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Irmer wirbt als Abgeordneter für Produkte eines Anzeigenkunden

Irmer wirbt als Abgeordneter für Produkte eines Anzeigenkunden / Staatsrechtler von Arnim kritisiert Vermischung

„In jedem Fall mehr als ein politisches Geschmäckle“

22.01.2008


http://www.mittelhessen.de/

Wetzlar (ako). In der Januar-Ausgabe des Anzeigenblattes von Hans-Jürgen Irmer (CDU) zur Wahl lädt der Abgeordnete als Mitglied des Landtages zu einer Werbeveranstaltung für seinen in dieser Ausgabe größten Anzeigenkunden ein. Für den Staatsrechtler Professor Dr. Hans Herbert von Arnim verstößt er in diesem Anzeigenblatt gegen drei Grundsätze, die „ein Mindestmaß an politischer Hygiene sichern sollen“.

In dem als inoffizielles Parteiorgan der CDU an Lahn und Dill geltenden Blatt mit einer Auflage von 106 000 hat eine Firma, die Heizanlagen konzipiert und verkauft, nach der Kurier-Anzeigenpreisliste von 2004 Werbung im Wert von über 2000 Euro geschaltet (Liste unter http://wetzlar-kurier.eu „Anzeigenpreisliste“).

Darüber hinaus wird eine Werbeveranstaltung unter dem Titel „Jedem sein Kraftwerk in den Keller“ angekündigt, zu der Irmer als Mitglied des Landtages (MdL) einlädt. Das hält der bekannte Staatsrechtler für „hochproblematisch“: Irmer verstoße dabei gegen den Sinn des Abschnitts VI der Verhaltensregeln für die Mitglieder des Hessischen Landtages. Er verbietet Abgeordneten, Hinweise auf die Mitgliedschaft im Landtag zur Verschaffung von Vorteilen in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten zu nutzen (Regeln unter www.hessischer-landtag.de unter „Abgeordnete und Fraktionen“). Irmer wertet die Praxis, zusammen mit Anzeigenkunden als Abgeordneter Werbung zu machen, nicht als Verstoß gegen die Regeln. Die Anzeigen würden nur einen Bruchteil der Kosten für die Wahlkampfausgabe decken, begründete er auf Anfrage dieser Zeitung. Außerdem verdiene das von ihm vorgestellte Energiekonzept die Unterstützung durch die Politik. Über seine persönlichen Einkünfte durch seine Anzeigenblätter gibt er keine Auskünfte.

Dazu sind Landtagsabgeordnete, anders als Bundestagsabgeordnete, nicht verpflichtet. Die Einkünfte aus seiner Verlegertätigkeit überstiegen jedoch nicht sein Abgeordnetengehalt, gab er an. Die SPD in Wetzlar wirft dem Landtagsabgeordneten dagegen vor, er nutze sein Amt, um durch Anzeigen das inoffizielle Parteiblatt zu finanzieren, habe dadurch Vorteile im Wahlkampf und darüber hinaus persönliche Einkünfte. Sie hatte bereits in den Jahren 2000 bis 2005 Anzeigen im Wert von 50 000 Euro allein von Betrieben gezählt, an denen die CDU-geführte Stadt Wetzlar beteiligt ist. Außerdem findet man Anzeigen der Landes-Firma Fraport oder des Regionalverbunds Rhein-Main (RMV).

Der damalige CDU-Bürgermeister Klaus Breidsprecher (CDU) hielt mit der Unabhängigkeit der städtischen Gesellschaften dagegen. Dabei handele es sich laut von Arnim zumindest um einen Verstoß gegen den Sinn des Parteiengesetzes. Es untersage Unternehmen, die zu mehr als 25 Prozent in öffentlicher Hand sind, Spenden an Parteien zu geben. Von Arnim: „Auch der Umstand, dass die Bezahlung der Anzeigen keine Parteispenden im formalen Sinne sind, ändert nichts an der Beurteilung, wenn, wie hier, offenbar klar ist, dass mit dem Geld Parteienwerbung finanziert wird.“

Nähe von Politik und Geschäft


Diese Praxis der Finanzierung von Parteiwerbung ermögliche es darüber hinaus rechtlich selbständigen Firmen durch die Bezahlung von Anzeigen die CDU zu fördern und Einfluss auf Ihre Politik zu nehmen und dies auch noch steuerlich abzusetzen. Bei direkten Spenden an Parteien sei dies nicht möglich. Insgesamt habe die angewandte Praxis „mehr als ein politisches Geschmäckle“. Landtagspräsident Norbert Kartmann (CDU) antwortete auf die Anfrage dieser Zeitung mit einem allgemeinen Hinweis, dass der Abgeordnete seinen Veröffentlichungspflichten zu Nebentätigkeiten nach den Verhaltensregeln ordnungsgemäß nachgekommen sei, es bestünden keine Anhaltspunkte, dass er gegen Regeln verstoßen habe. Auf die Frage, warum Kartmann sich nicht zum konkreten Fall einer Produktwerbung als Abgeordneter äußert, antwortete sein Pressesprecher Matthäus Friederich: „Der Landtagspräsident ist keine Ermittlungsbehörde.“

Die Nähe zwischen Anzeigengeschäft und politischem Geschäft ist auch in anderen Fällen öffentlich. So betreut ein regelmäßiger Anzeigenkunde des Abgeordneten, der Mediziner und Inhaber einer Beratungsfirma, Dr. Jörg Silberzahn, das Lärmpräventionsprojekt des Kultusministeriums „Schnecke“ im Schulamtsbezirk Wetzlar-Weilburg. Es gilt als erfolgreich (wir berichteten) und soll ausgeweitet werden. Das Land hat bisher 12 000 Euro dafür aufgewendet. Irmer sagt, er habe nicht die Möglichkeit, Einfluss auf das Kultusministerium zu nehmen. In einem anderen Anliegen seines Kunden bekannte sich der Landtagsabgeordnete auch in dieser Zeitung zu seinem Einfluss. Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) sei den Vorschlägen der Belegärzte Dr. Jörg Silberzahn und eines Kollegen gefolgt, ihre Belegabteilung in Dillenburg abweichend von den Beschlüssen der Krankenhauskonferenz zu erhalten, vermeldete Irmer 2005 nach einem gemeinsamen Besuch im Ministerium. „Will die Landesregierung Bettenreduzierungen direkt mit Ärzten und CDU-Landtagsabgeordneten verhandeln?“, hatten danach die Grünen im Landtag ironisch gefragt.




Professor Dr. Hans Herbert von Arnim

Professor Dr. Herbert von Arnim (68) war Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und Verfassungsrichter in Brandenburg. Er war Mitglied mehrerer Sachverständigenkommissionen, zum Beispiel der von Bundespräsident Richard von Weizsäcker berufenen „Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung“ (1992/93). Weiterhin ist er Ordentliches Mitglied des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung und Leiter der Sektion I – „Modernisierung von Staat und Verwaltung“. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Parteienrecht und Politikfinanzierung. Er gehört keiner Partei an.

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