Leben in der Illegalität in Deutschland: Kommentar Bischof Norbert Trelle (Hildesheim), Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und des Katholischen Forums ‚Leben in der Illegalität’
Bischof Norbert Trelle (Hildesheim), Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und des Katholischen Forums ‚Leben in der Illegalität’ Inzwischen ist das Problem sattsam bekannt: Trotz einer seit Jahrzehnten restriktiven Migrationspolitik halten sich nach neueren Schätzungen derzeit zwischen 200.000 und 480.000 Ausländerinnen und Ausländer illegal in Deutschland auf. Sie befinden sich unter humanitären Gesichtspunkten häufig in einer schwierigen und verzweifelten Lage. Aus Angst, entdeckt und abgeschoben zu werden, ist es ihnen faktisch unmöglich, ihre elementaren sozialen Rechte wahrzunehmen. Nach dem Aufenthaltsgesetz sind nämlich grundsätzlich alle öffentlichen Stellen dazu verpflichtet, die Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie vom irregulären Aufenthalt einer Person Kenntnis erlangen. Diese Übermittlungspflicht bezieht neben Ordnungsbehörden, die für die Durchsetzung des Aufenthaltsgesetzes zuständig sind, auch soziale, medizinische und pädagogische Institutionen in die innerstaatliche Migrationskontrolle ein. Die Spannung zwischen Ordnungsrecht einerseits und grundlegenden sozialen Rechten andererseits erfordert indes pragmatische Lösungen, die sowohl dem legitimen Interesse des Staates als auch den Nöten der betroffenen Menschen gerecht werden. Die Erkenntnis, dass diese Schattenseite staatlicher Migrationspolitik nicht ignoriert werden darf, hat sich mittlerweile auch bei den Verantwortlichen in der Politik durchgesetzt. Das gilt umso mehr, als die Übermittlungspflicht erst 1991 eingeführt wurde und in anderen europäischen Staaten nicht existiert. Die Praxis zeigt auch, dass sie ihr Ziel, Migration zu kontrollieren, verfehlt: Die internationale Migrationsforschung konnte nachweisen, dass Menschen ihre Migrationsentscheidung und ihren illegalen Aufenthalt nicht davon abhängig machen, ob sie z.B. im Notfall medizinisch versorgt werden. Ausgangspunkte für ihre Entscheidung sind vielmehr Motive wie Arbeitssuche, Flucht und Familienzusammenführung in Verbindung mit dem Bestehen von Migrationsnetzwerken. Seit 2004 setzt sich das Katholische Forum ‚Leben in der Illegalität’, dessen Vorsitz ich im Februar dieses Jahres nach dem Tod von Weihbischof Dr. Josef Voß übernommen habe, für die Rechte von Menschen in der Illegalität in Deutschland ein. Unermüdlich erinnern die Mitglieder des Forums dabei an die Menschenwürde. Bereits 1996 erklärte Papst Johannes Paul II.: „Der Status der Ungesetzlichkeit rechtfertigt keine Abstriche bei der Würde des Migranten, der mit unveräußerlichen Rechten versehen ist, die weder verletzt noch unbeachtet gelassen werden dürfen“ (Botschaft zum Welttag der Migranten).
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