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Dem Frieden eine Chance! |
Dem Frieden eine Chance! Anlässlich des traditionellen kurdischen Neujahrsfestes Newroz am 21. März appelliert der Europäische Friedensrat Türkei/Kurdistan an die Bundesregierung, im Bundestag vertretenen Parteien sowie an Menschenrechts- und Friedensgruppen, ihren Beitrag für die friedliche Lösung der Kurdenfrage zu leisten. Der 21. März steht bevor. An diesem Tag feiern die KurdInnen seit über 2600 Jahren ihr traditionelles Neujahrsfest als Zeichen der Hoffnung auf bessere Zeiten und der langersehnten Freiheit, Gleichberechtigung und ein Leben in Frieden. Seit Anfang der 1990er Jahren verging kaum ein Jahr, indem die Newrozfeiern nicht von der Staatsmacht der Türkei angegriffen wurden. Viele Menschen fielen der Aggression zum Opfer. Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass die Zahl der TeilnehmerInnen an den Newrozfeiern jedes Jahr zunahm. Allein letztes Jahr waren es mehrere Millionen Menschen. Auch dieses Jahr werden Millionen von KurdInnen auf die Straße gehen und das Newrozfest feiern. Dort, wo sich die Sicherheitskräfte nicht einmischten und angemessen reagierten, konnte verfolgt werden, dass die Feierlichkeiten friedlich verliefen. Daher appellieren wir an die Regierung der Türkei, die angemeldeten Feierlichkeiten zuzulassen und Gewaltanwendungen durch die Polizeikräfte zu unterlassen. Die seit einigen Monaten andauernde milde Atmosphäre zwischen den Konfliktparteien, die durch einseitige und nichtdeklarierte unilaterale Schritte geschaffen wurde, sollte nicht gefährdet werden. * Die PKK führt derzeit keine militärischen Operationen durch, obwohl die türkische Luftwaffe allwöchentlich Stützpunkte der PKK und zivile Siedlungsgebiete in Irakisch-Kurdistan bombardiert. * Ende Oktober und Anfang November letzten Jahres gingen tagelang Hunderttausende KurdInnen auf die Straße, um friedlich ihre Grundrechte zu fordern. Die Auseinandersetzungen sind so in die Städte getragen worden. * Die türkische Regierung begann im staatlichen Fernsehen (TRT6) ohne Gesetzesänderungen in kurdischer Sprache zu senden. * Einige der türkischen Universitäten haben begonnen, kurdologische Institute einzurichten. Bilgi Universität bietet seit Jahreswechsel Kurdisch-Kurse an. * Mitte Februar fand eine erste kurdisch-türkische Zusammenkunft mit Billigung der türkischen Regierung in der Hauptstadt der Region Kurdistan/Irak statt, an der auch etwa 100 aus der Türkei gereisten Meinungsmacher teilnahmen. Das Tabu über die Bezeichnung »Kurdistan« wurde vielleicht nicht von allen, aber von einigen durchbrochen. * Anlässlich des Internationalen Tages der Muttersprachen sprach der Parteivorsitzende der pro-kurdischen Partei DTP, Ahmet Türk, am 24. Februar 2009 auf der Fraktionssitzung im türkischen Parlament in seiner Muttersprache Kurdisch. * Des Weiteren wird geplant, in den nächsten Wochen eine gesamtkurdische Konferenz mit Vertretern der KurdInnen aus der Türkei, aus dem Iran, Irak und Syrien unter der Schirmherrschaft des Präsidenten Irakisch-Kurdistans, Masud Barzani, einzuberufen. Hierzu wird die PKK offiziell eingeladen und die Geheimdienst der Türkei (MIT) und das türkische Außenministerium sind involviert. * Am 29. März 2009 finden die Kommunalwahlen statt. In den kurdischen Gebieten treten de facto nur zwei Parteien, AKP und die DTP, gegeneinander an. Neben den üblichen Manipulationsversuchen verlaufen die Wahlkampfveranstaltungen friedlich. Wenn die DTP ihre Stimmen erhöhen und die Zahl der von ihr regierten etwa 50 Kommunen auf die Marke 70 und mehr bringen kann, wird dies den Druck auf die türkische Regierung stärken, um weitere unilaterale Schritte in Richtung eines dauerhaften Friedens einzuleiten. In dieser sehr sensiblen und kritischen Phase erwarten wir von der demokratischen Öffentlichkeit, der Europäischen Friedensbewegung und den Freunden der Türkei und des kurdischen Volkes deeskalierend und konstruktiv zu wirken und den mühsam begonnenen Prozess der Annäherung der Konfliktparteien zu unterstützen. Wir hoffen, dass das diesjährige Newrozfest, eine neue Chance für den Frieden bieten wird. Ereignis-Kalender Meinungsfreiheit 309 Verurteilungen in zwei Jahren Auf eine schriftliche Anfrage des DTP-Abgeordneten Selahattin Demirtas hin teilte Justizminister Sahin dem Türkischen Parlament am 6. Februar 2009 die Reichweite bestimmter, die Meinungsfreiheit einschränkender Artikel des türkischen Gesetzbuches mit. Laut Sahin wurden in 2006 und 2007 1042 Personen auf Grundlage des Artikels 301 angeklagt. 17510 Personen wurden beschuldigt, Mitglied in einer illegalen Organisation zu sein, und 6582 Personen wurden der Leitung dieser Organisationen bezichtigt. Erschreckend hoch war dabei die Zahl von Minderjährigen, die auf Grundlage der oben genannten Artikel angeklagt wurden. Die Artikel im Einzelnen: Artikel 301: Auf Grundlage von Artikel 301 wurden in 2006 und 2007 742 Verfahren eröffnet in denen 1042 Personen angeklagt und 309 verurteilt wurden. 16 der angeklagten Personen waren dabei Kinder, von denen 6 verurteilt wurden. Anti-Terror Gesetz Nr. 3713: Auf Grundlage des Anti-Terror- Gesetzes Nr. 3713 wurden in 2006 und 2007 4784 Verfahren eröffnet, in denen 11720 Personen angeklagt wurden, unter ihnen 737 Kinder. Artikel 220 des Türkischen Strafgesetzbuches, der die Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und Propaganda für diese unter Strafe stellt: Auf Grundlage von Artikel 220 wurden in den letzten zwei Jahren 2469 Verfahren eröffnet in denen 17510 Personen angeklagt wurden, unter ihnen 422 Kinder. Weitere 2239 Verfahren eröffneten Gerichte auf Grundlage von Artikel 314, der die Gründung und Leitung bewaffneter Organisationen unter Strafe stellt. Von 6582 Angeklagten waren 413 Kinder. (Bia news centre, 16.2.09; info@tuerkeiforum.net, www.tuerkeiforum.net) EU-Millionen finanzieren Menschenrechtskurse in Türkei Die EU finanziert Ausbildungskurse für mehrere tausend Ärzte, Richter, Staatsanwälte und Soldaten in der Türkei, um die Menschenrechtslage in dem Beitrittsbewerberland zu verbessern. Nur mit Hilfe einer besseren Ausbildung könne das Problem der Folter gelöst werden, sagte der Vorsitzende der türkischen Ärztekammer, Gencay Gürsoy. Bisher bleiben in der Türkei viele Fälle von Folter und Misshandlung ungeahndet, weil Gefängnisärzte und Gerichtsmediziner in ihren Gutachten Folterspuren ignorieren und weil sich Gerichtsverfahren häufig sehr lange hinziehen. Mit Hilfe von drei Millionen Euro von der EU sollen 4000 Ärzte, 1000 Richter und 500 Staatsanwälte von Experten der Ärztekammer, Gerichtsmedizinern und Menschenrechtlern geschult werden. Dabei solle das Bewusstsein für Folter-Unrecht und für die Notwendigkeit unabhängiger gerichtsmedizinischer Untersuchungen geschärft werden, sagte Gürsoy. Weitere zwei Millionen Euro dienen laut Angaben der EU- Vertretung in Ankara der Ausbildung von Soldaten der Gendarmerie, die außerhalb der türkischen Großstädte die Aufgaben der Polizei übernimmt. Geschult werden sollen demnach 200 Gendarmerie-Offiziere sowie Ausbilder. (AFP, 19.2.09) Kurdisch im türkischen Parlament Ein Politiker, der es wagt, in den heiligen Hallen des türkischen Parlaments Kurdisch zu sprechen? Das hatte seit dem Skandal im Jahr 1991, als Leyla Zana ihren Eid vor dem Parlament auf Kurdisch ablegte, niemand mehr gewagt. Kein Wunder: Seit der Gründung der Republik Türkei ist die kurdische Sprache im Parlament verboten, Gleiches gilt für den Schulunterricht und für offizielle Anlässe. Doch nun hat am 24. Februar wieder ein Politiker im Parlament das Wort auf Kurdisch ergriffen: Ahmet Türk, der Vorsitzende der prokurdischen Partei DTP. Am 21. Februar sei der "Internationale Tag der Muttersprache" gefeiert worden, der daran erinnere, dass jeder Mensch in seiner eigenen Sprache sprechen solle. "Niemand bestreitet die Tatsache, dass Türkisch die offizielle Sprache des Landes ist. Wir wollen, dass das Verbot endlich aufgehoben wird, Kurdisch zu sprechen. Deshalb werde ich jetzt meine Rede auf Kurdisch fortsetzen", erklärte Türk und wechselte ins Kurdische. Das Verbot habe für viel Leid unter den Kurden gesorgt, sagte Türk in seiner Muttersprache und erinnerte an die vielen jungen Kurden, die während des Militärputschs im Jahr 1980 verhaftet worden sind. "Ihre Eltern, die nicht Türkisch sprachen, wollten bei Besuchen im Gefängnis auf Kurdisch mit ihren Kindern sprechen. Das durften sie aber nicht - sie verließen das Gefängnis mit gebrochenem Herzen", sagte Türk. "Meine Mutter kann kein Türkisch. Als sie mich im Gefängnis besuchen kam, saß sie ohne einen Wort zu sprechen da, weil sie Kurdisch nicht durfte und Türkisch nicht konnte. Damit sie nicht mit gebrochenem Herzen nach Hause ging, fragte ich sie in Kurdisch, wie es ihr geht? Sie wusste, dass wir jedes Mal nach Kurdischsprechen gefoltert werden. Bei diesen Gefängnisbesuchen habe ich mir geschworen, trotz eines gesetzlichen Verbots einmal bei einem offiziellen Anlass auf Kurdisch zu sprechen", sagte der Abgeordnete Ahmet Türk drei Tage nach dem Internationalen Tag der Muttersprache. "Jeder sollte verstehen, dass die Forderung nach einem Ende des Verbotes der kurdischen Sprache eine ganz normale Forderung ist", sagte Türk. Doch von seinen Worten erfuhr die türkische Öffentlichkeit erst am nächsten Morgen. Obwohl der staatliche Sender TRT6 seit Jahreswechsel in kurdischer Sprache sendet, schaltete der TRT3, der die Parlamentsrede live übertrug, die Übertragung sofort ab, als Türk ins Kurdische überwechselte. Türks Intervention in kurdischer Sprache wurde heftig kritisiert. Cihan Pacaci, der Generalsekretär der nationalistischen Partei MHP machte die Regierung für den Vorfall verantwortlich: Indem sie einen kurdischsprachigen Fernsehsender ermöglicht habe, habe sie den Weg für derartige Vorfälle geebnet. Abgeordnete der Oppositionspartei CHP verlangten, dass Türks Rede rechtliche Konsequenzen haben müsse. Parlamentspräsident Köksal Toptan betonte, die Amtssprache in der Türkei sei Türkisch. " Das steht in der Verfassung und in den Gesetzen." Gegenüber der Presse sagte Türk später, dass er den Parlamentssprecher nicht von seinem Vorhaben, die Rede auf Kurdisch zu halten, informiert habe. Es sei eine Parteientscheidung gewesen: "Ich habe über die Schönheit und den Reichtum von Sprachen gesprochen. "Wenn ein staatliches Fernsehprogramm in Kurdisch sendet und Premier Erdogan bei seinen Wahlauftritten kurdische Sätze sagt, warum dürfen wir nicht kurdisch reden", sagte Türk. Es könne wohl nicht sein, dass "Kurdisch für den Staat erlaubt, aber für die Kurden verboten ist." Türk wird sich wahrscheinlich vor Gericht verantworten müssen. Für einen einzigen Satz musste die DEP-Abgeordnete Leyla Zana eine zehnjährige Haftstrafe verbüßen. (AFP, 20min.ch und Focus Online, 24.2.09; 24.2. 09, FAZ, 25.2.09; SZ und Der Standard, 26.2.09) Wahrheitsfindungskommission gegründet Die Anwaltskammern in den kurdischen Gebieten der Türkei und Menschenrechtsorganisationen haben die Gründung einer Kommission zur "Untersuchung der Fakten und Konfrontation mit der Vergangenheit" bekannt gegeben. Die Gründungsdeklaration wurde von den Kommissionsmitgliedern vor dem Gerichtsgebäude in Diyarbakir verlesen. Zu einer angespannten Situation kam es, als Sicherheitskräfte tätlich gegen den Vorsitzenden der Anwaltskammer Diyarbakir, Rechtsanwalt Mehmet Emin Aktar, vorgingen, um ihn vom Gelände des Gerichtsgebäudes zu entfernen. Nach einer Diskussion zwischen Polizei und den Kommissionsmitgliedern konnte Aktar schließlich die Erklärung abgeben. Aktar wies darauf hin, dass es zwischen der "Terrororganisation Ergenekon" und den extralegalen Hinrichtungen und Fällen von "Verschwundenen" einen Zusammenhang gebe. Bereits früher seien im Zusammenhang mit dem Susurluk-Fall und parlamentarischen Untersuchungskommissionen zu "Morden unbekannter Täter" einige Tatsachen aufgeklärt worden, allerdings habe es nie aufschlussreiche Ermittlungen zu diesen "mafiaartigen Organisierungen" und den dahinter stehenden Kräften gegeben. Um die im Zusammenhang mit dem Ergenekon-Verfahren entstandene Möglichkeit einer "Abrechnung und Konfrontation der Türkei mit ihrer Vergangenheit" nicht verstreichen zu lassen, müssten alle "illegal organisierten Strukturen innerhalb des Staates" und die von ihnen begangenen Verbrechen aufgeklärt werden. Zu diesem Zweck sei die Kommission gegründet worden. "Wir fordern die Öffentlichkeit dazu auf, uns Informationen im Zusammenhang mit extralegalen Hinrichtungen, Morden unbekannter Täter und Fällen von Verschwundenen zukommen zu lassen.", erklärte Aktar. Mitglieder der Kommission sind die Vorsitzenden der Anwaltskammern in Diyarbakir, Agri, Batman, Bingöl, Bitlis, Hakkari, Kars, Mardin, Siirt, Urfa, Sirnak und Van sowie der stellvertretenden Vorsitzenden des IHD, Muharrem Erbey, und von Mazlumder, Nesip Yildirim. Abdullah Öcalan ruft seit Jahren aus der Haft nach der Gründung einer "Wahrheitsfindungskommission" nach südafrikanischem Vorbild auf. Sein Anliegen dabei ist es, über das Aufdecken von Verbrechen, die vom türkischen Staat oder im Namen der PKK begangen worden sind, eine Aufarbeitung der Geschichte und eine Versöhnung herbeizuführen. (Yeni Özgür Politika, 26.2.09, ISKU) Zivilisten in Kandil fordern Entschädigung Die Bewohner der Dörfer in den Kandilbergen, die seit zwei Jahren militärischen Angriffen der türkischen und iranischen Armeen ausgesetzt sind, fordern von der Regionalregierung Kurdistan/Irak, dem Iran und der Türkei eine Entschädigung. Bei den Bombardierungen wurden in mindestens zehn Dörfern Schulen, Moscheen, Gesundheitsstationen, Brunnen und Hunderte Wohnhäuser und Ställe beschädigt. Großer Sachschaden für die Zivilbevölkerung entstand auch im Garten- und Ackerbau sowie in der Nutztierhaltung. Yeni Özgür Politika, 26.2.09, ISKU) Menschenrechtsgericht verurteilt Türkei wegen Uni-Verbots Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 18 kurdischen Studenten Recht gegeben, die wegen ihrer Forderung nach Vorlesungen in kurdischer Sprache vom Unterricht ausgeschlossen wurden. Damit habe die Türkei gegen das Grundrecht auf Bildung verstoßen, befanden die Straßburger Richter am 3. März. Ankara wurde angewiesen, jedem Kläger 1500 Euro Schadensersatz zu zahlen. Die Studenten hatten die Universität der westanatolischen Stadt Ayfon Ende 2001 gebeten, einige Vorlesungen in kurdischer Sprache anzubieten. Wenige Tage später wurden sie für zwei Semester von den Vorlesungen ausgeschlossen. In einem Fall reduzierte die Universität die Sanktion auf einen Monat, nachdem der Student seine "Reue" bekundet hatte. Die Einführung von Vorlesungen in Kurdisch könnten Spaltungen aufgrund von "Sprache, Rasse oder Religion" schaffen, begründete die Universität die Sanktion. Der Straßburger Gerichtshof rügte die Maßnahme als unverhältnismäßig. Zwar sei die Sanktion später von der türkischen Justiz aufgehoben worden. Doch zu diesem Zeitpunkt hätten die Studenten bereits ein oder zwei Semester verloren gehabt. (AFP, 3.3.09, Der Gerichtshof: http://www.echr.coe.int) Clinton in der Türkei Die amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton hat sich am 7. März bei einem Besuch in Ankara für eine engere Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und der Türkei starkgemacht. Zur Untermauerung kündigte Clinton einen baldigen Besuch von Präsident Barack Obama in der Türkei an. Die Visite, die Anfang April stattfinden soll, sei ein Ausdruck für den hohen Stellenwert der Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Clinton traf in Ankara ihren Amtskollegen Ali Babacan und hatte eine knapp zweistündige Unterredung mit dem Regierungschef Recep Tayyip Erdogan. In Medienauftritten lobte Clinton das Gastland als Beispiel für eine erfolgreiche Koexistenz von Demokratie, Moderne und Islam. Entsprechend grosse Hoffnungen setzen die USA auf eine aktive Rolle der Türkei im Nahost-Friedensprozess. Während der Amtszeit von George W. Bush war das bilaterale Verhältnis der beiden strategischen Partnerländer nicht ohne Belastungen. Für Irritationen auf amerikanischer Seite sorgte 2003 nicht zuletzt die Weigerung Ankaras, den amerikanischen Bodentruppen türkisches Territorium für die Invasion im Irak zur Verfügung zu stellen - eine Weigerung, die den Amerikanern de facto die Eröffnung einer zweiten Front im Irak-Krieg verunmöglichte. Die Türkei warf den USA einige Zeit später ihrerseits vor, den Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Norden des Iraks zu viel Spielraum für Angriffe gegen türkische Sicherheitskräfte zu lassen. Erst gegen Ende des Jahres 2007 duldeten die USA wieder Operationen des türkischen Militärs gegen PKK-Stellungen in Irakisch-Kurdistan. Clinton wiederholte in Ankara, was Busch am 5. November 2007 erklärte: "Die PKK ist unser gemeinsamer Feind!". Nachdem der Irak-Krieg die beiden Länder zusehends zu entfremden schien, soll nun der angekündigte Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak wieder in kooperativem Geist umgesetzt werden. So hat die Türkei bereits ein Angebot unterbreitet, den Amerikanern für diesen Rückzug eigene Stützpunkte und Häfen zur Verfügung zu stellen. In den USA hofft man zudem, in verstärktem Mass von der Türkei als Vermittlerin zwischen dem Westen und der islamischen Welt profitieren zu können. Clinton lobte in diesem Zusammenhang die Rolle der Türkei bei der Vermittlung indirekter Gesprächskontakte zwischen Israel und Syrien. Die Aussenministerin fügte an, dass die USA nicht zuletzt bei ihrer künftigen Politik gegenüber Iran - einem Land, mit dem die Türkei vergleichsweise gute Beziehungen unterhält - auf die Unterstützung Ankaras angewiesen sein werden. Mit einer Botschaft reiste dann dertürkische Staatspräsident Gül nach Teheran, um die neue Iran-Politik der Amerikaner zu übermitteln und als Regionalmacht zu punkten. Es klang nicht gerade ermutigend, was sich Gül von seinen iranischen Gastgebern anhören musste: "Eine Vermittlung ist nicht nötig", erklärte Präsident Mahmud Ahmadinedschad schroff. Auch Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei gab sich unversöhnlich: Leider gehe die Obama-Regierung "den Weg ihrer Vorgänger" und lasse nicht erkennen, "dass sie ihre Fehler korrigieren will". Den türkischen Gast belehrte Khamenei: "Zwei Feinde" versuchten die Beziehungen der Türkei mit dem Iran zu hintertreiben, "die Zionisten und die Amerikaner". Die Visite in Teheran dürfte Gül gezeigt haben, wie heikel die Aufgabe ist, die man sich in Ankara vorgenommen hat. (AFP, 8.3.09, NZZ, 9.3.09, Der Westen, 13.3.09) Erstmals Gebet und Predigt auf Kurdisch in der Türkei Erstmals hat das staatliche Religionsamt in der Türkei öffentlich ein Gebet und eine Predigt in kurdischer Sprache verlesen lassen. Die Zeremonie wurde anlässlich des Geburtstags des Propheten Mohammed vom staatlichen Fernsehsender TRT 6 ausgestrahlt. Bei der Feier in Diyarbakir haben zum ersten Mal türkische Staatsbeamte Gebete in Kurdisch vorgetragen. Obwohl die Türkei im Rahmen ihrer EU-Bewerbung in den vergangenen Jahren einige Einschränkungen für die Verwendung der kurdischen Sprache aufgehoben hat, ist die Benutzung des Kurdischen bei offiziellen Anlässen nach wie vor umstritten. Seit Einführung des staatlichen Kurdischsenders TRT 6 Anfang des Jahres wird heftiger denn je über die Rolle des Kurdischen im Verhältnis zur alleinigen Amtssprache Türkisch diskutiert. (AFP, 9.3.09) Staatsbande - Ergenekon II In der Türkei wurde eine zweite Anklage gegen 56 Verschwörer aus den Reihen der Staatsbande Ergenekon vorgelegt. Den Beschuldigten, darunter zwei Ex-Generälen, wird vorgeworfen, an Plänen für den Umsturz der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beteiligt gewesen zu sein. Gegen mehr als 80 mutmaßliche Mitglieder von Ergenekon läuft bereits seit dem vergangenen Jahr ein Gerichtsverfahren. Die Staatsanwaltschaft wirft Ergenekon vor, in den vergangenen Jahren an mehreren Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Es soll auch eine "Todesliste" existieren, auf der Ergenekon- Mitglieder Ziele für Mordanschläge festgehalten haben. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) wirft der Regierung Erdogan vor, den Ergenekon-Fall für eine Abrechnung mit Gegnern zu missbrauchen. Kritik gab es auch von der Militärführung. Das Recht auf ein faires Verfahren und die Unschuldsvermutung als Rechtsprinzip sei verletzt worden, sagte der Sprecher des Generalstabes, Brigadegeneral Metin Gürak. (FR, 10.3.09) Türkei verhindert kritischen Beitrag über Kultur und Staudämme Das Wasserprogramm der UNESCO (IHP = International Hydrological Programme) wollte auf dem Weltwasserforum eine Präsentation über die Auswirkungen von Staudämmen auf kulturelle Güter machen. Wie jetzt bekannt wurde, wird diese Präsentation auf Druck der Türkei nun nicht mehr stattfinden. Unter dem Programmpunkt 6.5 - Water and Culture - wollten die UNESCO VertreterInnen auf dem vom 16. bis 22. März in Istanbul stattfindenden Weltwasserforum (WWF5) die möglichen Folgen des Staudammbaus auf Kulturgüter darstellen. Doch die türkischen Gastgeber wollten eine Diskussion über konkrete Projekte in der Türkei - etwa Allianoi und Ilisu - verhindern. Nach intensiven Verhandlungen hat die UNESCO letztlich dem Druck der Gastgeber nachgegeben und verzichtet nun auf diese Präsentation. "Damit hat das Weltwasserforum schon vor dem Beginn ihren Skandal. Dieser Vorgang entlarvt die Konferenz als das was sie ist: eine große Lobbyveranstaltung der Wasser- und Energiewirtschaft, auf der kritische Stimmen nicht erwünscht sind," so Ulrich Eichelmann von der Stop Ilisu Kampagne. "Wir fordern die Organisatoren des WWF5 auf, die Entscheidung zu revidieren und die Präsentation der UNESCO wieder in das Programm aufzunehmen." "Die Bezeichnung Weltwasserforum ist irreführend. Richtiger wäre `Wasserausbeutungsforum´, denn es geht hier fast ausschließlich um die Frage, wie man Wasser zu Geld machen kann. Auf die Menschen, Natur und Kulturgüter wird da kaum Rücksicht genommen," so Eichelmann. Aus Protest gegen dieses Forum veranstalten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vom 20. - 22. März in Istanbul ein Alternativforum. Unter dem Titel "Another water management is possible" treffen sich Menschen aus aller Welt, um auf die Folgen des gängigen Wassermanagements aufmerksam zu machen und um Alternativen dazu aufzuzeigen. Auch für die drei europäischen Staaten, die das Ilisuprojekt unterstützen, muss das Verhalten der Türkei unakzeptabel und ein erneuter Hinweis sein, dass die Türkei sich nicht an moderne Standards halten wird. Im Dezember 2008 hatten Deutschland, Österreich und die Schweiz die Verträge zu Ilisu außer Kraft gesetzt und der Türkei eine letzte Frist von 180 Tagen gewährt, um die 153 Auflagen zu Umsiedlung, Kultur und Umwelt zu erfüllen. Diese Frist läuft am 6. Juli 2009 ab. Dann müssen die drei Staaten endgültig entscheiden, ob sie die Verträge kündigen und sich aus dem Staudammprojekt zurückziehen oder ob sie im Projekt verbleiben. Weitere Information: eca-watch-austria@gmx.at, www.eca-watch.at, www.stopilisu.com EU-Türkei: Fortschrittsbericht 2008 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2009 zum Fortschrittsbericht 2008 über die Türkei Das Europäische Parlament, (.) 1. ist besorgt, dass in der Türkei während drei aufeinanderfolgenden Jahren eine kontinuierliche Verlangsamung des Reformprozesses zu verzeichnen ist, und fordert die türkische Regierung auf, unter Beweis zu stellen, dass sie politisch bereit ist, den Reformprozess, zu dem sie sich selbst 2005 verpflichtet hat, fortzusetzen; betont, dass eine solche Modernisierung zuallererst im Interesse der Türkei selbst liegt und der türkischen Gesellschaft insgesamt zum Vorteil gereicht; (.) 4. fordert die Führer der Parteien auf, sich ernsthaft um einen Dialog zu bemühen und sich kompromissbereit auf eine Reformagenda für die Modernisierung der Türkei in Richtung einer stabilen, demokratischen, pluralistischen, säkularen und wohlhabenden Gesellschaft zu einigen, die von der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten geleitet ist und auf der Rechtsstaatlichkeit beruht; I. Erfüllung der Kriterien von Kopenhagen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit 5. bedauert, dass die ursprünglichen Anstrengungen zur umfassenden Reform der Verfassung in einem Streit über das Kopftuch geendet und zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft geführt haben; fordert die türkische Regierung auf, ihre Arbeit an einer neuen zivilen Verfassung wiederaufzunehmen, in deren Mittelpunkt der Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht, und fordert sie auf, dafür zu sorgen, dass die Parteien und die Bürgergesellschaft sowie die ethnischen und religiösen Minderheiten eng in den Verfassungsprozess eingebunden sind; 6. ist besorgt über die zwei Verfahren zum Verbot von im Parlament vertretenen Parteien, die 2008 eingeleitet wurden, insbesondere über das noch anhängige Verfahren gegen die Partei der Demokratischen Gesellschaft (DTP); betont, dass das Parteiengesetz dringend geändert werden muss, damit es uneingeschränkt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie den Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarates entspricht; 7. fordert die türkischen Staatsorgane auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um zu ermöglichen, dass sämtliche bei den Wahlen vertretenen Parteien in der Wahlkommission vertreten sind; 8. bedauert, dass keine Fortschritte dabei erzielt wurden, eine uneingeschränkte und systematische zivile Überwachung der Armee zu gewährleisten und die parlamentarische Kontrolle der Militär- und Verteidigungspolitik zu stärken; 9. nimmt die Fortschritte zur Kenntnis, die bei der Entwicklung einer Strategie für eine Justizreform erzielt wurden; weist jedoch darauf hin, dass dringend weitere systematische Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Unparteilichkeit und die Professionalität der Justiz zu stärken und dafür zu sorgen, dass sich Justizangehörige nicht in politische Debatten einmischen und die Normen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) achten; (.) 12. begrüßt den Beginn des Prozesses gegen die Personen, denen die Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung Ergenekon zur Last gelegt wird; fordert die Behörden auf, mit den Untersuchungen fortzufahren und das Netz der Organisation, das sich bis in die staatlichen Strukturen erstreckt, vollständig aufzudecken; ist besorgt angesichts von Meldungen über die Behandlung der Angeklagten in dieser Sache; fordert die türkischen Staatsorgane auf, für ein faires Verfahren zu sorgen und die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit genau einzuhalten; Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten 13. bedauert, dass die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei noch immer nicht vollständig geschützt sind; ist der Ansicht, dass der Pressefreiheit in einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft weder durch häufige Sperrungen von Websites noch durch Druck auf kritische Presseorgane und Prozesse gegen sie gedient ist; ist außerdem der Auffassung, dass die Änderung von Paragraph 301 des Strafgesetzbuches, die im April 2008 angenommen wurde, nicht ausreichend ist, da immer noch Menschen auf der Grundlage dieses und anderer Paragraphen des Strafgesetzbuches, des Antiterrorgesetzes oder des Pressegesetzes verfolgt werden, weil sie ihre Ansichten gewaltlos zum Ausdruck bringen, wie es zum Beispiel bei der Trägerin des Sacharow-Preises für geistige Freiheit von 1995 Leyla Zana der Fall war; bekräftigt, dass Paragraph 301 aufgehoben werden muss und das Strafgesetzbuch und andere Gesetze, die benutzt werden, um gewaltfreie Meinungsäußerungen willkürlich einzuschränken, grundlegend reformiert werden müssen, um sicherzustellen, dass die Meinungsfreiheit im Einklang mit den EMRK- Normen uneingeschränkt respektiert wird; (.) 15. begrüßt die Arbeit des Untersuchungsausschusses zum Thema Menschenrechte der Großen Türkischen Nationalversammlung bei der Untersuchung von Folter und Misshandlungen in Gefängnissen sowie dem Mord an dem Journalisten Hrant Dink; (.) ist außerdem der Ansicht, dass sorgfältiger geprüft werden sollte, ob Ergenekon nicht auch an anderen, bislang nicht aufgeklärten Fällen wie der Ermordung von Hrant Dink beteiligt war; 16. begrüßt, dass im Februar 2008 das Stiftungsgesetz erlassen wurde, und würdigt die Einschätzung der Kommission, wonach das Gesetz eine Reihe von ausstehenden Eigentumsfragen klärt, die nichtmuslimische Gemeinschaften betreffen; fordert die türkische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass das Gesetz im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR angewandt wird, und den bislang ungeklärten Fall der Grundstücke zu klären, die beschlagnahmt und an Dritte verkauft worden sind, sowie der Grundstücke von Stiftungen, die vor der Verabschiedung der neuen Rechtsvorschrift verschmolzen sind; 17. bekräftigt, dass nach wie vor ein Rechtsrahmen im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR erforderlich ist, damit alle religiösen Gemeinschaften ihre Religion ohne unzulässige Einschränkungen, vor allem in Bezug auf ihre Rechtsstellung, die Ausbildung der Geistlichen, die Wahl ihrer Hierarchie, die religiöse Erziehung und den Bau von Gotteshäusern, ausüben können; fordert erneut die türkischen Staatsorgane, alle Parteien, die Bürgergesellschaft und die betroffenen Gemeinwesen auf, sich dafür einzusetzen, dass geeignete Rahmenbedingungen für die uneingeschränkte Wahrung der Religionsfreiheit in der Praxis geschaffen werden; fordert erneut die unverzügliche Wiedereröffnung des griechisch-orthodoxen Seminars in Chalki und die öffentliche Verwendung des Kirchentitels des Ökumenischen Patriarchen; begrüßt die Initiativen der Regierung aus der letzten Zeit und die laufenden Gespräche zwischen der Regierung und den Vertretern der Aleviten über seit langem anstehende Probleme wie die der Gotteshäuser der Aleviten und der Errichtung eines Denkmals für die Massaker in Sivas, und fordert die türkische Regierung auf, den Anliegen der Aleviten unverzüglich Rechnung zu tragen und vom Staat abgehaltenen Religionsunterricht zu einem fakultativen Fach zu machen; bedauert die geplante Enteignung des syrisch-orthodoxen Klosters St. Gabriel in Tur Abdin und Gerichtsverfahren gegen Repräsentanten des Klosters; 18. fordert die türkische Regierung auf, dringend eine politische Initiative zur Förderung einer dauerhaften Lösung des Kurdenproblems einzuleiten, die in einer Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Chancen der Bürger kurdischer Herkunft besteht und deren kulturelle Rechte spürbar erweitert, einschließlich konkreter Möglichkeiten, im Rahmen des staatlichen und privaten Schulsystems die kurdische Sprache zu erlernen und sie im Rundfunk und Fernsehen sowie bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen zu verwenden, und es den gewählten Vertretern zu gestatten, zur Kommunikation mit ihren Wählern eine zweite Sprache neben der türkischen zu verwenden; begrüßt den Programmstart eines Fernsehkanals, der vom 1. Januar 2009 an 24 Stunden täglich in kurdischer Sprache sendet; 19. verurteilt die von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und anderen terroristischen Gruppen auf türkischem Boden begangenen Gewaltakte; bekräftigt seine Solidarität mit der Türkei bei der Bekämpfung des Terrorismus und fordert die die PKK erneut auf, eine sofortige und bedingungslose Waffenruhe auszurufen und einzuhalten; 20. fordert die DTP und alle ihre gewählten Mitglieder auf, sich eindeutig von der terroristischen PKK und der von ihr praktizierten Gewaltanwendung zu distanzieren, und fordert alle Parteien auf, zu einer Lösung beizutragen, die Stabilität, Wohlstand und Integrität des türkischen Staates stärkt; 21. nimmt zur Kenntnis, dass die türkische Regierung beschlossen hat, das Südostanatolien-Projekt (GAP) zur Entwicklung des Südostens des Landes abzuschließen; weist jedoch auf seine sozialen, ökologischen, kulturellen und geopolitischen Folgen hin, einschließlich seiner Auswirkungen auf die Wasserversorgung in den Nachbarländern Irak und Syrien, und fordert die Regierung auf, bei der Fortführung der Arbeiten an dem Projekt diese Probleme in vollem Maße zu berücksichtigen, die Rechte der betroffenen Bevölkerung zu schützen und eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen und regionalen Behörden sicherzustellen; fordert die Kommission auf, eine Studie zum GAP und seinen Auswirkungen vorzulegen; 22. bekräftigt, dass auf der Grundlage des Vertrages von Lausanne (1923) die europäischen Werte des Pluralismus und der Vielfalt auch die Wahrung einer viel weiter gefassten Definition des Begriffs Minderheiten umfassen, als sie die Türkei vertritt; ist besorgt über die anhaltende Feindseligkeit und Gewalt gegenüber Minderheiten; ist besorgt darüber, dass die Türkei keine Fortschritte bezüglich der Garantie der kulturellen Vielfalt und der Förderung der Achtung für und des Schutzes von Minderheiten im Einklang mit den EMRK-Normen erzielt hat; fordert die türkische Regierung auf, den schon lange fälligen Dialog mit dem OSZE-Hochkommissar für nationale Minderheiten über Themen einzuleiten wie die Teilhabe von Minderheiten am öffentlichen Leben und Rundfunk- und Fernsehsendungen in Minderheitensprachen; 23. fordert die türkische Regierung auf, gegen die Organisationen und Kreise vorzugehen, die die Anfeindung von Minderheiten schüren, und all jene Personen zu schützen, die bedroht werden und um ihr Leben fürchten müssen, sowie nachhaltige Anstrengungen zu unternehmen, um ein Umfeld zu schaffen, das eine vollständige Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ermöglicht; 33. beglückwünscht die Türkei zu den Fortschritten, die sie in den Bereichen Bildung und Kultur erzielt hat; bekräftigt, dass der Zugang zur Bildung für alle nicht nur eine geeignete Strategie für die Integration von Minderheiten, sondern auch die Grundlage für eine wohlhabende und moderne Gesellschaft darstellt; betrachtet die Absicht, an türkischen Universitäten Fachabteilungen für Armenisch und Kurdisch einzurichten, als Zeichen des guten Willens, dem konkrete Taten folgen müssen; (.) 44. begrüßt den Besuch von Präsident Gül in Armenien im September 2008, der auf Einladung von Präsident Sarkisian erfolgt ist, und hofft, dass dieser Besuch dazu beiträgt, eine Atmosphäre zu schaffen, die der Normalisierung der Beziehungen der beiden Länder dienlich ist; fordert die türkische Regierung auf, die Grenze zu Armenien wieder zu öffnen und wieder umfassende wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Armenien aufzunehmen; fordert die türkische und die armenische Regierung erneut auf, einen Prozess der Versöhnung einzuleiten, der sich sowohl auf die Gegenwart als auch auf die Vergangenheit bezieht und eine ehrliche und offene Diskussion über Ereignisse in der Vergangenheit ermöglicht; fordert die Kommission auf, diesen Versöhnungsprozess zu erleichtern; (.) 47. würdigt die Bestrebungen der Türkei, ein Energieumschlagplatz zwischen Europa und Asien zu werden, sowie den Beitrag, den die Türkei zur Energieversorgungssicherheit Europas leisten kann; begrüßt die Fortschritte, die die Türkei in der Energiepolitik erzielt hat;(.) fordert die Türkei auf, der Europäischen Energiegemeinschaft als Vollmitglied beizutreten und so die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Türkei im Energiebereich zu stärken, was allen beteiligten Partien zugute kommen kann; fordert die Türkei auf, das Projekt der Pipeline Nabucco umfassend zu unterstützen, das für die Europäische Union von vorrangiger Bedeutung ist, und erwartet, dass demnächst eine zwischenstaatliche Vereinbarung zur Inbetriebnahme der Pipeline abgeschlossen wird; (.) 56. fordert die türkische Regierung auf, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterzeichnen und ratifizieren zu lassen, wodurch die Türkei noch stärker zum weltweiten multilateralen System beitragen und sich noch intensiver in diesem System engagieren würde. (.) (mesop, 13.3.09) Abschiebeabkommen mit Syrien Zehn kurdische Flüchtlinge befinden sich seit dem 24. Februar im unbefristeten Hungerstreik, um gegen ihre drohende Abschiebung aus Deutschland zu protestieren. Nach einer Demonstration in Berlin am 23. Februar, an der sich nach Angaben der Veranstalter 1200 Menschen beteiligten, errichteten die Hungerstreikenden ihr Protestlager direkt vor dem Bundesinnenministerium. »Das Ordnungsamt hat uns verboten, Zelte aufzustellen, sogar ein Schirm, den wir gekauft haben, um uns gegen den Regen zu schützen, wurde von der Polizei beschlagnahmt« berichtet der 2002 aus Syrien geflohene Süleyman Raheb. Raheb sieht in der Aktion das letzte Mittel, um gegen ein Anfang Januar zwischen der Bundesrepublik und Syrien geschlossenes Abschiebeabkommen zu protestieren. Durch die Vereinbarung sind nach Angaben der Flüchtlingsorganisation »The Voice« 7000 Menschen akut von Abschiebung bedroht. Der zweifache Familienvater Raheb fürchtet, daß er in Syrien Folter und Mißhandlungen durch Polizei und Geheimdienste ausgesetzt sein würde. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schreibt in ihrem Jahresbericht 2008, daß die etwa zwei Millionen Kurden in Syrien weiterhin unter Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen zu leiden haben. Hunderttausende syrische Kurden seien »praktisch staatenlos« und somit vom Zugang zu Bildungswesen, Arbeitsmarkt oder Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Nach der Unterzeichnung eines Rückübernahmeabkommens zwischen Deutschland und Syrien am 14. Juli 2008 haben die ersten in Deutschland lebenden kurdischen Syrer jetzt Ausreiseaufforderungen erhalten. Bis zu 7.000 Flüchtlingen, die meisten von ihnen Kurden (Muslime und Yeziden) sowie christliche Assyro-Aramäer, droht die Abschiebung nach Syrien. (junge Welt, 10.3.09) Neuerscheinung Kirkuk- Test für Iraks Stabilität Von Birgit Cerha Kirkuk, die Ölstadt im Nordirak: Kurden nennen sie "ihr Jerusalem" und haben für sie Tausende Menschenleben geopfert; irakische Araber sehen sie als unverzichtbaren Teil des Gesamtiraks; die Turkmenen, unterstützt von der Türkei, betrachten sie als "die Ihre". Fast eine Million Menschen leben hier auf einem Meer von Öl im Elend. Der Streit um Kirkuk droht als Sprengstoff den Irak endgültig zu zerreißen und die gesamte krisengeschüttelte Region in unabsehbare Turbulenzen zu stürzen. Hier wird die Entscheidung fallen, ob dieser einst von den Großmächten geschaffene Staat in einem demokratischen System zusammenhalten kann oder ob er auseinander bricht. Wem "gehört" Kirkuk tatsächlich und welche historischen Ungerechtigkeiten und Brutalitäten ballen sich hier explosiv zusammen? Auch die Weltgemeinschaft ist gefordert, denn in Kirkuk geht es auch um moralische Verpflichtung, die seltene Chance, historisches Unrecht so weit irgend möglich wieder gut zu machen. Historischer Hintergrund, Ursachen der Konflikte, Positionen der Betroffenen und interessierter Regionalmächte und die Versuche zu einer Lösung werden in diesem Buch dargestellt. Bestellungen bei: Birgit Cerha, info@ifamo.info 15 Jahre PKK-Verbot Eine Verfolgungsbilanz 1993 (26. November): Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) verhängt ein Betätigungsverbot für die PKK, die ERNK und andere kurdische Vereine und Organisationen. Begründung: die PKK verfolge mit Gewalt ihre Ziele, verletze strafgesetzliche Bestimmungen und gefährde die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung sowie "andere erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland". 1997: Kanther gerät wegen seiner harten Linie gegen die PKK in die Kritik von Verfassungsschützern. Mehrere Landesbehörden sprechen sich dafür aus, eine Aufhebung des Parteiverbots zu erwägen, "sollte Abdullah Öcalan am Gewaltverzicht festhalten". Als Wortführer der Kanther-Kritiker gilt NRW- Verfassungsschutzchef Fritz-Achim Baumann. 1998: Seit Januar wird die PKK-Führung in Deutschland von der Bundesanwaltschaft nicht mehr als "terroristische Vereinigung" (§129 a Strafgesetzbuch) eingeschätzt, sondern als "kriminelle Vereinigung (§129 Strafgesetzbuch) herabgestuft. 1999: Letzte große Welle von Aktionen in Folge der Entführung des damaligen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan aus Kenia in die Türkei (15. Februar 1999), die durch eine internationale geheimdienstliche Zusammenarbeit ermöglicht wurde. 2000: Ein Parteikongress billigt Anfang des Jahres die Vorschläge von Abdullah Öcalan und beschließt eine Neustrukturierung der PKK, die im Wege einer innerparteilichen Demokratisierung den neuen Kurs auch in der Organisation selbst abbilden soll. In der Türkei wie auch in den europäischen Staaten bemüht sich die PKK seither um Anerkennung als politische Gesprächspartnerin." (aus: Verfassungsschutzbericht 2001) 2001 (vor dem 11. September): In der Folge des Parteikongresses wird in der PKK und ihrem Umfeld eine ideologische Kampagne zur Neubewertung und -orientierung durchgeführt. 2001 (nach dem 11. September): Die PKK wird auf Betreiben der USA dem Spektrum der terroristischen Organisationen zugerechnet, vor allem um sich der Türkei als Bündnispartner im "Kampf gegen den Terror" zu versichern. Die Auflösung von PKK und ERNK und die Neugründung von KADEK (April 2002) und KONGRA-GEL (November 2003) mit demokratischem Programm und Verzicht auf das Ziel eines eigenen Staates ändert nichts daran. Der KONGRA-GEL wird 2004 ebenfalls in die "EU- Terrorliste" aufgenommen - auf Betreiben der Türkei und der USA. 2006 (Januar): Die norwegische Regierung betrachtet die PKK als "legitime Organisation" und die EU-Terrorliste sowie die Eintragung der PKK als nicht bindend. 2008 (3. April): Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erklärt die Eintragung von PKK und KONGRA-GEL in die EU- Terrorliste für ungültig. Trotzdem wird sie von den meisten Mitgliedstaaten des Europarates aufrechterhalten. Strafverfolgung in Deutschland: Die größte Zahl der Strafen (v.a. Geldstrafen) wurden in den letzten Jahren gegen Sympathisanten wegen Verstoßes gegen §20 Vereinsgesetz in der Folge der im Juni 2001 begonnenen Identitätskampagne "Auch ich bin PKKler" sowie wegen des Spendens und Spendensammelns verhängt. Grundlage für die Strafverfolgung von PKK-Kadern nach Aufgabe des Terrorismus-Vorwurfs wurde das Konstrukt der Mitgliedschaft oder Rädelsführerschaft in einer "kriminellen Vereinigung" innerhalb der PKK (Straftaten nach §129 StGB). Zweifellos war nicht nur das vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily verfügte Verbot der prokurdischen Zeitung "Özgür Politika" vom September 2005 ein massiver Angriff auf die kurdischen Medien (am 18. Oktober musste es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wieder aufgehoben werden), sondern weit mehr noch das am 13. Juni 2008 verfügte Ausstrahlungsverbot des in Dänemark ansässigen kurdischen TV-Senders ROJ TV und der Produktionsfirma VIKO in Wuppertal. Die im Jahre 2007 installierte sog. "Anti-PKK-Koordination" zwischen den USA, der Türkei, Frankreich, Großbritannien und Deutschland dürfte für diese tiefgreifende Maßnahme verantwortlich gewesen sein. Die letzten Jahre waren zudem geprägt von zahllosen Asylwiderrufsverfahren durch das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration, das konstant behauptet, die Menschenrechtssituation in der Türkei habe erhebliche Fortschritte gemacht und es sei verantwortbar, Kurdinnen und Kurden wieder dorthin abzuschieben. Das Amt führt zudem in den Widerrufsbescheiden häufig die in Asylverfahren genannten Fluchtgründe auf, deretwegen die Betroffenen anerkannt worden sind. Allen politischen kurdischen Gefangenen, die nach §129 verurteilt wurden, ist der Asylstatus aberkannt worden. Sie stehen damit wieder am Null-Punkt einer Zukunft in Deutschland. Wegen politischer Aktivitäten - und sei es nur die Mitgliedschaft in einem kurdischen Verein, die Teilnahme an einer Demonstration oder der Besuch von Veranstaltungen - ist in den vergangenen Jahren einer Vielzahl von Kurdinnen und Kurden eine beantragte Einbürgerung verweigert worden. Zu bestellen bei AZADI e.V., azadi@t-online.de oder Herunterladen unter http://www.nadir.org/nadir/initiativ/azadi/verbot/2008/15jahre.pdf Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen Die Dokumentation zeigt in circa 5000 Einzelgeschehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus auf die Betroffenen. Nach offiziellen Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) befinden sich 130.203 Menschen in einem prekären Aufenthaltsstatus (Duldung oder Gestattung), die alle unter dem staatlich verordneten Ausreisedruck leben müssen. Wer es nicht mehr aushält, taucht ab und versucht, als Papierloser zu überleben. Papierlos - und somit der Willkür und Denunziation völlig schutzlos ausgeliefert - sind nach offiziellen Angaben des BMI 448.809 Menschen. Die Dunkelziffer wird deutlich höher sein. Aber auch die wenigen Flüchtlinge, die es geschafft haben, einen Aufenthalt zu bekommen, werden nicht in Ruhe gelassen. Durch Widerrufverfahren im Jahr 2008 ist 5.800 Menschen ihr Asylstatus aberkannt worden, und 31.000 werden zur Zeit noch überprüft. Der Terror geht auch für diese Menschen weiter. Die Dokumentation umfasst den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2008. * 175 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen, davon allein 131 an den deutschen Ost-Grenzen, * 480 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon 295 an den deutschen Ost- Grenzen, * 150 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch vor der Abschiebung zu fliehen, davon 56 Menschen in Abschiebehaft, * 814 Flüchtlinge verletzten sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hungerstreiks) oder versuchten, sich umzubringen, davon befanden sich 492 Menschen in Abschiebehaft, * 5 Flüchtlinge starben während der Abschiebung und * 371 Flüchtlinge wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Misshandlungen während der Abschiebung verletzt, * 31 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode, und * 462 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär misshandelt und gefoltert oder kamen aufgrund ihrer schweren Erkrankungen in Lebensgefahr, * 70 Flüchtlinge verschwanden nach der Abschiebung spurlos, * 14 Flüchtlinge starben bei abschiebe-unabhängigen Polizeimaßnahmen, * 417 wurden durch Polizei oder Bewachungspersonal verletzt, davon 130 Flüchtlinge in Haft. * 67 Flüchtlinge starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, * 761 Flüchtlinge wurden z.T. erheblich verletzt, * 14 Flüchtlinge starben durch rassistische Angriffe auf der Straße und 744 Menschen wurden verletzt. Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen seit 1993 mindestens 375 Flüchtlinge ums Leben - durch rassistische Übergriffe und Brände in Flüchtlingsunterkünften starben 82 Menschen. Antirassistische Initiative e.V. ari-berlin-dok@gmx.de, www.ari-berlin.org/doku/titel.htm Hinweis auf sonstige Infostellen Azadi, azadi@t-online.de; www.nadir.org/azadi/ Demokratisches Türkeiforum, info@tuerkeiforum.net, www.tuerkeiforum.net Europäischer Friedensrat Türkei/Kurdistan, www.barismeclisi.com/html/index.php?newlang=german Gesellschaft für bedrohte Völker, nahost@gfbv.de, www.gfbv.de ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V., isku@nadir.org; www.nadir.org/isku/ Kurdmania.com, Portal für Politik & Kultur, www.kurdmania.com Koalition für einen Demokratischen Irak (KDI), kdi@gmx.net Koalition Demokratisches Syrien (KDS), kds-info@gmx.net Kurdisches PEN-Zentrum, webmaster@pen-kurd.org, www.pen-kurd.org/ Kurdistan Report, www.kurdistanreport.de Mezopotamian Development Society, MESOP@online.de, www.mesop.de NAVEND - Zentrum für kurdische Studien e.V., info@navend.de, http://www.navend.de/ Österreichisch-Kurdische Ges. für Wissenschafts- u. Kultur- austausch, office@ok-gesellschaft.at, w.w.w.ok-gesellschaft.at/ The Turkish Economic and Social Studies Foundation (TESEV), www.tesev.org.tr/eng/ Zentrum für Türkeistudien, www.zft-online.de
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