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nützliche Nachrichten 9-10/2012

Der Kommentar

 

Hungerstreik zu einem zukunftsträchtigen Dialog

im türkisch-kurdischen Konflikt nutzen

 

Hunderte kurdischer, politischer Gefangene fasten seit nunmehr

über 50 Tagen, 10.000 Kurden und Kurdinnen haben sich seit

dem 5. November 2012 angeschlossen. Ihre Aktion ist sehr

ehrenwert, sie schießen nicht, sondern wenden eine gewaltfreie

Form an, um ihre Forderungen zu vertreten. Ihr Verhalten unter

Einsatz ihres Lebens erinnert an die gewaltlosen Aktionen

Gandhis.

 

Ihre Forderungen sind menschenrechtlich begründet, so der

Gebrauch ihrer Muttersprache vor Gericht. Sie zielen nicht auf

Konfrontation, sondern auf die Eröffnung von Wegen zur zivilen

Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts; so wenn sie die

Aufhebung der Isolationshaft ihres Führers Abdullah Öcalan

verlangen, damit dieser bei einer friedlichen Lösung eine

wichtige Rolle spielen kann.

 

Wir stimmen dem Staatspräsidenten Gül in seiner Aussage zu,

die Lösung dieses Konflikts sei die wichtigste Aufgabe der

Türkei. Wir sagen: Jeder der sich darum bemüht und

Konfrontation in Kooperation verwandelt, leistet der türkischkurdischen

Gesellschaft und ihrer demokratischen Entwicklung

einen nobelpreisverdächtigen, großen Dienst. Keiner verliert sein

Gesicht, wenn er auf diesem Wege den ersten Schritt tut und

mutig voranschreitet. Es wäre wohl die größte Leistung seit der

Gründung der Türkei, endlich diese Kluft zu überwinden und

Gemeinsamkeit in der vielfältigen Gesellschaft herzustellen.

 

Mit dem gewaltfreien Hungerstreik wird ein Neubeginn für die

Bearbeitung dieser großen Aufgabe möglich, wenn die türkische

Regierung angemessen auf die vorgetragenen Forderungen

eingeht und beide Seiten sich ehrenhaft und verlässlich um die

Bildung von gegenseitigem Vertrauen und damit um die

Voraussetzung für eine Lösung des Konflikts bemühen.

 

Auch Deutschland darf nicht zögern, seine Zustimmung und

Unterstützung zu einer Verständigung zu leisten.

 

Andreas Buro

Friedenspolitischer Sprecher des Komitee für Grundrechte und

Demokratie e.V. Koordinator des Dialog-Kreises: „Die Zeit ist reif

für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und

Kurden“

 

Matthias Jochheim

Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für

die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung

e.V. (IPPNW)

 

 

 

 

Gastkommentar

 

Ach, könnten wir doch nur zu den 90ern zurückkehren

 

Von Kadri Gürsel

 

In den 90ern hatte die kurdische Frage noch keine politische

Gestalt angenommen. Die kurdische Frage der Ära 2010 ist

jedoch eine politische. Man kann sagen, was man will, die

kurdische Frage und die PKK lassen sich nicht mehr

auseinander trennen. Sie separat voneinander zu behandeln, ist

nicht möglich. In der ersten Hälfte der 90er war es das noch.

In den 90ern wurde die kurdische Frage auch noch nicht von

einer solch großen Masse getragen. In der Ära 2010 stehen wir

der kurdischen Frage als einem Massenphänomen gegenüber.

Die kurdische Bewegung verfügt über eine politisierte und

organisierte Basis, die, wie sie fühlt und denkt, ihre politische

Gewalt und ihren Terrorismus für legitim hält und sie unterstützt.

Diese Leute sind wie Sie und ich, Bürger der Türkischen

Republik.

 

In den 90er Jahren lag der Schwerpunkt der kurdischen Frage

auf dem Lande, in den Bergen. Beginnend mit der

demographischen Veränderung durch die Vertreibung aus den

Dörfern in den 90ern und weiteren dynamischen Faktoren, hat

die kurdische Frage der Ära 2010 ihren Schwerpunkt in die

Städte verlagert. Darauf haben die politischen Machthaber, auf

ihr „Konzept der Sicherheitspolitik“ gestützt, mit den KCK-

Operationen reagiert. Trotz dieses Vorgehens müssen wir zur

Kenntnis nehmen, dass (der Erfolg dieser) durch einen vierten

Umstand zunichte gemacht wird.

 

(Denn) die kurdische Frage der Türkei hat sich regionalisiert...

Die PKK hat in den 90ern Syrien, den Iran und Irak eigentlich nur

als Hinterland betrachtet. Heute sehen wir, dass die PKK seit der

Ära 2010 eine Massenbasis bei der kurdischen Bevölkerung

dieser drei Länder gefunden hat, ja mehr noch, in den Gebieten

Syriens, in denen die Kurden die Mehrheit stellen, haben sie die

Kontrolle an sich gerissen.

 

Die PKK-Militanten können sich in insgesamt vier Ländern, dazu

gehört auch die Türkei, grenzübergreifend bewegen.

 

Die PKK hat in der Region eine strategische Tiefe erlangt.

Im Unterschied zu den 90ern steigern all diese Faktoren die

Bedrohung der türkischen Sicherheit mit inakzeptablem Ausmaß.

 

In den 90ern war die PKK eine illegale bewaffnete Organisation,

heute ist sie eine illegale militärische Kraft, mit der Qualität eines

„regionalen Akteurs, wenn auch ohne Staat“. (....)

 

Die Türkei hat gegenüber der kurdischen Frage im eigenen Land

Ende der 90er die Initiative ergriffen, indem sie die syrische

Unterstützung der PKK zunichtemachte. Aber diese Chance hat

sie nicht zu nutzen gewusst, hat sie vertan.

 

2012 hat die Türkei die Initiative über ihre eigene kurdische

Frage verloren. Solange diese Außenpolitik so fortgesetzt wird,

wird sie, auch wenn sie es wollte, die kurdische Frage nicht lösen

können. Denn der Schüssel dazu liegt wiederum in Syrien. In der

Politik gegenüber Syrien.

 

In den 90ern zeigte die Drohung, „Soldaten nach Syrien zu

schicken“, Wirkung. 2012 wird sie Wirkung zeigen, sollten wir

uns aus dem Sumpf befreien können, in den wir gerieten, auch

ohne Soldaten dorthin geschickt zu haben.

 

Der Weg, die Initiative zurück zu gewinnen, ist abhängig von

einer Veränderung der gesamten Außenpolitik und beginnt bei

Syrien.

 

Was sucht Fatih Sultan Mehmet in Syrien?

 

Die von Ankara seit September 2011 verfolgte Syrienpolitik sah

vor, das Baath-Regime mit jeglichem Mittel, inklusive dem Krieg,

zu stürzen und im gesamten Land eine Herrschaft der

Moslembruderschaft zu installieren. Eine der Haupttaktiken der

Strategie zum Sturz des Regimes bestand darin, mit Hilfe „der

syrischen Flüchtlingskrise“ in der Türkei eine humanitäre [Krisen]

Situation zu schaffen und diese dann zur Begründung für die

Einrichtung einer Sicherheitszone in Syrien heranzuziehen. Mit

der „Taktik der Sicherheitszone“ würde Syrien teilweise besetzt

werden, auf diese Art würde ein enormer militärischer Druck auf

das Regime ausgeübt und letztlich die Baathisten gestürzt

werden können.

 

Um Herr der Syrischen Ordnung zu sein -um der Vorreiter der

Veränderung zu sein- hätte die Türkei notfalls auch Krieg geführt.

 

Diese Politik ist, Gott sei’s gedankt, gescheitert.

Die anderen Taktiken, die Ankara zum Sturz des Regimes in

Damaskus verfolgte, waren gespickt mit Maßlosigkeiten und

Übertreibungen. Mit bloßem Auge war zu erkennen, dass Ankara

vergaß, jegliche Vorsicht walten zu lassen, während es die

syrische Opposition koordinierte, ihr Obdach gewährte, sie mit

Waffen ausstattete, auch wenn sich kurzfristig diese riskante

Methode sogar als erfolgreich erwies...

 

Seit dem ist ein Jahr vergangen und nicht eine der Erwartungen

Ankaras hat sich erfüllt. Stattdessen hat die Türkei durch diese

abenteuerliche, diese utopische, diese fanatische Außenpolitik

großen Schaden genommen.

 

Der größte Schaden besteht darin, dass sich die kurdische Frage

in den letzten Monaten zunehmend militarisiert hat und jeder

Kontrolle entglitten ist. Dazu tragen vor allem die Nachbarn im

Süden und Osten bei, die vor allem in der Syrienpolitik der Türkei

eine feindliche Haltung sehen wollen.

 

Desweiteren vertieft die Syrienpolitik der Regierung die

Spannungen zwischen Sunniten und Alawiten, destabilisiert die

Region Hatay.

 

Lassen wir das alles einmal beiseite, Umfrageergebnisse zeigen,

dass es der regierenden AKP nicht einmal gelungen ist, ihre

eigenen Wähler von der Richtigkeit und dem Erfolg ihrer

Syrienpolitik zu überzeugen.

 

Zum ersten Mal gelingt es der regierenden AKP nicht, mit Hilfe

der Außenpolitik das politische Gleichgewicht und die politische

Kultur des Landes in der von ihr gewünschten Weise zu

verändern.

 

Ein Wechsel in der Syrienpolitik ist unvermeidlich.

Unter einer Veränderung sollte aber natürlich nicht verstanden

werden, dass die Türkei gegenüber diesem Mörder-Regime auf

Neutralität(-skurs) einschwenken soll...

 

Ganz im Gegenteil bedeutet Veränderung die Ausrichtung des

praktischen Handelns auf den Rahmen des Legitimen und

Gesetzlichen, und deren Lancierung durch eine moderatere und

diplomatischere Rhetorik.

 

Ob das mit der vorhandenen personellen Besetzung zu schaffen

ist, bezweifele ich. Bis auf einige Ausnahmen hat es die

islamische Bewegung leider nicht geschafft, Konservative mit

Tugend und Scharfsinn hervorzubringen.

 

Auf der anderen Seite gibt es keinen Grund, die vorhandenen

Flüchtlingslager nicht den Vereinten Nationen zu überantworten,

um so den Schatten von der Türkei zu nehmen.

 

Es ist nicht unmöglich, den Eindruck zu zerstreuen, die Türkei

wäre internationaler Tummelplatz von Al-Kaida und

Dschihadisten geworden.

 

Gleiches gilt im Hinblick auf eine vertrauensfördernde Rhetorik

gegenüber Russland und dem Iran, aber auch für das

gemeinsame Vorgehen in Bezug auf die Zukunft Syriens.

 

Wie auch immer, die Verlegung des Hauptquartiers der Freien

Syrischen Armee (FSA) aus der Türkei nach Syrien, war

zumindest schon einmal ein wichtiger Schritt.

 

Aber bitte beantwortet um Gottes Willen zuvor folgende Frage:

Was hatten denn bloß “Fatih Sultan Mehmet” und “Sultan

Abdülhamit” in Syrien zu tun?

 

Dies sind Namensgebungen von der FSA angebundenen

Einheiten der syrischen Turkmenen.

“Fatih” steht in Anspielung auf das Osmanische (Reich),

“Abdülhamit” für das Islamische. Wenn sie dann noch eine dritte

Einheit gründen sollten, und sie in Anlehnung an die Sunniten

“Yavuz Sultan Selim” nennen würden, dann wären mit den

Namen die drei Arten tragischer Politik vollständig.

 

Durch solch ultra-romantische und laienhafte Namensgebung

wird die kleine Minderheit der Turkmenen in Syrien als

ortsansässiger Komparse des „Neo-osmanischen Imperialismus“

aufgefasst, und wenn sie dann im Bürgerkrieg Unterdrückung

erleiden muss, haben das jene zu verantworten, die sich den

Schnitzer mit diesen verfluchten Namen erlaubt, und jene, die

dazu geschwiegen haben.

 

Gibt es denn in Ankara niemanden mit Weitblick, der diesen

Super-Schlauen sagen könnte: “Seid ihr euch darüber im Klaren,

was ihr da macht?“

 

Die syrischen Turkmenen haben keinen Bedarf am Osmanismus

und auch nicht am Islamismus. Sie bedürfen der Modernisierung,

der Reformen, der Demokratie und der Minderheitenrechte.

 

Ihr könntet einen Wechsel eurer Syrien-Politik damit beginnen,

indem ihr dies erkennt.

 

(Milliyet; 23./24.9.12, ISKU)

 

 

 

 

Ereignis-Kalender

 

Hungerstreikende Gefangene nähern sich dem Tode

 

Am 30. Jahrestag des Militärputsches in der Türkei begann

erneut ein Hungerstreik von politischen Gefangenen in

türkischen Gefängnissen, der sich Tag für Tag weiter ausbreitet

und ein kritisches Ausmaß erreicht hat.

 

Seit dem 12. September 2012 befinden sich etwa 700 Mitglieder

der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Partei der Freien

Frauen Kurdistans (PAJK) in über 60 Gefängnissen im

unbefristeten Hungerstreik. Der Gesundheitszustand der

Hungerstreikenden verschlechtert sich gravierend.

 

Obwohl der Hungerstreik eine lebensbedrohliche Phase erreicht

hat, hüllt sich die türkische AKP-Regierung in Schweigen und

Premier Erdogan bezeichnet das Ganze als Show.

Demgegenüber erklärten SprecherInnen der Gefangenen, dass

sie den Hungerstreik noch weiter ausweiten. Und dies geschah.

Seit dem 5. November schlossen sich etwa 10.000 kurdische

Gefangene dem Hungerstreik an.

 

In einer Erklärung der PAJK-Gefangenen aus dem Gefängnis

von Diyarbakir heißt es: “Seit Juli letzten Jahres ist Herr Öcalan

unvergleichlichen Isolationshaftbedingungen ausgesetzt, sowohl

gegen die kurdische Zivilbevölkerung als auch gegen die Guerilla

werden Vernichtungsoperationen durchgeführt, PolitikerInnen

sollen durch die ‘KCK-Operationen’ ausgeschaltet werden.

Roboski war kein Unfall, (wo 34 Zivilisten, mehrheitlich Kinder

durch Luftwaffe ermordet wurden). Es war ein geplantes

Massaker und zugleich ein Startsignal für den physischen

Völkermord am kurdischen Volk.”

 

Die Gefangenen betonten in einem Brief an die Öffentlichkeit,

dass sie ihren Hungerstreik bis zur Erfüllung ihrer Forderungen

fortsetzen werden. Ihre zentralen Forderungen lauten: „Die

Aufhebung der Isolation gegen Abdullah Öcalan und die

umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache –

einschließlich des Rechtes auf Bildung und Verteidigung in der

kurdischen Muttersprache sowie die Aufhebung jeglicher

Assimilationspolitik gegen KurdInnen“.

 

Der Hungerstreik und die Forderungen der politischen

Gefangenen haben im In- und Ausland eine breite Öffentlichkeit

geschaffen. Tagtäglich finden Aktionen der Angehörigen und der

kurdischen Bevölkerung statt. Am 30. Oktober kündigte die BDP

(Partei für Frieden und Demokratie) einen Generalstreik in

Kurdistan an, dem weite Teile der kurdischen Bevölkerung

folgten. Der Generalstreik wurde z.B. von 90% der Bevölkerung

in Amed/Diyarbakir, dessen Bevölkerung um 1,5 Mio. liegt,

befolgt und getragen. Auch in weiteren etwa 30 Städten blieb die

Bevölkerung zu Hause. Busse, Taxis und Autos fuhren nicht.

SchülerInnen boykottierten den Unterricht. Läden blieben zu.

Das öffentliche Leben ist für einen Tag lahmgelegt.

 

Auch die demokratischen türkischen und kurdischen Kräfte,

Verbände, Intellektuelle und Künstler blieben nicht untätig. Das

Gewissen der Türkei, international bekannte Romanziers wie

Yasar Kemal und Vedat Türkali verkündeten mit weiteren

Hunderten von Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern ihre

Solidarität mit den Hungerstreikenden. Hunderte von

Berufskammer, Vereine und Verbände reihten sich hinter den

Forderungen der hungerstreikenden Gefangenen. Etwa 150

kurdische und türkische Wissenschaftler aus unterschiedlichen

Universitäten erklärten ihre Unterstützung.

 

Yasar Kemal sagte: „Das größte Leid ist es zu beobachten, wie

der Tod durch Hunger kommt. Die Forderungen der Menschen,

wegen denen sie ihr Leben riskieren, sind in einer Demokratie

Inhalt von Menschenrechten. Wenn eine Lösung möglich ist, der

Tod von Menschen aber nicht verhindert wird, wird dies die

Sünde der Machthaber, der Opposition, den Medien und unser

aller sein. Frieden ist in diesem Land für jeden eine Sehnsucht

und ein Recht. Es muss für jeden von uns eine Aufgabe sein,

sich gegen alle Barrieren, die den Frieden verhindern, zu wehren

und sie aufzuheben. Allen, die sich damit innig beschäftigen, bin

ich dankbar. Zwei Sätze des Ministerpräsidenten Erdogan

würden ausreichen, um das Leben der streikenden Gefangenen

zu retten.“

 

Trotzt dieser breiten Welle der Unterstützung ging die

Staatsmacht vielerorts mit Schlagstöcken, Knüppeln, Gas- und

Wasserwerfern gegen die Protestierenden vor, auch gegen die

gewählten Parlamentarier des kurdischen Volkes.

 

Obwohl die Öffentlichkeit im In- und Ausland über die gerechten

Forderungen der hungerstreikenden Gefangenen hellhörig

wurde, konnte der türkische Premier Erdogan am 31. Oktober

Mitten in Berlin und neben Bundeskanzlerin Merkel behaupten,

dass sich nur ein Gefangene im Todesfasten befände und alle

Anderen „Show machen“ würden.

 

Dem gegenüber erklärte Deniz Kaya im Namen der

hungerstreikenden Gefangenen am 4. November, dass der

Hungerstreik ab 5. November mit weiteren 10.000 kurdischen

Gefangenen fortgesetzt wird und sagte, „wir wollen mit unserem

Hungerstreik niemanden in die Knie zwingen oder erpressen.

Zugleich erlauben wir es aber auch nicht, dass irgendjemand

versucht uns zu erpressen.“

 

In der Erklärung heißt es weiter: „Wir fragen die ganze Welt: Wer

kann sich gegenüber der Forderung nach juristischer

Verteidigung in der eigenen Muttersprache verschließen? Wer

kann die Isolation und die Folter an einer Person akzeptieren,

der von einem ganzen Volk als dessen Repräsentant akzeptiert

wird? Wer kann sich gegen die Friedensverhandlungen mit

unserem Vorsitzenden, unserem Repräsentanten stellen, der die

Schlüsselfigur für einen Frieden zwischen den Völkern ist. Wir

fordern von allen Menschen Antworten auf diese Fragen! (…)

 

Wir setzen unsere Körper für eine friedliche und demokratische

Lösung der kurdischen Frage und für ein würdevolles

Zusammenleben der Völker dem Tod aus. Unsere Aktion ist

zugleich auch ein Appell an das Gewissen. Es ist der Apell eines

Volkes, welches Unterdrückung und Leid ausgesetzt ist, für ein

Ende dieser Unmenschlichkeit, die an uns stellvertretend für die

gesamte Menschheit ausgeübt wird…

 

Wir rufen alle Kreise, die unsere Aktion nicht ernst nehmen und

versuchen sie zu diffamieren, die Lügen über den Hungerstreik

verbreiten und allmögliche Versuche unternehmen den

Hungerstreik zu untergraben, dazu auf, Ernsthaftigkeit an den

Tag zu legen. Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden,

werden die AKP-Regierung und der Ministerpräsident Erdogan

verantwortlich für alle negativen Konsequenzen sein.“

 

Auch Parlamentarier im Hungerstreik

 

Seit dem 10. November befinden sich die Parlamentarier der

BDP (Partei für Frieden und Demokratie) Gültan Kisanak (Co-

Parteivorsitzende), Özdal Üçer, Emine Ayna, Sabahat Tuncel,

Sirri Süreyya Önder, Adil Kurt und Aysel Tugluk sowie

Oberbürgermeister von Diyarbakir Osman Baydemir in einem

unbefristeten Solidaritätshungerstreik in Amed/Diyarbakir. Denen

schloss sich am 14. November Leyla Zana im türkischen

Parlament an.

 

Auch Sie können einen Beitrag für Frieden und Menschenrechte

sowie Erfüllung der Forderungen der hungerstreikenden

Gefangenen leisten und sich für das Leben und die Gesundheit

der politischen Gefangenen einsetzen. Durch Briefe und Emails

an das türkische Innen- und Justizministerium können Sie die

türkische Regierung auffordern, den legitimen Forderungen der

Hungerstreikenden Gehör zu schenken.

 

-> Justizminister Sadullah Ergin, T.C. Adalet Bakanligi,

06659 Kizilay / ANKARA, info@adalet.gov.tr;

Abteilung für Gefängnisse: cigm@adalet.gov.tr

 

Oder sich an der Online Petition beteiligen:

http://www.change.org/petitions/hunger-strikers-in-turkishprisons-

engage-in-constructive-dialogue-with-prisoners#

 

Seit dem 4. November bemühen sich einige in Köln lebende

KurdInnen und Türkinnen, die sich dem Dialog-Kreis und Tüday

(Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland) verbunden fühlen,

praktische Hilfe zu leisten, Delegationen zu entsenden und

dringend benötigte B1 Vitamine (Tabletten und Ampullen) zu

besorgen.

 

Kontakt: TÜDAY- Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland

e.V., Melchiorstrasse 3, 50670 Köln, info@tuday.de

Detaillierte Infos zum Hungerstreik: www.civakaazad.com

 

 

 

 

Erdogan zum Hungerstreik und zur

Wiedereinführung der Todesstrafe

 

Wir veröffentlichen einige Statements von Ministerpräsident

Tayyip Erdogan um zu verstehen, warum es bis jetzt zu keiner

möglichen Lösung gekommen ist. Außerdem sind Erklärungen

des Ministerpräsidenten Erdogan zu beachten, die er hartnäckig

in der Öffentlichkeit bringt, mit der er ein Gesetz zur

Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung setzen

will. Dies ist seine Antwort auf die Forderungen der

Hungerstreikenden, dass die Isolation Abdullah Öcalans

aufgehoben werden muss. Seit mehr 16 Monaten wird gegen

Öcalan eine umfassende Kontaktsperre vollzogen, die Anträge

zu seinen AnwältInnen auf Besuch mit ihrem Mandanten werden

regelmäßig mit Begründungen wie „Die Fähre ist defekt, die

Fähre ist in Reparatur oder das Wetter ist zu schlecht“,

abgelehnt. Und das seit mehr als einem Jahr.

 

Einige Beispiele:

 

Am 29. Oktober beim Empfang im Rahmen der Feier zur

Republikgründung: „Alle essen alles“

 

Ministerpräsident Erdogan sagte zum Hungerstreik in den

Gefängnissen: „Mein Justizminister war dort, es gibt niemanden,

der hungrig ist. Alle essen alles. Wir werden intervenieren, wenn

es nötig ist.“

(http://www.khaber.com.tr/haber/guncel/basbakandan-flasaciklamalar-

16535.html)

 

 

Am 31.10.2012, in Berlin bei seinem Besuch zur Eröffnung der

Botschaft in Berlin:

„Es gibt einen Todesfastenden“

 

„Ich wende mich aus Deutschland an die ganze Welt. Es gibt in

der Türkei eine Person, die todesfastet. Wir besitzen Fotos über

Mitglieder politischer Parteien bzw. Separatistenorganisationen,

die ihnen auftragen, zu sterben. Ahmet Türk gab in Kiziltepe ein

Essen, welches feuchtfröhlich stattfand. Während sie dort dies

tun, tragen sie anderen auf, zu sterben.

 

Es gibt keinen Hungerstreik oder ähnliches. Mein Minister war

dort und hat sich umgeschaut. Es ist eine Show. Die Hälfte von

ihnen hat aktuell ein Bittschreiben erstellt und diese Sache

aufgegeben. Unser ganzes Personal der Krankenhäuser ist vor

Ort, um eingreifen zu können.“

(http://www.sabah.com.tr/Gundem/2012/10/31/basbakandanaclik-

grevi-aciklamasi)

 

Erdogan nennt es “Show”, der Minister nennt Zahlen

 

Der Hungerstreik bringt Ministerpräsident Erdogan und den

Justizminister in die Bredouille. Zur selben Zeit als Erdogan in

Deutschland sagte, dass es keinen Hungerstreik gäbe und sie

nur „eine Show“ aufführten, stand der Justizminister vor den

Medien und erklärte: „ …683 Personen sind im Hungerstreik...“

(http://www.internethaber.com/adalet-bakani-sadullah-erginfezleke-

bdp-aclik-grevi--472784h.htm)

 

„Sie führen einen Hungerstreik durch und du isst Lamm“

 

„Wir haben mit unseren kurdischen Brüdern keine Probleme. Wir

sind eins und gehören zusammen. Wir wollen die Demokratie

nicht nur für uns, sondern für alle. Als wenn es nicht reicht, dass

die Terrorbewegung sie in die Berge bringt, werden nun auch

die, in den Gefängnissen einsitzenden, in den Tod geschickt.

Das Justizministerium verfolgt den Hungerstreik ... Aber ich muss

folgendes sagen: Du schickt sie unter Zwang in den

Gefängnissen in den Hungerstreik, selbst isst du Lamm und

Kebab.“

 

Das Volk will die Todesstrafe zurück

 

„Ein Terroristenoberhaupt ist in diesem Land wegen des Todes

von Zehntausenden von Menschen mit dem Tod bestraft worden,

aber dieses Land hat auf Druck einiger bekannter Stellen die

Todesstrafe aufgehoben. Seit der Aufhebung der Todesstrafe

sitzt dieser jemand auf Imrali ein. Aktuell wollen viele unserer

Menschen nach statistischen Erhebungen die Todesstrafe

zurück. Denn es brennt den Angehörigen derer, die getötet

worden sind, die Seele.“ (http://www.ensonhaber.com/erdoganaclik-

grevi-yapanlara-seslendi-2012-11-03.html)

 

Erdogan zur Wiedereinführung der Todesstrafe

 

Bei einer Pressekonferenz stellte ein Journalist eine Frage zum

Hungerstreik. Erdogan sprach mit lauter werdender Stimme:

„Hasbinallah ... Worüber rede ich denn hier bis jetzt? Frag mich

doch mal zur Todesstrafe. Was willst du bewirken? Ich will

deutlich reden, ich möchte nicht drei Tage lang über die

Todesstrafe reden und dann ist es vorbei, denn ich werde nicht

zulassen, dass es vergessen wird. Lasst uns erst einmal dies

groß und breit diskutieren, nachher können wir über den Streik

und andere Dinge sprechen ...“ Und damit rief er jung und alt in

der Türkei dazu auf, in der Todesstrafe meinungsgleich zu sein.

(http://www.zaytung.com/haberdetay.asp?newsid=196003)

 

1. November: „Das Todesfasten ist beendet“

 

Ministerpräsident Erdogan traf sich mit dem Ministerpräsidenten

Moldaviens, Vladimir Filat, im Präsidialamt und gab im Anschluss

auf der Presseerklärung über die Tagesordnung wichtige

Erklärungen ab. Auf eine Frage zum Hungerstreik sagte

Ministerpräsident Erdogan: „In Bezug auf den Hungerstreik

haben sowohl Ministerium als auch unser Gesundheitsminister

jede mögliche Vorsichtsmaßnahme getroffen. Was das

Todesfasten betrifft, dieses ist beendet. So etwas gibt es zurzeit

nicht. Und die, die zum Hungerstreik aufrufen, verbringen ihre

Tage weiterhin auf Lamm- und Kebab-Party's.“

(http://www.haberler.com/olum-orucu-bitti-4057552-haberi/)

 

11. November, Flughafen Trabzon: Der Hungerstreik ist

Erpressung, ein Bluff und eine Show

 

Ministerpräsident Erdogan sagte zum Hungerstreik, den die

Abgeordneten der BDP unterstützen: „Dies ist eine Erpressung,

dies ist ein Bluff, dies ist eine Show. Sie können tun und lassen

was sie wollen. Wir werden nur im Punkt Gesundheit eingreifen,

das ist alles.“ Erdogan wurde beim Vorschlag, Abdullah Öcalans

lebenslange Haftstrafe in Hausarrest umzuwandeln barsch und

sagte: „So etwas wird es nicht geben.“

 

„Es müssen Angleichungen beim Thema Todesstrafe

erreicht werden“

 

Beim Besuch in Indonesien sagte Erdogan, der an seine

Erklärungen über die Todesstrafe erinnerte, folgendes:

„Ich habe gesagt, dass die Todesstrafe mit Blick auf Töten und

Getötet werden erneut auf den Tisch gebracht wird. Denn wir,

der Staat, sind nicht in der Lage zu verzeihen. Dieses Recht

haben die Familien der Getöteten und nicht wir. Daher müssen

einige Änderungen gemacht werden. In der Europäischen Union

sei es so. Wir haben seinerzeit solch einen Schritt getan. Aber es

gibt aktuell in den USA die Todesstrafe, in Russland gibt es sie,

in China, in Japan und an vielen anderen Orten der Welt. Dies

sind hauptsächlich Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten

Nationen. Dann müssen wir unseren Standpunkt noch einmal

neu betrachten.“ (http://www.ntvmsnbc.com/id/25396794/)

 

13. November, Fraktionssitzung der AKP:

Sie brauchen eine Diät

 

Ministerpräsident Erdogan sprach über den Hungerstreik: „Ihr

Ziel ist nicht die Erfüllung ihrer Forderungen. Ihr Ziel ist Chaos

und Spannung zu schaffen. Es ist eine Erpressung, wenn sie

Punkte auf die Tagesordnung bringen, die sie nichts angehen.

Diese Regierung wird sich nicht erpressen lassen. Wir beugen

uns nicht dieser Kampagne. Die Abgeordneten der BDP können

ruhig den Hungerstreik weiterführen, sie brauchen eine Diät.“

(http://www.cnnturk.com/2012/turkiye/11/13/bdpye.yaziklar.olsun/

684372.0/index.html)

 

Auch die Journalisten, die über den Hungerstreik schrieben,

wurden zur Zielscheibe Erdogans:

 

„Ich rede offen mit euch, ihr Ziel ist nicht die Erfüllung ihrer

Forderungen, sondern die Schaffung von Chaos und der

Steigerung der Spannungen ... Wenn sie ein eigenes Problem

haben, dann ist es unsere Aufgabe, dies zu lösen. Aber wenn sie

Dinge auf die Tagesordnung bringen, was nicht ihr eigenes

Problem ist, dann ist es Erpressung. Diese Regierung wird sich

nicht erpressen lassen. Sie haben die Aufgabe bekommen, alles

zu tun, um die Stabilität, den Frieden, die Sicherheit der Türkei

zu zerstören, und das tun sie. Und gerade jetzt gibt es in der

Türkei einige Medienbetriebe, die ohne zu fragen und den

Hintergrund zu kennen, diese Aktionen unterstützen. Täglich

sorgen sie dafür, dass diese Aktionen auf der Tagesordnung

sind, täglich unterstützen sie die Steigerung der Spannungen.

Die Hungerstreikaktionen leben durch diese Medien. Seit wann

seid ihr so verliebt in diese Terrororganisation? Seit wann

arbeitet ihr mit dieser Terrororganisation Hand in Hand?“

(http://www.internethaber.com/recep-tayyip-erdogan-bdp-aclikgrevleri-

pkk-ak-parti-grup-toplantisi-emine-ayna--476251h.htm)

 

(Zusammengestellt von ISKU, Informationsstelle Kurdistan e.V.,

isku@nadir.org; http://isku.org)

 

 

 

 

Amnesty: Urgent Action

Fast 700 hungerstreikende Häftlinge

 

Hunderte Häftlinge befinden sich in 67 türkischen Gefängnissen

im Hungerstreik, einige bereits seit dem 12. September.

Rechtsbeistände der Hungerstreikenden teilten Amnesty

International mit, dass die betreffenden Gefängnisbehörden

vielen ihrer MandantInnen den Zugang zu medizinischer

Versorgung verwehren. Dies stellt eine zusätzliche Gefahr für

ihre Gesundheit dar. (....)

 

Rechtsbeistände der hungerstreikenden Häftlinge erklärten

gegenüber Amnesty International, dass GefängnisärztInnen die

Untersuchung von Hungerstreikenden, einschließlich der

Blutdruckmessung, regelmäßig ablehnen. Außerdem sollen

einige der Hungerstreikenden die lebenswichtigen

Vitaminpräparate nicht erhalten, die ihre Rechtsbeistände ihnen

ins Gefängnis bringen. Ein Häftling aus einem

Hochsicherheitsgefängnis in Sincan soll zu einer Anhörung

gebracht worden sein, zu der die Fahrt 36 Stunden dauerte,

obwohl seine Beweglichkeit stark eingeschränkt war und in

einem Arztbericht von der Reise abgeraten wurde.

 

Amnesty International ist besorgt über Berichte, denen zufolge

hungerstreikende Häftlinge in Gefängnissen in Silivri and Sakran

in Einzelhaft untergebracht wurden. Wachpersonal des

Gefängnisses von Tekirdag soll Häftlinge misshandelt haben,

weil sie dem Hungerstreik beigetreten waren.

 

Schreiben Sie bitte, Faxe, E-Mails oder Luftpostbriefe mit

folgenden Forderungen

 

• Ich möchte Sie daran erinnern, dass Hungerstreik eine

gewaltfreie Art des Protests ist. Die türkischen

Behörden haben die Pflicht, das Recht der Häftlinge

auf freie Meinungsäußerung zu respektieren, was auch

ihr Recht auf Proteste einschließt.

 

• Ich fordere Sie auf, sicherzustellen, dass alle

Hungerstreikenden angemessenen Zugang zu

FachärztInnen und ärztlicher Begutachtung und

Beratung haben und jegliche medizinische Versorgung

erhalten, der sie auf Grundlage dieser Begutachtung

zugestimmt haben. Sorgen Sie zudem dafür, dass die

hungerstreikenden Häftlinge nicht in unvertretbarer

Weise am Erhalt von Vitaminpräparaten gehindert

werden, die ihnen von ihren Rechtsbeiständen oder

Familienangehörigen ins Gefängnis gebracht werden.

 

• Stellen Sie sicher, dass keine Strafmaßnahmen gegen

Häftlinge im Hungerstreik ergriffen werden. Halten Sie

das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen

aufrecht und führen Sie unverzüglich eine vollständige

und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe durch,

denen zufolge Häftlinge in den Gefängnissen in Silivri,

Sakran und Tekirdag misshandelt oder anderweitig für

ihre Teilnahme an den Hungerstreiks bestraft wurden.

 

Justizminister, Sadullah Ergin

Adalet Bakani

Adalet Bakanligi, 06659 Ankara / TÜRKEI

Fax: (0090) 312 417 71 13

E-Mail: sadullahergin@adalet.gov.tr

 

(http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-329-2012/keinemedizinische-

versorgung?destination=node%2F3031)

 

 

 

 

Talabani: PKK wollte die Waffen

niederlegen, aber…

 

Mitte November reiste der türkische Journalist Hasan Cemal

nach Irakisch-Kurdistan und führte mit kurdischen Führern,

darunter Mesud Barzani und Celal Talabani Interviews. Celal

Talabani ist Kurde und Staatspräsident vom Irak, der erste Mann

in Bagdad, also. Mesud Barzani ist der Präsident von Kurdistan,

föderativem Teil Iraks, der erste Mann in Kurdistan.

 

Am 16 November wurde das Interview mit Talabani in der

türkischen Tageszeitung Milliyet veröffentlicht. Hier sind einige

Auszüge des Interviews mit Talabani, in sinngemäßer

Übersetzung.

 

„Bezüglich der PKK sagte Talabani folgendes: ‚Während der

Generalversammlung der UN im September letzten Jahres habe

ich mich mit Erdogan getroffen. Ich sagte ihm: PKK ist zu mir

gekommen. Sie sagte, dass sie bereit sei, die Waffen

niederzulegen. (An dieser Stelle soll Talabani sich zu Hasan

Cemal gebeugt und gesagt haben: Ich rede nicht von einem

Waffenstillstand, sondern von der Niederlegung der Waffen.) Für

diesen Schritt hat sie zwei Forderungen. Die erste ist eine

Generalamnesty, die andere ist die neue Definition der

Staatsbürgerschaft und das Weglassen des Wortes Türkentums

in diesem Artikel. (Im Artikel 54 der Verfassung heißt es: „Türke

ist, wer auf Grund der türkischen Staatsangehörigkeit an den

türkischen Staat gebunden ist“, Anm. der Redaktion.)

 

Erdogan sagte, dass eine Generalamnesty nicht einfach und die

Öffentlichkeit nicht vorbereitet sei. An dieser Stelle sagte er, dass

er kein Nationalist, sondern ein Moslem sei und alle seien seine

Brüder.

 

Daraufhin sagte ich, dass er den Propheten Mohammed als

Beispiel nehmen könne. Ich erklärte ihm, wie Mohammed, als er

Mekka eroberte, alle Menschen frei ließ.

 

Ich sagte ihm. Wenn keine Generalamnesty ausgerufen würde,

wenn die sich in den Bergen Aufhaltenden (gemeint sind

Kämpfer der PKK, Anm. der Redaktion) sich in die Ebene

begeben sollten, wohin sollen sie denn kommen, etwa in die

Gefängnisse? Dies sei doch nicht vernünftig.“

 

Talabani soll Cemal auch eine Road map skizziert haben. So

sehen seine Vorschläge aus:

 

„Die Tür zu einem Dialog kann nur ein Mensch öffnen. Dieser ist

Öcalan. Und nur der im Gefängnis sitzende Abdullah Öcalan

kann die sich in den Bergen Aufhaltenden überzeugen, die

Waffen niederzulegen.

 

1. Verbesserung der Haftbedingungen von Öcalan.

 

a. In der ersten Periode, Verbesserung der

Haftbedingungen.

 

b. In der zweiten Periode Hausarrest.

 

c. In der dritten Phase Amnesty. Diese Schritte

werden mit der Zeit und im Prozess der Verwirklichung der

Road maps nacheinander folgen.

 

2. Ein wirklicher Waffenstillstand.

 

3. Rückzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei.

 

4. Eine neue Definition der Staatsbürgerschaft.

 

5. Generalamnesty.

 

Dieses Interview verdeutlicht auch, die unterschiedlichen

Haltungen und Positionen der Konfliktparteien, ohne weitere

Kommentare. Die totale Isolation Öcalan dauert seit 16 Monaten

und es wird heftig gekämpft.

 

(Hasan Cemal, Milliyet, 16.11.12)

 

 

 

 

HRW: Straflosigkeit für staatliche Morde

und Verschleppungen beenden

 

Die türkische Regierung soll gegen gesetzliche Fristen, die

Einschüchterung von Zeugen und andere Hindernisse vorgehen,

die die Verfolgung von Sicherheitskräften und Beamten wegen

Mord, Verschwindenlassens und Folter verhindern, so Human

Rights Watch in einem am 3. September veröffentlichten Bericht.

 

Die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen,

die nach dem Militärputsch im September 1980 und die gegen

kurdische Zivilisten in den 1990er Jahren während des Konflikts

zwischen dem Staat und der bewaffneten, verbotenen

Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) begangen wurden, sind niemals

zur Rechenschaft gezogen worden.

 

Die Ermordung Hunderter Personen durch Sicherheitskräfte in

Haft oder bei Massenerschießungen droht zu verjähren, weil die

Verfolgung von Mord in dem früheren türkischen Strafgesetzbuch

auf 20 Jahre begrenzt ist. Ebenso könnten deshalb Tausende

vom Staat verübte Morde an Kurden aus den frühen 90er Jahren

in den nächsten drei Jahren nicht mehr strafrechtlich verfolgt

werden.

 

„Aufgrund alter Gesetze, die die Verfolgung von

Menschenrechtsverbrechen in der Türkei einschränken, können

Sicherheitskräfte und Beamte für Mord und Folter nicht mehr zur

Rechenschaft gezogen zu werden“, so Emma Sinclair-Webb,

Türkei-Expertin von Human Rights Watch. „Es ist wichtig, dass

die türkischen Behörden jetzt handeln, damit der Anspruch der

Opfer auf Gerechtigkeit nicht verjährt.”

 

Der 67-seitige Bericht „Time for Justice: Ending Impunity for

Killings and Disappearances in 1990s Turkey” dokumentiert die

Erfahrungen, die aus dem laufenden Verfahren gegen den

pensionierten Oberst Cemal Temizöz und sechs weitere

Personen gewonnen werden können, die wegen Mord und

Verschleppung von 20 Männern und Jungen zwischen 1993 und

1995 angeklagt sind. Dies ist das erste Verfahren gegen ein

führendes Mitglied der Gendarmerie wegen schweren

Menschenrechtsverletzungen, die während des Konflikts

zwischen dem Staat und der PKK begangen wurden.

 

Der Bericht basiert auf Interviews mit 55 Personen in der Provinz

Sirnak, deren Angehörige ermordet wurden oder verschwunden

sind, offensichtlich in staatlichem Auftrag seit den frühen 1990er

Jahre.

 

Die Interviews von Human Rights Watch und das Verfahren in

Diyarbakir lenken die Aufmerksamkeit auf das Klima der Angst

unter den Angehörigen der Opfer, das bis vor kurzem im

Südosten des Landes geherrscht hat. Es gab keine wirksame

Untersuchung der Morde und Verschleppungen in der Region zu

jener Zeit und danach.

 

Auf der Grundlage dieser Lehren fordert der Bericht „Time for

Justice“ die türkische Regierung, Gerichte und Staatsanwälte

auf, ein Model für die türkische Justiz zu entwickeln, in dem das

Opfer im Mittelpunkt steht. Staatsanwälte und Richter müssen

die Opfer, ihre Angehörigen und Anwälte besser vor

Einschüchterung und Angriffen vor Gericht und außerhalb

schützen, wenn diese gegen Angeklagte aussagen, die den

Sicherheitskräften, der Dorfpolizei oder staatlichen Institutionen

angehören. Zudem müssen die Verfahren schneller

abgeschlossen werden, die sich nun oftmals über Monate und

Jahre hinziehen und dadurch Einschüchterungsmaßnahmen

wahrscheinlicher werden lassen.

 

Der Bericht enthält konkrete Empfehlungen, um die Verfolgung

von Verbrechen zu verbessern, die von Sicherheitskräften

begangen wurden. Zudem soll das türkische Parlament eine

unabhängige Wahrheitskommission einsetzen, um die

begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Auch

werden frühere Empfehlungen der Vereinten Nationen, des

Europarats und anderer internationaler Organisationen

aufgegriffen, die sich für einen umfassenden Regierungsplan

aussprechen, um das System der Dorfpolizei aufzulösen, die in

den Provinzen im Südosten der Türkei operiert.

 

(http://www.hrw.org/de/news/2012/09/03/t-rkei-straflosigkeit-f-rstaatliche-

morde-und-verschleppungen-beenden)

 

 

 

Friedensmarsch des kurdischen Kriegsdienstverweigerers

 

Mit einem Konzert wurden am 20. Oktober der kurdische

Kriegsdienstverweigerer Halil Savda und seine

WegbegleiterInnen in Ankara begrüßt. Halil Savda hatte am 1.

September 2012 einen 1.300 km langen Friedensmarsch in

Roboskî (türkisch: Ortasu) begonnen, um ein Zeichen gegen den

Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei zu setzen: „Wir

befinden uns in der Türkei zur Zeit an einem historischen

Scheideweg zwischen Krieg und Frieden.“

 

In seiner Erklärung zum Antikriegstag 2012 machte er deutlich,

dass er den Friedensmarsch als alternative gewaltfreie Form des

Widerstandes gegen den Krieg und gegen die

Menschenrechtsverletzungen im Land ansieht:

„Menschenrechtsaktivisten, Kriegsgegner und Friedensaktivisten

müssen für den Frieden neue Widerstandsformen entwickeln,

sonst wird dieser Krieg uns weiterhin beschmutzen und

verletzen.“

 

Halil Savda hatte den Marsch in Roboskî/Ortasu begonnen,

einem kurdischen Dorf im Landkreis Uludere in der Provinz

Sirnak, da dort Ende 2011 34 Dorfbewohner durch Beschuss

türkischer Kampfflugzeuge ums Leben kamen. Gemeinsam mit

den Angehörigen war Halil Savda zu den Gräbern der Opfer

gegangen, um hier beispielhaft den ermordeten Zivilisten des

Krieges zu gedenken.

 

In einem Interview berichtete Halil Savda am 25. September

2012 über seine Erfahrungen auf dem Friedensmarsch: „Seitdem

ich unterwegs bin, habe ich bislang nicht erlebte Aufmerksamkeit

und liebevolle Gesten erfahren. Kurden, Türken, Araber,

Soldatenfamilien haben uns empfangen, uns ihre Türen geöffnet,

uns zum Essen eingeladen. Die Menschen bewahren immer

noch ihren Glauben daran, dass der Frieden irgendwann

kommen wird. Sie bewahren immer noch ihre Hoffnung, trotz all

der erlebten nationalistischen, chauvinistischen,

verleumderischen Politik des Staates.“

 

Wenige Tage später wurden die FriedensmarschiererInnen auf

Geheiß des Gouverneurs der Provinz Osmaniye verhaftet. Ihnen

wurde untersagt, die Provinz zu durchqueren, da ihr Friedenslauf

„provokant“ sei. Die FriedensläuferInnen wurden gefesselt und

zur angrenzenden Provinz Adana verbracht. Amnesty

International protestierte gegen die Verhaftung und forderte am

30. September die türkischen Behörden auf, „sicherzustellen,

dass Halil Savda und seine fünf FreundInnen ihr Recht auf

Meinungs- und Versammlungsfreiheit während ihres

‚Friedenslaufs‘ ausüben können.“

(KriegsgegnerInnen in der Türkei: www.savaskarsitlari.org,

Kampagne zur Kriegsdienstverweigerung in der Türkei:

www.Connection-eV.org/projekt-tuerkei)

 

 

 

Wahlfach Kurdisch an türkischen

Schulen ist eine Farce

 

Mit Gasgranaten und Wasserwerfern löste die türkische Polizei

am 17. September in mehreren kurdischen Städten

Demonstrationen der im Parlament vertretenen Partei für Frieden

und Demokratie (BDP) für das Recht auf muttersprachlichen

Unterricht auf.

 

In der Stadt Sirnak schoss die mit Panzerwagen vor der BDP-

Zentrale aufgefahrene Polizei mit Gasgranaten auf einen

Demonstrationszug von mehreren Hundert Personen. Auch ein

Wasserwerfer aus deutscher Produktion (Daimer-Benz Unimog)

kam zum Einsatz gegen den bereits nach 50 Metern von der

Polizei gestoppten Demonstrationszug. An der Spitze der

Demonstration marschierten mehrere Dutzenden Grundschüler.

Die Kinder hielten Plakate mit den weiterhin verbotenen

Buchstaben X, Q und W hoch und riefen Parolen für das Recht

auf kurdischsprachigen Schulunterricht. Zahlreiche

Demonstrationsteilnehmerinnen- und -teilnehmer einschließlich

älterer Frauen und Kinder wurden durch den massiven

Reizgaseinsatz sowie den Strahl des Wasserwerfers verletzt.

Gezielt wurde auch die BDP-Zentrale, in die zahlreiche

Demonstrantinnen und Demonstranten geflohen waren, mit

Gasgranaten beschossen. In Sirnak stellt die BDP den

Bürgermeister und den Stadtrat.

 

Die Polizei nahm während der gewaltsamen Auflösung der

Demonstration zwei im Auftrag der Bundestagsabgeordneten

Ulla Jelpke (Die Linke) zur Menschenrechtssituation in der Türkei

recherchierende Journalisten vorübergehend fest. Die

Staatsschutzbeamten löschten auf einer Digitalkamera alle

Aufnahmen des Polizeieinsatzes gegen die Schüler. Die Kinder

seien mit Geld bestochen worden, um mit Steinen auf die

Polizisten zu werfen, rechtfertigte ein Beamter den brutalen

Polizeieinsatz.

 

Hintergrund der Proteste war die Einführung von

Kurdischunterricht als Wahlfach ab der Mittelstufe im soeben

begonnenen neuen Schuljahr. Diese vom türkischen

Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan als „historischer

Schritt“ bezeichnete Reform ist reine Augenwischerei. Das

bestätigten uns Vertreterinnen und Vertreter des Vereins für die

kurdische Sprache Kurdi-Der und BDP. Die kurdischen Verbände

empfinden es als Frechheit, dass die eigene Muttersprache nur

als Wahlfach angeboten wird und fordern muttersprachlichen

Schulunterricht für die kurdische Bevölkerung in der Türkei.

Während der Staat im Übrigen ohne die eine

Verfassungsänderung erforderlichen rechtlichen Grundlagen

kurdischsprachigen Wahlunterricht und einen kurdischsprachigen

Sender anbietet, ist die kurdische Sprache im amtlichen und

politischen Gebrauch weiterhin verboten. Kurdische Angeklagte

dürfen sich vor Gericht nicht in ihrer Muttersprache verteidigen.

In Diyarbakir erzwang kürzlich ein Gericht die Umbenennung von

mehreren Stadtparks und dem nach dem Dichter Cegerxwin

benannten Kulturzentrum. Die Namen entstammten einer

anderen als der türkischen Sprache, sie enthielten die im

türkischen Alphabet nicht vorhandenen Buchstaben X, Q und W

und würden daher Separatismus fördern, lautete die Begründung

des Gerichts.

 

(Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin, Dr. Nick Brauns, Journalist /

Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei MdB Ulla Jelpke, Güz Güzel,

Journalistin und Dolmetscherin, Sirnak, 17.9.12)

 

 

 

Das ehemalige Gefängnis Nr.5 soll Menschenrechtsmuseum werden

 

Zehntausende Menschen gingen am Sonntag in Amed mit der

Forderung auf die Straße, dass das ehemalige Gefängnis Nr.5 in

Amed zu einem Menschenrechtsmuseum umgewandelt werden

soll.

Das Gefängnis Nr.5 aus Amed hat in den 80er Jahren traurige

Berühmtheit durch die brutalen Foltermethoden des

Gefängnispersonals an den politischen Gefangenen erlangt. So

sollen zwischen 1981 und 1984 laut offiziellen Angaben 34

Gefangene ihr Leben hinter den Mauern verloren haben. 2009

erklärte die AKP-Regierung, dass sie das Gefängnis Nr.5

schließen und anstelle dessen ein Gefängnis außerhalb der

Stadt erbauen wollen. Die Bewohner der Stadt, für die das

Gefängnis zum Inbegriff der Brutalität des Staates gegenüber

kurdischen AktivistInnen geworden ist, fordern, dass aus dem

Gefängnis ein Museum der Menschenrechte werden soll, in

welchem die Geschehnisse innerhalb der Mauern dokumentiert

werden soll. Die Regierung plant hingegen eine Schule an die

Stelle des jetzigen Gefängnisses zu errichten.

 

(ANF, 30.9.12; ISKU)

 

 

 

 

Auswärtiges Amt:

Vorsicht bei Reisen in die Türkei

 

Seit Mitte Juli 2011 kommt es wieder verstärkt zu Anschlägen

gegen türkische Sicherheitskräfte sowie Militär- und

Polizeieinrichtungen durch die als Terrororganisation gelistete

PKK, vor allem im Südosten des Landes. Die

Sicherheitsvorkehrungen befinden sich landesweit auf hohem

Niveau.

 

Vor diesem Hintergrund wird bei Reisen in den Südosten des

Landes zu größter Vorsicht geraten. Von Überlandfahrten sollte

nach Möglichkeit abgesehen werden. In der Region kommt es

weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der

PKK und türkischen Sicherheitskräften.

 

Das Auswärtige Amt empfiehlt weiterhin, belebte Plätze im

innerstädtischen Bereich, Verkehrsmittel des öffentlichen

Personennah- und Fernverkehrs sowie Regierungs- und

Militäreinrichtungen zu meiden bzw. die Anwesenheiten an

solchen Orten auf das unbedingt erforderliche Maß

einzuschränken.

 

Der türkische Generalstab hat sechs Gebiete in den Provinzen

Siirt, Sirnak, Mardin und Hakkâri zu zeitweiligen Sicherheitszonen

und militärischen Sperrgebieten erklärt, deren Betreten bis

auf Weiteres grundsätzlich verboten ist und die einer strengen

Kontrolle unterliegen. Diese Militärsperrgebiete sind allerdings

nicht immer eindeutig gekennzeichnet. Für solche Bezirke gilt ein

absolutes Verbot für das Betreten und Fotografieren.

 

(http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/

Nodes/TuerkeiSicherheit_node.html#doc336356bodyText1)

 

 

 

 

Deutsche unterstützen die Forderung nach Anerkennung der

kurdischen Identität und Gleichstellung

 

40 kurdische, türkische und andere Migrantenorganisationen in

Deutschland haben innerhalb von zwei Wochen 50.000

Unterschriften für eine Petition gesammelt. Sie fordern vor allem

eine Gleichstellung der Kurden mit anderen Migrantengruppen in

Deutschland. Der Petitionsausschuss des Deutschen

Bundestages hat die Petition bereits für den 15. Oktober auf

seine Tagesordnung gesetzt.

 

In der Bundesrepublik leben etwa eine Million Kurden. Dieser

großen Gruppe müssen die gleichen Rechte zugestanden

werden, wie anderen Migrantengruppen. Das würde ihre

Verbundenheit zu unserer Gesellschaft sehr fördern.

 

Wir UnterzeichnerInnen treten hierfür ein und fordern eine breite

Diskussion in Politik und Öffentlichkeit sowie Entscheidungen

zugunsten der vorgelegten Petition.

 

Prof. Dr. Andreas Buro (Preisträger Aachener Friedenspreis und

Koordinator des Dialog-Kreises); Dr. phil. Elke Steven und Martin

Singe (Komitee für Grundrechte und Demokratie); Prof. em. Dr.

Eva Senghaas-Knobloch; Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin

(Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte); Dr.

med. Gisela Penteker (IPPNW); Prof. Dr. Hanne-M. Birckenbach;

Heiko Kauffmann (Preisträger Aachener Friedenspreis,

Vorstandsmitglied Pro Asyl); Helga Dieter (Komitee für

Grundrechte und Demokratie); Dr. Jürgen Micksch (Vorsitzender

des Interkulturellen Rates in Deutschland); Mani Stenner

(Netzwerk Friedenskooperative); Matthias Jochheim

(Vorsitzender der deutschen Sektion der IPPNW); Monika

Bergen (Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Berlin,

Pensionierte Verwaltungsjuristin); Prof. Dr. Norman Paech; Rolf

Becker (Schauspieler, ver.di FB8, OVV Hamburg); Dr. Peter

Strutynski (Sprecher des Bundesausschusses

Friedensratschlag); Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein (IPPNW-

Ehrenvorstandsmitglied); Prof. Dr. Werner Ruf; Prof. Dr. Wolf-

Dieter Narr


 

Appell der in Deutschland lebenden kurdischen und

türkischen Prominenten:

 

ANERKENNUNG DER KURDISCHEN IDENTITÄT

IN DEUTSCHLAND!

 

GLEICHSTELLUNG DER KURDEN

MIT ANDEREN MIGRANTENGRUPPEN!

 

Wir, die SchriftstellerInnen, JournalistInnen, KünstlerInnen und

AkademikerInnen kurdischer, türkischer und anderer

Nationalitäten, unterstützen die Kampagne “Anerkennung der

kurdischen Identität in Deutschland“, die am 1. September 2011

unter Federführung von YEK-KOM von 40 kurdischen, türkischen

und anderen MigrantInnen-Organisationen gestartet worden ist.

 

Wie bekannt, haben die Initiatoren der Kampagne es geschafft,

die für eine Petition erforderlichen 50.000 Unterschriften

innerhalb von zwei Wochen zu sammeln. Der Petitionsausschuss

des Deutschen Bundestages hat die Besprechung der Petition

für die Anerkennung der Kurdischen Identität für den 15. Oktober

2012 auf die Tagesordnung gesetzt.

 

Durch unsere Unterschriftenkampagne rufen wir alle Parteien

des Deutschen Bundestages, die VertreterInnen im

Petitionsausschuss haben, dazu auf, die nationale Identität der

Kurden, die seit 50 Jahren in Deutschland leben und Teil dieser

Gesellschaft sind, anzuerkennen, damit die Kurden mit anderen

Migrantengruppen gleichgestellt werden und die seit 50 Jahren

andauernden Benachteiligung beendet wird.

 

Mehr als eine Million Kurden, die in Deutschland leben, werden

nach den Farben ihres Passes als Türke, Araber oder Perser

behandelt. In den Statistiken und öffentlichen Studien tauchen

sie mit ihrer Identität nicht auf. Das Recht auf muttersprachlichen

Unterricht wird den kurdischen Kindern mit Ausnahme von

wenigen Bundesländern nicht anerkannt. Das Beratungsangebot

sowie Informationsbroschüren und -dokumente werden in vielen

Sprachen angeboten, nicht jedoch in der kurdischen Sprache.

Die kurdischen MigrantInnen zahlen zwar GEZ- Gebühren,

können aber bis auf die Ausnahme von NRW, keine Sendungen

in ihrer Muttersprache empfangen. Obwohl die Kurden die größte

organisierte Migrantengruppe ist, werden die meisten kurdischen

Vereine mit öffentlichen Mitteln nicht gefördert.

 

Die Standesämter in Deutschland machen bei der

Namensbenennung von kurdischen Kindern Schwierigkeiten,

weil sie das „Veto“ von türkischen Konsulaten gegen die

kurdischen Namen fürchten. Obwohl die Kurden in Deutschland

die zweitgrößte MigrantInnengruppe sind, sind sie bei den

bestehenden Kommissionen für Integration und Interreligiösen

Dialog auf Bundes- und Landesebene nicht ausreichend

vertreten.

 

Wie aus diesen Beispielen zu sehen ist, werden die Kurden

benachteiligt und dies führt in Deutschland, einem Land in

Westeuropa, in dem die meisten Kurden leben, zu täglichen

strukturellen, sozialen und psychischen Problemen.

 

Wir, die UnterstützerInnen dieser Kampagne, rufen Deutschland,

einer der Hauptinitiatoren der Kopenhagener Kriterien, den

Bundestag und die Vertreter der Parteien im Petitionsausschuss

dazu auf, die von 50.000-60.000 Menschen unterschriebene

Petition für die Anerkennung der kurdischen Identität und die

Gleichstellung der Kurden mit anderen Migrantengruppen in

Deutschland zu akzeptieren.

 

Diese Anerkennung wird die in Deutschland lebenden Kurden

ermutigen, am sozialen Leben in Deutschland aktiver

mitzuwirken und ihre Verbundenheit zu dieser Gesellschaft zu

verfestigen.

 

Ahmet Aktas (Schriftsteller); Ahmet Kahraman (Journalist & Schriftsteller);

Akram Hidou (Regisseur); Priv-Doz. Dr. Alexander Frhr. von Pechmann;

Ali Dagdeviren (Schriftsteller); Ali Ihsan Dogan (Sänger); Ali Ikizer

(Musiker); Alin (Sängerin); Andulkadir Ulumaskan (Lehrer); Annett Winkler;

Armanc Egîd Nêrweyî(Journalist, Wochenzeitung Rudaw); Aysel Uzun; Azad Özer

(Tourismus); Bayram Ayaz (Lehrer); Cahit Mervan (Journalist); Cewat Merwanî

(Sänger); Cömert (Sänger); Delil Dilanar (Künstler); Deniz Deman (Sänger);

Diyar (Sänger); Ebrahim Farshy (Schriftsteller & Theaterpädagoge);

Engin Erkiner (Schriftsteller);Eylem (Sängerin); Fadil Özçelik (Journalist);

Fayad Osman (Journalist,Dolmetscher & Übersetzer); Feleknas Uca (ehem. MdEP);

Feqîr Ehmed Çelîkaslan (Dichter); Ferhad Feqi (Schauspieler); Fevzi Özmen

(Schriftsteller); Fuat Kav (Journalist, Schriftsteller); Dr. Gundî Dilberz

(Historiker und Schriftsteller); Günay Aslan (Journalist); Hakan Sirmasac

(Diplom-Kaufmann und Geprüfter Bilanzbuchhalter); Hamide Akbayir

(Ehem. Abgeordnete Landtag NRW); Hasan Dere; Hasan Hüseyin Deveci

(Freischaffender Künstler/Kunstpädagoge und Künstlericher Berater der

Le Monde Diplomatique Kurdî); Hasan Task

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