28.11.2008, 17:38 Uhr: Tarkans letzter Morgen in DeutschlandRadiobeitrag (mp3) hier....
Von Anke Hillebrecht Oberursel. Fußballer wollte er werden und für Deutschland auf dem Platz stehen, wenn er einmal erwachsen wäre. Dass Tarkan hier gar kein Bleiberecht hatte, hatte der 15 Jahre alte türkische Asylbewerber aus der Gemeinschaftsunterkunft Drei Hasen beim Malen seines Bildes für die VHS-Ausstellung «Mein Leben in Deutschland» (wir berichteten) vergessen können. Am Mittwoch in aller Frühe wurde Tarkans Leben in Deutschland jäh beendet. Unerwartet, plötzlich, unerbittlich. Noch am selben Tag wurde er per Flugzeug abgeschoben. Fünf uniformierte Beamte seien in die Unterkunft gekommen, berichten Mitbewohner, und hätten den Jungen und seine Mutter aus dem Schlaf gerissen. Eine knappe Stunde hatten beide Zeit, um etwas Hab und Gut zusammenzupacken. Auf dem Weg zu den draußen wartenden Polizeifahrzeugen habe der Junge geschrien und geweint und versuchte, davonzulaufen. Daraufhin wurde er von Beamten zu Fuß und mit einem Streifenwagen verfolgt. Die Polizisten fassten Tarkan und legten ihm Handschellen an. Unter den schockierten Blicken der anderen Kinder, die sich gerade auf den Weg zur Schule begaben, fuhr das Polizeiauto mit ihm und seiner Mutter davon. Dass die Ausländerbehörde die Polizei zu Hilfe ruft, selbst wenn es sich um Minderjährige handelt, ist laut Polizeisprecher Siegfried Schlott und Pamela Ruppert, Sprecherin der beim Hochtaunuskreis angesiedelten Ausländerbehörde, gängige Praxis. Wie Ruppert der TZ erläuterte, wurden die beiden Türken noch am selben Tag in die bulgarische Hauptstadt Sofia geflogen. Dort nämlich habe die Familie bereits 2006 einen Asylantrag gestellt, nachdem der in Deutschland abgelehnt worden war. Laut Harald Schuster, Sozialarbeiter in der Oberurseler Flüchtlingsunterkunft, hat es einen solch aufwühlenden Vorfall dort seit zwei Jahren nicht gegeben. «Dass er sogar bereit war, sich von seiner Mutter zu trennen, zeigt, wie verzweifelt er war wegen dem, was ihn erwarten würde», ist Schuster überzeugt. Er erfuhr am Mittwochnachmittag von den anderen Kindern, was geschehen war. «Sie haben es wohl wie eine Verfolgungsjagd empfunden. Es war sehr bedrückend für sie.» Bernd Mesovic, Sprecher von «Pro Asyl», der Initiative, die die Einführung des Bleiberechts in Deutschland durchgesetzt hat, ist überzeugt, dass die Abholung Tarkans für die anderen Kinder traumatisch ist. «Sie sehen, wie es auch ihnen einmal gehen könnte.» Schuster bedauert das Schicksal seines Schützlings umso mehr, da der Hans-Thoma-Schüler zuletzt gute Noten bekommen habe. «Dieser Junge hat Deutschland als seine Heimat betrachtet , war hier schon im Kindergarten», weiß er. Von 2006 bis zu diesem Sommer habe Tarkan versucht, in der Türkei Fuß zu fassen. «Aber er kam zurück und sagte klipp und klar, die Türkei sei nicht sein Land, dort fühle er sich bedroht.» Die anderen Kinder in der Flüchtlingsunterkunft seien wütend, traurig und fassungslos über das Geschehene, schrieben Briefe an Tarkan. Sein Bild hängt noch in der Homburger VHS – das ist von Tarkans Leben in Deutschland übriggeblieben. http://www.fnp.de/tz/region/lokales/rmn01.c.5347291.de.htm
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