WALI-Theaterstück
„Lasst euch nicht verführen!“
„Lasst euch nicht verführen!“ Das ist der zentrale Appell einer antifaschistischen szenischen Collage, den neun Mitglieder der WALI-Theatergruppe im Evgl. Gemeindezentrum Niedergirmes vor 200 Zuschauern ausbrachten.
Das Eingangsbild erinnert an die offizielle Gedenkfeier für die elf Opfer der NSU-Terrorzelle, die am 23. Februar 2012 „in würdevoller Atmosphäre“ in Berlin stattfand. Irmtraud Franken fand als TV-Kommentatorin lobende Worte für die „von Empathie und staatsbürgerlicher Verantwortung getragene Rede“ der Frau Bundeskanzlerin.
Ja, die Bundesrepublik sei inzwischen eine bunte Republik geworden, die sich „gegen Extremismus gleich welcher Couleur entschlossen zur Wehr“ setze. Ein Schwenk zur Herrentoilette des Bundestages gewährte Einblicke in die Gedankenwelt zweier Bundestagsabgeordneter der „bürgerlichen Mitte“ (Gisela Zentgraf und Sonja Peter richteten dabei am Urinal fachmännlich ihren Hosenbund). Die hatten soeben für die Aufhebung der Immunität von linken Parlamentskollegen votiert, weil die sich an Straßenblockaden gegen Neonazi-Aufmärsche beteiligt hatten. In der Damentoilette war die Konversation derweil deutlich harmloser: „Ach, Frau Berben, wo wir uns jetzt persönlich begegnen, wie schaffen Sie es nur, im vorgerückten Alter immer noch so jung auszusehen?“.
Ein gleichfalls der „unverdächtigen Mitte“ zugerechnetes Meinungsmedium, die BILD-Zeitung, wurde mit geifernden Schlagzeilen auf das Publikum losgelassen: „Auf den Schulhöfen muss Deutsch gesprochen werden!“ – „Wir müssen alle länger arbeiten!“ – „Muslimische Machos schikanieren christliche Minderheit!“ – „Wann drehen wir den Griechen endlich den Geldhahn zu?“. Ein typischer BILD-Leser hatte die Botschaft verstanden: „Heut’ reicht net ein Adolf, heut’ bräucht mer zwei!“ Dass Adolf (das Original) nicht „vom Himmel gefallen“ war, sondern von den herrschenden Eliten in den Sattel gehoben wurde, machte Sebastian Keller klar, der mit rollendem „R“aus Hitlers „Bewerbungsrede“ vor dem Düsseldorfer Industrieclub zitierte. Klaus Hermann tippte derweil auf einer prähistorischen Schreibmaschine jene im November 1932 verfasste Eingabe von führenden Industriellen und Bankern an den Reichspräsidenten v. Hindenburg, dieser möge doch bitte den NSDAP-Führer an der Regierung beteiligen. Deutschlands „Arbeiter der Stirn und der Faust“ wurden derweil plakativ dazu verführt, „dem einfachen Frontsoldaten A.H.“ ihre Stimme zu geben.
Heute kommen solche „unmoralischen Angebote“ aus dem Netz oder werden von der NPD als Schulhof-CD verteilt: „Bauernsterben und Schlendrian – Korruption und Eurowahn: Doch es ist noch nicht zu spät in diesem Land, wenn der Wind sich dreht in diesem Land“, wurde mit eingängigen, von linken Rockgruppen der 70er Jahre geklauten Rhythmen schaurig-schön intoniert.
Nachhaltig erinnert wurde im WALI-Stück daran, dass der Hitler-Faschismus die millionenfache Verführung zu Mord und Selbstmord mit sich brachte und die Erfahrung aus dem 1. Weltkrieg – „Der Krieg ist für die Reichen – der Mittelstand muss weichen – das Volk stellt die Leichen“ – vergessen zu machen versuchte. WALI-Vorsitzende Susanne Sievers zeigte sich mit der in Wetzlar geleisteten Kulturarbeit ihrer Organisation zufrieden: „Wer nicht auf der Bühne stehen mochte, hat sich bei der Gestaltung der Kulissen betätigt oder beim Anrichten der Speisen und Getränke. Wir verbinden Kulturarbeit mit Politik und sozialem Engagement. Das ist wichtig und richtig. Viele werden einbezogen.“ KP
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