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Keine Abschiebungen nach Afghanistan! |
Presseerklärung Frankfurt, den 16. April 2008 Keine Abschiebungen nach Afghanistan! Flüchtlingsrat fordert Innenminister Bouffier auf, sich auf der IMK für bundesweiten Abschiebestopp einzusetzen Hessenweite Regelung angemahnt
Der Hessische Flüchtlingsrat fordert Innenminister Bouffier auf, sich bei der heute beginnenden Innenministerkonferenz der Länder im brandenburgischen Bad Saarow für einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan einzusetzen. Falls auf der IMK kein genereller Abschiebungsstopp beschlossen wird, sollte der Innenminister zumindest für Hessen die Abschiebungen für sechs Monate aussetzen, wozu er nach dem Aufenthaltsgesetz berechtigt wäre. Der Flüchtlingsrat unterstützt daher ausdrücklich den Beschluss des Landtages, der den Innenminister aufgefordert hatte, einen Abschiebestopp zu erlassen.
Sich auf das kürzlich ergangene Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zurückzuziehen, wie es der Innenminister in den vergangenen Tagen getan hat, ist hingegen irreführend – der VGH hat die Verantwortung für einen Abschiebestopp explizit an die Politik zurückverwiesen. So schreibt der VGH in dem angeführten Urteil: „Die vom Senat getroffene Entscheidung bedeutet nicht, dass eine Abschiebung des Klägers nach Afghanistan völlig bedenkenfrei möglich wäre. Aufgrund der vom Gesetzgeber (...) getroffenen Entscheidung, die Risikoabwägung und die Verantwortung dafür bei bestimmten Gefährdungslagen und beim subsidiären Schutz von Flüchtlingen von der administrativen auf die politische Ebene zu verlagern, sind die Verwaltungsgerichte zu äußerster Zurückhaltung bei der Feststellung individueller Abschiebungsverbote (...) verpflichtet.“ (8 UE 1913/06.A)
Landesweite Abschiebestopps sind durchaus eine übliche Praxis der Bundesländer, so setze Mecklenburg-Vorpommern vor einiger Zeit Abschiebungen nach Togo aus, einige Bundesländer verhängten Abschiebestopps nach Sri Lanka. In Hamburg gilt derzeit noch ein Abschiebestopp zumindest für Familien aus Afghanistan.
„Afghanistan ist eines der unsichersten Länder auf der Welt – sowohl die Sicherheitslage als auch die humanitäre Situation sind katastrophal. Jegliche Abschiebung dorthin ist aus unserer Sicht völlig unverantwortlich“ erklärte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, die Lage in Afghanistan. „Diverse Gutachten belegen, dass es für abgeschobene Flüchtlinge noch schwieriger ist, ihr Überleben zu sichern, als für die normale Bevölkerung, da die Abgeschobenen auf keine Familien- oder Clanstrukturen zurückgreifen können, die die einzigen sozialen Sicherungssysteme in Afghanistan darstellen“.
Auch das Argument, es würden zuerst Straftäter abgeschoben, erweist sich bei näherem Hinsehen als vorgeschoben: Von den 54 Afghanen, die zwischen Mai 2005 und März 2007 abgeschoben wurden, weist die Statistik ganze zwei als Straftäter aus (Bundestagsdrucksache 16/6252). Zudem wird als „Straftäter“ schon geführt, wer zu einer Straft von mehr als 50 Tagessätzen verurteilt wurde – dies kann auch z.B. durch einige wenige Verstoße gegen die Residenzpflicht geschehen.
Hessen ist nach Hamburg das Bundesland, in dem die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan leben – landesweit sind über 800 von ihnen von Abschiebung bedroht, im letzten Jahr wurden 27 von ihnen abgeschoben. Der Erlass des Hessischen Innenministeriums hierzu sieht vor, dass zuerst alleinstehende junge Männer abgeschoben werden sollen, danach jedoch auch Ehepaare, Familien mit Kindern und auch alleinstehende Frauen. Als „alleinstehende junge Männer“ gelten den Behörden allerdings auch diejenigen, die hier mit ihren Eltern und Geschwistern leben, jedoch das 18. Lebensjahr vollendet haben. Aus Nordrhein-Westfalen wurde vor Kurzem bereits eine Familie mit kleinen Kindern mit der zynischen Begründung nach Afghanistan abgeschoben, man habe keine alleinstehenden jungen Männer mehr.
Gez. Timmo Scherenberg, Geschäftsführer Hessischer Flüchtlingsrat
Weitere Informationen zu Abschiebungen nach Afghanistan finden sich in der Bundestag-Drucksache 16/6252: http://dip.bundestag.de/btd/16/062/1606252.pdf
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