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Berliner Infodienst Migration vom 09.11.2007

BIM 56/2007 - Berliner Infodienst Migration vom 09.11.2007

 

 

 

1. Nationaler Integrationsplan: Umsetzung für Maria Böhmer „auf gutem Weg“

2. Nationaler Integrationsplan: SPD-Kritik an Betreuungsgeld

3. Sebastian Edathy wirbt für kommunales Ausländer-Wahlrecht

4. Deutsches Institut für Menschenrechte: Illegale haben Angst vor dem Doktor

5. Zuwanderung und Verbraucherschutz: Gute Zeiten für schlechte Geschäfte

6. Umgang mit dem Islam: Zentralrat der Muslime kritisert Evangelische Kirche

7. Aachen, 14.11.2007: Seyran Ates liest aus „Der Multikulti-Irrtum“

8. Bad Godesberg, 15.11.2007: Schlüsselkompetenzen für junge Migranten

9. Berlin, 14.11.2007: „Interkulturelle Kompetenz in der Außenwirtschaft“

10. Hamburg, 12.11.2007: „Warteschleife Familienzusammenführung“

11. Kreuzberg, 14.11.2007: „Was hat Rassismus mit ‚Rasse’ zu tun?“

12. Neuwied, 21.11.2007: "Gesundsein und Wohlbefinden in Deutschland“

13. EU-Aspiranten: Kommission kritisiert Balkanstaaten und Türkei

14. Bulgarien: Fehlende Migrationspolitik

15. Italien - Ausweisung rumänischer Migranten (I): Presseschau international

16. Italien - Ausweisung rumänischer Migranten (II): Multikulti gescheitert?

17. Österreich: Asylpolitik wird Fall für die Justiz

18. Flucht aus Afrika: Wieder 60 Flüchtlinge im Atlantik umgekommen

19. iaf Informationen: Neues Zuwanderungsrechts und interkulturelle Familien

20. Buch-Tipp: "Das arabische Unglück" von Samir Kassir

21. Kino-Tipp: „Kirgisische Mitgift“ (Sunduk predkov)

22. TV-Tipps

 

... und am Ende: Impressum und Bezugsmöglichkeiten

 

1. Nationaler Integrationsplan: Umsetzung für Maria Böhmer „auf gutem Weg“

 

Vier Monate nach der Veröffentlichung des Nationalen Integrationsplans ist dessen Umsetzung nach Einschätzung der für Integration zuständigen Staatsministerin Maria Böhmer auf einem guten Weg.

 

"Der Bund verbessert die Integrationskurse und sorgt dafür, dass alle die Kurse er-folgreich abschließen können. Dafür geben wir künftig 155 Millionen Euro pro Jahr aus. Die Länder sorgen dafür, dass Deutsch schon im Kindergarten gelernt wird, und führen flächendeckende Sprachtests für Vorschulkinder ein", sagte Böhmer anläss-lich der Debatte im Deutschen Bundestag über den Nationalen Integrationsplan.
 
Auch im Bereich Bildung seien wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht, so Böh-mer. Die Länder seien dabei, Lehrerinnen und Lehrer besser auf die veränderte Situ-ation an den Schulen vorzubereiten und entsprechende Fortbildungsmaßnahmen in-nerhalb der nächsten fünf Jahre umzusetzen. Die Stiftungen verstärkten ihr Engage-ment im Bildungsbereich. "Ich selbst baue ein Netzwerk für Bildungs- und Ausbil-dungspaten auf", ergänzte die Staatsministerin. Ferner sei Integration jetzt fest im Ausbildungspakt verankert. Die ausländischen Unternehmer seien dabei, ihre Selbst-verpflichtung einzulösen und 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze bis zum Jahr 2010 zu schaffen. "Dass das Thema Integration bei der Wirtschaft angekommen ist, beweist die Charta der Vielfalt", unterstrich Böhmer. Bereits 130 Unternehmen mit mehr als 1,1 Millionen Beschäftigten hätten die Charta unterzeichnet und damit ein Bekenntnis für die Wertschätzung von Vielfalt abgelegt. Zudem enthalte der Nationa-le Integrationsplan ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Stärkung von Frauen und Mädchen aus Zuwandererfamilien.
 
"Der Anfang ist gemacht", erklärte Böhmer. Jetzt gehe es darum, dass alle Selbstver-pflichtungen erfüllt werden. Die Bundesregierung werde das in einem Jahr überprü-fen. Die große Zustimmung im Lande belege aber bereits jetzt den Erfolg des Natio-nalen Integrationsplans. "Viele möchten sich einbringen, sehen neue Chancen für sich und ihre Familien. Sie haben neues Zutrauen in unser Land, unseren Rechts-staat und unser Bildungssystem." Diese Chancen müssten nun gemeinsam genutzt werden, so die Staatsministerin.
 
Der Nationale Integrationsplan war beim zweiten Integrationsgipfel am 12. Juli 2007 von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgestellt und anschließend dem Deutschen Bundestag als Unterrichtung der Bundesregierung zugeleitet worden. An ihm hatten 376 Experten aus Bund, Ländern, Kommunen, gesellschaftlichen Gruppen, Wirt-schaft, Gewerkschaften, Medien, Wissenschaft und Migrantenorganisationen mitge-arrbeitet. Staatsministerin Böhmer hatte die Erarbeitung koordiniert. Die Themenfel-der sind Integrationskurse, Sprachförderung, Bildung, Ausbildung, Arbeit, die Durch-setzung der Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen, Integration vor Ort sowie Integration durch bürgerschaftliches Engagement, Sport, Kultur, Medien und Wissen-schaft.

 

aus: REGIERUNGonline vom 08.11.2007

 

2. Nationaler Integrationsplan: SPD-Kritik an Betreuungsgeld

 

Anlässlich ihrer gestrigen Rede im Bundestag zum Thema "Der Nationale Integrati-onsplan Neue Wege - Neue Chancen" erklärt die stellvertretende Sprecherin der A-rbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der SPD-Bundestagsfraktion Caren Marks:

„Wir begrüßen, dass sich die Bundesregierung und das Parlament intensiv mit dem Thema Integration beschäftigen, dabei den Dialog mit Migrantinnen und Migranten suchen und gemeinsam Handlungsfelder erarbeiten. Der vielversprechende Nationa-le Integrationsplan muss jetzt mit Leben gefüllt werden. Mit aller Ernsthaftigkeit gilt es daran zu arbeiten, dass sich die Chancen von Kindern mit Migrationshintergrund wirklich verbessern. Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, denn jedes dritte
Kind unter sechs Jahren hat einen Migrationshintergrund.

Viel zu viele Kinder sind vom schulischen und beruflichen Erfolg abgehängt, weil sie in den ersten Lebensjahren häufig unzureichende Deutschkenntnisse erwerben. Sprachkompetenz ist der Schlüssel zur Bildung und Integration, deshalb muss die
Sprachförderung ein zentraler Bestandteil der frühkindlichen Bildung werden. Der frühe Besuch von Kindern in Tageseinrichtungen bietet eine besondere Chance für
Migrantenkinder. Denn Kinder lernen Deutsch in der Krippe spielend - im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir sollten Eltern mit Migrationshintergrund motivieren beziehungsweise darin be-stärken, dass ihre Kinder frühzeitig die Vorteile einer Betreuungs- und Bildungsein-richtung nutzen. Der von der SPD durchgesetzte ab 2013 geltende Rechtsanspruch
auf einen Betreuungsplatz ab eins wird sich positiv auf die Integration auswirken.

Das von der Union geforderte Betreuungsgeld hingegen ist nicht nur bildungs- und gleichstellungspolitisch fatal, sondern auch integrationspolitisch. Eine monatliche Zahlung für Eltern, die ihre Kinder im Alter bis zu drei Jahren ausschließlich zu Hau-se betreuen, ist rein ideologisch begründet. Ein Betreuungsgeld wuüde fuer viele der benachteiligten Familien einen hohen Anreiz setzen, ihre Kinder von frühkindlichen
Bildungseinrichtungen fern zu halten. Damit würden wir Kindern mit Migrationshinter-grund einen Bärendienst erweisen: Das Betreuungsgeld ist schlicht eine "Optimie-rung" des Unsinns.“

 

aus: Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 08.11.2007

 

3. Sebastian Edathy wirbt für kommunales Ausländer-Wahlrecht

 

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), wirbt für ein kommunales Wahlrecht für viele Jahre in Deutschland lebende Ausländer. Dies könne die Integration stärken, sagte Edathy der Nachrichtenagentur ddp. Er fügte hinzu: «Nur wer Verantwortung tragen darf, kann sich in der Regel auch verant-wortlich fühlen.» Er fürchte aber, dass sich die Union bei diesem Thema nur sehr langsam bewegen werde.

 

Edathy sprach sich zudem dafür aus, den Dialog mit den islamischen Gemeinden in Deutschland zu verbessern und Vordenker des liberalen Islam zu stärken. Er beton-te: «Seit mehreren Monaten schon nehme ich zunehmend islamophobe Tendenzen in Deutschland wahr, die sich primär aus einer vorurteilsbelasteten, verzerrten Wahr-nehmung dieser Religion speisen. Diesen Stigmatisierungsversuchen müssen wir entschieden entgegentreten.»

 

Edathy forderte ferner mehr Geld für die Integrationspolitik. Es werde sich in den Ver-handlungen zum Bundeshaushalt für das kommende Jahr zeigen, wie ernst es Bun-deskanzlerin Angela Merkel mit den Vorgaben des Nationalen Integrationsplanes sei. Der SPD-Politiker fügte hinzu: «So werden wir, um beispielsweise die Sprach- und Integrationskurse qualitativ zu verbessern und zielgruppengerechter zu gestalten, zusätzliche Mittel benötigen.»

 

Edathy mahnte zudem, die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer solle mit Ihrer Ein-bürgerungskampagne direkter auf Menschen zugehen, die die rechtlichen Vorausset-zungen für eine Einbürgerung erfüllen. Diese Leute sollten ermutigt werden, vom ih-rem Recht Gebrauch zu machen. Edathy betonte: «Es müssen mehr Menschen den Schritt vom Staatsbewohner zum Staatsbürger machen.»

 

aus: ad-hoc-news.de vom 09.11.2007 (ddp)

 

4. Deutsches Institut für Menschenrechte: Illegale haben Angst vor dem Doktor

Die 35-Jährige Frau hat Bauchschmerzen, starke Bauchschmerzen. Sie ist im sechs-ten Monat schwanger. Als sie ins Krankenhaus eingeliefert wird, kommt ihr Kind tot zur Welt. Die Frau ließ sich während der Schwangerschaft nicht untersuchen - aus Angst, dass sie auffliegt, weil sie illegal in Deutschland ist.

Eines von vielen Beispielen, die das Deutsche Institut für Menschenrechte in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht über Menschen ohne Papiere in Deutschland auflistet. Das Fazit der Autoren lautet: Deren Gesundheitsversorgung ist schlecht, was einen Verstoß gegen das Recht auf Gesundheit im UN-Sozialpakt darstelle. Die Vereinten Nationen verlangten von den Nationalstaaten, dass sie jedem Menschen - unabhängig vom Aufenthaltsstatus - eine medizinische Versorgung ermöglichten. Nach Schätzungen leben zwischen 500.000 und eine Million Menschen ohne Papie-re in Deutschland. Werden sie entdeckt, müssen sie innerhalb von acht Wochen das Land verlassen.

Auch wenn illegale Einwanderer nach dem Asylgesetz ein Recht auf medizinische Behandlung haben, gingen sie dennoch oft nicht oder zu spät zum Arzt, heißt es in dem Bericht. Den Grund hierfür sehen die Autoren darin, dass Behörden wie etwa die Sozialämter melden müssen, wenn sie erfahren, dass ein Ausländer sich illegal im Land aufhält. "Diese nehmen deshalb ihr Recht auf ärztliche Behandlung nur im äußersten Notfall wahr", heißt es in dem Bericht. Die Forderung der Autoren: Übe-rmittlungspflicht einschränken.

"Wir brauchen dringend eine politische Lösung", sagte Valentin Aichele vom Deut-schen Institut für Menschenrechte am Donnerstag. Neben dem Institut waren an dem Bericht rund 30 Organisationen und Experten beteiligt, darunter Caritasverband und Bundesärztekammer. Nun soll sich der Menschenrechtsausschuss des Bundestags mit dem Bericht befassen.

aus: taz vom 09.11.2007, Link: www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/

?ressort=in&dig=2007%2F11%2F09%2Fa0195&src=GI&cHash=80298eddc1

 

5. Zuwanderung und Verbraucherschutz: Gute Zeiten für schlechte Geschäfte

Sie unterschreiben Hausratversicherungen und denken, es handelt sich um Haft-pflichtversicherungen; sie arbeiten jahrzehntelang und bekommen doch nur eine Mi-nirente, weil sie keine Belege gesammelt haben; sie haben an der Haustür etwas un-terschrieben und wundern sich über die hohen Kosten: Zuwanderer hierzulande wä-ren die geborene Klientel für Verbraucherschützer und Schuldnerberater.

Die Realität aber sieht anders aus, wie aus einer Studie für den Bundesverband Ver-braucherzentralen (vzbv) hervorgeht. Im vzbv arbeiten 41 Verbraucherverbände, darunter 16 Verbraucherzentralen, zusammen.

Die Bestandsaufnahme, die bei einer Tagung in Berlin vorgestellt wurde, zeichnet ein ernüchterndes Bild: Zwar tun sich Migranten wegen ihrer Sprach- und Bildungsdefizi-te besonders schwer, als Mieter, Käufer oder Versicherungskunden zu ihrem Recht zu kommen - doch die Verbraucherorganisationen sind auf ihre besonderen Nöte schlicht nicht eingestellt. Vor allem, so die Untersuchung, fehlt es den Stellen an sprachkundigen Beratern. Das geht im Einzelfall schon mal so weit, dass Betroffene ihre zehnjährigen Kinder zum Übersetzen mitbringen müssen - bei komplizierten Themen wie Kreditverträgen oder Haustürgeschäften nicht gerade die Garantie für bestes Verständnis.


Zum anderen sind Verbraucherzentralen kaum mit örtlichen Migrantenorganisationen vernetzt. Die einen haben das rechtliche Knowhow, die anderen haben den kurzen Draht zu den Zuwanderern - nur: Zusammengeführt wird beides kaum, schreibt die Autorin der Studie, Tatiana Lima Curvello. Die Folge: "Migranten kennen die Ver-braucherberatung nicht", muss Uwe Hüser vom Bundesverband einräumen.

"Wir müssen nacharbeiten", sagt Hüser im FR-Gespräch. Deutlich mehr zweisprachi-ge Berater würde er sich wünschen, außerdem mehr Kapazitäten der Beratungsstel-len, auf Zuwanderer zuzugehen. Er denkt an Angebote "etwa in Moscheevereinen und Kaffeehäusern, um kulturell bedingte Hürden abzubauen", auch an Trainings für Multiplikatoren.

Schön wäre das, aber, so Hüser, "dafür bräuchten wir mehr öffentliche Mittel". Da-nach sieht es jedoch nicht aus. Im Gegenteil: Weil die Länder sparen, machen land-auf, landab immer mehr Beratungsstellen dicht.

 

aus: Frankfurter Rundschau vom 30.10.2007, Link: www.fr-online.de/in_und_ausland

/wirtschaft/aktuell/?sid=ae929ac21db9254ccf59b19a9ee44a5e&em_cnt=1235131

>>> BIM-Tipp: Die 141seitige Studie gibt es im Internet unter: www.jurblog.de/2007/

10/31/studie-verbraucherschutz-in-der-einwanderungsgesellschaft/

 

6. Umgang mit dem Islam: Zentralrat der Muslime kritisiert Evangelische Kirche

 

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat den Umgang der evangeli-schen Kirche mit dem Islam scharf kritisiert. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) glaube, «ihr Profil polemisch am Islam schärfen zu müssen», schreibt der ZMD-Generalsekretär Aiman Mazyek in einem Kommentar im «Kölner Stadt- Anze-iger». Mazyek warf der EKD ferner vor, «Stellvertreterdebatten um die Muslime hier-zulande und Sündenbockdiskussionen auf dem Rücken von Minderheiten» zu füh-ren.

 

Die evangelische Kirche lasse sich immer mehr auf Fundamentalisten ein. Durch ihr Verhalten schade sie sich selbst, da sie ihre Stellungnahmen zu existenziellen The-men entwerte. Hintergrund dabei dürfte auch die Haltung von EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber sein, der zum Auftakt der Sitzung des Kirchenparlaments verdeut-licht hatte, im christlich-jüdischen Dialog sei ein Platz für die Muslime.

 

Der Rat der EKD bemühte sich nach den Angriffen des «Zentralrats der Muslime» um Mäßigung. Er sehe darin keine ernsthafte Belastung für den Dialog mit den isla-mischen Spitzenverbänden, sagte der rheinische Präses Nikolaus Schneider eben-falls dem «Kölner Stadt- Anzeiger». «Ich will nicht sagen, der Ton ist klasse, aber ich rege mich nicht darüber auf.» Die EKD müsse selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, «dass manche Äußerungen zur Islam-Frage offenbar so aufgefasst worden sind, als gehe es uns um eine billige Profilierung zu Lasten der Muslime», sagte Schneider in seiner - wie er betonte - mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber abgestimmten Reaktion.

 

Mazyek hatte in seinem Kommentar das Recht der Muslime bekräftigt, in Deutsch-land Moscheen zu bauen: «Der Bau von Gotteshäusern ist ein fundamentales Recht, das nicht einfach unter Verweis auf Machtsymbolik oder Zumutbarkeit oder Ge-schmack wegverhandelbar ist.» Das hatte EKD-Ratschef Huber zwar auch zugebil-ligt, jedoch die Größe der Moscheebauten für diskutabel erklärt. Vor einigen Wochen hatte Huber von einer «groß angelegten Moscheebau-Initiative in den muslimischen Gemeinden» gesprochen. Dabei müsse die Frage muss «erlaubt sein, inwieweit es sich dabei um die legitime Befriedigung religiöser Bedürfnisse handelt oder ob weiter-gehende Machtansprüche damit verbunden sind.»

 

aus: NETZEITUNG.DE vom 07.11.2007

Link: www.netzeitung.de/deutschland/801950.html

 

7. Aachen, 14.11.2007: Seyran Ates liest aus „Der Multikulti-Irrtum“

 

Am kommenden Mittwoch, 14.11.2007, wird Seyran Ates in Aachen Station machen, um aus ihrem neuen Buch „Der Multikulti-Irrtum“ zu lesen und mit der interssierten Öffentlichkeit zu diskutieren.

 

Die Lesung findet statt in der Domsingschule, Ritter Chorus Straße/Katschhof, und beginnt um 20.00 Uhr.


8. Bad Godesberg, 15.11.2007: Schlüsselkompetenzen für junge Migranten

 

Im Gustav-Stresemann-Institut e.V., Langer Grabenweg 68, 53175 Bonn-Bad Godes-berg findet am Donnerstag, 15.11.2007 eine ganztägige Veranstaltung zu „Integrati-on Jugendlicher mit Migrationshintergrund: Förderung beruflicher Schlüsselkompe-tenzen mit digitalen Medien" statt.

 

Im Rahmen der Veranstaltung, die um 10.00 Uhr beginnt und die sich insbesondere an Lehrer und Schüler wendet, findet der offizielle Abschluss des Schulen ans Netz -Projektes LIFT statt, das zum Jahresende 2007 endet. In dem Zusammenhang wer-den die wesentlichen Meilensteine des Projektes präsentiert sowie Einblicke und Ein-drücke aus der praktischen Arbeit mit LIFT in schulischen und außerschulischen Lernzusammenhängen vorgestellt.

Die in dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse und wertvollen Erfahrungen bleiben nicht ungenutzt, sondern fließen in die Entwicklung ein neues Projektvorhaben zur MigrantInnenförderung ein. Die Förderung Jugendlicher mit Migrationshintergrund muss sämtliche Facetten der Bildungsbiographie berücksichtigen, denn die Benach-teiligung bezieht sich nicht allein auf formale schulische Bildungssituationen, sondern insbesondere auch auf die Berufswelt und speziell auch auf die Ausbildungssituation Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Während das Projekt LIFT den Fokus auf die Bildungsbenachteiligung von Jugendlichen legt, soll im neuen Projekt verstärkt die Phase der Berufsorientierung und Ausbildungssituation berücksichtigt werden.

Dabei wird zum einen aufgezeigt, wie sich die Ausbildungssituation für Jugendliche mit Migrationshintergrund konkret gestaltet und mit welchen Formen der Benachteili-gung Jugendliche dabei konfrontiert werden. In einem weiteren Beitrag wird der Frau-ge nachgegangen, welche Rolle die digitalen Medien im Alltag von Jugendlichen ein-nehmen, welche Nutzungspräferenzen sie haben und welche Chancen sich daraus für die berufliche Orientierung ableiten lassen.

 

Weitere Infos zu Programm und Anmeldung: www.lift-web.de/ww3ee/3410718.php

 

aus: Informationsdienst Wissenschaft vom 09.11.2007

Link: http://idw-online.de/pages/de/event21659

 

9. Berlin, 14.11.2007: „Interkulturelle Kompetenz in der Außenwirtschaft“

 

Die Führungskräfte der deutschen Außenwirtschaft mahnen die Bildungspolitik, deut-lich mehr für die internationale und interkulturelle Kompetenz in der deutschen Wirt-schaft zu tun, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Welche Kompetenzen sind gefragt? Bieten Migrantinnen und Migranten und nachwachsende Generationen mit

familiärem Migrationshintergrund den Wechsel vom Makel zum Standortvorteil Deutschland?

 

Die Veranstaltung, die im Rahmen der Berliner Tage des Interkulturellen Dialogs durchgeführt wird, findet statt am Mittwoch, 14.11.2007, 17.00 Uhr beim Bundesver-band für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft im Ludwig Ehrhard Haus, Fasa-nenstraße 85, 10623 Berlin-Mitte.       

 

Telefonische Anmeldung über: 030 70 01 14 30

 

10. Hamburg, 12.11.2007: „Warteschleife Familienzusammenführung“

 

Unter dem Motto „Bitte warten… Bitte warten… Warteschleife Familienzusammenführung lädt der Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf) Hamburg zu einer Diskussionsveranstaltung ein, bei der Bedingungen seit den jüngsten Verschärfungen im Aufenthaltsgesetz erörtert werden sollen.

 

Die Veranstaltung findet statt am kommenden Montag, 12.11.2007, 19.00 Uhr im Ei-delstedter Weg 64, 20255 Hamburg. Kontakt: Telefon 040 44 69 38, E-Mail:  hamburg@verband-binationaler.de

 

11. Kreuzberg, 14.11.2007: „Was hat Rassismus mit ‚Rasse’ zu tun?“

 

Der Begriff „Deutschfeindlichkeit“ wird dazu benutzt, rechtsextreme Ideologie zu legi-timieren und gesellschaftlichen Rassismus zu relativieren. Wie ist aus antirassisti-scher Perspektive darauf zu reagieren? Sind Menschen, die Opfer eines Angriffs auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur dominanten Gruppe wurden, Opfer rassistischer Über-griffe? Wie ist mit Tätern umzugehen?

 

Das alles ist Thema einer Veranstaltung, die am kommenden Mittwoch, 14.11.2007, im Rahmen der Berliner Tage des Interkulturellen Dialogs um 18.00 Uhr im Kreuz-berg-Museum, Adalbertstraße 95 A, 10999 Berlin stattfinden wird.

 

Informationen über Telefon: 030 69 56 83 39 und E-Mail info@reachoutberlin.de

 

12. Neuwied, 21.11.2007: "Gesundsein und Wohlbefinden in Deutschland“

 

Die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten an gesundheitlicher Versorgung stellt ein wichtiges Ziel integrationspolitischer Maßnahmen in Deutsch-land dar. In der Praxis stehen Migrantinnen und Migranten jedoch oftmals vor erhebli-chen Schwierig-keiten, wenn sie gesundheitliche Vorsorge, Beratung oder Behand-lung in Anspruch nehmen wollen. Diese Hürden können rechtlicher oder sozialer Na-tur sein oder sich aus sprachlichen und kulturellen Kommunikationsbarrieren zwi-schen Arzt, Pfleger oder Therapeuten einerseits und Patienten andererseits ergeben.

 

So ist in der Konsequenz beispielsweise zu beobachten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund gesundheitliche Leistungen nach wie vor seltener in Anspruch nehmen als deutsche Versicherte, obwohl sie verstärkt in Berei-chen mit über-durchschnittlicher Arbeitsbelastung tätig sind.

 

Die vom Regionalbüro Mainz der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) durchgeführte Veran-staltung zum Thema „Gesundsein und Wohlbefinden in Deutschland: Eine besonde-re Herausforderung für Migrantinnen und Migranten“ möchte die Situation und spezi-fischen Bedürfnisse von Migrantinnen und Migranten im deutschen Gesundheits- und Pflegewesen beleuchten und Wege zu einer gerechteren Teilhabe dieser Gruppe  diskutieren.

 

Die ganztägige Veranstaltung beginnt am Mittwoch, 21.11.2007, um 09.30 Uhr und findet satt im Schloss Engers, Alte Schlossstraße 2, 56566 Neuwied.

 

Informationen zum Programm und zur Anmeldung gibt es bei Stephanie Hepper, Friedrich-Ebert-Stiftung, Reginalbüro Mainz, Große Bleiche 18-20, 55116 Mainz, Te-lefon: 061 31  960 67-0, Fax: 061 31 960 67 66, E-Mail: Stephanie.Hepper@fes.de

 

13. EU-Aspiranten: Kommission kritisiert Balkanstaaten und Türkei

 

Der so genannte Fortschrittsbericht der EU-Kommission für Aspiranten auf eine Mit-gliedschaft ist in diesem Herbst sehr kritisch für die Balkanstaaten und die Türkei ausgefallen. Hauptkritikpunkte sind schleppende Reformen sowie anhaltende Kor-ruption in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien und in Albanien. Von der Türkei fordert die EU vor allem eine Stärkung der Meinungs- und Religionsfrei-heit. Lediglich für Kroatien gab es etwas Lob. Die EU honorierte außerdem Belgrad mit der Paraphierung des so genannten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom-mens (SAA). In Kraft treten soll dieses Abkommens allerdings erst, wenn Belgrad gesuchte Kriegsverbrecher festnimmt und umfassend mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal (ICTY) in Den Haag zusammenarbeitet.

 

> Kroatien: Hinsichtlich des EU-Beitrittskandidaten Kroatien stellte die EU-Kommissi-on fest, die Verhandlungen mit Zagreb kämen gut voran. Es wurde allerdings ange-merkt, dass Kroatien die Justizreform verstärken müsse. Dies gelte ebenfalls für eini-ge Wirtschaftsbereiche wie dem Schiffbau und der Stahlindustrie. Kroatien habe 2007 seine Kapazitäten zur Übernahme seiner Pflichten für die EU-Mitgliedschaft kontinuierlich verbessert. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte: "Kroatien ist in immer höheren Maße ein positiver Maßstab für die übrigen Länder des Westbal-kan." Es könne seinen Fortschritt der gesamten Region zeigen. "Damit beweist Kroa-tien, dass die europäische Perspektive für die gesamte Region wirklich, realisierbar und machbar ist", sagte Rehn.

 

> Mazedonien: Der andere EU-Beitrittskandidat vom Westbalkan, Mazedonien, muss dagegen einige Kritik einstecken. Erweiterungskommissar Rehn begrüßte zwar Fort-schritte bei der Bekämpfung der Korruption. Allerdings würden politische Spannun-gen die Reformen verzögern. Daher forderte Rehn die Politiker in Mazedonien zu ei-nem konstruktiven politischen Dialog auf. Im Fortschrittsbericht heißt es, die häufigen Spannungen und Probleme zwischen den politischen Akteuren hätten ein effizientes Funktionieren der politischen Institutionen untergraben und zu einem Reformstau in Mazedonien geführt. Des Weiteren habe sich der Mangel an Kommunikation zwi-schen den politischen Schlüsselfiguren im Land und das Verhalten der Opposition negativ auf die Arbeit der politischen Institutionen ausgewirkt. "Der Boykott des Par-laments seitens einer der größten Oppositionsparteien ebenso wie die geringe Zu-sammenarbeit zwischen dem Präsidenten und dem Premier haben ein effizientes Funktionieren der politischen Institutionen behindert", heißt es in dem Bericht. Er-wähnt wird auch der Streit mit Griechenland um den Staatsnamen. Auf Geheiß von Griechenland heißt Mazedonien offiziell "Ehemalige jugoslawische Republik Mazedo-nien", um eine Verwechslung mit der gleichnamigen griechischen Provinz zu ver-meiden. Athen und Skopje führen diesen Namensstreit bereits seit 1993. Dabei ver-suchen die UN zu vermitteln - bisher ohne Erfolg. Daher rief Erweiterungskommissar Rehn beide Parteien auf, diese Streitfrage rasch beizulegen: "Dies ist eine bilaterale Frage. Wir ermutigen beide Seiten, eine konstruktive Lösung für diese Frage zu su-chen u. z. gemeinsam mit den Vereinten Nationen."

 

> Bosnien-Herzegowina: Verantwortlich für den Reformstau in Bosnien-Herzegowina sind dem Bericht der EU-Kommission zufolge teilweise komplizierte institutionelle Gegebenheiten, die Missachtung des Dayton-Friedensabkommens und nationalisti-sche Rhetorik vieler Politiker. In punkto Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden begrenzte personelle Kapazitäten festgestellt. Zudem wurden die Politiker in den bei-den Entitäten – der kroatisch-muslimischen Föderation und der Serbischen Republik – gerügt, weil sie keinen ausreichenden Willen zeigen, politische Führung und Ver-antwortung zu übernehmen.

 

> Montenegro: In dem Jahresbericht erwartet die EU-Kommission vom jüngsten eu-ropäischen Land, dass es bedeutende Ergebnisse bei der Verbesserung der Verwal-tungskapazitäten und im Kampf gegen Korruption erzielt. Eine bedeutende Gefahr stelle bei letzterem der Bereich Bauwesen, Privatisierung, Konzessionsvergabe und öffentlichen Beschaffung dar. Montenegro habe zwar seit seiner Unabhängigkeitser-klärung im Juni 2006 gute Fortschritte bei der Schaffung eines institutionellen und gesetzlichen Rahmens erzielt. Dennoch meint die Kommission, dass die Rolle des Parlaments gestärkt werden könne. Im Bericht werden Reformanstrengungen der Regierung gelobt im Bereich der Verteidigung, der äußeren sowie inneren Angele-genheiten. "Allerdings muss die Effizienz der Regierung insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung von Gesetzen stärker werden", heißt es im Bericht.

 

> Serbien: Auch wenn Serbien das SAA mit der EU nun paraphiert hat, mangelte es nicht an klaren Forderungen. Die politischen Parteien in Serbien seien tief zerstritten, was die Umsetzung der notwendigen Reformen verzögere. Zusätzliche Anstrengun-gen müssten unternommen werden im Bereich Demokratisierung und Rechtstaat-lichkeit. Zur Paraphierung des SAA sei es gekommen, weil die Chefanklägerin des ICTY, Carla del Ponte in den vergangenen Wochen eine Verbesserung der Koope-ration Serbiens mit dem Tribunal festgestellt habe. "Der Chefanklägerin zufolge be-steht bei der serbischen Regierung der politische Wille, die übrigen Flüchtigen zu verhaften und ans Tribunal auszuliefern", sagte Rehn. Damit habe Serbien die Vor-aussetzung für eine Paraphierung des SAA erfüllt. Für die Unterzeichung des Ab-kommens fordere die EU-Kommission aber weiterhin die vollständige Zusammen-arbeit Serbiens mit dem ICTY, so der Erweiterungskommissar.

 

> Kosovo: Über die abtrünnige serbische Provinz Kosovo wurde ein eigener Fort-schrittsbericht erstellt. Rehn betonte, der künftige Status des Kosovo hinge vom Aus-gang des Prozesses ab, den die internationale Kosovo-Troika verfolge. Am Ende sollte es zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Rehn erwartet jedoch bei den Verhandlungen mehr Kreativität von Belgrad und Pristina. "Die Zukunft des Kosovo und seine Beziehung zur EU hängt vom künftigen Statu des Kosovo ab", sagte Rehn.

 

> Albanien: Die EU-Kommission kritisiert auch das Reformtempo in Albanien. In dem Land herrsche ein "hochgradig konfrontatives Klima", heißt es im Kommissionsb-richt. Ebenso wie in Montenegro und Mazedonien sei auch in Albanien die Regierung gefordert, im Sinne des Zieles von "good governance" eine bessere und effektivere Politik zu betreiben.

 

> Türkei: Erweiterungskommissar Rehn rief die Türkei zur Besonnenheit im Kampf gegen die terroristische kurdische Arbeiterpartei PKK auf. Er warnte Ankara vor ei-nem militärischen Einmarsch in den Nordirak. In dem Bericht der EU-Kommission wird vor allem die mangelnde Religionsfreiheit für Christen kritisiert. Auch die Mei-nungsfreiheit sei unzureichend gewährleistet. Es habe begrenzten Fortschritt bei den politischen Reformen im Jahr 2007 gegeben. Positiv wertet die EU-Kommission die friedliche und demokratische Lösung der politischen Krise um das Amt des Staats-präsidenten, die Politik und Militär im Sommer 2007 herbeigeführt haben.

 

aus: DW-newsletter „Fokus Ost-Südost“ vom 07.01.2007 (von Alen Legovic), Link: www.dw-world.de/dw/article/0,,2880148,00.html?maca=de-newsletter_ostfokus-643-html

 

14. Bulgarien: Fehlende Migrationspolitik


In Bulgarien lassen sich Immigranten in zwei Gruppen unterteilen, meint Anna Kras-tewa in der Zeitung KLASA: Zur ersten Gruppe gehörten die weniger gut Ausgebilde-ten, die die Landessprache nicht beherrschen, es sind überwiegend Flüchtlinge.

 

Zur zweiten Gruppe zählten Geschäftsleute aus dem Westen, die ihre Tätigkeit aus-weiten möchten. Beide Gruppen würden von den bulgarischen Behörden ignoriert: "Kann die bulgarische Regierung keine Einwanderungspolitik machen? Wir erleben eine paradoxe Situation: Es gibt zehntausende von Migranten und kein staatliches Organ, das für ihre Integration zuständig ist... Es fehlt eine Politik der Arbeitsmigrati-on, die häufigste Form der Migration, die wirtschaftlich sehr effektiv ist. Es gibt keine Vernetzung zwischen bulgarischen Arbeitgebern und Immigranten. Um diese Proble-me kümmern sich Journalisten, NGOs und Wissenschaftler - nur die staatlichen Insti-tutionen nicht. Eines muss aber klar sein: Ohne Integration gibt es keine Demokra-tie."

 

Link zum ganzen Artikel (bulgarisch): www.class.bg/view.php?id=4485

 

aus: euro|topics-newsletter vom 08.11.2007

 

15. Italien - Ausweisung rumänischer Migranten (I): Presseschau international

 

Nach dem Tod einer Italienerin, die von einem rumänischen Roma überfallen worden war, wird in Italien hart gegen Rumänen und Roma vorgegangen. Die Regierung Pro-di will mit einem Sicherheitspaket ermöglichen, dass straffällig gewordene EU-Bürger abgeschoben werden können. Widerspricht das dem EU-Grundsatz der Freizügig-keit?


Mario Degalio analysiert in LA STAMPA die Reaktion seiner Landsleute: "Bei den Ita-lienern herrscht die diffuse Vorstellung, alle Rumänen seien Roma, alle Roma seien kriminell oder könnten es zumindest sein. Insofern gelten alle Rumänen als potenzi-elle Kriminelle. Diese vereinfachende Erklärung einer sehr viel komplexeren Realität hat bei vielen Menschen wie auch bei manchen Politikern dazu geführt, dass sie glauben, wenn sie die Rumänen außer Landes jagen, fände Italien sein Glück und seine Ruhe wieder... Die außerordentliche Aufmerksamkeit, die derzeit kriminellen Rumänen gilt, geht mit einem enormen Desinteresse für Rumänien selbst einher.

Dabei ist es ganz gewiss das osteuropäische Land, das Italien am nächsten ist, auf-grund der sprachlichen Gemeinsamkeiten und der ökonomischen Verflechtungen. Zwischen den beiden Ländern findet ein außerordentlicher Annäherungsprozess statt: Rumänien ist das einzige Land der Welt, in dem kleine und mittlere italienische Unternehmen erfolgreich agieren."


Daniela Weingärtner glaubt, das Eildekret der Regierung Prodi verstoße gegen die europäischen Verträge. Sie schreibt dazu in der taz: "Denn die Bewegungsfreiheit von Waren, Kapital und Menschen gehört zum Kernbestand des europäischen Bin-nenmarkts. Jeder einzelne Fall muss also juristisch geprüft, jede einzelne Abschie-bung gesondert begründet werden. Der Generalverdacht, dass rumänische Slumbe-wohner eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, reicht nicht aus... Prodi sollte sein Dekret zurückziehen, bevor er damit vor dem Europäischen Gerichtshof Schiffbruch erleidet. Es könnte sich auch leicht ein Kläger finden, der prüfen lässt, ob Italiens Regierung das europäische Antidiskriminierungsgebot verletzt oder zum Rassismus aufstachelt. Die selbst ernannten Pauschalankläger könnten sich bald selbst auf der Anklagebank wiederfinden."

 

Link zum ganzen Artikel: www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig

=2007%2F11%2F08%2Fa0073&src=GI&cHash=c8edcb5769


Der Journalist Ottó Neumann findet: in der ungarischen Zeitung MAGYAR HIRLAP: "Improvisierte Zeltlager sind Brutstätten von Straftaten und daher indiskutabel. Viel-leicht haben die italienischen Behörden den größten Fehler begangen, als sie dieser Art der 'Ansiedlung' nicht Einhalt geboten haben. Nun aber ist eines der grundsätz-lichen Rechte aller EU-Bürger in Gefahr: die Freizügigkeit. Noch schlimmer ist, dass man... die Anfälligkeit für Straftaten mit ethnischen Kriterien erklärt. So können aus individuellen Straftaten schnell kollektive Rechenschaftsforderungen entstehen – mit Rumänen und Roma als Opfern."

 

Link zum ganzen Artikel (ungarisch): www.magyarhirlap.hu/cikk.php?cikk=138294

Die Zeitung EL PAÍS berichtet von einem Versuch des italienischen Premierministers Romano Prodi und seines rumänischen Amtskollegen Calin Tariceanu, die Krise, die nach dem brutalen Überfall entstanden ist, zu entschärfen. "Die emotionalen Auswir-kungen dieser Geschichte haben dazu geführt, dass die Regierung Prodi eilig ein Dekret verabschiedet hat, das den Ermessensspielraum der Polizei erhöht und es ermöglicht, EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger nach den gleichen Kriterien auszuwei-sen. Dieser Text scheint für die rumänischen Roma maßgeschneidert, er beruft sich auf die Sicherheit und behauptet, ein Zusammenleben sei nicht möglich. Die rumäni-sche Regierung hat wütend darauf reagiert, weil sie meint, so werde im Herzen Euro-pas Rassismus geschürt... Italien darf nicht eine ganze Gruppe kriminalisieren, weil einige ihrer Mitglieder Verbrechen begangen haben. Die Polizei und die Richter müs-sen sich mit Straftätern befassen, egal ob es sich dabei um Rumänen oder Italiener handelt. Jede andere Herangehensweise ist politisch opportunistisch und unanstän-dig."

 

Link zum ganzen Artikel (spanisch): www.elpais.com/articulo/opinion/Rumanos/

Italia/elpepuopi/20071108elpepiopi_2/Tes

 

aus: euro|topics-newsletter vom 08.11.2007

 

16. Italien - Ausweisung rumänischer Migranten (II): Multikulti gescheitert?

Seit dem tödlichen Überfall eines rumänischen Roma auf eine Italienerin diskutieren Italien und Rumänien über Immigrations- und Abschiebepolitik. Cristian Campeanu fühlt sich in der Tageszeitung Romania Libera ROMANIA LIBERA an die Debatte nach dem Mord an dem niederländischen Filmemacher Theo Van Gogh erinnert: "Der Mord am Regisseur Theo Van Gogh löste in den Niederlanden und in ganz Eu-ropa eine Debatte über die Grenzen der Multikulturalität aus. Multikulturalität ist eine Theorie, die besagt, dass in einer Gesellschaft alle Kulturen - gleich welcher Ethnie, Sprache, Religion - die gleichen Rechte haben... Mit anderen Worten, universelle Werte gibt es nicht; sie sind auf die jeweilige Kultur, Rasse oder Ethnie bezogen und können nicht von außen aufgezwungen werden... Die wohl unglückseligste Konse-quenz aus dieser Ideologie ist, dass der Dialog zwischen den Kulturen unmöglich wird. Wir leben nebeneinander in Parallelwelten mit Parallelregeln. Die Minderheit flüchtet in Ghettos, und 'Toleranz' bedeutet in der Regel gegenseitige Ignoranz. Pro-bleme treten dann auf, wenn Grenzen verletzt werden und die Parallelwelten aufein-anderprallen. So war es bei dem Mord an van Gogh, der von einem Islamisten be-gangen wurde, woraufhin Moscheen angezündet wurden. Und das geschieht jetzt wieder nach der Ermordung einer Frau durch einen Roma, weshalb die Italiener be-gonnen haben, Rumänen abzuschieben. Wir vergessen plötzlich, dass wir kultivierte, multikulturelle Europäer sind."

 

Link (rumän.): www.romanialibera.ro/a110646/tiganii-si-ipocrizia-multiculturala.html

 

aus: euro|topics-newsletter vom 07.11.2007

 

17. Österreich: Asylpolitik wird Fall für die Justiz

 

Es gibt wenige Politikfelder, auf denen man Fakten so wenig zur Kenntnis nehmen will wie im Fremdenrecht. Österreichs Verfassungsgerichtshofspräsident Karl Korinek hat Kritik am Fremdenrecht geübt. Doch die Reaktion der Regierungsparteien lautete unisono, man sehe keinen Handlungsbedarf, in zwei Jahren werde man evaluieren. Nach Flüchtlingswellen der Neunzigerjahre und der Krise auf dem Arbeitsmarkt nahm die fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung zu. Getrieben von populistischer Angstmache der FPÖ, beschlossen SPÖ- und ÖVP-geführte Regierungen immer hö-here Hürden für Zuwanderer und Asylsuchende.

 

Nicht nur Grüne und amnesty international finden diese Abschottungspolitik bedenk-lich. Auch der Wirtschaftsflügel der konservativen ÖVP hat längst erkannt, dass der schnurrende Konjunkturmotor Zuwanderung braucht. Und die Demografen sind sich einig, dass ein für das Sozialsystem verheerender Bevölkerungsschwund durch Ge-bärprämien allein nicht gebremst werden kann.

 

Diese Debatten finden aber außerhalb des Parlaments statt. Für die Regierungspar-teien ist Fremdenpolitik eine Sicherheitsmaterie und untersteht konsequent dem In-nenminister. Verfassungsbrüche werden in Kauf genommen, zumal sie nur in über-schaubaren Zirkeln Empörung auslösen. Die breite Bevölkerung hat damit keine Pro-bleme: Dafür sorgen schon die alarmistischen Schlagzeilen der Boulevardpresse, wenn mal wieder ein Ausländer beim Dealen oder beim Einbruch ertappt wird.

 

Der Verfassungsgerichtshof wird nach und nach die menschenrechtswidrigen Be-stimmungen außer Kraft setzen müssen. Auf ein Entgegenkommen der Regierungs-parteien kann er nicht hoffen. Die wollen sich lieber als "Sicherheitspartei" profilieren: Das Etikett "Menschenrechtspartei" oder gar "Zuwanderungspartei" überlässt man gerne den Grünen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass bei der Evaluierung des "Fremdenrechts" in zwei Jahren kein Bedarf für Entschärfungen festgestellt werden wird. Denn dann herrscht Vorwahlkampf.

 

aus: taz vom 08.11.2007 (von Ralf Leonhard), Link: www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/

artikel/?ressort=me&dig=2007%2F11%2F08%2Fa0076&src=GI&cHash=f34cb762b0

 

18. Flucht aus Afrika: Wieder 60 Flüchtlinge im Atlantik umgekommen

 

Die Zahl der Toten beim jüngsten Flüchtlingsdrama vor Westafrika ist vermutlich weitaus höher als zunächst befürchtet. Bei der fast dreiwöchigen Irrfahrt ihres Bootes im Atlantik seien wahrscheinlich bis zu 60 der mehr als 150 Afrikaner an Bord ver-hungert und verdurstet, teilten spanische Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Maureta-nien mit. Zunächst war von 45 Toten die Rede gewesen.

 

Wie Sicherheitskräfte in Mauretanien mitteilten, wurden die Leichen der Flüchtlinge bei Laguerra an der mauretanischen Küste gefunden. Das Schiff war im Senegal ge-startet und hatte offenbar vor der mauretanischen Küste einen Motorschaden erlitten. Danach trieb das Boot manövierunfähig auf offenem Meer. Nachdem die Vorräte auf-gebraucht waren, starben die ersten Flüchtlinge, ihre Leichen wurden den Angaben zufolge über Bord geworfen. Die mauretanische Küstenwache entdeckte das Boot in den Hoheitsgewässern Mauretaniens.

 

Bereits vor zwei Wochen waren rund 50 Afrikaner vor Westafrika bei dem Versuch ums Leben gekommen, die Kanaren zu erreichen. Die Zahl der Toten in diesem Jahr wird auf mehr als 400 geschätzt. Der Zustrom auf die spanische Inselgruppe dauert unterdessen an. Innerhalb von 24 Stunden erreichten fast ein Dutzend Boote mit etwa 300 Flüchtlingen an Bord den Archipel.

aus: tagesschau.de vom 07.11.2007

Link: www.tagesschau.de/ausland/afrikafluechtlinge2.html

 

19. iaf Informationen: Neues Zuwanderungsrechts und interkulturelle Familien

 

Mit dem Ende August in Kraft getretenen »Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union« beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe befassen sich die vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften nerausgegebenen „iaf Informationen“ in ihrer aktuellen Ausgabe.

 

Zu diesem Gesetz bemerkt Cornelia Spohn, iaf-Bundesgeschäftsführerin, im Editori-al: „Bereits im Vorfeld wurde es heftig auch von unserem Verband kritisiert, weil es immense Auswirkungen auf die Lebensgestaltung interkultureller Familien in Deutschland hat. Die ersten Erfahrungen mit der Neuregelung liegen nun vor, die leider unsere Befürchtung dahingehend bestätigen, dass Paare zukünftig noch län-ger warten müssen, in Deutschland zusammen leben zu können.

 

Zeitgleich mit dem neuen Zuwanderungsgesetz wurde auch der Nationale Integra-tionsplan verabschiedet. Auch wir haben in die vorbereitenden Arbeitsgruppen unse-re Kompetenzen und Erfahrungen eingebracht und dabei immer wieder betont, dass Integration ohne rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Anerkennung nicht gelingen kann. Das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Erfahrungen, Verhal-tensweisen und Weltanschauungen in einer ethnisch, kulturell und sozial heteroge-nen Gesellschaft macht Integration zu einer gesamtgesellschaftlichen Herausforde-rung. Ihr Ziel muss sein, allen Bevölkerungsteilen Chancengleichheit zu eröffnen und die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu ermöglichen.

 

Die Änderungen im Zuwanderungsgesetz sind ein Rückschritt im ntegrationsprozess.

Als Interessensverband binationaler Paare und Familien werden wir die Umsetzung dieses Gesetzes sorgfältig beobachten und unsere Kenntnisse in die öffentliche De-batte einbringen.“

 

Die vierteljährlich erscheinenden „iafInformationen“ (SSN 1430-8614), sind für einen Einzelpreis von 3,00 Euro (inkl. Versand) erhältlich beim: Verband binationaler Fami-lien und Partnerschaften, iaf e.V., Ludolfusstraße 2-4, 60487 Frankfurt am Main, Ruf 069 713 756-0, Fax 069 707 50 92, E-Mail: info@verband-binationaler.de

 

Weitere Informationen über: www.verband-binationaler.de

 

20. Buch-Tipp: "Das arabische Unglück" von Samir Kassir

 

Samir Kassir war einer der prominentesten Journalisten des Libanons. Im Juni 2005 wurde er durch eine Autoexplosion getötet. Die Hintergründe sind bislang ungeklärt. Sein letztes Buch "Das arabische Unglück" ist jetzt auf Deutsch erschienen. Darin macht er Analphabetentum und die gewaltigen sozialen Unterschiede für die Flucht in den politischen Islam verantwortlich.

 

"Araber zu sein macht heutzutage keine Freude. Manche fühlen sich verfolgt, andere hassen sich selbst. Das existenzielle Unbehagen ist die in der arabischen Welt am wietesten verbreitete Erscheinung. Selbst die, die sich lange in Sicherheit gewiegt hatten, dominante Saudis und wohlhabende Kuwaiter, können sich diesem Gefühl seit dem verhängnisvollen 11. September nicht entziehen."

Das Gefühl der Ohnmacht - so schreibt der libanesische Journalist und Historiker Sa-mir Kassir gleich auf den ersten Seiten seines Buches - sei der Inbegriff des arabi-schen Unglücks. Dabei manifestiert sich dieser lähmende Zustand vor allem darin, nichts für die eigene Zukunft tun zu können. So schreibt er:

"…die arabische Region (ist) jene Region, die einem Mann gegenwärtig die gerings-ten Entwicklungschancen bietet. Und einer Frau noch weniger."

Analphabetentum, Armut, das krasse Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich sind die Hauptübel, die die arabische Welt in ihrem Würgegriff halten. Und so jede Verän-derung, jede notwendige Modernisierung unmöglich machen. Schonungslos benennt Samir Kassir die Schwachstellen der arabischen Region. Einer Region, die wie er schreibt, mittlerweile selbst von Asien und Lateinamerika politisch als auch wirt-schaftlich überholt worden sind. In seiner knapp hundertseitigen, gut lesbaren Be-standsaufnahme der politischen sowie sozialen Situation aller arabischen Staaten at-testiert er diesen Ländern vor allem das Unvermögen, demokratische Strukturen ent-stehen zu lassen:

"Die arabische Welt ist der einzige 'Kontinent', auf dem das Demokratiedefizit alle Bereiche umfasst, und sie ist daher auch der einzige, auf dem sich das Fehlen der Demokratie mit einer ausländischen Vorherrschaft verbindet. Diese wird meistens indirekt und manchmal nur auf wirtschaftlichem Gebiet ausgeübt, doch in den ex-tremsten Fällen - denen Palästinas und nun des Iraks - kommt sie auch einem neuen Kolonialismus gleich. Darum geht das allgemeine Gefühl der Ohnmacht - das von dieser Herrschaft bewirkt wird und das noch unüberwindlicher ist, weil das arabische Unterbewusstsein sie mit der Sehnsucht nach einem vergessenen und stets herbei geträumten Ruhm vergleicht - mit der Ohnmacht der Staatsbürger einher."

Es sind zwei Faktoren, die die Krise in der arabischen Welt untermauern, so der Au-tor. Erstens: Der als Bedrohung empfundene Einfluss des Westens. Und zweitens: Die autoritären Strukturen in den arabischen Ländern, die die Entstehung einer de-mokratischen Zivilgesellschaft verhindern. Wobei sich beides auf unheilsame Weise miteinander verwebt: Schließlich dient die Berufung auf eben jene westliche Bedro-hung vielen arabischen Machthabern als Vorwand, einen permanenten politischen Ausnahmezustand auszurufen. Eine ausweglose Situation entsteht, aus der - wie Sa-mir Kassir eindrucksvoll belegt - viele Araber über eine extreme Hinwendung zum Is-lam zu fliehen versuchen. Denn für Samir Kassir bedeutet ...

"das Vordringen des Islam eine Re-Islamisierung der Gesellschaft und zwar … als Reaktion auf Staatsordnungen, die als unzulänglich und ungerecht … angesehen werden."

Die Flucht in den Islam wird damit zum hochstilisierten Ausdruck der anfangs be-schriebenen Ohnmacht. Und wird zugleich auch wieder als Machtinstrument miss-braucht, mit dem die Masse der Gläubigen gelenkt wird. Gerade in diesem Punkt lässt Samir Kassir es an kritischen Worten nicht fehlen: Schonungslos setzt er den politischen Islam in seiner Ablehnung aller Fortschrittsideologien deshalb auch mit dem Faschismus gleich und betrachtet die Übermächtigkeit des religiösen Denkens als einen fatalen Rückschritt in der arabischen Geschichte. Einzig die Rückbesinnung auf die "Nahda", eine einst sehr populäre Strömung innerhalb der arabischen Geis-tesgeschichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts, könne diesen Rückschritt Stopp-pen. Mit der "Nahda", auf Deutsch "Wiedergeburt" ...

"findet die arabische Kultur eine neue Grundlage, indem sie von der Entdeckung des Anderen - des europäischen Anderen - ausgeht."

Denn anders als heute wurde unter der "Nahda" das Zusammentreffen von Tradition und Moderne durchaus nicht als Widerspruch begriffen, sondern als Zugewinn für die eigene gesellschaftliche Entwicklung. Im Zuge der "Nahda" wurden Universitäten ge-gründet, erste arabischsprachige Zeitungen erschienen und in der Literatur, der Ma-lerei und dem Theater wurden westliche Kunstformen eingeführt. Die europäische Idee eines Nationalstaates beeinflusste die Intellektuellen. Sie entwickelten die Idee eines einheitlichen arabischen Staates. Eine neue, nie zuvor da gewesene arabische Identität entstand. Allerdings dauerte diese "arabische Renaissance" nur kurz: Durch den Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und die Wirren des 1. Weltkrieges verlor sich die Idee der "Nahda". Mehr noch: Die Islamisten von heute versuchten, so Samir Kassir, sie in Verruf zu bringen. Doch gerade in der Wiederbesinnung auf die-se geistige Epoche sieht Kassir die große Chance einer konstruktiven Begegnung mit der Gegenwart. Zwänge sie doch die Araber, selbst neue Perspektiven zu entwik-keln, anstatt in der beschriebenen Ohnmacht zu verharren.

Dieser Ansatz von Samir Kassir ist neu und höchst interessant. In der arabischen Welt könnte diese Rückbesinnung auf die eigenen, längst vergessenen Traditionen zu einem neuen Selbstbewusstsein führen und, als Alternative zu dem radikalen Is-lamismus, eine positive Entwicklung in der Region in Gang setzen. Vor dem Hinter-grund seines tragischen Todes wirkt das essayistisch verfasste Buch "Das arabische Unglück" wie ein unabsichtlich gehaltenes Vermächtnis von Samir Kassir an seine arabischen Landsleute.

 

aus: Deutschlandradio Kultur vom 18.05.2006 (von Abdul-Ahmad Rashid)

Link: www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/501632/

 

Das Buch von "Das arabische Unglück" von Samir Kassir (ISBN 3-89930-151-x), übersetzt von Ulrich Kunzmann, ist im Berliner Verlag Hans Schiler erschienen. Es kostet 14,00 Euro und kann portofrei über die "vorwärts:buchhandlung + antiquariat" im Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, 10963 Berlin (www.vorwaerts-ba.de), Tel.: 030/25299-871, Fax: 030/25299-872, E-Mail: info@vorwaerts-buchhandlung.de bezogen werden.

 

21. Kino-Tipp: „Kirgisische Mitgift“ (Sunduk predkov)

 
In Kirgisien gibt es einen alten Brauch. Gleich nach der Geburt eines Kindes wird be-gonnen in einer Holztruhe die Mitgift für eine zukünftige Hochzeit zu sammeln. Braut und Bräutigam werden so mit Geld und Gegenständen aus dem Familienbesitz für ihr neues Leben ausgestattet. Auch für Aidar, einen jungen Mann, der in Paris berufli-chen Erfolg und die Liebe seines Lebens gefunden hat, steht diese Truhe im Haus seiner Eltern bereit. Aidar macht sich also mit seiner Freundin Isabelle, einer lebens-frohen Französin, auf den Weg in sein Dorf in den kirgisischen Bergen.

Dort stellen die beiden bald fest, dass Aidars Mitgift nicht nur das Geschenk in der Truhe ist, sondern auch das mächtige Erbe aus Sitte und Tradition. Bei aller Herzlich-keit und Gastfreundschaft von Familie und Dorfbewohnern wird Aidar sehr schnell klar, dass es nicht einfach werden wird, sich den Erwartungen und Ansprüchen der Eltern zu entziehen. Mehr noch, zurück in den altvertrauten Verhaltensweisen, weiß er selbst nicht mehr, wie er sich verhalten soll und will. Und Isabelle ist zwar überwäl-tigt von der landschaftlichen Schönheit und fasziniert von den fremden Bräuchen. Diese können aber auch barbarisch für europäische Gemüter anmuten. Dschingis Khan selbst scheint die Männern zu befeuern, wenn bei einem bizarren Reiterspiel ein Schaf die Rolle des Spielballs einnimmt. Beim Hochzeitsfest eines Cousins wird maßlos getrunken, wild getanzt und gesungen, bis die Feier in einer Schlägerei en-det, als Aidar Isabelle vor den Belästigungen des Trunkenbolds Osonbai bewahrt.

So leichtfü

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