PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. | Presseerklärung 7. Oktober 2009 Cap Anamur-Prozess: Freispruch für Kapitän Stefan Schmidt und Elias Bierdel Doch bereits das Verfahren hatte negative Signalwirkung auf die humanitäre Hilfe PRO ASYL: Auf die Anklagebank gehört die Flüchtlingspolitik Italiens und Europas Der Cap Anamur-Prozess ist nach drei Jahren zu Ende. Mit dem Freispruch hat die italienische Justiz die einzig mögliche Konsequenz gezogen, denn schon die Anklage hätte nie erhoben werden dürfen. Humanitäre Hilfe ist niemals ein Verbrechen. PRO ASYL fordert, dass auch die tunesischen Fischer, in deren Verfahren die Urteilsverkündung noch aussteht, ebenfalls freigesprochen werden. Derartige Strafverfahren gegen humanitäre Helfer müssen für die Zukunft ausgeschlossen werden. Bereits von dem quälend langen Verfahren ging eine verheerende Signalwirkung aus. Zunehmend berichten Bootsflüchtlinge, in den Gewässern zwischen Libyen, Malta und Italien seien Schiffe an ihren seeuntüchtigen Flüchtlingsbooten vorbeigefahren ohne zu helfen. Die Saat der Inhumanität, ausgebracht vom früheren Innenminister Schily und seinem italienischen Amtskollegen Pisanu, geht damit auf. Sie wollten mit einem harten Vorgehen gegen die Cap Anamur humanitäre Hilfe kriminalisieren und Nachahmer abschrecken. Die Crew mit einem skandalösen Verfahren zu überziehen und mit den 37 geretteten Flüchtlingen per Blitzabschiebung kurzen Prozess zu machen, sollte zwei Botschaften vermitteln. Schiffsbesatzungen sollten in Zukunft wegschauen und weiterfahren. Potentiellen Schutzsuchenden sollte eingebläut werden: An unseren Küsten warten Inhaftierung und Rücktransport. Den politischen Charakter des Verfahrens hat der Oberstaatsanwalt von Agrigento zu Anfang des Verfahrens offen eingestanden: Man sei in rechtlicher und politischer Hinsicht dazu gezwungen, die Wiederholung solcher Aktionen zu verhindern, auch wenn sie in edler Absicht geschehen. Auf die Anklagebank gehört die menschenverachtende Flüchtlingspolitik der Regierung Berlusconi, international bekannt als Push-back-policy. Die italienische Küstenwache bringt seit Anfang Mai 2009 Flüchtlingsboote in internationalen Gewässern auf und drängt sie nach Libyen zurück. Über tausend Bootsflüchtlingen werden dort die Menschenrechte vorenthalten. Dort werden sie in Haftlagern festgehalten, oftmals schwer misshandelt, in der Wüste ausgesetzt oder abgeschoben. Für die beiden Freigesprochenen gehen Jahre großer Ungewissheit zu Ende, während derer sie sich zur Verfügung der italienischen Justiz halten mussten. Schon die Verfahrensdauer selbst war ein Mittel zum politisch erstrebten Zweck: der Abschreckung von humanitärem Handeln. Der so entstandene Schaden kann nicht wieder gut gemacht werden. Über die unmittelbare Rettungstat hinaus bleibt es das humanitäre Verdienst der Cap Anamur-Crew, mit ihrer Tat den Menschenrechtsskandal an der EU-Außengrenze offengelegt zu haben: Europa lässt sterben. gez. Bernd Mesovic Referent
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