Diskussion um „Umpolungs-Seminare“ bei Marburger Kongress GRÜNE bekräftigen Kritik und Forderung nach Distanzierung Der Beschluss der GRÜNEN Landesmitgliederversammlung vom vergangenen Samstag zu den Seminaren des Vereins „Wüstenstrom“ und des „Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft“ beim Kongress für Psychotherapie und Seelsorge in Marburg hat erhebliche öffentliche Resonanz gefunden. Zuletzt haben die Seminar-Veranstalter in der heutigen „Frankfurter Rundschau“ erklärt, sie fühlten sich nunmehr diskriminiert. Dazu erklärt Kai Klose, Politischer Geschäftsführer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen: „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen bekräftigen ihre Kritik an den genannten Seminaren. Sowohl Wüstenstrom als auch das DIJG beraten nicht ergebnisoffen und lassen Klienten fallen, die ihre homosexuelle Orientierung nicht unterdrücken wollen.“ Dies belegten Berichte ehemaliger Hilfesuchender, z.B. im SWR (http://www.youtube.com/watch?v=zmOHnEaM4Fw; http://www.youtube.com/watch?v=_Fm1v0JnJuc&feature=related). Darüber hinaus habe das Landgericht Frankfurt entschieden, dass die Arbeit des Vereins als „Umpolung“ bezeichnet werden dürfe. „Frau Dr. Vonholdt vom Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG) polemisiert in ihren zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema ebenfalls gegen Lesben und Schwule und bemüht wissenschaftlich längst widerlegte Thesen über eine besondere Häufigkeit sexueller Belästigung Minderjähriger durch Homosexuelle“, so Klose weiter. Als Beleg führt er einen Artikel Vonholdts in der katholischen Zeitschrift „Tagespost“ an (http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option=com_content&task=view&id=200043285&Itemid=3). Die Amerikanische Psychiatrische Vereinigung hat festgestellt: „Neuere Publikationen, die Homosexualität wieder zur Krankheit erklären wollen, indem sie behaupten, sie könne geheilt werden, sind oft nicht von ernsthafter wissenschaftlicher oder psychiatrischer Forschung motiviert, sondern von religiösen und politischen Kräften, die sich gegen volle Bürgerrechte für Schwule und Lesben richten.” (FAZ, 19. Juni 2007) Ähnlich argumentiert auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage bzgl. solcher Organisationen (Bundestags-Drucksache 16/8022 vom 12.02.2008): „Die vor allem in den 60er und 70er Jahren häufig angebotenen so genannten ‚Konversions‘- oder ‚Reparations‘-Therapien, die auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder der homosexuellen Orientierung abzielten, werden heute in der Fachwelt weitestgehend abgelehnt. Dies gründet sich auf die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen, nach denen bei der Mehrzahl der so therapierten Personen negative und schädliche Effekte (z. B. Ängste, soziale Isolation, Depressionen bis hin zu Suizidalität) auftraten und die versprochenen Aussichten auf ‚Heilung‘ enttäuscht wurden. Für therapeutische Hilfen aus dem Bereich der so genannten affirmativen Therapien konnte dagegen ein Nutzen im Sinne einer geringeren Anfälligkeit bezüglich psychischer Erkrankungen nachgewiesen werden. Bei diesem Ansatz geht es um die unterstützende therapeutische Begleitung der Entwicklung der sexuellen Identität, die Integration der sexuellen Orientierung in das Selbstbild und die Stärkung des Selbstwertgefühls des Klienten. Wenn so genannte Konversionstherapien durch Organisationen oder Gruppierungen angeboten und beworben werden, so können hier unterschiedliche, meist religiöse oder weltanschauliche Motive eine Rolle spielen, die sich einem empirisch-wissenschaftlichen Ansatz entziehen.“ „Wir GRÜNE bekräftigen daher unsere Forderung an Stadt, Universität und Landesregierung, sich von derartigen ‚Umpolungsangeboten‘ zu distanzieren, wie es bei einem vergleichbaren Fall der Landeshauptmann der Steiermark und der Grazer Diözesanbischof getan haben. Gerade die gesellschaftsprogressive Tradition sowohl der Universitätsstadt als auch der Philipps-Universität sollten einen solchen Schritt erleichtern, damit ihr Ansehen keinen weiteren Schaden nimmt. Die Strategie der genannten Organisationen, ihre Angebote mit Titeln wie ‚Weibliche Identitätsentwicklung und mögliche Probleme‘ (Vonholdt) oder ‚Reifung in der Identität als Frau und als Mann‘ (Hoffmann) zu verbrämen, sind bekannt und sollten die Verantwortlichen nicht täuschen.“ (http://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/News/Tagungen/Profil_-_Kranke_Fantasien_10.09.2007.pdf) Zum Abmelden hier klicken.
Psychotherapie-Kongress in Marburg
"Homo-Heiler" fühlen sich diskriminiert
VON GESA COORDES
"Wir wollen Menschen helfen, die sich eine Verringerung ihrer homoerotischen Gefühle wünschen", sagt Elke Pechmann, Sprecherin des von Christl Ruth Vonholdt geleiteten "Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft". Die umstrittenen Referenten beim geplanten Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge in Marburg weisen die Vorwürfe des deutschen Lesben- und Schwulenverbandes und der hessischen Grünen zurück. Von Umpolung und Homophobie könne keine Rede sein: "In einer offenen Gesellschaft muss es doch möglich sein, über so etwas zu forschen." Zudem gehe es bei den Vorträgen nicht um Homosexualität, sondern um Identität. Auch der Veranstalter, die evangelikale Akademie für Psychotherapie und Seelsorge, kritisiert die nach ihrer Überzeugung "wenig hilfreichen Diffamierungen". ANZEIGE Grüne und Homosexuelle fordern von Stadt und Universität Marburg, sich von den "pseudowissenschaftlichen Homo-Heilern und Umpolern" zu distanzieren, zu denen sie die Referenten Christl Ruth Vonholdt und Markus Hoffmann zählen. Vonholdts Institut ist ein Studienzentrum der evangelikalen Offensive Junger Christen mit Sitz im südhessischen Reichelsheim. Hoffmann hat eine Seelsorge-Initiative namens "Wüstenstrom" gegründet. "Das Ziel, Homosexuelle zu heilen, ist diskriminierend" Nach Überzeugung der grünen Landtagsabgeordneten Angela Dorn halten die Referenten Homosexualität für eine Krankheit, was beide jedoch bestreiten. Die Psychologin Dorn meint, die beiden "haben das Ziel, Homosexuelle zu heilen. Das ist diskriminierend." Manfred Bruns, ehemaliger Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und Sprecher des Schwulen- und Lesbenverbandes, bezeichnet die Therapieangebote von Wüstenstrom als "Umpolung". Er kritisiert vor allem, dass die Seelsorge-Initiative Ratsuchende fallenlasse, die ihre homosexuelle Orientierung nicht unterdrücken wollen oder können. Das seien "erfundene" Vorwürfe, sagt Stefan Schmidt von Wüstenstrom. Schon in der Beratungsvereinbarung werde auf eine mögliche psychiatrische Betreuung hingewiesen. Zudem berate Wüstenstrom ergebnisoffen: "Wir unterstützen es nicht, homosexuelle Gefühle zu unterdrücken", schreibt die Initiative. Gleichwohl bezeichnet Vonholdts Sprecherin Pechmann den Lebensstil vieler Homosexueller als "nicht gesund". Die Kinderärztin Vonholdt ist eine scharfe Gegnerin der eingetragenen Partnerschaft. Jugendliche bräuchten das alleinige Leitbild der heterosexuellen Ehe. Sie kritisiert Bücher, in denen es heißt: "Schwul sein ist nur eine andere Art zu lieben." Grüne kündigen Widerstand gegen Kongress an Unter dem Titel "Und das ist nicht gut so" polemisiert sie gegen ein Adoptionsrecht für Homosexuelle: So benutzten Homosexuelle häufiger Dildos. "Hat es keinen Einfluss auf ein heranwachsendes Kind, wenn es das zu Hause findet?", fragt sie. Zudem behauptet sie, einiges spreche dafür, dass Homosexuelle Minderjährige häufiger sexuell belästigten als Heteros. Die Grünen schreiben wegen solcher Äußerungen von einem "Homophobie-Kongress" und kündigen entschiedenen Widerstand an. Sollten die beiden Referenten auftreten, müsse zumindest ein "wirklicher Gegenpol" eingeladen werden, fordert Dorn. Bekennende Homosexuelle zählen nämlich nicht zu den Vortragenden.
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