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Sammelabschiebung von langjährig Geduldeten in die Türkei

Presseerklärung


Die Abgeschobenen kamen aus Hessen, darunter auch Familien mit kleinen Kindern, die Bleiberechtsanträge gestellt hatten.

„Hier wurde wieder einmal deutlich, dass viele langjährig hier lebende Menschen, die gut integriert sind, von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen werden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass in einigen Fällen eher versucht wird, Ausschlussgründe zu finden denn eine Lösung für die Familie zu finden“ kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, die Abschiebungen.

Eine Familie aus Gründau-Rothenbergen im Main-Kinzig-Kreis lebte seit 13 Jahren in Deutschland, fünf der sechs Kinder im Alter von einem bis 14 Jahren sind hier geboren. Trotz zahlreicher politischer Aktivitäten des Vaters wurden die Asylanträge abgelehnt. Trotzdem rechnen der Flüchtlingsrat und die Anwältin immer noch mit einer nicht unerheblichen Gefährdung des Mannes, in der Türkei festgenommen zu werden.

Die Familie hatte einen Bleiberechtsantrag gestellt, zusätzlich liefen noch mehrere Verfahren auf ein Aufenthaltsrecht für die hervorragend integrierten Kinder. Das jüngste der Kinder leidet zudem an einem angeborenen Herzfehler, ob es in der Türkei Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung hat, ist zumindest fraglich. Dem Hessischen Flüchtlingsrat sind mehrere ähnlich gelagerte Fälle bekannt, in denen insbesondere die Kinder, die in Deutschland aufgewachsen waren, nach der Abschiebung völlig gebrochen waren, nicht mehr sprachen, das Haus nicht mehr verließen und über Monate apathisch im Zimmer saßen.

„Jungen Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, wird jede Zukunft genommen – nur weil sie das Pech hatten, mit dem falschen Pass auf die Welt gekommen zu sein. Die Bleiberechtsregelung war eine erste Einsicht, dass es Unrecht ist, was hier geschieht. Doch die Praxis zeigt, dass noch viele weitere Schritte kommen müssen, damit dies der Vergangenheit angehört“ empörte sich Scherenberg.

In einem weiteren Fall zweier Brüder aus Sinntal-Sterbfritz, ebenfalls im Main-Kinzig-Kreis, wurden diese von ihrer Familie getrennt und allein in die Türkei abgeschoben, obwohl eine Petition beim Hessischen Landtag für sie eingelegt worden war. Die Mutter und die jüngeren Geschwister wurden nicht mit abgeschoben, jedoch ist durch die Abschiebung der beiden ältesten Söhne fraglich, ob ihr Verfahren auf Bleiberecht einen positiven Ausgang nehmen wird. Dies hängt nämlich davon ab, dass der Lebensunterhalt gesichert sein muss, was durch die Abschiebung der beiden erwachsenen Söhne, beide hatten feste Arbeitsplatzzusagen im Falle eines Bleiberechts, jetzt fast unmöglich erscheint.

„Durch die Abschiebung der beiden Hauptversorger der Familie wird jetzt der gesamten Familie jede Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland genommen – hier wird bewusst die ganze Familie in Raten abgeschoben, obwohl es möglich gewesen wäre, ein Bleiberecht zu erteilen“ so Scherenberg weiter.

Auch in einem dritten Fall einer vierköpfigen Familie im Kreis Darmstadt-Dieburg, die schon seit über zehn Jahren in Deutschland lebte, war das Handeln der Behörden fragwürdig: So wurde der Anwältin erst gestern Abend die Ablehnung eines Antrags zugestellt – zu diesem Zeitpunkt war der Flug jedoch schon längst gebucht.

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir außerordentlich erschrocken sind über das Verhalten der Behörden bei dieser Abschiebung. Es hätte in den hier vorliegenden Fällen humanitäre Lösungen geben können – es fehlte bloß der Wille, sie zu nutzen“ erklärte Scherenberg abschließend in Marburg.

gez. Timmo Scherenberg

Nach Auskunft der Anwältin der Familie aus dem Main-Kinzig-Kreis gab es keinen rechtsmittelfähigen Ablehnungsbescheid des Bleiberechtsantrags, nur eine Mitteilung, dass die ABH gedenke, den Antrag abzulehnen, weil die Familie nicht unter die Regelung falle (Ausschlussgrund Straftaten, v.a. Residenzpflicht).
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