Kolleginnen der Bildungsgewerkschaft Egitim Sen, zu der die GEW enge Beziehungen unterhält. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder der KCK zu sein, einer angeblichen Tarnorganisation der verbotenen kurdischen Arbeiterpartie PKK. Die GEW und die Bildungsinternationale hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach gegen die politisch motivierten Verhaftungen von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in der Türkei protestiert und verschiedentlich Prozessbeobachter zu Gerichtsverhandlungen entsandt – bisher leider ohne Erfolg. Erst Ende November 2011 waren 25 Kolleginnen und Kollegen der KESK und Egitim Sen zu langen Gefängnisstrafen von sechs Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Die jetzt verhafteten Frauen befanden sich in Vorbereitung des Internationalen Frauentags am 8. März. Nach Meinung des KESK Generalsekretärs Ismail Hakki Tombul besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den Verhaftungen und ihrem Engagement für Frauenrechte in der Türkei. Die KESK- Frauenkonferenz hatte kürzlich eine Resolution verabschiedet, in der gefordert wird, den 8. März zum offiziellen Feiertag zu machen und dafür auch zu streiken. Der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne verurteilt die neuerlichen Verhaftungen und die fortgesetzte Repression gegen Gewerkschaften in der Türkei: „Wir fordern die Freilassung der Inhaftierten, Respekt vor Menschen- und Gewerkschaftsrechten und eine Aufhebung der unwürdigen Gerichtsurteile gegen aktive Gewerkschafter.“ Die GEW ruft zu Protesten bei der türkischen Regierung in Ankara und bei der Botschaft der Türkei in Berlin auf: www.gew.de/Tuerkei_Erneute_Verhaftungen_von_Gewerkschaft erinnen.html Manfred Brinkmann - GEW Hauptvorstand - Referent für Internationales, manfred.brinkmann@gew.de Sexueller Missbrauch von Kindern im Gefängnis Pozanti Das Unabhängige Netzwerk BIA meldete am 27. Februar 2012, dass Berichten zufolge jugendliche Gefangene im M-Typ- Gefängnis von Pozanti bei Adana sexueller Gewalt ausgesetzt worden seien. Die betreffenden Jugendlichen waren aus politischen Gründen inhaftiert aber zusammen mit Gefangenen in Zellen untergebracht worden, die aus nicht-politischen Gründen verurteilt worden waren. Das Gefängnis Pozanti habe schon in vorhergegangenen Jahren Schlagzeilen wegen Misshandlung von Jugendlichen gemacht. Über die neuen Vorwürfe berichte ein Artikel der Reporterin der DIHA-Nachrichtenagentur Zeynep Kuris, der kürzlich in der Tageszeitung Evrensel veröffentlicht wurde. Nach der Aussage des 15-jährigen H.K., der vier Monate im Gefängnis Pozanti verbrachte, seien einige seiner Freunde von gewöhnlichen Strafgefangenen Dutzende Male vergewaltigt worden. Ihre Erfahrungen könnten nicht beschrieben werden. H.K. erklärte, dass keiner der Verurteilten im Flur B-4 ein politischer Gefangener gewesen sei. Die Gefangenen seien zumeist wegen Mord, Diebstahl und Drogeneinnahme inhaftiert gewesen. Er sei Zeuge von Dutzenden Fällen von Vergewaltigung und sexueller Drangsalierung im Gefängnis gewesen. Der 17-jährige S.A. berichtete, dass er von der Polizei festgenommen worden sei, als in seiner Nachbarschaft eine Demonstration stattfand. Er sei von der Polizei geschlagen worden. Er habe an dem Tag Werbematerial einer Agentur verteilt. Er habe gefragt: „Warum? Wofür? Ich habe nicht verstanden, wessen Namen sie wollten.“ S.A. sei dann inhaftiert und in das Gefängnis Pozanti gebracht worden. S.A. habe berichtet, dass er dort sehr schlimme Dinge erlebt habe. Die Gefangenen hätten ein Seil um seinen Hals gelegt und zugezogen. Sie hätten sie geschlagen und ihn einen Terroristen genannt. Sie hätten ihn geschlagen, wenn er sich weigerte, die Fahne zu küssen. S.A. berichtete, er sei immer noch nicht in der Lage sei, sich von den Auswirkungen des Erlebten zu befreien. Er gab an, dass viele seiner Freunde nach ihrer Freilassung aus Scham nicht in der Lage waren, in das normale Leben zurückzukehren. S.A. berichtete, dass sie die Gefängnisverwaltung mehrere Male über die Lage informiert hätten, die Verwaltung jedoch nichts unternommen habe. Er blieb zwei Monate im Gefängnis Pozanti und wurde vor einem Monat freigelassen. Sie hätten gefordert, in andere Zellen verlegt zu werden, aber ihren Forderungen sei nicht nachgegangen worden. Der 17-jährige A.K. berichte, wie er in Polizeihaft genommen wurde. Als er auf dem Heimweg von der Arbeit war, beobachtete er eine Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Polizisten. Er war von einer Gasbombe in Mitleidenschaft gezogen worden und versuchte sich durch die Flucht in ein nahegelegenes Haus zu retten. Die Polizei drang in das Haus ein und brachte ihn auf das Dach, wo sie ein Palästinensertuch um seinen Hals banden und Fotos von ihm machten. Die Polizei sagte zu ihm, er sei ein Demonstrant. Er musste in ein Polizeifahrzeug steigen, in dem er mit einem Gewehrkolben geschlagen wurde. A.K. wurde unter verschiedenen Beschuldigungen inhaftiert und in das Gefängnis Pozanti gebracht. A.K. sagte, im Gefängnis sei das dringendste Problem der sexuelle Missbrauch gewesen. Aber er berichtet auch über andere Probleme, die er im Gefängnis erlebte. „Die Verurteilten zwangen unsere Freunde, mitten in der Nacht aufzustehen. Sie zerbrachen ihre Köpfe vor unseren Augen. Aber die Gefängnisverwaltung versuchte immer die Vorfälle zu vertuschen.“ Didem Gediz Glegen Türkmen ist Allgemeinärztin am Beratungszentrum der Mittelmeer-Stadtverwaltung. Sie wandte sich nach ihren Gesprächen mit den Jugendlichen, die Unterdrückung und Gewalt im Gefängnis Pozanti erlebt hatten, an die Menschenrechtsstiftung der Türkei. Sie sieht es als dringend notwendig an, dass die Jugendlichen beraten und unterstützt werden. Auf der anderen Seite vertrauen die Jugendlichen niemandem. Einige der Jugendlichen begannen sich nach psychologischer und sozialer Unterstützung durch die Menschenrechtsstiftung der Türkei während der Gespräche ein wenig mehr zu öffnen. Türkmen sagte: „Ein Jugendlicher berichtete uns zum Beispiel, dass ein sehr junges Kind in das Bett eines Flurmanagers gezwungen wurde und wie er seine Ohren schloss, um nicht die Schreie des Kindes zu hören. Diese Ereignisse haben tiefe Verletzungen in ihren Seelen zurückgelassen und sie verursachen tiefe Wunden in den Beziehungen untereinander und mit der Außenwelt.“ Türkmen hob hervor, dass die Jugendlichen auch Schwierigkeiten haben, das Erlebte ihren Eltern mitzuteilen. Deshalb würde die Identität der Jugendlichen nicht mitgeteilt und die Untersuchungen würden anonym durchgeführt. Auf Nachfragen nach dem Bericht von Zeynep Kuris habe der stellvertretende Direktor des Gefängnisses Pozanti am Telefon alle Beschuldigungen zurückgewiesen. Diese Art von Beschuldigungen würden ständig berichtet, sie würden jeder Grundlage entbehren. (info@tuerkeiforum.net; www.tuerkeiforum.net) Doppelt so viele politische Gefangene Türkischer Justizminister Sadullah Ergin beantwortete die Anfrage der BDP-Abgeordneten Pelvin Buldan und gab die Zahl der gefangenen Kinder bekannt. Laut der Bekanntmachung saßen in 2005 17 Kinder in Gefängnisse, 2010 waren es 1023 Kinder. Besonders in 2009 wurde im Rahmen der sogenannten KCK- Operationen hat sich die Zahl der politischen Gefangenen verdoppelt. In 2005 wurden 14035 Männer und 2205 Frauen angeklagt, 2006 waren es 20308 Männer und 2511 Frauen, in 2009 47693 Männer und 5593 Frauen, 2010 56237 Männer und 6880 Frauen. In 2005 wurden 2314 Männer und 411 Frauen zu Haftstrafen verurteilt. In der darauf folgenden Jahren sieht der Bilanz wie folgt aus: • 2006: 3355 Männer, 374 Frauen • 2007: 5284 Männer, 647 Frauen • 2008: 5423 Männer, 649 Frauen • 2009: 8299 Männer, 912 Frauen • 2010: 8686 Männer, 1206 Frauen Laut den bekanntgegebenen Informationen ist die Zahl der politischen Kindergefangenen sehr auffällig. Diese Kinder sitzen in den Gefängnissen, weil ihnen vorgeworfen wird Polizisten mit Steinen beworfen oder an unerlaubten Protestaktionen teilgenommen zu haben. 2005 wurden 78 Kinder wegen politischer Tätigkeiten freigesprochen und 17 Kinder kamen in Haft, 2006 bekamen 14 von den festgenommenen Kinder Haftstrafen und 67 Kinder wurden freigesprochen, 2007 kamen 47 Kinder in Haft und 97 Kinder wurden freigesprochen, in 2008 kamen 36 Kinder in Haft und 122 Kinder wurden freigesprochen, 2009 1105 Kinder kamen in Haft und 1144 wurden freigesprochen und 2010 bekamen 1023 Kinder Haftstrafe, 857 wurden freigesprochen. Der Justizminister Ergin gab keine Angaben für die Jahre 2011. (ANF, 19.2.12, ISKU) Pro Asyl: Verschärfte Menschenrechtslage in der Türkei Die Menschenrechtslage in der Türkei verschärft sich. Zurzeit besonders betroffen: Journalistinnen und Journalisten. Nach einer Liste des unabhängigen Medienportals Bianet sitzen aktuell 104 Journalisten in türkischen Gefängnissen, mit einer Ausnahme alle wegen angeblicher Verstöße gegen das türkische Antiterrorgesetz. 64 der Inhaftierten sind Kurden. Özlem Agus, eine 21jährige Journalistin der Nachrichtenagentur Dicle wurde nach einer Enthüllungsreportage eingesperrt. Thema waren Minderjährige, die in türkischen Gefängnissen mutmaßlich Opfer schwerer Misshandlungen und sexuellen Missbrauchs wurden, was amtlicherseits ignoriert wurde. Nach einer Rangliste der Organisation Reporter ohne Grenzen sei die Türkei in Sachen Pressefreiheit durch ihr immer rigideres Vorgehen gegen Journalisten inzwischen auf den Platz 148 weltweit abgerutscht. (http://www.proasyl.de/de/news/newsletter-ausgaben/nl2012/ newsletter-nr-180/#c15440) 8.-März-Botschaften von Frauen aus den Gefängnissen Laut den aktuellen Statistiken der BDP begingen 429 politische Aktivistinnen den Weltfrauentag vom 8.März in Haft. Mit Selma Irmak und Gülser Yildirim sind zwei von ihnen gewählte Parlamentarierinnen. Dazu kommen mit Ex-Abgeordnete Fatma Kurtalan eine stellvertretende Vorsitzende der Partei und vier gewählte oder ehemalige Bürgermeisterinnen – Die Bürgermeisterin von Wêransar (Viransehir) Leyla Güven, ehemalige Bürgermeisterin von Wan (Van) Bostaniçi Gülcihan Simsek, die durch den Staat ihres Amtes enthobene Bürgermeisterin von Gewer (Yüksekova) Ruken Yetiskin, und die Bürgermeisterin von Dêrika (Derik) Belediye Çaglar Demirel. Unter den weiteren inhaftierten Aktivistinnen befinden sich Partei- und Kreisvorstandsmitgliederinnen, Journalistinnen, Gewerkschaftlerinnen, Akademikerinnen und Anwältinnen. Doch die bewussten Angriffe des Staates, gerade gegen weibliche Aktivistinnen, tragen nicht dazu bei, dass die Frauen in ihrem Widerstand geschwächt werden. Im Gegenteil, die die vermehrte Beteiligung der Frauen am Ort des radikalen Widerstands auf der Straße, ist unverkennbar. Und auch im Gefängniswiderstand ist Frau aktiv. In einer gemeinsamen Erklärung mehrerer inhaftierter Aktivistinnen, darunter türkischstämmige Prof. Dr. Büsra Ersanli, die Journalistin Zeynep Kuray und Fatma Kurtalan, an die Nachrichtenagentur ANF, haben sie Bezug zur Bedeutung des 8.Märzes genommen. Hier einige kurze Statements der Frauen: Prof. Dr. Büsra Ersanli: Die kurdische politische Bewegung, konkret die BDP mit ihrer Wertlegung auf die Geschlechterquote, hat den Freiheitskampf der Frau für die Türkei und die gesamte Welt sichtbar gemacht. Fatma Kurtalan: Unser Aufschrei nach Freiheit wird auch diese Wände, die uns umgeben, niederreißen. Und der Funke einer friedlichen Zukunft wird uns erhellen. Ayse Berktay (Dolmetscherin): Der 8.März ist unser Widerstand gegen die männliche Herrschaft, gegen die Ungerechtigkeit, gegen die Verleugnung und Ausbeutung. Sakine Güven (Friedensmutter): Dass unser Körper hier in Gefangenschaft ist hindert uns nicht daran, dass unser Geist am 8.März mit den Frauen da draußen die Plätze füllt. Hatice Vural (Stadträtin): Genau mit derselben Begeisterung wie unsere Genossinnen da draußen, werden wir hier den 8.März begehen. Hediye Aksoy (Krebskranke Inhaftierte): Für mich ist der 8. März der Kampf um meine Existenz. Er ist mein Widerstand, meine Kraft zum kämpfen. Die eigentliche Freiheit wird ihren Sinn durch uns Frauen erhalten. Lütfiye Gürbüz (Friedensmutter): Unsere Begeisterung und unsere Moral hat unter Beweis gestellt, dass der Ort, an dem wir uns befinden, für uns keinerlei Bedeutung hat. (YÖP, 8. 3.12) Newroz 2012: Trotzt Verbotes gingen Millionen von Kurden auf die Straßen Ein Toter, mehrere Schwerverletzte Durch ein kurzfristiges Verbot der Newrozfeiern in Istanbul, Diyarbakir und weiteren Städten sowie die "Anordnung" das Fest lediglich am 21.03 feiern zu dürfen, streben die türkischen Behörden eine Eskalation der Situation an. In den letzten Jahren waren die kurdischen Neujahrsfeste in der Woche um den Newroztag, den 21.03. genehmigt worden, um der Bevölkerung das Feiern auch am Wochenende zu ermöglichen. Aufgrund dessen verliefen sie friedlich. Filmisch wurde dokumentiert wie Polizei und Militär in der kurdischen Metropole Diyarbakir eine Menge von mehreren 100000 friedlich feiernden Menschen mit Wasserwerfern, Gasgranaten und aus Hubschraubern mit Tränengas angriffen. Mehrere Polizisten schossen mit scharfer Munition. Mindestens zwei Kinder erlitten schwere Verletzungen. Eines der Kinder schwebt noch in Lebensgefahr. Es kam an all den Orten zu Auseinandersetzungen, wo die Sicherheitskräfte mit Gewalt versuchten das Demonstrationsrecht der Menschen zu verhindern. "Wir haben mit eigenen Augen gesehen wie Polizei und Militär bereits am frühen Morgen sich friedlich vor dem Büro der BDP versammelnde Menschen mit Schlagstöcken und Tränengas angriff. Ungefähr eine Million Menschen ließen sich trotz der unnötigen Gewalt nicht davon abbringen, für ihre Rechte und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage zu demonstrieren" berichtet die Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Cansu Özdemir, Die Linke, aus Diyarbakir. Zusätzlich führten Sondereinheiten der Polizei Anfang der Woche in Batman, Hakkari, Van, Yüksekova, Çukurca Razzien durch. Mindestens 43 Menschen wurden festgenommen. Zeitgleich legte die Staatsanwaltschaft in Istanbul die Anklage gegen den Publizisten Ragip Zarakolu und 192 weitere Personen im Rahmen des "KCK Verfahrens" vor. Für den mittlerweile für den Friedensnobelpreis nominierten Publizisten werden zehn Jahre Haft gefordert. Für Prof. Dr. Büsra Ersanli, die die BDP vor ihrer Festnahme als Mitglied für den "Parlamentarischen Ausschuss für eine Diskussion über die Verfassungsreform" benannt hatte, forderten die Staatsanwälte 15 Jahre Haft. Die AKP Regierung versucht offensichtlich mit allen Mitteln die politische Partizipation der kurdischen Bevölkerung zu verhindern und Gewalt bei den Newrozfesten und darüber hinaus zu provozieren. Gestern (19. März) verkündete US-Präsident Obama in seiner Newroz-Botschaft: "Seit 3.000 Jahren ist Newroz für Millionen Menschen auf der ganzen Welt eine Zeit der Hoffnung." Zu dieser Hoffnung gehörte auch der Wunsch, dass dieses hohe kurdische Fest von "Mitgefühl, Familiensinn und Aufbruchsstimmung" geprägt sei und dem "Frieden und Fortschritt dienen" solle. Einen Tag später, am heutigen Dienstag (20. März), griffen türkische Sicherheitskräfte in mehreren Städten die Newrozfeiernden Menschen mit Gasgranaten, Wasserwerfern und scharfen Schüssen an. Die TeilnehmerInnen einer von der Bundestagsabgeordneten Heidrun Dittrich, Die Linke, entsandten Menschenrechtsdelegation berichten aus Yüksekova (Provinz Hakkari) nahe der iranischen Grenze, dass die feiernde Menge, in der sich die Delegation befand, von Scharfschützen auf Dächern und von Polizisten mit Maschinenpistolen angegriffen wurde. Dabei hat es neben zwei Schwerverletzten viele weitere Verwundete gegeben. "Ein Angriff der Polizei auf eine feiernde Menge mit scharfer Munition ist nicht tolerierbar. Immer wieder verletzen und töten die türkischen Sicherheitskräfte protestierende KurdInnen." Der türkischen Polizei war bekannt, dass die Menschenrechtsdelegation vor Ort befand, als sie scharfe Munition einsetzte. Wenige Meter von den MenschenrechtsaktivistInnen entfernt schlugen die Kugeln ein. "Auf diese Weise soll die kurdische Bevölkerung nahe der türkisch/irakischen Grenze sanktioniert werden, wenn internationale Menschenrechtsbeobachter anwesend sind. Und MenschenrechtsaktivistInnen aus dem Ausland sollen eingeschüchtert werden." Ebenfalls heute schlugen Polizisten den kurdischen Politiker Ahmet Turk in Batman brutal zusammen. Turk, der an einem Herzfehler leidet, liegt mit einem Schock und Verletzungen im Krankenhaus. Der Grandseigneur der kurdischen Friedens und Demokratiepartei (BDP) hatte sich bereits in den 1990er Jahren gemeinsam mit Leyla Zana für die Rechte der KurdInnen im Parlament eingesetzt. Tausende Menschen trugen heute in Istanbul den Vorsitzenden eines Stadtverbandes der Demokratischen Friedenspartei BDP, Haci Zengin, zu Grabe, der am Wochenende (18. März) von der Polizei bei Angriffen auf ein Newrozfest getötet wurde. Wir verurteilen den Einsatz von Waffen gegen Menschen, durch den bewusst schwere Verletzungen oder der Tod in Kauf genommen werden, aufs Schärfste. Von der EU und der Bundesregierung erwarten wir dass sie politische Maßnahmen zur Verhinderung weiteren unnötigen Blutvergießens unternimmt. Heidrun Dittrich, MdB, Die Linke; Andrej Hunko, MdB, Die Linke, Mitglied in der parlam. Versammlung des Europarats;Harald Der Friedensrat: Das blutigste Newroz seit über 20 Jahren Der Friedensrat der Türkei (TBM) gab eine Erklärung zu Newroz und erklärte, dass man sich gegen das neue Kriegskonzept der Regierung zur Wehr setzen muss: „Das blutigste Newroz seit über 20 Jahren fand in diesem Jahr statt. Ein Newroz, an dem Abgeordnete mit Fäusten und Gasgranaten empfangen wurden und die Schlagstöcke der Polizei das Wort hatten. Dieses Newroz erinnerte uns an das von 1992. Die Politik der AKP, alles zu verbieten, führte zur Gewalt. Allein der AKP ist der Tod und die Verletzungen von ZivilistInnen, Abgeordneten und Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes zu verdanken. Das, was wir an Newroz erlebt haben, sollte im Rahmen des neuen Kriegskonzepts betrachtet werden, das die Regierung nach den Wahlen im Sommer in Gang setzte. Der Staat hat gesehen, dass er nicht tun und lassen kann, was er will. Er hat gesehen, dass die Menschen sich nicht mit dem zufrieden geben werden, was ihnen geboten wird. Weiterhin hat die Bevölkerung gezeigt, dass es entschlossen auf der Straße Newroz feiern wird und keine Angst zeigt. Die AKP muss sehen, dass ihre Politik ins Chaos führt und davon ablassen. Die Lynchversuche an Newroz gegen die Kurden und das hassgefüllte Vokabular von Staatsangestellten bringt uns an den Endpunkt. Es sollte klar sein, dass wir uns am Anfang eines Weges befinden, bei dem es kein Zurück gibt.“ Die TBM verlangte weiterhin, dass dieses Newroz-Fest einen Wendepunkt der Politik einleiten muss: „Die Türkei muss so schnell wie möglich von diesem Weg abweichen. Militärische- und politische Operationen müssen ein Ende haben. Es muss gesehen werden, dass diese Mittel in der kurdischen Frage kein Ergebnis liefern. Der Weg zur Lösung geht über Dialog mit den jeweiligen Parteien." (ANF, 22.3.12, ISKU) Häuser von kurdischen Aleviten markiert Nachdem in den vergangenen Tagen in Adiyaman die Wohnungen und Häuser der Aleviten mit Farbe von Unbekannten markiert worden sind, kamen die Vertreter der alevitischen Verbände in Adiyaman zusammen, wo sie vor einer großen Menge eine Pressekonferenz veranstalteten. Sie forderten die staatlichen Behörden auf, sofort die Leute zu finden, die hinter dieser Aktion stecken. Auf der Pressekonferenz, auf der die Regierung für ihre Reaktion auf die Markierungen der Wohnungen und Häuser alevitischer Kurden heftig kritisiert worden ist, nahmen Vertreter verschiedener alevitischer Verbände aus Adana, Mersin, Antep, Malatya, Urfa, Kozan, Elazig und Ankara teil. Bezugnehmend auf die Erklärung des türkischen Innenministers Idris Naim Sahin, dass diese Markierungen das Werk irgendwelcher Kinder sei, sprach der Vorsitzende der Alevi Bektasi Föderation Selahattin Özel folgende Worte: „Sie sagen, Kinder hätten die Häuser markiert. Als in Semdinli eine Handgranate in den Umut Buchladen geworfen wurde, hieß es auch, die Täter seien gute Jungs. Auch als Hrant Dink ermordet wurde, hieß es der Täter sei bloß ein Kind. Was für Kinder sind diese? Wir wollen wissen wer diese Kinder sind und wer diese Kinder beauftragt, solche Sachen zu machen! Und wir werden als Vertreter der alevitischen Organisationen das bis zum Ende verfolgen.“ Auf der Pressekonferenz riefen die anwesenden Mengen immer wieder Parolen, in denen sie aussagten, dass sie kein zweites Maras zulassen werden. In Maras wurden im Dezember 1978 ebenfalls nach Nazimanier die Häuser und Wohnungen kurdischer Aleviten markiert. Anschließend fanden durch die faschistischen Paramilitär der Grauen Wölfe in Zusammenarbeit mit den türkischen Sicherheitskräften Pogrome gegen die alevitische Bevölkerung statt. Genau Opferzahlen des MarasMassakers wurden nie bekannt gegeben. Aber Schätzungen über die Todeszahlen des Marasmassakers reichen von über 100 bis zu mehreren Hundert. Auch in Erzincan kam es Ende März zu einem Eklat. Unbekannte Personen haben Häuser von einem von ausschließlich kurdischen Aleviten bewohnten Dorf mit Schriften wie ”Wir werden euch Aleviten verbrennen” beschmiert. Im Landkreis Cîmîn (Üzümlü), dass im Süden der Provinz liegt und an die Provinz Dêrsim grenzt, haben bis dato noch Unbekannte im Dorf Avcilar, Häuser mit rassistischen Beschriftungen wie: ”Ungläubige Aleviten- Wir werden euch alle verbrennen” [Kafir Aleviler, hepinizi yakacagiz] beschmiert. (ANF, 3. Und 30.3.12, ISKU) Frauenkooperative in Gewer eröffnet In Gewer (Yüksekova) wurde eine Kooperative von und für Frauen eröffnet. Die Vorsitzende der Frauenkooperative Felek Isik erklärte bei der Eröffnung, dass die Arbeit von Kooperativen für die Frauen von großer Bedeutung ist. Durch die Umsetzung von verschiedenen Projekten werde der Frau durch die Kooperative die Möglichkeit gegeben am Arbeitsleben teilzunehmen. Dadurch werde die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Partizipation der Frauen im Alltagsleben ermöglicht. Während der Arbeit in der Frauenkooperative werde die Möglichkeit erschaffen das gesellschaftliche Bewusstsein und die gegenseitige Solidarität unter den Frauen zu stärken, so Isik. Der Bürgermeister von Gewer Ercan Bora erklärte bei der Eröffnung der Kooperative, dass die Arbeit von großer Wichtigkeit sei und eigentlich schon viel früher hätte aufgenommen werden müssen. Als Bürgermeister und Stadtverwaltung werde man jegliche Unterstützung der Frauenkooperative der zu Verfügung stellen, so Bora weiter. (DIHA, 23.3.12, ISKU) „Ihr seid alle Armenier, ihr seid alle Bastarde!“ Am 26. Februar 2012 kam es in Istanbul, aber auch in zahlreichen anderen Städten der Türkei sowie im Ausland (London, Brüssel, Paris, München) zu Aufmärschen aus Anlass der Einnahme der Kleinstadt Xocali (Berg-Karabach) vor 20 Jahren. Auf der Istanbuler Xocali-Kundgebung sprach unter anderem der türkische Innenminister Idris Naim Sahin. Bei dieser waren rassistische Transparente mit folgenden Aufschriften klar vorherrschend: „Ihr seid alle Armenier, ihr seid alle Bastarde“, „Wenn unsere Vorfahren einen Genozid verübt hätten, würde es heute auf der Welt keinen einzigen Armenier mehr gegeben“, „Wir werden das Land vom giftigen armenischen Blut säubern und es durch das erhabene Blut der Türken und Aserbaidschaner ersetzen.“ Gegen ihn sowie das Veranstaltungskomitee erstatteten zwei Menschenrechtsorganisationen – der Istanbuler Zweig des türkischen Menschenrechtsvereins (IHD) sowie die „Initiative Stopp dem Rassismus und Nationalismus – DurDe“ - Strafanzeige wegen Volksverhetzung und Diskriminierung nach §216 StGB (Türkei) sowie § 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Durch billigende Hinnahme trage das Kundgebungskomitee Verantwortung für dieses Bedrohungsgefühl. Die Rede des Innenministers beinhaltete im Wesentlichen die Hetze zu Hass und Vergeltung sowie eine Diskriminierung des armenischen Volks. Unter anderem hieß es darin: "Vor 20 Jahren haben Bluttrinker, Mörder, Gewissenlose, Herzlose, Feiglinge in Xocali das Blut von 603 Menschen getrunken… Dieses Blut ist an jenem Tag geflossen, aber die Rechnung bleibt offen. Solange die türkische Nation lebt, wird diese Rechnung beglichen und gerächt werden.“ Der Vorsitzende der BDP Selahattin Demirtas hat am 28. Februar bei der Fraktionssitzung seiner Partei auch die Hocali- Demonstration thematisiert. Hierbei hat er die Frage aufgeworfen: „Wie man noch davon ausgehen könne, dass der Innenminister Sahin nun nach den Vorkommnissen auf dem Taksim-Platz, überhaupt ein Interesse daran hätte die Täter und Hintermänner des Dink-Mordes aufzudecken und zu bestrafen.“ Die Demonstration hat sich zu einer rassistischen Kundgebung gewandelt und organisiert wurde das ganze vom Ministerium selbst. (Radikal.com.tr, Milliyet.com.tr, firatnews.com, taz.de, http://www.aga-online.org, 26.–29.2.12) Auswärtiger Ausschuss empfing syrische Kurden Am 2. März empfing der Auswärtiger Ausschuss des Bundestages eine Delegation der Kurden aus Syrien. Teilnehmer waren: von KNCS Dr. Kamiran Abdo und Brusk Najar, von der CDU Ruprecht Polenz (Vorsitzender), von der SPD Hans-Ulrich Klose (Stellvertreter) und Günter Gloser, von Bündnis 90/Die Grünen Kerstin Müller, von der FDP Dr. Rainer Stinner und von GfbV Dr. Kamal Sido und Maleen Schlüter. Das Treffen begann mit der Frage, inwiefern der Kurdish National Council Syria (KNCS) mit dem Syrian National Council (SNC) in Verbindung stehe, und ob es richtig sei, dass die Kurden in Syrien bisher darüber unentschlossen/uneinig seien, ob sie sich für oder gegen Assad entscheiden sollten. Letzteres wurde verneint. Laut Aussage der Vertreter des KNCS seien die Kurden bereits seit langer Zeit gegen das Regime, würden dies aber nicht durch Waffengewalt zum Ausdruck bringen. Dies könnte ein Grund dafür sein, warum sie unentschlossen wirken bzw. so dargestellt werden. In der Beantwortung der ersten Frage, die während der Diskussion immer wieder aufkam, wurde klar, dass der KNCS dem SNC gegenüber skeptisch eingestellt ist: Es sei nicht geklärt, wie sich die Lage nach der Revolution für die kurdische Bevölkerung darstellen werde und ob ihnen ihre Rechte garantiert werden könnten. Dennoch stehen die beiden Räte momentan in Verhandlungen und hoffen auf eine Einigung. Die enorme Bedeutung einer einheitlichen Opposition wurde im Verlauf des Gespräches auch von den deutschen Politikern nachdrücklich erwähnt, während aber auch deutlich wurde, dass der KNCS nicht gewillt ist, für eine „Syrische Arabische Republik“, in der die nicht-kurdische Ethnizität also bereits im Staatsnamen festgelegt ist, zu kämpfen. Weiterhin kam die Frage auf, wie eine kurdische Selbstverwaltung aussehen und ob diese grenzübergreifend sein solle, wie man mit anderen Minderheiten umgehen würde. Die Sprecher des KNCS betonten, dass sie für Syrien den Sturz des Regimes und die Entwicklung einer Demokratie einträten, die dezentralistisch und egalitär sein und die Möglichkeit zur Selbstverwaltung (ob föderal oder autonom sei noch unklar) bieten solle. Dabei ginge es zunächst um die Kurden innerhalb Syriens; staatliche Grenzen würden also nicht in Frage gestellt werden. Da die Mehrheit der Kurden keiner radikalen Strömung angehöre, sondern einen gemäßigten Islam praktiziere, sähe man keine Probleme mit den anderen Minderheiten. Auf die Frage hin, ob eine Lösung wie im Jemen, also die Verbannung des Diktators ins Exil, in Betracht gezogen werden würde, hieß es, dass dies auf jeden Fall akzeptabel sei. Der KNCS wurde von verschiedenen syrisch-kurdischen Organisationen und Parteien im Oktober 2011 gegründet. Seit dieser Gründung proklamierte eine große Mehrheit der kurdischen Bevölkerung Syriens bei verschiedenen öffentlichen Kundgebungen, dass dieser Rat die Interessen der kurdischen Bevölkerung repräsentiere. Es stünden allerdings nicht alle Kurden Syriens hinter dem KNCS. So verweigere die PYD (Partei für demokratische Einheit) ihren Beitritt zum KNCS. Die einflussreiche PYD befürchte vor allem eine Stärkung des türkischen Einflusses in Syrien. Der KNCS sei jedoch weiter bestrebt, mit der PYD eine Eignung zu finden, so dass die PYD und der KNCS gemeinsam für die Belange der Kurden in Syrien auftreten könnten. Auch kleinere kurdische Organisationen wie die von dem im Oktober 2011 ermordeten kurdischen Politiker und GfbV-Freund Maschaal Tamo gegründete kurdische Zukunftsbewegung, sollten eingebunden werden. Der SNC wurde Anfang Oktober 2011 in Istanbul gegründet. Auf Grund der starken Vertretung der Muslimbruderschaft innerhalb der Reihen des SNC befürchteten die Kurden einen zu großen Einfluss der Islamisten bei der Gestaltung eines zukünftigen politischen Systems. Auch die Tatsache, dass der SNC von den der Türkei finanziell, politisch und diplomatisch unterstützt wird, lasse den Eindruck entstehen, der SNC würde den Forderungen der Kurden nach einer Autonomie nicht ohne weiteres zustimmen. Eine kleine Fußnote: Der Kurdish National Council Syria (KNCS) entsandte Ende März 2012 eine Delegation nach Istanbul, um mit dem Nationalrat Syriens (SNC) zu verhandeln. Nach dem sie gesehen hat, dass SNC in der Kurdenfrage wie sein Schutzpatron -Türkei- keinen Schritt vorwärts tut, musste sie die Tagung verlassen. (Gesellschaft für bedrohte Völker, Dr. Kamal Sido, 2.3.12, nahost@gfbv.de, www.gfbv.de) PYD: Wir entwickeln alternative Strukturen in Syrien Burhan Ghalioun, der Vorsitzende des syrischen Nationalrats (SNC), erwähnte am 24. Februar bei einem Treffen von Vertreter der Syrien-Kontaktgruppe in Tunis zum ersten Mal die Kurdenfrage in Syrien. Zuvor erklärte das Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel, bei dem auch die PYD (Partei für demokratische Einheit) Mitglied ist, dass sie das Treffen boykottieren. Grund dafür ist, dass man bei diesem Treffen den vom Westen und der Arabischen Allianz unterstützte Nationalrat (SNC) als einzigen Vertreter des syrischen Volkes wahrnehmen möchte. Nach westlichen Berichterstattungen hieß es bei der Rede von Ghalioun, dass die Kurden ihren Platz im neuen Syrien haben werden. „Ihr werdet eure kulturellen und politischen Rechte erhalten. Wir werden die kurdische Identität respektieren. Wir garantieren euch eure Rechte.” Weiter versprach Ghalion, dass Sie eine Versöhnungs- und Gerechtigkeitskomitees gründen und Lösungskonzepte ausarbeiten werden. Darauf reagierte der Vorsitzende der Partei für demokratische Einheit (PYD) Salih Muslim: „Die Rede von Burhan Ghalioun hat für uns keinen Wert. Das sind nur leere Worte und Versprechen. In der schriftlichen Fassung der Syrien-Konferenz wurden die Kurden nicht erwähnt. Und es ist auch kein Abkommen vorhanden. Der SNC hat bis heute die Kurdenfrage kein einziges Mal erwähnt. Der SNC wird von der Türkei, den arabischen Golfstaaten und dem Westen unterstützt. Womöglich ist das nur ein taktischer Schritt, um die Kurden auf seine Seite zu bringen um sie auszunutzen. Wir wollen uns mit dem SNC treffen.” Weiter erklärte Salih Muslim, „wir sind gegen das Assad-Regime und wollen, dass es endet. Das Referendum über eine neue Verfassung boykottieren wir, weil auf keiner der Grundprobleme in Syrien sowie auf Forderungen der Kurden eingegangen wurde.” Muslim erklärte, dass sie sich mit Vertretern aus China, Russland und dem Iran getroffen haben, um über die Lage zu reden. Dabei haben wir allen Vertretern gesagt, „dass wir gegen eine Militärintervention und gegen die Bewaffnung der Opposition sind. Dies würde noch mehr Blutvergießen mit sich bringen. Wir wollen nicht, dass es dazu kommt. Zu unseren Forderungen, dass wir in Syrien ein anderes System und eine andere Regierung wollen, zeigten Sie auch Verständnis.” Dass Kurden unter der Führung der PYD ihre eigenen Strukturen aufbauen und sich organisieren sagte Salih Muslim: „Wir sind dabei, in Westkurdistan Komitees und Räte aufzubauen. Die Bevölkerung in Westkurdistan organisiert sich auf allen Ebenen. Die Dörfer und Städte bekommen wieder ihre kurdischen Namen. Unser Ziel ist es, bis Newroz (21. März) unsere Organisation und unsere Struktur zu festigen und dauerhaft zu entwickeln.” (ANF, 24./25.2.12) Erfolgreicher Protest in Deutschland: Erdogan blieb zu Hause Der Steiger Award ehrt Menschen, die sich durch Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz auszeichnen. In der Ankündigung 2012 heißt es: "Wieder einmal werden Menschen ausgezeichnet, die geradlinig ihren Weg verfolgen". In der Begründung für die Wahl Erdogans betonten die Verantwortlichen: "Seit Jahren bemüht sich S.E. Premierminister Recep Tayyip Erdogan um einen demokratischen Wandel in seinem Land.“ Aber auch: „In diesen Tagen wird deutlich, dass die Türkei eine Schlüsselrolle im Nahen Osten übernimmt. Die Türkei ist dabei von entscheidender strategischer Bedeutung. Das wirtschaftliche Potenzial der Türkei und ihre Funktion sind nicht zu unterschätzen (...).“ Wir halten die Jury-Entscheidung für einen Skandal: In Erdogans Regierungszeit hat sich die politische Situation in der Türkei vor allem in Bezug auf demokratische Standards dramatisch verschlechtert. Human Rights Watch hat im Januar einen erschütternden Bericht über die Mißachtung der Menschenrechte in der Türkei vorgelegt und spricht darin von einer Eliminierung der Meinungsfreiheit, Gewalt gegen Frauen, Massenverhaftungen, Folter, Ermordung von Gefangenen, und fordert, das Vorgehen gegen Journalistinnen, Regierungskritiker und kurdische Aktivistinnen zu beenden. Laut Nachrichtenagentur AP erfolgten weltweit die meisten Verurteilungen wegen Terrorvorwürfe nach 9/11 in der Türkei, auf Platz 2 folgt China. Was Erdogan heute lautstark dementiert, hat der türkische Innenminister Besir Atalay in einem Fernsehinterview vom 18. Dezember 2011 offen zugegeben: bei den Massenverhaftungen im Zuge der KCK-Operationen handelt sich um eine politische Operation der AKP-Regierung. In keinem Land der Erde sitzen so viele Journalisten und Schriftsteller hinter Gittern wie in der Türkei. Der Protest von Armeniern, Assyrier, Kurden, Aleviten und anderen Migrantenorganisationen gegen die Verleihung des Bochumer Steiger Award an den türkischen Ministerpräsidenten war nach Einschätzung des ZAD ein großer Erfolg: Erdogan hat seine Teilnahme abgesagt, der Stifter des Preises hat daraufhin entschieden, den Preis in der Kategorie „Europa“ ganz zurückzuziehen und diese Kategorie ersatzlos zu streichen… Wir haben gezeigt, dass wir gemeinsam mit anderen Verbänden stark sein können. Das war ein deutliches Signal an die Politik, und wir werden noch viele solcher Signale aussenden.“ Bisher wird, so der ZAD, in der deutschen Politik immer nur die offizielle Position Ankaras als Stimme der Migranten aus der Türkei wahrgenommen: „Das hat sich geändert. Ein für allemal.“ (www.zentralrat.org, www.yekkom.com, http://demokratiehintergittern.blogsport.de) Berufsverbot für den Kurden Ayata "Rassistische Sondergesetze, durch die politische Betätigung von Migranten verboten werden kann, sind undemokratisch und gehören generell gestrichen", erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Politische Betätigungsverbote nach Aufenthaltsgesetz" (Bt-Drucksache 17/8865). Jelpke weiter: "Nach Auskunft der Bundesregierung sind zurzeit 14 Personen im Ausländerzentralregister gespeichert, deren politische Betätigung nach Paragraph 47 des Aufenthaltsgesetzes eingeschränkt oder untersagt ist. Die Hälfte dieser Politikverbote wurde von Behörden in Baden-Württemberg verhängt. Davon betroffen ist seit Februar 2012 der in Stuttgart lebende kurdische Exilpolitiker Muzaffer Ayata, der nach 20-jähriger Haft 2002 aus der Türkei fliehen musste. Die Bundesregierung begrüßt in ihrer Antwort ausdrücklich den Einsatz des Instruments des politischen Betätigungsverbots durch die Länder bei der Bekämpfung der Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Während eine Unterstützung der PKK ist aufgrund des 1993 verhängten PKK- Verbots sowieso illegal ist, verbietet der vom Stuttgarter Ordnungsamt in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium verhängte Maulkorb Ayata darüber hinaus die Teilnahme an öffentlichen politischen Versammlungen und Aufzügen, die Übernahme und Ausübung von Ämtern, das Halten von Reden, die Teilnahme an Pressekonferenzen und die Veröffentlichung von Artikeln mit der kurdischen Thematik. Dies kommt einem Berufsverbot für den Schriftsteller und Journalisten Ayata gleich. Die Verbotsverfügung zählt als belastende Aktivitäten Ayatas unter anderem Vorträge zur Geschichte des kurdischen Freiheitskampfes und die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion über Friedensvorschläge für die kurdische Frage auf. Konkrete Aufrufe zur Gewalt werden weder in der Verbotsverfügung noch in der Antwort der Bundesregierung genannt. Der Maulkorb gegen Muzaffer Ayata muss weg, damit er sich in Deutschland auf legale Weise für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einsetzen kann. Anfrage und Antwort sind hier nachzulesen: www.ulla-jelpke.de Petition an die UNESCO zum Ilisu-Staudamm Anlässlich des internationalen Aktionstags (14. März) für Flüsse startet ein internationales Umwelt- und Menschenrechtsbündnis eine Petition an die UNESCO, zum Schutz möglicher Welterbestätten aktiv zu werden, die durch den Bau des Ilisu- Staudamms in der Türkei bedroht sind. Erstmalig setzen sich dabei Initiativen aus den Anrainerstaaten Türkei, Irak und Iran gemeinsam für den Erhalt ihres natürlichen und kulturellen Erbes ein. Das grenzübergreifende NGO-Bündnis wendet sich gegen die Zerstörung der 10.000 Jahre alten Stadt Hasankeyf, die im Reservoir des Ilisu-Staudamms untergehen würde, und die massiven Folgen für die Mesopotamischen Sümpfe und seine Bewohner an der Mündung des Tigris. Die Allianz wird dabei von zahlreichen Organisationen aus der ganzen Welt unterstützt, darunter der Erklärung von Bern, GegenStrömung aus Deutschland und ECA Watch Österreich. Hasankeyf und das Tigristal sind eine einmalige Kulturlandschaft und die Lebensgrundlage für zigtausende Menschen. Obwohl die Stadt unter Denkmalschutz steht, plant die türkische Regierung ihre Überflutung. Die Petition und die Liste der Unterzeichner finden sich unter http://www.change.org/petitions/unesco-world-heritagecommittee- save-world-heritage-on-the-tigris-river-inmesopotamia Jahren rund 17 Monate im Militärgefängnis zugebracht. Im Jahre 2008 wurde er dann schließlich als für den Militärdienst "untauglich" erklärt, was dazu führte, dass er nicht weiter als Kriegsdienstverweigerer strafrechtlich verfolgt wurde. Paragraph 318 des türkischen Strafgesetzbuches verstößt gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu deren Vertragsstaaten die Türkei zählt. In Artikel 10 wird das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. Amnesty International hat bereits mehrfach die Abschaffung von Paragraph 318 gefordert. Empfohlene Aktionen von Amnesty International: Schreiben Sie bitte Faxe, E-Mails oder Luftpostbriefe an: • Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, Türkei, Fax: (0090) 312 422 1899 • Justizminister Sadullah Ergin, Adalet Bakani, Adalet Bakanligi, 06659 Ankara, Türkei, Fax: (0090) 312 417 7113, ozelkalem@adalet.gov.tr oder sadullahergin@adalet.gov.tr • Kopien an Botschaft der Republik Türkei, Hüseyin Avni Karslioglu, Rungestraße 9, 10179 Berlin, Fax: 0302759 0915, botschaft.berlin@mfa.gov.tr oder turk.em.berlin@t-online.de Unterstützen Sie Halil Savda, indem Sie ihm auf Englisch oder Türkisch schreiben und Ihre Solidarität bekunden: Halil Savda, Dogubeyazit Kapali Cezaevi, Dogubeyazit, Agri, Türkei. (info@amnesty-tuerkei.de, www.amnesty-tuerkei.de) Urgent Action: KDV Halil Savda weiterhin in Haft Bildungsreise nach Hakkari und Van Der Menschenrechtsverteidiger Halil Savda wurde am 15. März in ein anderes Gefängnis verlegt. Er hat bisher 28 Tage seiner 100-tägigen Haftstrafe abgeleistet. Grund für die Verurteilung war sein öffentlicher Einsatz für Militärdienstverweigerer. Amnesty International betrachtet Halil Savda als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Halil Savda wurde während eines Besuchs im Bezirk Dogubeyazit in der Provinz Agri im Osten der Türkei am 24. Februar um sechs Uhr morgens festgenommen. Wegen eines Verstoßes gegen Paragraph 318 des türkischen Strafgesetzbuchs, der die "Entfremdung der Bevölkerung vom Militärdienst" unter Strafe stellt, war er 2008 zu einer 100-tägige Haftstrafe verurteilt worden. Grund für die Verurteilung war sein Einsatz für zwei israelische Militärdienstverweigerer im Jahre 2006. Im Februar 2011 informierte man Halil Savda darüber, dass das Urteil gegen ihn im November 2010 durch das Oberste Berufungsgericht der Türkei aufrechterhalten wurde. Er musste die Strafe jedoch erst am 24. Februar 2012 antreten. Halil Savda droht eine weitere sechsmonatige Haftstrafe, zu der er im Juni 2010 wegen des Verstoßes gegen Paragraph 318 verurteilt wurde. Über die eingelegten Rechtsmittel hat das zuständige Berufungsgericht noch nicht entschieden. Es liegen derzeit noch zwei weitere Anklagen gegen Halil Savda wegen des Verstoßes gegen Paragraph 318 vor. Nachdem Halil Savda 2004 die Ableistung des in der Türkei verpflichtenden Militärdienstes abgelehnt hatte, ist er schon mehrfach festgenommen worden. Insgesamt hat er wegen des Verweigerns des Kriegsdienstes über einen Zeitraum von fünf Die Stadt Hakkari (kurdisch: Colemerg) in der gleichnamigen Provinz im Südosten der Türkei, hat ca. 78.000 Einwohner und liegt 1639 Meter über dem Meeresspiegel. Das Programm unserer Bildungsreise 2012 haben wir mit unserem lokalen Kooperationspartner, der Universität Hakkari, zusammengestellt. Es beinhaltet u.a. ---den Besuch verschiedener historisch bedeutsamer Plätze und Bauten im Stadtzentrum von Hakkari, • die Teilnahme an einer von der Universität durchgeführten Konferenz über Literatur, Bildung und Kultur der Region einschließlich einer „Nacht der Liedermacher“, • eine Wanderung zum armenisch-christlichen Kloster • Exkursion nach Koçanis, Besuch des Berçelan-Plateau und des See Seyitxan • Exkursion und Besuche der christlichen Kirchen in Semdinli und Marsalita • Exkursion nach Van und zur Insel Akdamar (Vansee) • Gespräche und Besuche bei lokalen Vertretern von Politik, Wirtschaft und Verwaltung Reisedaten: 28. Mai – 6. Juni 2012, Kosten: 700 – 800 Euro Veranstalter: Bonner Instituts für Migrationsforschung, kuecherer@bimev.de, Überwachung von AZADÎ durch den Verfassungsschutz war rechtswidrig Gestern (22. März) entschied die erste Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin, dass die sich über zwei Jahre hinziehende nachrichtendienstliche Überwachung des Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rechtswidrig war. Im Juli 2009 – fast zehn Jahre später - hatte das BfV den Verein darüber informiert, dass von Februar 1998 bis Juli 2000 der Postverkehr von AZADÎ kontrolliert worden und ab September 1999 die Überwachung der Telefonkommunikation hinzugekommen sei. Das VG entschied nun, dass es bei der gesetzlichen Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen durch das Bundesinnenministerium und die parlamentarische G-10Kommission gravierende Mängel gegeben habe. Im konkreten Fall war AZADÎ juristisch nur Nebenbetroffener, weil sich die eigentlichen Überwachungen gegen eine befreundete Person richteten, die seinerzeit einen Untermietvertrag im AZADÎ-Büro hatte. AZADÎ wendet sich in scharfer Form generell gegen die Überwachung linker Strukturen durch den Verfassungsschutz. Die nun nachträglich als illegal eingestuften Maßnahmen quasi als Nebenprodukt anderer Ermittlungen wiegen umso schwerer, da wir als Rechtshilfefonds naturgemäß rechtlich vertrauliche Gespräche und Briefverkehr mit den von uns unterstützten Personen führen. Mit dieser Entscheidung - so der von AZADÎ beauftragte Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans - sei das Verwaltungsgericht Berlin seiner eigenen Rechtsprechung von Anfang März im Zusammenhang mit Überwachungsmaßnahmen gegen angebliche Mitglieder der „militanten gruppe“ gefolgt. (AZADÎ e.V. - Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, azadi@t-online.de, 23.3.12) Fortbildung kurdisch-Lektoren und Lehrkräfte Das Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn, Abteilung für Islamwissenschaft, bietet in Zusammenarbeit mit dem kurdischen Zentrum für juristische Studien und Beratungen e.V. (YASA) einen Kurs zur Weiterbildung von Lektoren und Lehrkräften für die kurdische Sprache (Kurmandji) an. Ziel des Kurses ist es, Personen mit sehr guten Kurdisch- Kenntnissen Fähigkeiten zum Unterrichten der Kurdischen Sprache als Fremdsprache zu vermitteln. Der Unterricht setzt sich wie folgt zusammen: • Einführungsveranstaltung an der Universität Bonn (halber Tag), geplant am 31.03.2012. • Sechs Monate Selbststudium anhand von durch die Dozierenden zusammengestellten Materialien (März-August), begleitet von den Dozierenden, drei schriftliche Prüfungen zwischen April und 15 August. • 50 Stunden Online-Unterricht (während der Selbstlernphase vom April bis Ende August). • 2 Wochen intensiver Unterricht à 35h/Woche in an der Uni Bonn (10.-21.September 2012). • Abschlussprüfung vorgesehen für Samstag, den 06.Oktober 2012. Der Kurs bzw. das Seminar wird mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung abgeschlossen, die Teilnehmer erhalten bei Bestehen der Prüfung eine „Zertifikat / Bescheinigung über die Qualifikation zum Kurdischlektor“ für Kurdisch als Fremdsprache über die erfolgreiche Teilnahme. Das erworbene Zertifikat soll als Nachweis für Kenntnisse in der Vermittlung des Kurdischen bei Schulen und Universitäten dienen. Kontakt: Fawzi Dilbar: fawzi.dilbar@uni-bonn.de Nissrin Emir: nissrin.emir@uni-bonn.de; Info: http://www.ioa.unibonn. de/abteilungen/islamwissenschaft/sommerkurse www.lerne-kurdisch.de .Website: Die Kurdisch-Kurse sind ab sofort der besseren Übersicht halber oben in der Navigation zu erreichen. Es werden wieder viele neue Kurse bundesweit angeboten. Wir freuen uns auf weitere Anmeldungen und zahlreiche Teilnahme an den Kurdisch-Kursen! .Kurse: Die Kurse wurden überarbeitet und können viel bequemer gefiltert und gefunden werden. |